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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZB 78/05
  4. vom
  5. 30. März 2006
  6. in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO § 1060
  14. Für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs kann auch dann ein
  15. rechtlich anzuerkennendes Interesse bestehen, wenn der Schiedsspruch
  16. nicht vollstreckbar ist.
  17. BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - III ZB 78/05 - KG Berlin
  18. - 2 -
  19. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. März 2006 durch den
  20. Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
  21. Dr. Herrmann
  22. beschlossen:
  23. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss
  24. des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. Mai 2005 aufgehoben.
  25. Der Schiedsspruch des Schiedsrichters Dr. R. Hoffmann-Theinert
  26. vom 28. Februar 2005 (DIS-SV-B-36/04) wird insgesamt für vollstreckbar erklärt.
  27. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
  28. Wert des Beschwerdegegenstandes: 110.000 €
  29. Gründe:
  30. I.
  31. Die Antragsgegnerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der
  32. 1
  33. K.
  34. GmbH. Gestützt auf Si-
  35. cherungsabtretungen der Gemeinschuldnerin und eines Zwischenerwerbers der
  36. Forderung macht der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin ein Absonderungsrecht geltend. In einem DIS-Schiedsverfahren
  37. erwirkte
  38. - 3 -
  39. er den Schiedsspruch vom 28. Februar 2005, durch den die Antragsgegnerin
  40. wie folgt verurteilt wurde:
  41. "1. Die Schiedsbeklagte <= Antragsgegnerin> wird verurteilt, an
  42. den Schiedskläger <= Antragsteller> 50.000 € abzüglich der
  43. Kosten gemäß § 171 InsO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen.
  44. 2. Die Schiedsbeklagte wird ferner verurteilt,
  45. a) dem Schiedskläger Auskunft darüber zu erteilen, welche
  46. Beträge die K.
  47. GmbH i.In. aus der Geschäftsbeziehung mit
  48. der D.
  49. GmbH nach Einleitung des Insolvenzverfahrens erhalten
  50. hat sowie die entsprechenden Abrechnungsunterlagen
  51. hierüber vorzulegen.
  52. b) die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides
  53. statt zu versichern.
  54. c) an den Schiedskläger die vereinnahmten Gelder unter Berücksichtigung der Zahlung gemäß Ziffer 1 bis zu einem
  55. Höchstbetrag von 117.298,50 € abzüglich des Kostenbeitrages gemäß § 171 InsO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem Tag, an dem die Schiedsbeklagte den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht
  56. vorzulegen, empfangen hat, auszuzahlen.
  57. 3. Die Schiedsbeklagte trägt die Kosten des schiedsrichterlichen
  58. Verfahrens. Die Festsetzung der Höhe der Kosten erfolgt
  59. durch einen gesonderten Schiedsspruch."
  60. 2
  61. Der Antragsteller begehrt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Das Oberlandesgericht hat den Schiedsspruch bezüglich Nr. 2 Buchst. a
  62. und b des Tenors für vollstreckbar erklärt und den weitergehenden Antrag abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Gesuch,
  63. den Schiedsspruch insgesamt für vollstreckbar zu erklären, weiter.
  64. - 4 -
  65. II.
  66. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des ange-
  67. 3
  68. fochtenen Beschlusses und zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in
  69. vollem Umfang.
  70. 4
  71. 1.
  72. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, soweit die Vollstreckbarerklärung
  73. von Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 der schiedsgerichtlichen Verurteilung begehrt
  74. werde, fehle dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis. Dieser Teil des Schiedsspruchs sei nicht vollstreckbar. Die in Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. c des Tenors genannte gesetzliche Vergütung gemäß § 171 InsO sei keineswegs festgelegt
  75. sondern offen; das gelte entsprechend für die Kostenentscheidung in Nr. 3
  76. Satz 1 des Tenors. Dass der Schiedsspruch - im vorgenannten Umfang - nicht
  77. vollstreckungsfähig sei, müsse im Verfahren der Vollstreckbarerklärung berücksichtigt werden. Diese setze entgegen der Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (NJW-RR 2003, 502, 503) voraus, dass aus dem Schiedsspruch tatsächlich die Zwangsvollstreckung betrieben werden könne.
  78. 5
  79. 2.
  80. Die - jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheit-
  81. lichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) zulässige - Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Oberlandesgericht hat dem Antrag zu Unrecht
  82. teilweise das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen.
  83. 6
  84. a) Der Schiedsspruch ist allerdings hinsichtlich der Verurteilungen zu
  85. Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 nicht vollstreckbar.
  86. 7
  87. aa) Die Antragsgegnerin ist verurteilt worden, 50.000 € "abzüglich der
  88. Kosten gemäß § 171 InsO" nebst Zinsen (Nr. 1 des Tenors) sowie "die <sich
  89. - 5 -
  90. aus der Auskunft gemäß Nr. 2 Buchst. a des Tenors ergebenden> vereinnahmten Gelder unter Berücksichtigung der Zahlung gemäß Ziffer 1 <des Tenors>
  91. bis zu einem Höchstbetrag von 117.298,50 € abzüglich eines Kostenbeitrages
  92. gemäß § 171 InsO" nebst Zinsen (Nr. 2 Buchst. c des Tenors) an den Antragsteller zu zahlen. Dieser Ausspruch ist unbestimmt, weil jedenfalls die - von
  93. dem ausgeurteilten Zahlungsbetrag abzuziehenden - Kosten der Verwertung
  94. der sicherungshalber abgetretenen Forderung durch den Insolvenzverwalter
  95. (§ 51 Nr. 1 Alt. 2, § 50 Abs. 1 i.V.m. § 166 Abs. 2, § 170 Abs. 1 InsO) nicht feststehen. Sie sind grundsätzlich pauschal in Höhe von 5 v.H. des Verwertungserlöses anzusetzen (vgl. § 171 Abs. 2 Satz 1 InsO). Es wird vermutet, dass in
  96. dieser Höhe Verwertungskosten anfielen (vgl. MünchKommInsO-Lwowski 2002
  97. § 171 Rn. 45 f). Lagen die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich niedriger oder erheblich höher, so sind diese Kosten,
  98. gegebenenfalls zuzüglich Umsatzsteuer, anzusetzen (vgl. § 171 Abs. 2 Satz 2
  99. und 3 InsO). Damit steht die Urteilssumme (Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. c des Tenors) insgesamt in Frage. Denn es ist nicht ersichtlich, in welcher Höhe das
  100. Schiedsgericht Verwertungskosten - neben den gemäß § 171 Abs. 1 Satz 2
  101. InsO zu bemessenden Feststellungskosten - als "Kosten gemäß § 171 InsO"
  102. und "Kostenbeitrag(es) gemäß § 171 InsO", die von dem an den Antragsteller
  103. auszukehrenden Betrag abgezogen werden sollen, zugrunde gelegt hat. Daran
  104. scheitert auch die von der Rechtsbeschwerde befürwortete Auslegung von Nr. 1
  105. und Nr. 2 Buchst. c des Schiedsspruchs in einem bestimmten, die Zwangsvollstreckung ermöglichenden Sinn.
  106. 8
  107. bb) Das Schiedsgericht hat in Nr. 3 Satz 1 des Tenors eine Kostengrundentscheidung - verbunden mit der Ankündigung einer Kostenfestsetzung durch
  108. gesonderten Schiedsspruch (Nr. 3 Satz 2 des Tenors) - getroffen. Der Ausspruch ist ebenfalls nicht vollstreckungsfähig.
  109. - 6 -
  110. 9
  111. b) Für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs besteht jedoch
  112. auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse, wenn der Schiedsspruch
  113. nicht vollstreckbar ist.
  114. 10
  115. aa) Der Bundesgerichtshof hat zum früheren Schiedsverfahrensrecht
  116. entschieden, dass es für die Vollstreckbarerklärung nicht darauf ankomme, ob
  117. der Spruch einen vollstreckbaren Inhalt habe. Selbst wenn dies nicht der Fall
  118. sei, könne er für vollstreckbar erklärt werden. Denn die Vollstreckbarerklärung
  119. diene nicht nur dazu, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen; sie solle den
  120. Spruch auch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern (vgl.
  121. § 1043 Abs. 1 ZPO a.F.; Urteile vom 12. November 1959 - VII ZR 115/58 - BB
  122. 160, 302 und vom 30. November 1961 - VII ZR 12/61 - JZ 1962, 287 <Vollstreckbarerklärung auf Feststellung oder Klageabweisung lautender Schiedssprüche>; s. auch BGHZ 99, 143, 148).
  123. 11
  124. bb) An dieser Auffassung ist festzuhalten; die Umgestaltung der Zivilprozessordnung durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz hat der vorgenannten Erwägung nicht die Grundlage entzogen (h.M.: BayObLG BB 1999,
  125. 1948 und NJW-RR 2003, 502, 503; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO 22. Aufl. 2002
  126. § 1060 Rn. 2; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. 2005 Kapitel 27
  127. Rn. 7; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 64. Aufl. 2006
  128. § 1060 Rn. 5; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. 2005 § 1060 Rn. 1; HkZPO/Saenger 2006, § 1060 Rn. 2; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 2. Aufl. 2002 Rn. 1275; a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom
  129. 3. Januar 2002 - 16 Sch 02/01 - DIS-Datenbank - unter irrtümlicher Berufung
  130. auf BGH, Urteil vom 30. November 1961 <aaO>; Musielak/Voit, ZPO 4. Aufl.
  131. 2005 § 1060 Rn. 2 und 5; im Grundsatz auch MünchKommZPO-Münch 2. Aufl.
  132. - 7 -
  133. 2001 § 1060 Rn. 4 und Zöller/Geimer, ZPO 25. Aufl. § 1060 Rn. 2, die allerdings eine Feststellung analog § 1060 ZPO erwägen, dass ein Aufhebungsgrund nicht vorliegt). Auch nach neuem Recht ist der Schiedsspruch - abgesehen von der Ausschlusswirkung, die durch die rechtskräftige Ablehnung
  134. eines Aufhebungsantrags bezüglich des geltend gemachten Aufhebungsgrundes eintritt (vgl. § 1060 Abs. 2 Satz 2 ZPO) - nur durch die Vollstreckbarerklärung umfassend gegen Aufhebungsgründe gefeit. Zwar ist der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs nach Ablauf bestimmter Fristen - was im Einzelfall
  135. allerdings durchaus zweifelhaft sein kann (vgl. § 1059 Abs. 3 Satz 2 und 3 ZPO)
  136. - nicht mehr zulässig (vgl. § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs kann aber nur dann - stets - nicht mehr gestellt werden, wenn der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden ist (vgl. § 1059
  137. Abs. 3 Satz 4 ZPO).
  138. 12
  139. Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht zu berücksichtigen, wenn die für den Aufhebungsantrag geltenden Fristen abgelaufen sind, ohne dass ein Aufhebungsantrag gestellt worden ist (vgl. § 1060 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1059 Abs. 3 ZPO). Das gilt
  140. jedoch nicht für die - von Amts wegen zu prüfenden - Aufhebungsgründe nach
  141. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, also insbesondere nicht für den ordre public-Verstoß
  142. (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO). Sie sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren immer zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 145, 376, 379 f),
  143. sind also erst mit der (rechtskräftigen) Vollstreckbarerklärung erledigt.
  144. 13
  145. cc) Dementsprechend kann im Streitfall ungeachtet der fehlenden Vollstreckbarkeit ein rechtlich anzuerkennendes Interesse des Antragstellers an der
  146. Vollstreckbarerklärung auch von Nr. 1, 2 Buchst. c und Nr. 3 des Schiedsspruchs nicht geleugnet werden. Dort hat der Schiedsspruch eine Entscheidung
  147. - 8 -
  148. über den Grund des Anspruchs und - wenn auch nicht vollständig - zur Höhe
  149. (Nr. 1 und 2 Buchst. c des Tenors) sowie eine Kostengrundentscheidung (Nr. 3
  150. des Tenors) getroffen. Die Vollstreckbarerklärung bewirkt die "Bestandskraft"
  151. (vgl. §§ 1055, 1059 Abs. 3 Satz 4 ZPO; s. auch Stein/Jonas/Schlosser aaO
  152. § 1055 Rn. 4 ff) der mit dieser (Zwischen-)Entscheidung erreichten (teilweisen)
  153. Streitklärung. Das erleichtert die außergerichtliche Streiterledigung. Von ihr hat
  154. die gegebenenfalls noch notwendige abschließende Streitentscheidung auszugehen (vgl. Stein/Jonas/Schlosser aaO § 1060 Rn. 7).
  155. 14
  156. 2.
  157. Der mithin zulässige Antrag ist begründet. Aufhebungsgründe stehen der
  158. Vollstreckbarerklärung unstreitig nicht entgegen (vgl. § 1060 Abs. 1 i.V.m.
  159. Abs. 2 Satz 1, § 1059 Abs. 2 ZPO).
  160. Schlick
  161. Streck
  162. Galke
  163. Kapsa
  164. Herrmann
  165. Vorinstanz:
  166. KG Berlin, Entscheidung vom 27.05.2005 - 20 SCH 7/05 -