Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

232 lines
8.4 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. Urteil
  4. II ZR 3/12
  5. Verkündet am:
  6. 9. April 2013
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. ZPO § 256 Abs. 1
  19. Der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat grundsätzlich ein Interesse an der
  20. Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses. Dies gilt in der Regel auch über das Bestehen der Gesellschaft oder die Zugehörigkeit des Gesellschafters
  21. zu
  22. der
  23. Gesellschaft
  24. hinaus
  25. (Fortführung
  26. Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917).
  27. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - II ZR 3/12 - OLG München
  28. LG München I
  29. von
  30. BGH,
  31. -2-
  32. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  33. vom 9. April 2013 durch den Richter Dr. Strohn als Vorsitzenden, die Richterin
  34. Dr. Reichart und die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
  35. für Recht erkannt:
  36. Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 8. Zivilsenats
  37. des Oberlandesgerichts München vom 30. November 2011 im
  38. Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht
  39. über die Feststellungsanträge des Klägers zu Top 9 und Top 10
  40. (Berufungsanträge zu IV.) entschieden hat.
  41. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  42. Von Rechts wegen
  43. Tatbestand:
  44. 1
  45. Die Parteien sind Rechtsanwälte. Sie waren in einer Partnerschaftsgesellschaft verbunden. Der Kläger ist zwischen Einreichung und Zustellung der
  46. Klage im vorliegenden Verfahren zum 30. Juni 2010 ausgeschieden. Soweit in
  47. der Revisionsinstanz noch von Bedeutung wurden auf einer Gesellschafterversammlung am 19. Mai 2010 zwei Beschlüsse mit folgendem Wortlaut gefasst:
  48. -3-
  49. zu Top 9,
  50. Herr Dr. H.
  51. [der Kläger] wird aufgefordert, die von ihm Anfang Mai
  52. 2010 von den Konten der Partnerschaft abgeräumten bzw. entnommenen
  53. Beträge über insgesamt Euro 85.000,00 unverzüglich, bis spätestens
  54. 28.5.2010, an die Partnerschaft zurückzuzahlen.
  55. zu Top 10
  56. Herr Dr. H.
  57. [der Kläger] wird aufgefordert, die von ihm bereits aus
  58. den Kanzleiräumen entfernten Original-Akten, insbesondere die am Wochenende des 15./16.5.2010 aus der Kanzlei beiseite geschafften Akten in
  59. die Kanzleiräume zurückzubringen; dies gilt vor allem, soweit sie Angelegenheiten betreffen, bei denen der Partnerschaft Ansprüche (zum Beispiel
  60. auf Auslagenerstattung) zustehen können.
  61. 2
  62. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass diese Beschlüsse nichtig sind,
  63. hilfsweise, dass sie keine Rechtswirkung entfalten. Das Landgericht hat die
  64. Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung nach § 522
  65. Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.
  66. Entscheidungsgründe:
  67. 3
  68. Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Aufhebung der Entscheidung im angefochtenen Umfang und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
  69. 4
  70. I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
  71. 5
  72. Dem Kläger fehle das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Maßgeblich sei, ob der angefochtene Beschluss Rechtswirkungen
  73. im Verhältnis der Parteien habe. Auswirkungen auf die noch aus der früheren
  74. Gesellschafterstellung nachwirkenden Rechte seien nicht ersichtlich. Die in den
  75. -4-
  76. Gesellschafterbeschlüssen enthaltenen Aufforderungen begründeten keine
  77. Rechtspflicht. Sie wirkten hinsichtlich einer solchen Rechtspflicht nicht konstitutiv. In einem wegen der in den Beschlüssen genannten Aufforderungen an den
  78. Kläger geführten Rechtsstreit würden diese Beschlüsse nur insoweit Wirkung
  79. entfalten, als sie ergangen und vom Kläger zur Kenntnis genommen worden
  80. seien.
  81. 6
  82. II. Dies hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
  83. 7
  84. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des
  85. § 256 Abs. 1 ZPO erfüllt.
  86. 8
  87. 1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Beschlüsse der Gesellschafter einer Personengesellschaft Rechtsverhältnisse im
  88. Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1991 - II ZR 211/90,
  89. NJW-RR 1992, 227; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917
  90. Rn. 24; ebenso etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, § 3 III 3, S. 179).
  91. Da die beiden streitigen Beschlüsse Wirkung für die Zukunft haben sollen, handelt es sich dabei auch nicht nur um vergangene, sondern um gegenwärtige
  92. Rechtsverhältnisse.
  93. 9
  94. 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es für das Bestehen eines Feststellungsinteresses nicht erforderlich, dass die in den Gesellschafterbeschlüssen enthaltenen Aufforderungen eine Rechtspflicht begründen.
  95. 10
  96. Der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat grundsätzlich ein Interesse im Sinn von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung der Unwirksamkeit
  97. eines
  98. Gesellschafterbeschlusses
  99. - II ZR 211/90,
  100. NJW-RR
  101. 1992,
  102. (BGH,
  103. 227;
  104. Urteil
  105. Urteil
  106. vom
  107. vom
  108. 21. Oktober
  109. 1991
  110. 25. November
  111. 2002
  112. - II ZR 69/01, ZIP 2003, 116, 118; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09,
  113. ZIP 2012, 917 Rn. 24). Das ergibt sich schon aus seiner Zugehörigkeit zu der
  114. -5-
  115. Gesellschaft. Er muss es nicht hinnehmen, dass über die Wirksamkeit eines
  116. Gesellschafterbeschlusses Rechtsunsicherheit besteht (BGH, Urteil vom
  117. 21. Oktober 1991 - II ZR 211/90, NJW-RR 1992, 227; Urteil vom 7. Februar
  118. 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 24). Dies gilt grundsätzlich auch über
  119. das Bestehen der Gesellschaft oder die Zugehörigkeit des Gesellschafters zu
  120. der Gesellschaft hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09,
  121. ZIP 2012, 917 Rn. 1, 24). Daher hat auch der nach der Beschlussfassung ausgeschiedene Gesellschafter im Regelfall ein fortwirkendes Feststellungsinteresse.
  122. 11
  123. Es kann dahinstehen, ob Sachverhalte denkbar sind, bei denen mit dem
  124. Ausscheiden ein Feststellungsinteresse entfällt. Denn die in den Beschlüssen
  125. enthaltenen Aufforderungen zur Rückzahlung von Geld und zur Rückgabe von
  126. Akten sollten ersichtlich nicht mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft hinfällig werden.
  127. 12
  128. 3. Im Übrigen handelt es sich bei den zu Top 9 und Top 10 beschlossenen Aufforderungen nicht nur um eine unverbindliche Meinungsäußerung der
  129. Gesellschafter ohne Rechtsfolgewillen, sondern um die verbindliche Feststellung von bestimmten Handlungspflichten des Klägers. Dafür spricht schon der
  130. Umstand, dass die Beschlüsse förmlich gefasst worden sind und das Abstimmungsergebnis vom Versammlungsleiter förmlich festgestellt und protokolliert
  131. worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2002 - II ZR 69/01, ZIP 2003,
  132. 116, 118; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 25). Mit
  133. diesen Beschlussfassungen sollte die unter den Gesellschaftern streitige Verpflichtung zur Rückzahlung von Beträgen und zur Rückgabe von Akten verbindlich festgelegt werden. Dieser Regelungscharakter innerhalb der Gesellschaft
  134. genügt jedenfalls, um ein Interesse des Klägers an der Feststellung der Unwirksamkeit der Beschlüsse zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November
  135. -6-
  136. 2002 - II ZR 69/01, ZIP 2003, 116, 118; Urteil vom 7. Februar 2012
  137. - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 25).
  138. 13
  139. III. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache an das
  140. Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht selbst abschließend
  141. entscheiden, da noch tatrichterliche Feststellungen getroffen werden müssen.
  142. 14
  143. Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass
  144. die Beklagten die richtigen Klagegegner und damit passivlegitimiert sind. Die
  145. Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer Personengesellschaft wird grundsätzlich durch Feststellungsklage gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht (BGH, Urteil vom 7. Juni 1999 - II ZR 278/98, ZIP
  146. 1999, 1391, 1393; Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 167/07, ZIP 2009, 1158
  147. Rn. 23 ff.; Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 19). Das gilt
  148. auch für die Klage eines mittlerweile ausgeschiedenen Gesellschafters (s. BGH,
  149. Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 1).
  150. -7-
  151. 15
  152. In dem durch die erforderliche Zurückverweisung wiedereröffneten Berufungsrechtszug wird sich das Oberlandesgericht nunmehr mit den geltend gemachten formellen und materiellen Beschlussmängeln zu befassen haben.
  153. Strohn
  154. Reichart
  155. Born
  156. Drescher
  157. Sunder
  158. Vorinstanzen:
  159. LG München I, Entscheidung vom 09.02.2011 - 15 O 10181/10 OLG München, Entscheidung vom 30.11.2011 - 8 U 1162/11 -