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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. IV ZR 437/15
  5. Verkündet am:
  6. 5. April 2017
  7. Schick
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 278
  19. Zu den Voraussetzungen der Zurechnung des Vermittlerhandelns beim Abschluss
  20. eines Kapitalanlagegeschäfts (hier einer fondsgebundenen Lebensversicherung, Abgrenzung zum Senatsurteil vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 und
  21. zum Senatsbeschluss vom 26. September 2012 - IV ZR 71/11, r+s 2013, 117).
  22. BGH, Urteil vom 5. April 2017 - IV ZR 437/15 - OLG Oldenburg
  23. LG Osnabrück
  24. ECLI:DE:BGH:2017:050417UIVZR437.15.0
  25. -2-
  26. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Felsch,
  27. die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann, die Richterinnen
  28. Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom
  29. 5. April 2017
  30. für Recht erkannt:
  31. Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des
  32. 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom
  33. 27. Juli 2015 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  34. Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  35. Von Rechts wegen
  36. Tatbestand:
  37. 1
  38. Der Kläger begehrt von der in Liechtenstein ansässigen Beklagten
  39. Schadensersatz wegen der angeblichen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines fondsg ebundenen Lebensversicherungsvertrages.
  40. 2
  41. Im November 2004 zeichnete er die streitgegenständliche Kapita llebensversicherung mit einer Laufzeit von 12 Jahren. Die Beiträge von
  42. insgesamt 50.000 €, die der Kläger in fünf Teilbeträgen von Ende 2004
  43. bis Ende 2008 einzahlte, wurden in einen Anlagestock investiert, dessen
  44. Wertentwicklung die Höhe der Auszahlung am Laufzeitende bestimmen
  45. -3-
  46. sollte, wobei der Kläger die Wahl zwischen zwei vorgegebenen Fonds
  47. hatte. Er entschied sich für einen Fonds, der US-amerikanische Risikolebensversicherungen aufgrund sog. Lebenserwartungsgutachten aufkau fte (so genannte Traded Senior Life Interests, kurz: TSLI). Nach dem Ve rtrag sollte der Kläger im Erlebensfall bei Vertragsende den Gegenwert
  48. der Fondsanteile ausgezahlt erhalten, während für den Todesfall ein B etrag von 60% der Gesamtbeitragssumme garantiert wurde.
  49. 3
  50. Dem Vertragsabschluss vorausgegangen war ein Beratungsgespräch mit dem Zeugen O.
  51. C.
  52. , einem Mitarbeiter der unabhängigen
  53. AG, der dem Kläger unter anderem die Versicherungsbedin-
  54. gungen, ein so genanntes "fact sheet", eine Beschreibung der fondsgebundenen Lebensversicherung, eine Broschüre und eine Kundenpräsentation aushändigte.
  55. 4
  56. Wie auch den dem Kläger jährlich übersandten Anlageberichten zu
  57. entnehmen ist, entwickelte sich der Fonds nicht wie erwartet - hauptsächlich deshalb, weil die in den erworbenen Lebensversicherungen ve rsicherten Personen in den USA länger lebten (bzw. noch leben) als in
  58. den Lebenserwartungsgutachten prognostiziert. Deshalb wurde zum
  59. 31. Dezember 2010 eine Neubewertung der Policen vorgenommen, die
  60. zu einer erheblichen Abwertung führte. Der dem Kläger mitgeteilte Anl agewert per 31. Dezember 2012 betrug nur noch 15.589,04 €.
  61. 5
  62. Der Kläger beanstandet eine unzureichende und fehlerhafte Aufklärung über das Anlageprodukt mit seinem erheblichen Verlustrisiko.
  63. Auch der Zeuge O.
  64. habe die unzureichenden Informationen aus
  65. den übergebenen Materialien nicht etwa klargestellt, sondern die Vers i-
  66. -4-
  67. cherung als eine für die Altersvorsorge hervorragend geeignete Anlage
  68. mit äußerst geringem Risiko angepriesen.
  69. 6
  70. Der Kläger behauptet, dass er die Anlage bei korrekter Aufklärung
  71. nicht gezeichnet hätte und ihm über die Anlage hinaus Zinsen aus einer
  72. anderen Kapitallebensversicherung entgangen seien, die er im Hinblick
  73. auf die streitgegenständliche Anlage beitragsfrei gestellt habe. Als E rsatz seines Vertrauensschadens hat er deshalb die Rückzahlu ng der geleisteten Versicherungsbeiträge, 4% Zinsen als entgangenen Gewinn ,
  74. Verzugszinsen sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsa nwaltskosten verlangt.
  75. 7
  76. Vor dem Landgericht hat die Klage bis auf einen Teil der geltend
  77. gemachten Verzugszinsen Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht hat die
  78. Berufung der Beklagten im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten, mit der sie
  79. weiter das Ziel der Klageabweisung verfolgt.
  80. Entscheidungsgründe:
  81. 8
  82. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  83. 9
  84. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich der Abschluss
  85. der streitgegenständlichen Versicherung bei wirtschaftlicher Betrachtung
  86. als Anlagegeschäft darstelle, weshalb die Beklagte verpflichtet gewesen
  87. sei, den Kläger bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle
  88. -5-
  89. für seinen Anlageentschluss bedeutsamen Umstände verständlich und
  90. vollständig zu informieren, insbesondere über die mit der angebotenen
  91. Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken. Hiervon ausg ehend habe der Zeuge O.
  92. den Kläger unzureichend und fehlerhaft
  93. beraten. Im Rahmen der vom Anlageberater geschuldeten anlegerg erechten Beratung müssten die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden berücksichtigt und sein Anlageziel abgeklärt werden;
  94. die empfohlene Anlage müsse unter Berücksichtigung dieses Anlageziels
  95. auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sei n. Es
  96. könne dahinstehen, ob die übergebenen Produktunterlagen zur hinre ichenden Aufklärung in schriftlicher Form geeignet gewesen seien. Die
  97. Empfehlung einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit dem damit
  98. verbundenen Verlustrisiko sei angesichts des Anlageziels der Altersvorsorge fehlerhaft gewesen.
  99. 10
  100. Diese fehlerhafte Beratung sei der Beklagten gemäß § 278 BGB
  101. zuzurechnen. Der Vermittler sei als ihr Berater aufgetreten. In den
  102. schriftlichen Unterlagen sei auf die Betreuung bzw. Beratung durch einen
  103. Vermittler verwiesen worden; der Zeuge habe als solcher unterschrieben.
  104. Die Beklagte habe sich zur umfassenden Erfüllung ihrer vorvertraglichen
  105. Pflichten des Zeugen bedient und damit verdeutlicht, dass sie sich seine
  106. Erklärungen und Informationen zu Eigen mache. Insoweit müsse sie sich
  107. auch unrichtige oder unvertretbare Auskünfte zurechnen lassen, die i nnerhalb der Grenzen ihrer eigenen Auskunftspflicht grundsätzlich nicht
  108. geschuldet gewesen seien.
  109. 11
  110. Die Beklagte könne sich nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Sie habe nicht darauf vertrauen können, dass sich die B e-
  111. -6-
  112. ratung zum streitgegenständlichen Produkt nicht an den Grundsätzen für
  113. Anlagegeschäfte zu orientieren habe.
  114. 12
  115. Des Weiteren sei der Anspruch des Klägers nicht verjährt. Die Ve rjährung habe gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres begonnen, in dem der Anspruch entstanden sei und in dem der
  116. Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt
  117. habe. Das sei nicht vor dem Jahr 2011 der Fall gewesen. Der B eklagten
  118. sei nicht der Nachweis gelungen, dass der Kläger schon früher erkannt
  119. oder grob fahrlässig verkannt habe, dass ein Kapitalverlustrisiko bestehe
  120. und der Zeuge O.
  121. ihn insoweit fehlerhaft beraten habe. Das En-
  122. de 2012 vom Kläger eingeleitete Güteverfahren habe sodann die Verjährung gehemmt. Diese Hemmung habe gemäß § 204 Abs. 2 BGB erst
  123. sechs Monate nach der erfolglosen Beendigung des Güteverfahrens
  124. (dies war am 2. August 2013) geendet.
  125. 13
  126. Der Kläger könne nach § 280 BGB auch den zuerkannten entgangenen Anlagegewinn beanspruchen. Insoweit stehe fest, dass der Kläger
  127. im Falle ordnungsgemäßer Beratung seine bis dahin bediente Kapitall ebensversicherung bei einem anderen Versicherer als konkrete Alternativanlage fortgeführt hätte. Auf den entgangenen Gewinn könne der Kläger ab Vorliegen der Voraussetzungen zusätzlich den gesetzlichen Zin ssatz nach § 247 BGB verlangen.
  128. 14
  129. II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden
  130. Punkt nicht stand.
  131. -7-
  132. 15
  133. 1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass es sich bei dem Erwerb der streitgegenständlichen
  134. Lebensversicherung durch den Kläger wirtschaftlich betrachtet um ein
  135. Kapitalanlagegeschäft handelt.
  136. 16
  137. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Charakter, der Funktionsweise und den sonstigen Eigenheiten der angebotenen Versicherung in Verbindung mit den Informationsunterlagen der Beklagten tragen
  138. die Einordnung als ein Produkt, das den Informationspflichten für Kap italanlageprodukte unterfällt, in revisionsrechtlich unangreifbarer Weise.
  139. Das Berufungsgericht hat sich insoweit an den Vorgaben der Senat srechtsprechung (Senatsurteil vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11, BGHZ
  140. 194, 39 Rn. 53; Senatsbeschluss vom 26. September 2012 - IV ZR
  141. 71/11, r+s 2013, 117 Rn. 26) orientiert.
  142. 17
  143. Insbesondere rügt die Revision zu Unrecht, das Berufungsgericht
  144. habe verkannt, dass die Versicherung des Todesfallrisikos gegenüber
  145. der Renditeerwartung von untergeordneter Bedeutung sein müsse; eine
  146. solche untergeordnete Bedeutung hat es im Gegenteil ausdrücklich festgestellt. Dabei handelt es sich - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - um eine vertretbare tatrichterliche Würdigung, zumal
  147. die Todesfallleistung nur 60% der Einzahlungen beträgt und deshalb d avon auszugehen ist, dass sie nach den Vorstellungen des Versicherungsnehmers im Anlagezeitpunkt unter dem erwarteten Anteilswert li egen dürfte, weil er sich in erster Linie eine Vermehrung der eingezahlten
  148. Beträge erhoffte.
  149. 18
  150. 2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass sich die Beklagte hinsichtlich der von ihr zu erfüllenden An-
  151. -8-
  152. forderungen an die Aufklärung der Versicherungsnehmer nicht auf einen
  153. unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen kann.
  154. 19
  155. Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegt es dem Schuldner darzutun
  156. und gegebenenfalls zu beweisen, dass er eine etwaige Pflichtverletzung
  157. nicht zu vertreten hat. Die Voraussetzungen eines unverschuldeten
  158. Rechtsirrtums hat die Beklagte nicht dargelegt. Nach ständiger Rech tsprechung des Bundesgerichtshofs fordert der Geltungsanspruch des
  159. Rechts, dass der Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines Irrtums
  160. über die Rechtslage selbst trägt. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt
  161. daher regelmäßig nur dann vor, wenn er die Rechtslage unter Einbezi ehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und
  162. bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auch mit einer a nderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Ein so lcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen, wenn der Schuldn er eine
  163. gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung für seine Auffassung in A nspruch nehmen konnte und eine spätere Änderung derselben nicht zu
  164. befürchten brauchte. Musste er dagegen mit der Möglichkeit rechnen,
  165. dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen würde als er, ist ihm regelmäßig ein Verschulden anzulasten (st.
  166. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - II ZR 23/14, BGHZ 207,
  167. 144 Rn. 37 f. m.w.N.).
  168. 20
  169. Nach diesem Maßstab hat das Berufungsgericht einen unverschuldeten Rechtsirrtum der Beklagten über Inhalt und Reichweite ihrer Au fklärungspflichten rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, dass die
  170. Beklagte schon aufgrund der älteren Rechtsprechung des Bundesg erichtshofs - wie etwa dem Urteil vom 9. Juli 1998 (III ZR 158/97, VersR
  171. 1998, 1093) - mit einer Anwendung der Kapitalanlagevorschriften und
  172. -9-
  173. entsprechend weitergehenden Aufklärungspflichten rechnen musste.
  174. Entgegen der Auffassung der Revision musste die Beklagte nicht erst
  175. aufgrund der Senatsentscheidungen vom 11. Juli 2012 (u.a. IV ZR
  176. 164/11, BGHZ 194, 39) mit der Möglichkeit rechnen, dass auch der Ve rtrieb von Kapitallebensversicherungen unter weiteren Voraussetzungen
  177. zusätzlich den Aufklärungspflichten von Kapitalanlageprodukten unterli egen kann. Vielmehr hat der Senat auch der dortigen Beklagten eine
  178. schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung unter Hinweis auf bereits vo rhandene Rechtsprechung, unter anderem das vorzitierte Urteil vom
  179. 9. Juli 1998, angelastet (Senat aaO Rn. 51, 53).
  180. 21
  181. 3. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber eine der Beklagten zuzurechnende Aufklärungspflichtverletzung bejaht.
  182. 22
  183. a) Es hat eine unzureichende schriftliche Aufklärung über die B esonderheiten des angebotenen Produkts und die mit ihm verbundenen
  184. Nachteile und Risiken nicht festgestellt, sondern ausdrücklich offen gelassen, ob die schriftlichen Unterlagen der Beklagten den Anforderungen
  185. an die Informationspflichten bei der streitgegenständlichen Versicherung
  186. genügten. Letzteres ist deshalb für das Revisionsverfahren zu unte rstellen.
  187. 23
  188. b) Zu Recht rügt die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht
  189. eine fehlerhafte Beratung durch den Zeugen O.
  190. angenommen
  191. hat, die der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnen sei. Zwar kann das
  192. Verhalten eines Versicherungsmaklers oder selbständigen Vermittlers,
  193. der als Vertragspartner des Versicherungsnehmers für diesen tätig ist,
  194. ausnahmsweise auch dem Versicherer zuzurechnen sein. Das setzt aber
  195. voraus, dass der Vermittler zugleich Aufgaben, die typischerweise dem
  196. - 10 -
  197. Versicherer obliegen, mit dessen Wissen und Wollen übernimmt und damit in dessen Pflichtenkreis tätig wird (Senatsurteile vom 12. März 2014
  198. - IV ZR 306/13, BGHZ 200, 286 Rn. 22; vom 11. Juli 2012 - IV ZR
  199. 164/11, BGHZ 194, 39 Rn. 51). Insoweit fehlt es an tragfähigen Feststellungen dazu, dass ein solches Handeln des Zeugen im Pflichtenkreis der
  200. Beklagten vorgelegen hat.
  201. 24
  202. aa) Zu den originären Pflichten des Anbieters eines Kapitalanlageprodukts gehört eine richtige und vollständige Information über das Produkt; dies umfasst die zutreffende Beschreibung der damit verbundenen
  203. Chancen und Risiken, nicht jedoch deren Bewertung, die nur im Rahmen
  204. eines
  205. Beratungsvertrages
  206. geschuldet
  207. wird
  208. (Senatsbeschluss
  209. vom
  210. 26. September 2012 - IV ZR 71/11, r+s 2013, 117 Rn. 26). Soweit die
  211. schriftlichen Unterlagen eine ausreichende Darstellung der Funktion des
  212. Produkts und der mit ihm verbundenen Chancen und Risiken enthielten,
  213. kann deshalb ein bloßes Unterlassen weiterer bewertender Hinweise
  214. keine Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten begründen.
  215. 25
  216. In dem Fall, der dem Senatsbeschluss vom 26. September 2012
  217. zugrunde lag, hat der Senat wesentlich darauf abgestellt, dass der Ve rmittler zusammen mit dem Versicherer als Anbieter eines gemeinsamen
  218. kombinierten Anlageprodukts aufgetreten war (Senatsbeschluss vom
  219. 26. September 2012 aaO Rn. 31). Derartige Besonderheiten sind im
  220. Streitfall nicht festgestellt. Anders als in den Fällen, die den Senatsurteilen vom 11. Juli 2012 (IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39; IV ZR 151/11, juris;
  221. IV ZR 286/10, VersR 2012, 1237; IV ZR 271/10, WM 2012, 1577) zugrunde lagen, ist auch nicht festgestellt, dass der Vermittler im Rahmen
  222. eines Strukturvertriebs tätig war, in dem die Beklagte ihre Versicheru ngen unter Verzicht auf ein eigenes Vertriebssystem veräußerte. Der Klä-
  223. - 11 -
  224. ger hat im Gegenteil bereits in der Klageschrift vorgetragen, dass der
  225. Vertrieb auch über eine konzernzugehörige Aktiengesellschaft durchgeführt worden sei. Eine Verletzung der derart beschränkten Produktaufklärungspflicht durch den Zeugen O.
  226. hat das Berufungsgericht
  227. nicht festgestellt.
  228. 26
  229. (1) Allerdings müssen auch im Rahmen dieser Pflicht nicht geschuldete weitergehende Auskünfte, wenn sie gleichwohl abgegeben
  230. werden, richtig oder jedenfalls ex ante vertretbar sein und dürfen kein
  231. unzutreffendes Bild zeichnen (Senatsbeschluss vom 26. September 2012
  232. aaO Rn. 29). Einen solchen Verstoß hat das Berufungsgericht möglicherweise annehmen wollen, indem es von einer Verharmlosung des in den
  233. schriftlichen Unterlagen dargestellten Risikos durch de n Vermittler ausgegangen ist.
  234. 27
  235. (2) Diese Annahme wird jedoch von seinen weiteren Feststellu ngen ebenfalls nicht getragen.
  236. 28
  237. Es hat gerade keine konkreten Feststellungen zu unzutreffenden
  238. oder unvertretbaren Erklärungen des Zeugen O.
  239. getroffen, die
  240. die - unterstellt richtige - Aufklärung in den schriftlichen Unterlagen entwertet, verharmlost oder in ihr Gegenteil verkehrt hätten. Es hat vielmehr
  241. ausgeführt, dass von dem Kapitalverlustrisiko in den Gesprächen keine
  242. Rede gewesen sei - offenbar weil der Zeuge O.
  243. selbst die Risi-
  244. ken nicht vollauf durchschaut und einen Totalverlust subjektiv für nicht
  245. vorstellbar gehalten habe.
  246. 29
  247. Dass er dieses gegenüber dem Kläger so geäußert hätte, legt das
  248. Berufungsgericht dem Zeugen aber nicht zur Last, sondern lediglich ein
  249. - 12 -
  250. Unterlassen im Rahmen der seiner Meinung nach geschuldeten anlegergerechten Beratung. Der Berater müsse erforderlichenfalls darauf hinweisen, dass Anlagehaltung und erstrebtes Anlageziel nicht kompatibel
  251. seien. Solle das beabsichtigte Geschäft einer sicheren Geldanlage dienen, sei die ohne weitere Hinweise auf Kapitalverlustrisiken ausgespr ochene Empfehlung einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit einer
  252. Investition in einen Fonds der streitgegenständlichen Art wegen des damit verbundenen Verlustrisikos fehlerhaft.
  253. 30
  254. Dadurch, dass eine durch positiv abgegebene Erklärungen des
  255. Vermittlers erfolgte Entwertung der schriftlichen Darstellung nicht festg estellt ist, unterscheidet sich die Streitsache entscheidend von dem Fal l,
  256. der dem Senatsbeschluss vom 26. September 2012 zugrunde lag. Dort
  257. hatte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Vermit tler die - insoweit nur unterstellte - hinreichende schriftliche Risikoaufklärung im Prospekt durch seine mündlichen Ausführungen unterlaufen und
  258. die bestehenden Risiken irreführend abgeschwächt und unzulässig ve rharmlost hatte (Senatsbeschluss vom 26. September 2012 - IV ZR 71/11,
  259. r+s 2013, 117 Rn. 23).
  260. 31
  261. bb) Eine Pflichtverletzung des Zeugen durch eine wegen unterlassener Risikohinweise sowie der Unvereinbarkeit von Anlageziel und A nlageeigenschaften fehlerhafte Produktempfehlung wäre nur dann im
  262. Pflichtenkreis der Beklagten erfolgt, wenn diese nicht nur die Aufklärung
  263. über ihr angebotenes Produkt, sondern darüber hinaus auch eine anlage- und anlegergerechte Beratung, etwa aufgrund eines zwischen den
  264. Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrages (vgl. dazu BGH, Versäumnisurteil vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, VersR 2007, 991
  265. Rn. 10), geschuldet hätte. Für die Annahme eines derartigen Vertrags-
  266. - 13 -
  267. schlusses bereits im Vorfeld des Abschlusses der Lebensversicherung
  268. mit den entsprechend weitergehenden Pflichten reichen die Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht aus.
  269. 32
  270. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung
  271. von Anlagevermittlung und Anlageberatung liegt regelmäßig eine Anl ageberatung vor, wenn der Kapitalanleger selbst keine ausreichenden
  272. wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wir tschaftliche Zusammenhänge hat und deshalb von seinem Vertragspartner nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere
  273. deren - häufig auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene fachkundige Bewertung und Beurteilung erwartet, die er, der Kapitala nleger, auch besonders honoriert. Demgegenüber hat der Anlagevermittler
  274. in der Regel für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapita lsuchenden und auch mit Rücksicht auf eine ihm von diesem versproch ene Provision den Vertrieb übernommen, wobei der Kapitalanleger von
  275. dem Anlagevermittler in erster Linie eine Auskunftserteilung über die ta tsächlichen Umstände der ins Auge gefassten Anlageform erwartet (BGH,
  276. Urteil vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11, VersR 2012, 1038 Rn. 15
  277. m.w.N.).
  278. 33
  279. Feststellungen dazu, dass der Kläger ausdrücklich oder den Umständen nach gerade von der Beklagten als Anbieterin der später abgeschlossenen Lebensversicherung eine Bewertung und Beurteilung in se inem Interesse erwarten durfte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
  280. Vielmehr sprechen der Umstand, dass es sich nach den Feststellungen
  281. der Vorinstanzen bei der C.
  282. AG, für die der Zeuge O.
  283. tä-
  284. tig war, um einen unabhängigen Vermittler handelte, und der Hergang,
  285. wie es zum Vertragsabschluss kam, weitaus mehr dafür, dass es sich bei
  286. - 14 -
  287. dem Zeugen um einen vom Kläger beauftragten Berater handelte, der
  288. nicht im Lager der Beklagten stand, sondern allein die Aufgabe hatte,
  289. den Kläger im Hinblick auf verschiedene alternative Anlagemöglichkeiten
  290. und nicht nur im Hinblick auf den möglichen Abschluss einer Lebensversicherung zu beraten. Nach den Angaben des Klägers bei seiner Anhörung sowie der entsprechenden Feststellung des Berufungsgerichts war
  291. es so, dass das Gespräch mit dem Zeugen allgemein eine Investition sänderung und Kapitalanlagemöglichkeit für den Kläger zum Gegenstand
  292. hatte, zu diesem Zweck von dessen Steuerberater angestoßen war und
  293. in dem Gespräch verschiedene Anlagemöglichkeiten - wie unter anderem
  294. Schiffsbeteiligungen - erörtert und ausgeschieden wurden, ehe man sich
  295. der hier streitgegenständlichen Lebensversicherung zuwandte. Eine gesonderte Honorierung der Beklagten für die Beratung ist ebenfalls weder
  296. festgestellt noch ersichtlich.
  297. 34
  298. Unter diesen Umständen kommt alleine dem Umstand, dass in den
  299. schriftlichen Vertragsunterlagen verschiedentlich auf eine Betreuung
  300. bzw. Beratung durch einen Vermittler verwiesen worden ist, im Hinblick
  301. auf den Abschluss eines Anlageberatungsvertrages mit der Beklagten
  302. kein abweichender Erklärungswert zu.
  303. 35
  304. c) Das Berufungsgericht wird deshalb die von ihm bislang offen gelassene Frage eigener Aufklärungspflichtverletzungen der Beklagten e rneut zu prüfen haben.
  305. 36
  306. 4. Diese Prüfung ist nicht im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entbehrlich.
  307. - 15 -
  308. 37
  309. a) Soweit das Berufungsgericht eine grob fahrlässige Unkenntnis
  310. des Klägers von den anspruchsbegründenden Umständen bereits au fgrund der Kenntnisnahme von in den Jahresberichten fortwährend au sgewiesenen Verlusten verneint hat, hält das revisionsrechtlicher Übe rprüfung stand. Ob und wann sich bei Kenntnisnahme einer negativen
  311. Entwicklung der Schluss auf eine fehlerhafte Aufklärung aufdrängt und
  312. deshalb grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist, ist grundsätzlich eine Fr age des Einzelfalls, die der Beurteilung durch den Tatrichter aufgrund einer Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven U mstände unterliegt (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 - IV ZR 88/11,
  313. VersR 2013, 1457 Rn. 12).
  314. 38
  315. Unabhängig davon ist die Frage grob fahrlässiger Unkenntnis o hnehin neu zu beurteilen, sofern das Berufungsgericht erneut einen Sch adensersatzanspruch aufgrund einer anderen als der bislang von ihm a ngenommenen Pflichtverletzung feststellen sollte.
  316. 39
  317. b) Entgegen der Auffassung der Revision kann der Senat eine Verjährung auch nicht deshalb feststellen, weil der Ende 2012 gestellte Güteantrag keine Verjährungshemmung bewirkt hätte. Dazu fehlt es an
  318. tragfähigen Feststellungen des Berufungsgerichts.
  319. 40
  320. Dieses ist zu Recht davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Anspruch inhaltlich im Güteantrag genügend individualisiert worden ist; dies greift die Revision auch nicht an. Derzeit offen bleiben kann,
  321. ob das Berufungsgericht weiter zu Recht angenommen hat, dass es sich
  322. bei dem Antrag um einen Individualantrag und nicht um einen Sammelantrag nach § 4 der Verfahrensordnung der Schlichtungsstelle handelte.
  323. Denn Feststellungen dazu, dass der Antrag im letztgenannten Fall den
  324. - 16 -
  325. Anforderungen der Verfahrensordnung nicht genügt hätte, hat das Ber ufungsgericht nicht getroffen. Nach § 4 Abs. 2 der Verfahrensordnung
  326. kann ein gemeinschaftlicher Antrag auch dann gestellt werde n, "wenn
  327. gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen
  328. und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den
  329. Gegenstand des Streitgegenstandes bilden." Ob das hier der Fall ist,
  330. kann vom Senat nicht abschließend beurteilt werden. Im Streitfall liegt es
  331. aufgrund des Antragsinhalts nahe, kann aber zumindest nicht ausg eschlossen werden, dass sich eine solche Gleichartigkeit aus den dem
  332. Antrag beigefügten Schreiben, die bisher nicht vollständig zu den Akten
  333. gereicht sind, ergibt. Dem müsste das Berufungsgericht nachgehen, soweit es hierauf ankommen sollte.
  334. 41
  335. III. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf
  336. hin, dass im Falle erneuter Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach
  337. dem Kläger nicht für ein und denselben Zeitraum sowohl entgangene A nlagezinsen als auch der gesetzliche Zinssatz auf die Hauptforderung zu -
  338. - 17 -
  339. gesprochen werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - IX ZR
  340. 140/11, BGHZ 202, 324 Rn. 47).
  341. Felsch
  342. Harsdorf-Gebhardt
  343. Dr. Brockmöller
  344. Lehmann
  345. Dr. Bußmann
  346. Vorinstanzen:
  347. LG Osnabrück, Entscheidung vom 19.12.2014 - 7 O 256/14 OLG Oldenburg, Entscheidung vom 27.07.2015 - 8 U 22/15 -