Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

192 lines
9.2 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IV ZR 214/04
  4. vom
  5. 30. November 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk: ja
  8. BGHZ:
  9. nein
  10. BGHR:
  11. ja
  12. _____________________
  13. EGZPO § 26 Nr. 8
  14. Soll mit der beabsichtigten Revision ein einheitlicher vertraglicher Anspruch
  15. weiter verfolgt werden (hier: Anspruch auf Versicherungsleistungen aus der
  16. Hausratversicherung nach Brand), kommt es für den nach § 26 Nr. 8 EGZPO
  17. maßgeblichen Wert des Beschwerdegegenstandes auf die Höhe des Gesamtbetrages an, der im beabsichtigten Revisionsverfahren weiter verfolgt werden
  18. soll; auf die mögliche Selbständigkeit von einzelnen Entschädigungspositionen kommt es nur für eine Teilzulassung der Revision, nicht aber für den Wert
  19. des Beschwerdegegenstandes an.
  20. BGH, Beschluss vom 30. November 2005 - IV ZR 214/04 - OLG Karlsruhe
  21. LG Mannheim
  22. -2-
  23. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richter
  24. Seiffert, Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke
  25. am 30. November 2005
  26. beschlossen:
  27. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird die
  28. Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. August 2004 zugelassen, soweit der Anspruch auf Zahlung von Versicherungsleistungen für die Schadensposition 676 (Sauna
  29. und Zubehör) abgewiesen worden ist.
  30. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
  31. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens,
  32. soweit es ohne Erfolg geblieben ist. Insoweit beträgt der
  33. Wert des Beschwerdegegenstandes für die Gerichtskosten 25.635,27 € und für die außergerichtlichen Kosten
  34. 38.118,97 € mit der Maßgabe, dass diese im Verhältnis
  35. zur Beklagten nur in Höhe von 67% anzusetzen sind.
  36. -3-
  37. Gründe:
  38. 1
  39. I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer bei ihr gehaltenen
  40. Hausratversicherung auf Entschädigung in Anspruch, nachdem der ihr
  41. und ihrem Ehemann gehörende Hausrat bei einem Brand ihres Wohnhauses vollständig zerstört wurde. Dem Versicherungsvertrag liegen die
  42. Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen 1992 (VHB 92) zugrunde. Vorgerichtlich zahlte die Beklagte eine Entschädigung in Höhe von
  43. 76.793,16 €.
  44. 2
  45. Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung weiterer 74.037,95 €
  46. nebst Zinsen abgewiesen, da die Klägerin eine Versicherung des Hausrats zum Neuwert nicht nachgewiesen habe. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht weitere 35.919,98 € zugesprochen, das weitergehende Rechtsmittel jedoch zurückgewiesen und die Revision nicht
  47. zugelassen. Mit der beabsichtigten Revision will die Klägerin das Klagebegehren im Umfang der Abweisung durch das Berufungsgericht weiterverfolgen.
  48. 3
  49. II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig (§ 544
  50. ZPO). Die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO ist überschritten. Dem
  51. steht nicht entgegen, dass sich der von der Klägerin mit der beabsichtigten Revision weiterverfolgte Anspruch auf Entschädigungsleistung aus
  52. Einzelpositionen entsprechend den durch den Brand vernichteten Hausratgegenständen zusammensetzt, die jede für sich genommen die Wertgrenze von 20.000 € nicht übersteigen.
  53. -4-
  54. 4
  55. 1. a) Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach
  56. § 26 Nr. 8 EGZPO ist nicht die Beschwer aus dem Berufungsurteil, sondern der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten
  57. Revisionsverfahren maßgebend. Dabei ist die Wertberechnung nach den
  58. allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen (BGH, Beschlüsse vom 29. September 2004 - IV ZR 145/03 - NJW 2005, 224 unter
  59. II 1; vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02 - NJW-RR 2004, 638 unter
  60. II und vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02 - NJW 2002, 2720 unter II 2). Die
  61. Nichtzulassungsbeschwerde ist demnach zulässig, wenn das Begehren
  62. wenigstens in Höhe von 20.000,01 € weiter verfolgt wird (Musielak/Ball,
  63. ZPO, 4. Aufl. § 544 Rdn. 6). Umgekehrt ist das Rechtsmittel unzulässig,
  64. wenn das Berufungsurteil den Beschwerdeführer zwar mit mehr als
  65. 20.000 € beschwert, dieser sein Rechtsschutzbegehren mit der Revision
  66. aber nur zu einem geringeren, unter der Wertgrenze bleibenden Teil weiter verfolgen will (Musielak/Ball, aaO). Dabei wirkt die Wertgrenze als
  67. Zugangsbeschränkung allein für die Nichtzulassungsbeschwerde. Wird
  68. diese bei einer Beschwer von mehr als 20.000 € unbeschränkt eingelegt,
  69. ist eine Teilzulassung der Revision ebenso zulässig wie - nach Zulassung - eine Beschränkung, auch wenn die Wertgrenze des § 26 Nr. 8
  70. EGZPO insoweit nicht erreicht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni
  71. 2002 aaO unter II 3 c; Musielak/Ball, aaO; Piekenbrock/Schulze, JZ
  72. 2002, 911, 912). Aus dem Wortlaut von § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ergibt
  73. sich, dass der Wert "der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer" dabei durch den vom Rechtsmittelführer beabsichtigten Revisionsantrag festgelegt wird (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2002 aaO unter
  74. II 2; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 26 EGZPO Rdn. 12 f.).
  75. Maßgeblich ist das ursprünglich geltend gemachte Klagebegehren, also
  76. der prozessuale Anspruch, soweit er mit der beabsichtigten Revision
  77. -5-
  78. noch weiter verfolgt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 22. November
  79. 1990 - IX ZR 73/90 - NJW-RR 1991, 1279 unter 2 b für das Rechtsmittel
  80. der Berufung). Dieser den Streitgegenstand bildende Anspruch wird vom
  81. Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung nicht nur durch den Klageantrag bestimmt, sondern auch durch den Klagegrund, also den tatsächlichen Lebensvorgang, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (BGH, Urteil vom 22. November 1990 aaO; vgl. auch BGHZ 7,
  82. 268, 271).
  83. 5
  84. b) Der von der Klägerin in diesem Rechtsstreit geltend gemachte
  85. Entschädigungsanspruch ist ein einheitlicher prozessualer Anspruch. In
  86. beiden Tatsacheninstanzen hat sie die Zahlung einer Geldsumme begehrt, deren rechtliche Grundlage der dem Grunde nach einheitliche,
  87. nicht teilbare vertragliche Entschädigungsanspruch aus einem Versicherungsfall in der Hausratversicherung ist. Die Beklagte hat danach bedingungsgemäß für den bei der Klägerin eingetretenen Versicherungsfall
  88. Ersatz zu leisten. Für den Wert der Beschwer ist demnach auf den Gesamtbetrag abzustellen, mit dem das Klagebegehren gerichtlich geltend
  89. gemacht worden ist und nun noch mit der Revision weiter verfolgt werden soll. Dieser beträgt hier 38.118,97 €. Auf die mögliche Selbständigkeit der Einzelpositionen, die sich aus ihrer hinreichenden Individualisierbarkeit infolge ziffernmäßiger Bestimmtheit ergeben mag (zur daraus
  90. folgenden Teilurteilsfähigkeit vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 1989 - VI
  91. ZR 43/88 - NJW-RR 1989, 1149 unter II 2 und vom 21. Februar 1992 - V
  92. ZR 253/90 - NJW 1992, 1769 unter II 3), und darauf, dass diese Positionen, soweit Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden, jede für
  93. sich genommen die Wertgrenze von 20.000 € nicht übersteigt, kommt es
  94. -6-
  95. nur für eine Teilzulassung der Revision, nicht aber für den Wert des Beschwerdegegenstandes an.
  96. 6
  97. 2. Dem stehen die bisherigen Entscheidungen des Senats nicht
  98. entgegen
  99. (Beschlüsse
  100. vom
  101. 29. September
  102. 2004
  103. aaO
  104. und
  105. vom
  106. 23. Oktober 2002 - IV ZR 154/02 - VersR 2002, 1578 unter 1). In der Unfallversicherung,
  107. die
  108. Gegenstand
  109. des
  110. Senatsbeschlusses
  111. vom
  112. 23. Oktober 2002 ist, handelt es sich bei den Ansprüchen auf Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld und Invaliditätsentschädigung um jeweils
  113. selbständige Leistungen, die gesondert zu vereinbaren sind und dem
  114. Grunde nach auch von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen.
  115. Gegenstand des Beschlusses vom 29. September 2004 sind Ansprüche
  116. aus der Rechtsschutzversicherung. Dabei erreichen die auf Deckungsschutz gerichteten Klageanträge zu 3 bis 5 - selbst wenn es sich insoweit
  117. um die Verfolgung eines einheitlichen, selbständigen Anspruchs gehandelt haben sollte - nicht die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO. Der auf
  118. Schadensersatz gerichtete Klageantrag zu 7 betrifft einen weiteren,
  119. selbständigen Anspruch.
  120. 7
  121. Diese Entscheidungen betreffen somit Fälle, in denen hinsichtlich
  122. mehrerer geltend gemachter selbständiger Ansprüche (objektive Klagehäufung, § 260 ZPO) zwar Zulassungsgründe dargelegt werden, aber
  123. erst die Addition der jeweiligen Beschwerdegegenstände aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu einer Überschreitung der Wertgrenze
  124. des § 26 Nr. 8 EGZPO führen würde. Eine solche Wertaddition bei selbständigen Ansprüchen müsste zu einem Unterlaufen der Wertgrenze führen, die vom Gesetzgeber gerade mit dem Ziel der Begrenzung des Anfalls von Rechtsmitteln für eine Übergangszeit geschaffen wurde (BGH,
  125. -7-
  126. Beschluss vom 27. Juni 2002 aaO unter II 2 b). Sie scheidet deshalb
  127. aus.
  128. 8
  129. Soweit der Senat bei der Bestimmung der Wertgrenze des § 26
  130. Nr. 8 EGZPO bisher auch auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Teilurteilsfähigkeit abgestellt hat, war das - wie vorstehend dargelegt - nicht
  131. entscheidend.
  132. 9
  133. III. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang auch Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
  134. -8-
  135. einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§§ 544 Abs. 2 Satz 3, 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer
  136. weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 2. Halbs. ZPO abgesehen.
  137. Seiffert
  138. Dr. Schlichting
  139. Felsch
  140. Wendt
  141. Dr. Franke
  142. Vorinstanzen:
  143. LG Mannheim, Entscheidung vom 12.12.2002 - 3 O 229/02 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.08.2004 - 12 U 11/03 -