Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

218 lines
9.1 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. VERSÄUMNISURTEIL
  4. II ZR 84/99
  5. Verkündet am:
  6. 18. Dezember 2000
  7. Vondrasek
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB § 195
  18. Prospekthaftungsansprüche, die sich aus dem Beitritt zu einem geschlossenen
  19. Immobilienfonds ergeben, verjähren in sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektfehlers, spätestens aber drei Jahre nach dem Erwerb des Anteils.
  20. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2000 - II ZR 84/99 - OLG Stuttgart
  21. LG Ulm
  22. -2-
  23. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  24. vom 18. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
  25. die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer
  26. für Recht erkannt:
  27. Auf die Rechtsmittel des Beklagten zu 2 werden das Urteil des
  28. 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 9. März
  29. 1999 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ulm vom 16. Mai 1997 abgeändert, soweit zum Nachteil des
  30. Beklagten zu 2 entschieden worden ist.
  31. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird abgewiesen.
  32. Die Kosten der ersten und zweiten Instanz tragen die Parteien wie
  33. folgt:
  34. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin und der Beklagte zu 1 je zur Hälfte; die
  35. außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin
  36. allein; die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 trägt
  37. dieser selbst.
  38. Die Kosten der Revisionsinstanz tragen die Parteien wie folgt:
  39. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 88 % und der Beklagte zu 1 zu 12 %;
  40. -3-
  41. die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt die Klägerin allein; die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 trägt
  42. dieser selbst.
  43. Von Rechts wegen
  44. Tatbestand:
  45. Die Klägerin zeichnete am 20. November 1990 zwei Gesellschaftsanteile
  46. gemäß
  47. B..
  48. Herausgeber
  49. Zeichnungsschein
  50. des
  51. Prospekts
  52. zu
  53. des
  54. diesem
  55. geschlossenen
  56. In.
  57. Immo-
  58. bilienfonds war die I.-GmbH, deren damaliger Geschäftsführer unter anderem
  59. der Beklagte zu 2 war; dieser war zugleich mit 50 % an der Gesellschaft beteiligt. Die Klägerin geriet wegen der finanziellen Belastungen durch die zur Finanzierung ihrer Gesellschaftsanteile auf sie abgeschlossenen Lebensversicherung in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie nimmt den Beklagten zu 2 als
  60. Gesamtschuldner neben dem wegen fehlerhafter Anlagevermittlung belangten
  61. Beklagten zu 1 auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin
  62. wirft dem Beklagten zu 2 vor, daß der Prospekt zu dem (streitbefangenen) geschlossenen Immobilienfonds fehlerhaft und insbesondere die Finanzierung
  63. über die Kapitallebensversicherung nicht in der im Prospekt angegebenen
  64. Weise möglich gewesen sei. Der Beklagte zu 2 bestreitet dies und erhebt die
  65. Einrede der Verjährung.
  66. -4-
  67. Das Landgericht hat der Klage gegen beide Beklagte stattgegeben, das
  68. Oberlandesgericht hat die Berufung beider Beklagten zurückgewiesen. Die Revision des Beklagten zu 1 ist durch Senatsbeschluß vom 11. September 2000
  69. nicht angenommen worden. Der Beklagte zu 2 verfolgt mit seiner Revision seinen Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.
  70. Entscheidungsgründe:
  71. Da die Klägerin im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten zu 2 durch
  72. Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch
  73. inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf umfassender Sachprüfung (vgl.
  74. BGHZ 37, 79, 82).
  75. Die Revision des Beklagten zu 2 ist begründet und führt zur Abweisung
  76. der gegen diesen gerichteten Klage wegen Verjährung der Klageforderung.
  77. I. 1. Das Berufungsgericht hat die von dem Beklagten zu 2 erhobene
  78. Einrede der Verjährung nicht durchgreifen lassen, weil es von einer Verjährungsfrist von 30 Jahren ausgegangen ist. Die hiergegen gerichteten Angriffe
  79. der Revision haben Erfolg.
  80. 2. Die Grundsätze zur allgemeinen Prospekthaftung hat die Rechtsprechung in Analogie zu den gesetzlich geregelten Prospekthaftungstatbeständen
  81. entwickelt (etwa BGHZ 71, 284, 286 ff.; 111, 314, 316 ff.; 115, 213, 217 ff.; 123,
  82. 106, 109 f.). Diese Tatbestände sehen durchweg vor, daß Ansprüche aus Prospekthaftung in sechs Monaten nach Kenntnis des Anlegers von dem Pro-
  83. -5-
  84. spektfehler, spätestens jedoch nach drei Jahren verjähren. Dies ist etwa in § 20
  85. Abs. 5 KAGG und § 12 Abs. 5 AuslInvestmG sowie seit Inkrafttreten des Dritten
  86. Finanzmarktförderungsgesetzes vom 1. April 1998 in § 47 BörsG und § 13 VerkaufsprospektG i.V.m. § 47 BörsG vorgesehen. Dabei stellen § 20 Abs. 5
  87. KAGG und § 12 Abs. 5 AuslInvestmG für den Beginn der Dreijahresfrist auf den
  88. Kaufvertrag, § 47 BörsG und § 13 VerkaufsprospektG i.V.m. § 47 BörsG auf die
  89. Prospektherausgabe ab.
  90. Unter diesen Umständen lag es nahe, die gesetzlichen Bestimmungen
  91. nicht nur bei den Haftungsvoraussetzungen, sondern auch bei der Verjährungsfrist als Maßstab zu berücksichtigen. Dies hat dazu geführt, daß der Senat in Anlehnung an die damals bereits in Kraft gewesenen Bestimmungen des
  92. § 20 Abs. 5 KAGG und des § 12 Abs. 5 AuslInvestmG entschieden hat, daß
  93. auch die in der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsansprüche in
  94. sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektfehlers und spätestens drei Jahre
  95. nach dem Beitritt zu der Gesellschaft oder dem Erwerb der Anteile verjähren.
  96. Der Senat sieht keinen Anlaß, von diesem seit BGHZ 83, 222, 224 ff. vertretenen Standpunkt, der in der Literatur allgemein Zustimmung gefunden hat (vgl.
  97. Assmann, Prospekthaftung 1985, S. 371; Kiethe, BB 1999, 2253, 2257;
  98. MünchKomm.-Emmerich,
  99. BGB
  100. 3. Aufl.
  101. Vor
  102. § 275
  103. Rdn. 152;
  104. Soer-
  105. gel/Wiedemann, BGB 12. Aufl. Vor § 275 Rdn. 344; Staudinger/Löwisch, BGB
  106. 13. Aufl. Vorbem. zu § 275 ff. Rdn. 93; speziell zum geschlossenen Immobilienfonds: Michalski/Schulenburg, NZG 1999, 615; Schmidt/Weidert, DB 1998,
  107. 2309, 2313 ff.; Wagner, NZG 1999, 614 f.), abzugehen.
  108. 3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich auch aus
  109. der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. Juni 1994 (VII ZR 36/93,
  110. -6-
  111. BGHZ 126, 166 ff. = NJW 1994, 2226 f.) zu Prospekthaftungsansprüchen bei
  112. Bauherrenmodellen (vgl. auch BGH, Urt. v. 7. September 2000 - VII ZR 433/99,
  113. zum Bauträgermodell) weder die Notwendigkeit noch eine Rechtfertigung dafür, die Prospekthaftungsansprüche bei geschlossenen Immobilienfonds in Abweichung von der allgemein für die Prospekthaftung geltenden kurzen Verjährung der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB zu unterwerfen. Die
  114. Entscheidung vom 1. Juni 1994 basiert auf der Prämisse, daß sich Bauherrenmodelle von anderen Anlageformen grundlegend unterscheiden. Auf dieser
  115. Grundlage wird in der Entscheidung zur Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen bei Bauherrenmodellen eine Lösung erarbeitet, die ausschließlich in
  116. den Besonderheiten dieser Anlageform ihre Ableitung und Erklärung findet.
  117. Im Unterschied zu anderen Anlageformen ist das Bauherrenmodell nicht
  118. auf unbestimmte Dauer angelegt; es zielt vielmehr darauf ab, daß der Anleger
  119. einen Teil der fraglichen Immobilie nach den Grundsätzen des WEG zu Eigentum erwirbt. Zudem muß der Anleger aus konzeptionellen Gründen als
  120. Bauherr der Immobilie auftreten. Er muß rechtlich und wirtschaftlich dem
  121. Werkbesteller gleichstehen. Allein im Hinblick auf diese Umstände sind die
  122. vertraglichen Beziehungen bei Bauherrenmodellen in erheblichem Umfang vom
  123. Werkvertragsrecht geprägt. Wegen dieser Besonderheit der Bauherrenmodelle
  124. wird in der Entscheidung vom 1. Juni 1994 bei der Verjährungsfrage ausschließlich auf werkvertragliche Gesichtspunkte abgestellt (BGHZ 126, 166,
  125. 171 ff.).
  126. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht bereits vom
  127. Ansatz her keine Veranlassung, die auf ausschließlich werkvertraglicher Argumentation beruhende Entscheidung vom 1. Juni 1994 zu Bauherrenmodellen
  128. -7-
  129. auf geschlossene Immobilienfonds zu übertragen. Anders als Bauherrenmodelle sind geschlossene
  130. Immobilienfonds
  131. nicht
  132. auf
  133. den
  134. Erwerb
  135. von
  136. (Teil-)Grundeigentum ausgerichtet. Ihre Konzeption erfordert es zudem nicht,
  137. daß die Anleger rechtlich oder wirtschaftlich die Position eines Bauherren einnehmen. Auch sonst sind die vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten nicht von werkvertraglichen Elementen geprägt. Im Vordergrund steht
  138. - ähnlich wie bei den Publikumskommanditgesellschaften - ein auf Dauer angelegter gesellschaftsrechtlicher Zusammenschluß, wobei diese Fonds sich
  139. von anderen gesellschaftsrechtlich geprägten Anlageformen im wesentlichen
  140. lediglich dadurch unterscheiden, daß eine Immobilie (selten mehrere Immobilien) den wesentlichen Vermögensgegenstand der Gesellschaft bildet. Die Interessenlage gleicht damit derjenigen der Anleger und der Prospektverantwortlichen bei anderen von der Prospekthaftung erfaßten Tatbeständen in allen wesentlichen Punkten.
  141. II. Danach hat der Beklagte zu 2 die Einrede der Verjährung zu Recht
  142. erhoben. Die Verjährungsfrist war unstreitig verstrichen, da die Klägerin ihre
  143. Anteile 1990 gezeichnet, ihre Schadensersatzansprüche aber erst mit einer im
  144. August 1996 eingereichten Klage rechtshängig gemacht hat.
  145. Röhricht
  146. Hesselberger
  147. Kurzwelly
  148. Goette
  149. Kraemer