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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. und
  5. VERSÄUMNISURTEIL
  6. II ZR 331/00
  7. Verkündet am:
  8. 29. Januar 2001
  9. Boppel
  10. Justizamtsinspektor
  11. als Urkundsbeamter
  12. der Geschäftsstelle
  13. in dem Rechtsstreit
  14. Nachschlagewerk: ja
  15. BGHZ:
  16. ja
  17. BGHR:
  18. ja
  19. ZPO § 50 Abs. 1; BGB §§ 14 Abs. 2, 705; HGB § 128
  20. a) Die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten
  21. begründet.
  22. -2-
  23. b) In diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozeß aktiv- und passiv parteifähig.
  24. c) Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts persönlich haftet, entspricht das Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit der Gesellschaft und der Haftung des Gesellschafters derjenigen
  25. bei der OHG (Akzessorietät) - Fortführung von BGHZ 142, 315.
  26. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00 – OLG Nürnberg
  27. LG Ansbach
  28. -3-
  29. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
  30. vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht, die
  31. Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke
  32. für Recht erkannt:
  33. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats
  34. des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 15. März 2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt
  35. und hinsichtlich der Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage aufgehoben.
  36. Die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das Vorbehaltsurteil der
  37. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ansbach vom
  38. 26. November 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß
  39. die Beklagte zu 1 neben den Beklagten zu 2 und 3 wie eine Gesamtschuldnerin verurteilt wird.
  40. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 4 trägt die Klägerin. Die Beklagten zu 1, 2 und 3 tragen ihre außergerichtlichen
  41. Kosten selbst. Hinsichtlich des ersten Rechtszuges tragen die
  42. Beklagten zu 2 und 3 gesamtschuldnerisch und daneben die Beklagte zu 1 wie eine Gesamtschuldnerin 3/4 und die Klägerin 1/4
  43. der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in den Rechts-
  44. -4-
  45. mittelinstanzen sowie die Gerichtskosten der Berufungsinstanz
  46. tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1 je zur Hälfte. Die Gerichtskosten der Revisionsinstanz tragen die Klägerin zu 4/5 und
  47. die Beklagte zu 1 zu 1/5.
  48. Von Rechts wegen
  49. Tatbestand:
  50. Die Klägerin klagt im Wechselprozeß auf Zahlung der Wechselsumme
  51. von 90.000,00 DM zuzüglich Nebenforderungen gegen die Beklagte zu 1, eine
  52. bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft (ARGE) in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, als Wechselakzeptantin und die früheren Beklagten zu 2 und 3 als deren Gesellschafterinnen. Die Haftung des Beklagten
  53. zu 4 für die Wechselforderung leitet sie aus Rechtsscheinsgesichtspunkten
  54. her. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß gesamtschuldnerisch
  55. zur Zahlung verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage hinsichtlich der
  56. Beklagten zu 1 und 4 auf deren Berufung hin abgewiesen. Hiergegen richtet
  57. sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.
  58. -5-
  59. Entscheidungsgründe:
  60. Da die Beklagte zu 1 im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger
  61. Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die sie betreffende Revision der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil
  62. beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung
  63. (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
  64. Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der gegen
  65. die Beklagte zu 1 gerichteten Klage wendet. Im übrigen ist sie unbegründet.
  66. A.
  67. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage gegen die Beklagte zu 1 unzulässig, weil es sich bei dieser um eine nicht parteifähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts handele. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung
  68. nicht stand. Der Senat hält es unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung
  69. für geboten, die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts in dem Umfang als
  70. im Zivilprozeß parteifähig anzusehen (§ 50 ZPO), in dem sie als Teilnehmer
  71. am Rechtsverkehr Träger von Rechten und Pflichten sein kann.
  72. I. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter im Rechtsverkehr grundsätzlich, das heißt soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen (BGHZ 116, 86,
  73. 88; 136, 254, 257; im Ansatz auch bereits BGHZ 79, 374, 378 f.). Soweit sie in
  74. -6-
  75. diesem Rahmen eigene Rechte und Pflichten begründet, ist sie (ohne juristische Person zu sein) rechtsfähig (vgl. § 14 Abs. 2 BGB).
  76. 1. Über die Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts finden
  77. sich im Gesetz keine umfassenden und abschließenden Regeln. Im ersten
  78. Entwurf des BGB war die Gesellschaft nach römischrechtlichem Vorbild als ein
  79. ausschließlich schuldrechtliches Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern
  80. ohne eigenes, von dem ihrer Gesellschafter verschiedenen, Gesellschaftsvermögen gestaltet (vgl. Mot. II 591 = Mugdan II 330). Die zweite Kommission
  81. konstituierte hingegen ein Gesellschaftsvermögen als Gesamthandsvermögen
  82. (vgl. die heutigen §§ 718, 719 BGB), ohne jedoch die aus dem Gesamthandsprinzip folgenden Konsequenzen im einzelnen zu regeln. Es ist vielmehr im
  83. wesentlichen bei der Regelung des Gesellschaftsverhältnisses als Schuldverhältnis geblieben, dem in unvollständiger Weise das Gesamthandsprinzip
  84. "darüber gestülpt" wurde (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts
  85. Bd. I/1 1977, S. 3 f.; vgl. auch Ulmer, FS Robert Fischer 1979, S. 785, 788 f.).
  86. Zum Inhalt des Gesamthandsprinzips heißt es in den Protokollen lediglich, die
  87. Meinungen "darüber, wie die Rechtsgemeinschaft der gesammten Hand theoretisch zu konstruiren sei und was man als das charakteristische Merkmal derselben anzusehen habe, (gingen) auseinander" (Prot. II 429 = Mugdan II 990).
  88. "Die Kom. glaubte, zu der wissenschaftlichen Streitfrage über das Wesen der
  89. gesammten Hand nicht Stellung nehmen zu sollen, vielmehr nur entscheiden
  90. zu müssen, welche Bestimmungen sachlich den Vorzug verdienen" (Prot. II 430
  91. = Mugdan II 990).
  92. 2. Die Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung und das erkennbare
  93. Bestreben des historischen Gesetzgebers, eine konkrete Festlegung zu ver-
  94. -7-
  95. meiden, lassen Raum für eine an den praktischen Bedürfnissen der Verwirklichung des Gesamthandsprinzips orientierte Beurteilung der Rechtsnatur der
  96. Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Danach verdient die Auffassung von der
  97. nach außen bestehenden beschränkten Rechtssubjektivität der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft den Vorzug. Diese Auffassung geht auf die deutschrechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts zurück (vgl. Otto Gierke,
  98. Deutsches Privatrecht Bd. 1 1895, S. 663 ff., 682). Sie wurde maßgeblich von
  99. Flume (aaO S. 50 ff.; ZHR 136 [1972], 177 ff.) in die moderne Diskussion eingeführt und hat sich im neueren Schrifttum weitgehend durchgesetzt (vgl. vor
  100. allem MünchKommBGB/Ulmer, 3. Aufl. § 705 Rdn. 130 ff. m.w.N. in Fn. 373;
  101. ders. AcP 198 [1998], 113 ff.; ebenso K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 3. Aufl.
  102. § 8 III, S. 203 ff.; Wiedemann, WM 1994 Sonderbeilage 4, S. 6 ff.; Huber, FS
  103. Lutter 2000, 107, 122 ff.; Hüffer, Gesellschaftsrecht 5. Aufl. S. 47 ff.; DaunerLieb, Die BGB-Gesellschaft im System der Personengesellschaften, in: Die
  104. Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften [Schriftenreihe
  105. der Bayer-Stiftung für deutsches und internationales Arbeits- und Wirtschaftsrecht] 1999, S. 95, 99 ff.; Reiff, ZIP 1999, 517, 518; Mülbert, AcP 1999, 39,
  106. 43 ff.; Wertenbruch, Die Haftung von Gesellschaften und Gesellschaftsanteilen
  107. in der Zwangsvollstreckung 2000, S. 211 ff.).
  108. a) Dieses Verständnis der Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsgemeinschaft bietet ein praktikables und weitgehend widerspruchsfreies Modell für die vom Gesetz (§§ 718-720 BGB) gewollte rechtliche Absonderung des Gesellschaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter.
  109. Die sogenannte traditionelle Auffassung, die ausschließlich die einzelnen Gesellschafter als Zuordnungssubjekte der die Gesellschaft betreffenden Rechte
  110. und Pflichten ansieht (vgl. Zöllner, FS Gernhuber 1993, S. 563 ff.; ders. FS
  111. -8-
  112. Kraft 1998, S. 701 ff.; Hueck, FS Zöllner 1998, S. 275 ff.) weist demgegenüber
  113. konzeptionelle Schwächen auf. Betrachtet man die Gesellschaftsverbindlichkeiten lediglich als gemeinschaftliche Verbindlichkeiten der Gesellschafter gemäß § 427 BGB, widerspricht dies dem Gesamthandsprinzip. Der einzelne Gesellschafter kann, wenn sich der geschuldete Gegenstand im Gesellschaftsvermögen befindet, die Leistung wegen § 719 BGB nicht als Gesamtschuldner
  114. allein erbringen. Dies führt dazu, daß auch die Vertreter der traditionellen Auffassung zwischen der Gesellschaftsschuld und der Gesellschafterschuld differenzieren müssen. Bei der für die "Gesellschaft" abgeschlossenen Verbindlichkeit handele es sich um eine "einheitliche Verpflichtung mit doppelter Wirkung"
  115. in Bezug auf einerseits das Gesamthandsvermögen, andererseits das persönliche Vermögen der Gesellschafter (vgl. Hueck, FS Zöllner, S. 293; Zöllner, FS
  116. Gernhuber, S. 573). Dies verwischt aber die Grenzen zwischen Schuld und
  117. Haftung, denn eine Schuld kann immer nur Subjekte, nicht aber Vermögensmassen treffen (Aderhold, Das Schuldmodell der BGB-Gesellschaft 1981,
  118. S. 110 f.; Dauner-Lieb aaO, S. 100 ff.).
  119. b) Ein für die Praxis bedeutsamer Vorzug der nach außen bestehenden
  120. Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im oben beschriebenen Sinne besteht darin, daß danach ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen
  121. Einfluß auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat (vgl. Senat, BGHZ 79, 374, 378 f.). Bei strikter Anwendung der
  122. traditionellen Auffassung müßten Dauerschuldverhältnisse mit der "Gesellschaft" bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand von den Vertragsparteien neu
  123. geschlossen bzw. bestätigt werden. Wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis
  124. nur ein Schuldverhältnis darstellt, können zwei aus verschiedenen Mitgliedern
  125. bestehende Schuldverhältnisse nicht identisch sein. Das Erfordernis von
  126. -9-
  127. Neuabschlüssen von Dauerschuldverhältnissen bei einem Gesellschafterwechsel ist aber ohne innere Rechtfertigung und würde die Handlungsfähigkeit der
  128. Gesellschaft im Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigen. Die traditionelle Auffassung vermag im übrigen keine befriedigende Erklärung dafür zu liefern,
  129. warum auch ein neu in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem
  130. Gesellschaftsvermögen für Altschulden haften sollte. Die dafür angebotene
  131. Begründung, wonach der neue Gesellschafter in einer Art Gesamtrechtsnachfolge "in alle bestehenden Rechts- und Vertragspositionen hineinwachse"
  132. (Zöllner, FS Kraft, S. 715), läßt sich mit der Auffassung der Gesellschaft als
  133. reines Schuldverhältnis der Gesellschafter im Grunde nicht vereinbaren (dazu
  134. auch Ulmer, AcP 198 [1998], 113, 142).
  135. c) Die hier vertretene Auffassung ist zudem eher in der Lage, identitätswahrende Umwandlungen von Gesellschaften bürgerlichen Rechts in andere
  136. Rechtsformen und aus anderen Rechtsformen zu erklären. Betreibt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Gewerbe, dann wird sie von Gesetzes wegen ohne jeden Publizitätsakt zu einer personen- und strukturgleichen OHG,
  137. sobald das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise
  138. eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 105 Abs. 1 in Verbindung mit § 1
  139. HGB). Da der OHG jedenfalls Rechtssubjektivität im oben beschriebenen Sinne
  140. zukommt (vgl. § 124 Abs. 1 HGB), würden sich bei konsequenter Anwendung
  141. der traditionellen Auffassung die Eigentumsverhältnisse an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenständen mit der Umwandlung zur OHG
  142. ändern. Dies würde für die Praxis insbesondere deshalb schwierige Probleme
  143. bereiten (vgl. Reiff, ZIP 1999, 517, 518 f.), weil für den Übergang von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur OHG infolge des wertungsabhängigen Kriteriums des Erfordernisses eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs ein genauer
  144. - 10 -
  145. Zeitpunkt der Umwandlung kaum ausgemacht werden kann. Auch der Umstand, daß im neuen Umwandlungsrecht (§§ 190 ff., 226 ff. UmwG) Kapitalgesellschaften im Wege des identitätswahrenden Formwechsels in Personengesellschaften - auch in Gesellschaften bürgerlichen Rechts, vgl. § 191 Abs. 2
  146. Nr. 1 UmwG - umgewandelt werden können, läßt sich auf der Grundlage der
  147. hier vertretenen Auffassung ohne weiteres, aus Sicht der traditionellen Auffassung aber - wenn überhaupt - nur mit Mühe erklären (vgl. dazu Wiedemann,
  148. ZGR 1996, 286, 289 f.; Mülbert, AcP 199 [1999], 38, 60 ff.; Timm, NJW 1995,
  149. 3209 ff.; Hueck, FS Zöllner, S. 280 ff.; Zöllner, FS Claussen 1997, 423, 429 ff.).
  150. d) Schließlich unterstützt die Tatsache, daß der Gesetzgeber mittlerweile die Insolvenzfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt
  151. hat (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO wie auch schon § 1 Abs. 1 GesO), die Gesellschaft
  152. mithin als Träger der Insolvenzmasse ansieht, ebenfalls die Annahme der
  153. Rechtssubjektivität.
  154. 3. Gegen diese Auffassung läßt sich nicht mit dem Gesetzeswortlaut
  155. insbesondere des § 714 BGB argumentieren. Zwar zeigt der Umstand, daß dort
  156. nur von einer Vertretungsmacht für die Gesellschafter, nicht aber für die "Gesellschaft" die Rede ist, daß bei der Formulierung der Norm an eine Verselbständigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer verpflichtungsfähigen Organisation nicht gedacht worden ist (Senat, BGHZ 142, 315, 319 f.). Bedenkt man aber, daß die Vorschrift im Kern unverändert aus § 640 Abs. 1 des
  157. ersten Entwurfs (abgedruckt bei Mugdan II CVI) in das BGB übernommen wurde und dieser erste Entwurf das Gesamthandsprinzip noch nicht kannte, gibt
  158. der Wortlaut für eine Deutung der Rechtsnatur der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft nichts her. Der Senat braucht insoweit nicht der Frage nachzugehen,
  159. - 11 -
  160. ob bereits der historische Gesetzgeber in Ansehung der deutschrechtlichen
  161. Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft
  162. als ungeschriebenes geltendes Recht angesehen hat (dazu Wertenbruch aaO,
  163. S. 34 ff.). Entscheidend ist, daß er jedenfalls eine solche Annahme nicht hat
  164. ausschließen wollen.
  165. 4. In der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft liegt kein
  166. Widerspruch zu den §§ 21, 22, 54 BGB, wo mit Rechtsfähigkeit offensichtlich
  167. die Fähigkeit der Gesellschaft gemeint ist, Träger von Rechten und Pflichten
  168. aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit und damit "als solcher" und nicht als
  169. Gruppe ihrer gesamthänderisch verbundenen Mitglieder zu sein. Wie § 14
  170. Abs. 2 BGB zeigt, geht aber das Gesetz davon aus, daß es auch Personengesellschaften gibt, die Rechtsfähigkeit besitzen. So ist es praktisch unbestritten,
  171. daß OHG und KG Träger von Rechten und Pflichten sein können und damit
  172. rechtsfähig sind, ohne als Gesamthandsgemeinschaften den Status einer juristischen Person zu besitzen. Entsprechendes gilt nach ständiger Rechtsprechung (BGHZ 80, 129, 132; 117, 323, 326) für die Vorgesellschaften von Kapitalgesellschaften.
  173. II. Erkennt man die Fähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an,
  174. Träger von Rechten und Pflichten zu sein, kann ihr die Parteifähigkeit im Zivilprozeß, die gemäß § 50 ZPO mit der Rechtsfähigkeit korrespondiert, nicht abgesprochen werden.
  175. 1. Die Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die notwendige prozeßrechtliche Konsequenz der Anerkennung der Rechtssubjektivität der Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten (bejahend auch Wiedemann
  176. - 12 -
  177. aaO, S. 9 f.; Hüffer, FS Stimpel 1985, S. 165, 168 ff.; Soergel/Hadding, BGB
  178. 11. Aufl. § 714 BGB Rdn. 52; Wertenbruch aaO, S. 213 ff.; MünchKomm
  179. ZPO/Lindacher, § 50 Rdn. 23 ff.; Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. § 50 Rdn. 22; für
  180. die Mitunternehmer-Gesellschaft auch K. Schmidt aaO, § 60 IV 1, S. 1805 ff.).
  181. Im Zivilprozeß ist aktivlegitimiert, das heißt "richtige" Partei, wer Inhaber des
  182. geltend gemachten Rechts ist; derjenige ist passivlegitimiert, also "richtiger"
  183. Beklagter, der Verpflichteter aus dem geltend gemachten Recht ist. Dieser
  184. Sachbefugnis entspricht - von den Fällen der Prozeßstandschaft abgesehen grundsätzlich auch die Prozeßführungsbefugnis. Da nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern die Gesellschaft materiell Rechtsinhaberin oder Verpflichtete ist, ist diese "richtige" Partei eines Rechtsstreits um eine Gesellschaftsforderung oder -verpflichtung und insoweit parteifähig und prozeßführungsbefugt.
  185. 2. Die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen
  186. Rechts ist dem bisher praktizierten Modell, wonach die aktive und passive Prozeßführungsbefugnis hinsichtlich das Gesellschaftsvermögen betreffender Forderungen und Verbindlichkeiten bei den eine notwendige Streitgenossenschaft
  187. im Sinne des § 62 Abs. 1 ZPO bildenden Gesellschaftern liegt (vgl. Senat,
  188. BGHZ 30, 195, 197; Urt. v. 12. März 1990 - II ZR 312/88, ZIP 1990, 715, 716;
  189. MünchKommBGB/Ulmer
  190. aaO,
  191. § 718
  192. Rdn. 42 f.;
  193. Stein/Jonas/Bork,
  194. ZPO
  195. 21. Aufl. § 50 Rdn. 17; Heller, Der Zivilprozeß der Gesellschaft bürgerlichen
  196. Rechts 1989, S. 56 ff., 110 ff.), in mehrfacher Hinsicht vorzuziehen.
  197. a) Die notwendige Streitgenossenschaft der Gesellschafter kann nicht
  198. als adäquater Ersatz für die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft
  199. angesehen werden, weil das Instrument der notwendigen Streitgenossenschaft
  200. - 13 -
  201. nicht die angemessenen prozessualen Konsequenzen aus den gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsregeln zieht. Zwar stimmen notwendige Streitgenossenschaft und Gesamthandsprinzip insoweit überein, als die Klage nur gegen
  202. alle Gesamthänder erhoben werden kann und das Urteil einheitlich ergehen
  203. muß. Im übrigen gewährleistet aber die notwendige Streitgenossenschaft keine
  204. den Besonderheiten der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand entsprechende
  205. Prozeßführung, denn bei der notwendigen Streitgenossenschaft betreibt jeder
  206. Streitgenosse seinen eigenen Prozeß (§ 63 ZPO). Die Verbindung mit den anderen Streitgenossen besteht lediglich in der erforderlichen Einheitlichkeit des
  207. Urteils und der Zurechnung des Verhandelns der anderen Streitgenossen im
  208. Falle der Säumnis eines Teils der Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 ZPO). Es gibt
  209. bei der notwendigen Streitgenossenschaft aber keine Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Vornahme von Prozeßhandlungen. Vielmehr kann jeder
  210. Streitgenosse unabhängig von den anderen Prozeßhandlungen mit Wirkung
  211. für sein Prozeßrechtsverhältnis vornehmen (BGHZ 131, 376, 379) und kann
  212. jeder Streitgenosse auch einen eigenen Prozeßbevollmächtigten bestellen.
  213. Sich widersprechenden Vortrag verschiedener Streitgenossen kann das Gericht gemäß § 286 ZPO frei würdigen (MünchKommZPO/Schilken, § 62
  214. Rdn. 48;
  215. Heller aaO, S. 159). Jeder der Streitgenossen kann gesondert Rechtsmittel mit
  216. der Folge einlegen, daß das Urteil auch gegenüber den anderen Streitgenossen nicht rechtskräftig wird (BGHZ 131, 376, 382).
  217. Es bestehen somit wesentliche Unterschiede zur materiellrechtlichen
  218. Vertretungs- und Verfügungsbefugnis bei der Gesellschaft bürgerlichen
  219. Rechts. Wenn beispielsweise nur ein Gesellschafter geschäftsführungsbefugt
  220. ist, können die anderen Gesellschafter materiellrechtlich für die Gesellschaft
  221. - 14 -
  222. keine wirksamen Erklärungen abgeben; wenn zwei nur gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugte Gesellschafter sich widersprechende materiellrechtliche Erklärungen abgeben, kann keine davon wirksam sein. Das Modell der
  223. notwendigen Streitgenossenschaft ist also nicht in der Lage, eine den materiellrechtlichen Verhältnissen adäquate Prozeßführung zu gewährleisten, weil
  224. die Prozeßführung bei einer notwendigen Streitgenossenschaft anderen Regeln unterliegt als sie für die Vertretung der Gesellschaft gelten.
  225. Dieses Ergebnis ließe sich allenfalls dadurch umgehen, daß man die
  226. materiellrechtliche Vertretungsbefugnis auf die Prozeßführungsbefugnis der
  227. Gesamthänder als Streitgenossen überträgt, die Gesellschafter prozessual als
  228. "Gruppe", vertreten durch ihren Geschäftsführer, behandelt und nur vom Geschäftsführer vorgenommene Prozeßhandlungen als wirksam anerkennt. Eine
  229. solche Lösung wäre jedoch mit den Grundprinzipien der notwendigen Streitgenossenschaft nicht vereinbar. Die Bevollmächtigung des Geschäftsführers im
  230. Gesellschaftsvertrag kann dem einzelnen als Streitgenossen verklagten Gesellschafter nicht die Prozeßführungsbefugnis in einem Prozeß nehmen, in
  231. dem er selbst Partei ist. Im Ergebnis liefe ein derartiger Korrekturversuch auf
  232. eine verschleierte Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft hinaus.
  233. Geht man hingegen offen von der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen
  234. Rechts aus, läßt sich die gewünschte Übereinstimmung von Prozeßführungsund gesellschaftsrechtlicher Vertretungsbefugnis zwanglos und ohne Verletzung prozessualer Grundsätze erreichen. Es sind dann von vornherein nur
  235. diejenigen Prozeßhandlungen wirksam, die in Übereinstimmung mit den gesellschaftsrechtlichen Vertretungsregeln erfolgen.
  236. - 15 -
  237. b) Gegen das Modell der notwendigen Streitgenossenschaft der Gesellschafter spricht des weiteren, daß unter seiner Geltung sowohl im Aktiv- als
  238. auch im Passivprozeß immer sämtliche gegenwärtigen Mitglieder der Gesellschaft verklagt werden und klagen müssen, um einen Titel gegen und für die
  239. Gesamthand zu erhalten. Das kann den Gesellschaftsgläubigern bei größeren
  240. Gesellschaften und bei solchen mit häufigem Mitgliederwechsel erfahrungsgemäß erhebliche Probleme bereiten. Als Beispiele hierfür sei auf die den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 12. März 1990 (Senat aaO, ZIP 1990, 715)
  241. und vom 15. Oktober 1999 (V ZR 141/98, ZIP 1999, 2009) zugrundeliegenden
  242. Sachverhalte verwiesen. Der Senat ist im erstgenannten Fall dem klagenden
  243. Gesellschaftsgläubiger, der aus eigener Kenntnis nicht über die Namen der
  244. inzwischen mehr als 70 Gesellschafter verfügte, dadurch entgegengekommen,
  245. daß er die korrekte Einbeziehung aller Gesellschafter in die Klage lediglich als
  246. einen Akt der Rubrumsberichtigung aufgefaßt hat (Senat aaO, ZIP 1990, 715,
  247. 716). Diese Lösung verläßt im Grunde bereits die Auffassung von den Gesellschaftern als notwendigen Streitgenossen, denn die unterbliebene Benennung
  248. aller aus materiellrechtlichen Gründen notwendigen Streitgenossen hätte zur
  249. Unzulässigkeit der Klage führen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 25. Oktober 1991
  250. - V ZR 196/90, WM 1992, 313, 315; Stein/Jonas/Bork aaO, § 62 Rdn. 20 f., 25;
  251. Musielak/Weth aaO, § 62 Rdn. 11). Im Ergebnis ist dieser Fall bereits so behandelt worden, als sei die Gesellschaft selbst die beklagte Partei und mithin
  252. parteifähig. Vor ähnlichen Schwierigkeiten stehen die Beteiligten auf der
  253. Grundlage der Streitgenossenschaftslösung auch in den nicht seltenen Fällen,
  254. in denen die Mitgliedschaft eines Gesellschafters unklar und streitig ist. In diesen Fällen muß - sei es im Aktivverfahren oder im Passivverfahren - vor einer
  255. Entscheidung in der Sache zunächst die mit dem Kern des Rechtsstreits in keiner Weise zusammenhängende Frage geklärt werden, inwiefern die fragliche
  256. - 16 -
  257. Person wirksam Mitglied geworden ist, bzw. inwiefern sie wirksam ausgeschieden ist. Auch hier hat sich die Rechtsprechung damit zu behelfen versucht, daß
  258. bei irrtümlich unterbliebener Aufführung eines Gesellschafters lediglich das
  259. Rubrum unrichtig sei (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1996 - IX ZR 135/95, NJW
  260. 1997, 1236; vgl. auch OLG Hamburg LZ 1917, 78). Diese Hilfskonstruktionen
  261. der bisherigen Rechtsprechung, die es im Interesse der Sachgerechtigkeit ermöglichen sollten, trotz formalen Festhaltens am Streitgenossenschaftsmodell
  262. die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als parteifähig zu behandeln, können
  263. aber letztlich nicht überzeugen. Insbesondere versagen sie im Stadium der
  264. Zwangsvollstreckung, denn der Gerichtsvollzieher hat in Zweifelsfällen nicht
  265. die Möglichkeit zu prüfen, ob es sich bei den in einem Titel aufgeführten Gesellschaftern um sämtliche Gesellschafter handelt. Die Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist demgegenüber sowohl im
  266. Erkenntnis-, als auch im Vollstreckungsverfahren die einfachere und konsequentere Lösung.
  267. c) Zu erheblichen Problemen, die praktisch nicht befriedigend gelöst
  268. werden können, kommt die Streitgenossenschaftslösung auch im Falle des
  269. Neueintritts und des Mitgliederwechsels während des Erkenntnis- und des
  270. Vollstreckungsverfahrens im Gesamthandsschuldprozeß. Die Vertreter der
  271. Streitgenossenschaftslösung gehen bei einem während des Erkenntnisverfahrens eingetretenen Parteiwechsel analog §§ 239, 241, 246 ZPO von einem gesetzlichen Parteiwechsel aus (MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 60 ff.;
  272. Heller aaO, S. 200 f.): Auf Antrag sei der Prozeß in diesem Fall analog § 246
  273. ZPO bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den neuen Gesellschafter zu unterbrechen; das Rubrum sei vom Gericht zu berichtigen; bleibe ein nach
  274. Rechtshängigkeit erfolgter Neueintritt oder Mitgliederwechsel bis zum Abschluß
  275. - 17 -
  276. des Erkenntnisverfahrens unbekannt, könne der Titel nachträglich analog
  277. § 727 ZPO auf den neueingetretenen Gesellschafter umgeschrieben werden;
  278. gleiches gelte für den nach Abschluß des Erkenntnisverfahrens und vor Beginn
  279. der Zwangsvollstreckung neu eingetretenen Gesellschafter.
  280. Dieser Lösungsvorschlag ist in praktischer Hinsicht unzulänglich. So ist
  281. eine Titelumschreibung gemäß § 727 ZPO jedenfalls dann nicht mehr möglich,
  282. wenn der unerkannte Neueintritt oder Mitgliederwechsel vor Rechtshängigkeit
  283. der Klage erfolgt ist. Die Vorschrift ist nur auf nach Rechtshängigkeit eingetretene Rechtsänderungen anwendbar (BGHZ 120, 387, 392). Die Möglichkeit der
  284. Titelumschreibung versagt zudem, wenn der Gläubiger den Neueintritt nicht in
  285. der gemäß § 727 ZPO erforderlichen Art und Weise (Offenkundigkeit bei Gericht oder öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden) nachweisen kann.
  286. Er müßte dann erst Klage auf Klauselerteilung gemäß § 731 ZPO erheben. Im
  287. übrigen ist zu bedenken, daß bei Bekanntwerden eines vom Titel abweichenden Bestandes der Gesellschafter zunächst in jedem Fall erst einmal das
  288. Zwangsvollstreckungsverfahren eingestellt werden müßte. Etwa bereits eingeleitete Forderungspfändungen und andere Zwangsmaßnahmen gingen ins Leere und die Gesellschaft könnte inzwischen anderweitig über die zur Zwangsvollstreckung ausersehenen Gegenstände verfügen. Im übrigen könnte die Gesellschaft - die Gefahr ist insbesondere bei Publikumsgesellschaften gegeben die Vollstreckung durch sukzessive Bekanntgabe immer weiterer Veränderungen im Gesellschafterbestand nahezu gänzlich unmöglich machen (vgl. Wiedemann aaO, S. 5). Die Streitgenossenschaftslösung kann demnach die infolge des Auseinanderfallens von materieller Berechtigung (die der Gesellschaft
  289. zukommt) und Prozeßführungsbefugnis (die bei den Gesellschaftern liegen
  290. soll) unweigerlich auftretenden Probleme nicht befriedigend lösen, sondern
  291. - 18 -
  292. verlagert sie lediglich vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren. Bei Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft hindert eine Veränderung im
  293. Gesellschafterbestand - sei sie vor, während oder nach dem Prozeß erfolgt die Rechtsdurchsetzung hingegen in keiner Weise.
  294. 3. Die Regelung des § 736 ZPO, wonach zur Zwangsvollstreckung in
  295. das Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist, steht der Anerkennung der Parteifähigkeit nicht entgegen. Ein gegen die Gesamtheit der gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter als Partei ergangenes Urteil ist ein Urteil "gegen alle
  296. Gesellschafter" im Sinne des § 736 ZPO. Die Vorschrift verlangt weder vom
  297. Wortlaut noch vom Zweck her ein Urteil gegen jeden einzelnen Gesellschafter.
  298. a) Aus der Entstehungsgeschichte des § 736 ZPO folgt, daß Zweck dieser Regelung die Verhinderung der Vollstreckung von Privatgläubigern einzelner Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen, nicht aber der Ausschluß der
  299. Parteifähigkeit der Gesellschaft ist (ausführlich Wertenbruch aaO, S. 122 ff.;
  300. vgl. auch Wiedemann aaO, S. 10). Nach § 645 des ersten Entwurfs (E I) zum
  301. BGB (abgedruckt bei Mugdan II CVII), der die Gesellschaft als römischrechtliche Bruchteilsgemeinschaft gestaltete, war die Verfügung des Gesellschafters
  302. über seinen Anteil nicht dinglich, sondern nur schuldrechtlich ausgeschlossen.
  303. Privatgläubiger einzelner Gesellschafter hätten im Rahmen der Zwangsvollstreckung also direkt Zugriff auf deren Anteile am Gesellschaftsvermögen gehabt. Um eine solche Vollstreckung von Privatgläubigern einzelner Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen zu verhindern, beschloß die zweite
  304. Kommission zunächst "in eventueller Abstimmung, für den Fall der Beibehaltung des § 645 des Entwurfs" (Prot. II 428 = Mugdan II 989) folgenden § 645 a:
  305. - 19 -
  306. "Die Zwangsvollstreckung in die gemeinschaftlichen Gegenstände findet
  307. nur aufgrund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren
  308. Schuldtitels statt. Aufgrund eines nur gegen einen Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels findet die Zwangsvollstreckung nur in dasjenige
  309. statt, was dem Gesellschafter als Gewinnantheil oder bei der Auseinandersetzung zukommt. ..." (Prot. II 426 = Mugdan II 988).
  310. Im weiteren Verlauf der Beratungen entschied sich die zweite Kommission, an Stelle des § 645 E I das Prinzip der gesamten Hand zu setzen (Prot. II
  311. 428 ff. = Mugdan II 990 ff.), welches in § 658 des zweiten Entwurfs (abgedruckt
  312. bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. III 1983,
  313. S. 296) seinen Ausdruck fand. § 658 E II entspricht dem heutigen § 719 BGB
  314. und enthielt zunächst zusätzlich folgenden Absatz 3:
  315. "Die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen findet nur aufgrund eines gegen sämmtliche Gesellschafter vollstreckbaren Schuldtitels statt."
  316. Später wurde dieser Abs. 3 aus dem zweiten Entwurf zum BGB gestrichen. "Als Ersatz" sollte "im Art. 11 des Einführungsgesetzes vor dem § 671 a
  317. folgender
  318. § 671
  319. in
  320. die
  321. Civilprozeßordnung
  322. eingestellt
  323. werden"
  324. (Ja-
  325. kobs/Schubert aaO, S. 297 Fn. 20):
  326. "Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach
  327. § 745 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist
  328. ein gegen alle Gesellschafter vollstreckbares Urtheil erforderlich."
  329. Hieraus wurde schließlich die Bestimmung des § 736 ZPO.
  330. - 20 -
  331. Diese Entwicklung zeigt, daß die Regelung eine Ausprägung des Prinzips der gesamthänderischen Bindung des Gesellschaftsvermögens darstellt,
  332. mit dessen Übernahme der historische Gesetzgeber erreichen wollte, daß der
  333. einzelne Gesellschafter nicht über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen
  334. verfügen (§ 719 Abs. 1 BGB), daß er sich nicht durch Aufrechnung mit einer
  335. ihm nur gegen einen der anderen Gesellschafter zustehenden Forderung aus
  336. einer Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft befreien (§ 719 Abs. 2 BGB)
  337. und daß nicht ein Gläubiger nur eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen vollstrecken können soll (§ 736 ZPO). Diese Zielsetzung ist in der
  338. dem Reichstag mit dem Gesetzentwurf des BGB vom Reichsjustizamt vorgelegten Denkschrift (Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs
  339. 1896, S. 87 f.) ausdrücklich in diesem Sinne formuliert worden. Die Regelung
  340. in § 736 ZPO stellt mithin als Ausdruck der gesamthänderischen Vermögensbindung das vollstreckungsrechtliche Pendant zu § 719 Abs. 1 BGB dar und
  341. wird treffend auch als "§ 719 Abs. 3 BGB" (Wertenbruch aaO, S. 124, 129) bezeichnet.
  342. Das Ziel der Verhinderung einer Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen durch Gläubiger nur einzelner Gesellschafter wird bei Anerkennung der
  343. Parteifähigkeit der Gesellschaft mindestens ebenso gut erreicht wie bei Zulassung von Klagen nur gegen die einzelnen Gesellschafter. Es kann deshalb
  344. nicht festgestellt werden, daß die Regelung des § 736 ZPO zum Ziel hat, die
  345. Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozeß auszuschließen. Die Parteifähigkeit der Gesellschaft ist vom Gesetzgeber ebensowenig abschließend geregelt worden wie das "Wesen der Gesamthand" allgemein. Dementsprechend hat Gottlieb Planck, Generalreferent der zweiten
  346. Kommission, bereits in der im Jahre 1900 erschienenen ersten Auflage seines
  347. - 21 -
  348. Kommentars zum BGB trotz Ablehnung der Parteifähigkeit ausgeführt, die
  349. §§ 736, 859 ZPO berührten die Parteifähigkeit der Gesellschaft nicht, sie seien
  350. lediglich mit Rücksicht auf das Gesamthandsprinzip in das Gesetz aufgenommen worden (vor § 705 Anm. II 2, S. 453).
  351. b) Kein durchgreifendes Argument gegen die Anerkennung einer Parteifähigkeit kann auch der amtlichen Begründung der CPO-Novelle zu § 670 b
  352. CPO (später § 736 ZPO) aus dem Jahre 1897 (Hahn/Mugdan, Die gesammten
  353. Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 8. Band, 1898, S. 138 f.) entnommen werden. Soweit es darin heißt, die Gesellschaft könne nicht "als solche"
  354. verklagt werden, muß das nicht im Sinne einer Ablehnung der Parteifähigkeit
  355. gemeint sein. Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert galt der Begriff "Gesellschaft als solche" - wie Wertenbruch (aaO S. 9 ff.; 46 ff.; 132) nachgewiesen
  356. hat - als Umschreibung für juristische Person. So hieß es in Art. 231 ADHGB
  357. zur Aktiengesellschaft, diese könne "als solche" klagen und verklagt werden
  358. (vgl. auch den heutigen § 41 Abs. 1 AktG). Bei der OHG hingegen wurde der
  359. Zusatz, die Gesellschaft habe "als solche" ihre Rechte und Pflichten und ihr
  360. besonderes Vermögen, wie er noch in Art. 87 des preußischen Entwurfs zum
  361. ADHGB aus dem Jahre 1857 enthalten war, nicht in den späteren Art. 111
  362. ADHGB (heute § 124 HGB) übernommen, weil darin eine Definition der juristischen Person zu sehen sei (vgl. Lutz, Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches 1858, S. 156). Daß
  363. die Formulierung "als solche" in bezug auf die Aktiengesellschaft die Gestaltung als juristische Person zum Ausdruck bringen soll, geht auch aus den
  364. Ausführungen von Makower (HGB Band I 13. Aufl. 1906, § 210 Anm. I a) und
  365. Flechtheim (in Düringer/Hachenburg, HGB 3. Aufl. 1934, § 210 Anm. 2) hervor.
  366. - 22 -
  367. c) Die Bestimmung des § 736 ZPO wird durch die Anerkennung der
  368. Parteifähigkeit der Gesellschaft nicht überflüssig. Versteht man die Bestimmung so, daß der Gläubiger nicht nur mit einem Titel gegen die Gesellschaft
  369. als Partei in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken kann, sondern auch mit
  370. einem Titel gegen alle einzelnen Gesellschafter aus ihrer persönlichen Mithaftung (vgl. auch MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 54), behält sie durchaus einen eigenständigen Regelungsgehalt. Die Rechtslage bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist insoweit anders als bei der OHG, wo gemäß
  371. § 124 Abs. 2 HGB eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ausschließlich mit einem gegen die Gesellschaft lautenden Titel möglich ist.
  372. 4. Auch der Umstand der fehlenden Registerpublizität der Gesellschaft
  373. bürgerlichen Rechts hindert nicht die Anerkennung ihrer Parteifähigkeit. Der
  374. Senat verkennt zwar nicht, daß es wegen der fehlenden Publizität in einigen
  375. Fällen schwierig werden könnte, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Prozeß so klar zu bezeichnen, daß eine eindeutige Identifizierung - vor allem auch
  376. im Vollstreckungsverfahren - möglich ist. Auch ist von außen nicht immer leicht
  377. zu ermitteln, inwieweit ein Zusammenschluß mehrerer tatsächlich als (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert ist (vgl. K. Schmidt aaO,
  378. § 60 IV 1, S. 1806 f.). Diese Schwierigkeiten wiegen aber nicht so schwer, daß
  379. daran die Anerkennung der Parteifähigkeit scheitern müßte.
  380. Im Aktivprozeß der Gesellschaft ist es den für die Gesellschaft auftretenden Personen ohne weiteres zumutbar, die Gesellschaft - beispielsweise
  381. durch die möglichst exakte Bezeichnung der Gesellschafter, der gesetzlichen
  382. Vertreter und der Bezeichnung, unter der die Gesellschaft im Verkehr auftritt identifizierbar zu beschreiben. Sollte sich im Verlauf des Prozesses heraus-
  383. - 23 -
  384. stellen, daß tatsächlich keine Außengesellschaft existiert, müßte zumindest
  385. derjenige für die Prozeßkosten aufkommen, der im Namen der vermeintlichen
  386. Gesellschaft den Prozeß als deren Vertreter ausgelöst hat. Im Falle des Auftretens für eine nicht existierende Partei trägt der in deren Namen auftretende
  387. und die Existenz der Partei behauptende Vertreter als Veranlasser des unzulässigen
  388. Verfahrens
  389. die
  390. Prozeßkosten
  391. (Sen.Urt.
  392. v.
  393. 25. Januar
  394. 1999
  395. - II ZR 383/96, ZIP 1999, 489, 491 m.w.N.). Es ist also immer zumindest eine
  396. natürliche Person als Kostenschuldner vorhanden.
  397. Im Passivprozeß ist es wegen der persönlichen Gesellschafterhaftung
  398. für den Kläger - wie bei der OHG (vgl. Behr, NJW 2000, 1137, 1139) - praktisch immer ratsam, neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter persönlich
  399. zu verklagen. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nicht sicher ist,
  400. ob eine wirkliche Außengesellschaft mit Gesamthandsvermögen existiert. Stellt
  401. sich während des Prozesses heraus, daß die Gesellschafter nicht als Gesamthandsgemeinschaft verpflichtet sind, sondern nur einzeln als Gesamtschuldner
  402. aus einer gemeinschaftlichen Verpflichtung schulden (§ 427 BGB), wird nur die
  403. Klage gegen die Gesellschaft - nicht aber die gegen die Gesellschafter persönlich - abgewiesen. Stellt sich erst während der Zwangsvollstreckung heraus,
  404. daß überhaupt kein Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, bleiben dem Gläubiger noch die Titel gegen die einzelnen Gesellschafter. Es besteht also bei
  405. Annahme einer Parteifähigkeit der Gesellschaft kein Unterschied zur Situation,
  406. wie sie sich auf der Grundlage der Streitgenossenschaftslösung darstellt, denn
  407. auch hier wird zwischen der Klage gegen die Gesamthand (Gesamthandsschuldklage) und gegen die Gesellschafter (Gesamtschuldklage) unterschieden (MünchKommBGB/Ulmer aaO, § 718 Rdn. 47 ff.; Heller aaO, S. 73 ff.). Im
  408. übrigen bleibt es dem Gesellschaftsgläubiger auch bei Anerkennung der Par-
  409. - 24 -
  410. teifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unbenommen, ausschließlich
  411. die Gesellschafter persönlich in Anspruch zu nehmen. Dem Gesellschaftsgläubiger wird die Rechtsverfolgung demnach durch die Anerkennung der Parteifähigkeit in keiner Weise erschwert.
  412. B.
  413. Die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage ist auch begründet. Insbesondere ist die Beklagte zu 1 wechselfähig. Die Gründe, die vom Bundesgerichtshof zur Begründung der Scheckfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen
  414. Rechts herangezogen worden sind (BGHZ 136, 254, 257 f.), sprechen in gleichem Maße auch für deren Wechselfähigkeit (vgl. auch Flume, Allgemeiner
  415. Teil aaO, S. 108 f.; Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz,
  416. 21. Aufl. Einl. WG Rdn. 20 a).
  417. Damit erweist sich das landgerichtliche Urteil, soweit es die Verurteilung
  418. der Beklagten zu 1, 2 und 3 betrifft, im Grunde als zutreffend. Im Urteilstenor
  419. war jedoch kenntlich zu machen, daß zwischen den Ansprüchen gegen die Beklagte zu 1 einerseits und denen gegen die Beklagten zu 2 und 3 andererseits
  420. kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht, jedoch die Beklagte zu 1 neben
  421. den ihrerseits untereinander gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschafterinnen wie eine Gesamtschuldnerin verpflichtet ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 27. September 1999 (BGHZ 142, 315, 318 ff.) die Frage der
  422. rechtlichen Einordnung der Gesellschafterhaftung noch offengelassen. Sie ist
  423. nunmehr in Konsequenz der Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit
  424. der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Sinne einer akzessorischen Haftung
  425. der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten zu entscheiden. So-
  426. - 25 -
  427. weit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch persönlich haftet (BGHZ 142, 315, 318), ist der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld also auch für die persönliche Haftung maßgebend. Insoweit entspricht
  428. das Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung damit der
  429. Rechtslage in den Fällen der akzessorischen Gesellschafterhaftung gemäß
  430. §§ 128 f. HGB bei der OHG. Danach ist eine unmittelbare Anwendung der
  431. §§ 420 ff. BGB nicht möglich, weil kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht;
  432. es ist aber zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der jeweils verschiedenartigen
  433. Interessen der Beteiligten der Rechtsgedanke der §§ 420 ff. BGB im Einzelfall
  434. zur Anwendung kommt oder nicht (BGHZ 39, 319, 329; 44, 229, 233; 47, 376,
  435. 378 ff.; 104, 76, 78). Für die Gesellschaft als originär Verpflichtete ist die entsprechende Anwendung der Gesamtschuldregeln im Verhältnis zur Gesellschafterhaftung grundsätzlich angebracht. Stehen den Gesellschaftern beispielsweise individuelle Einreden im Sinne des § 425 BGB gegen ihre persönliche Inanspruchnahme zu, wäre es nicht gerechtfertigt, daß sich auch die Gesellschaft darauf berufen könnte.
  436. - 26 -
  437. C.
  438. Hinsichtlich der Abweisung der gegen den Beklagten zu 4 gerichteten
  439. Klage auf Haftung kraft Rechtsscheins hält das Berufungsurteil den Angriffen
  440. der Revision stand. Eine Rechtsscheinhaftung des Beklagten zu 4 für die
  441. Wechselverbindlichkeit der Beklagten zu 1 käme in Betracht, wenn er gegenüber der Klägerin in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt hätte, er sei
  442. selbst Mitglied der ARGE und folglich persönlich haftender Gesellschafter (vgl.
  443. BGHZ 17, 13, 15). Das Berufungsgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen, daß die von der Klägerin dargelegten Umstände nicht den Schluß darauf
  444. zulassen, der als Architekt tätige Beklagte zu 4 sei ihr gegenüber als Gesellschafter der ARGE aufgetreten.
  445. Insbesondere reicht es für eine solche Schlußfolgerung nicht aus, daß
  446. der Beklagte zu 4 in dem von der ARGE gegenüber der Klägerin - die als
  447. Nachunternehmerin der ARGE beauftragt war - verwendeten Briefkopf aufgeführt ist. Dieser Briefkopf ist in der Form gestaltet, daß dort unter der hervorgehobenen Überschrift "Arbeitsgemeinschaft W.
  448. " die Beklagten zu 2 und
  449. 3 - beides Gesellschaften mit beschränkter Haftung - als "Technische Geschäftsführung" (Beklagte zu 2) und als "Kaufm. Geschäftsführung" (Beklagte
  450. zu 3) sowie der Beklagte zu 4 als "Bauleitung" bezeichnet werden. Läßt sich
  451. ein Architekt in dieser Weise im Briefkopf einer bauwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft aufführen, muß er nicht damit rechnen, daß bei deren Nachunternehmern, denen gegenüber der Briefkopf verwendet wird, der Eindruck entsteht, er sei selbst Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft. Bei "technischer
  452. Geschäftsführung", "kaufmännischer Geschäftsführung" und "Bauleitung" handelt es sich gemäß § 5 des Mustervertrages des Hauptverbandes der Deut-
  453. - 27 -
  454. schen Bauindustrie für Arbeitsgemeinschaften (ARGE-Vertrag, abgedruckt bei
  455. Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl.), der seit vielen Jahren verwendet
  456. wird, im Baugewerbe weit verbreitet ist (vgl. Langen in Kapellmann/Vygen,
  457. Jahrbuch Baurecht 1999, S. 64, 69) und auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kam, um die nach außen in Erscheinung tretenden "Organe" der in Teilen
  458. körperschaftlich strukturierten Arbeitsgemeinschaften. Es ist deshalb anzunehmen, daß der baugewerbliche Rechtsverkehr bei einer Auflistung dieser
  459. Bezeichnungen im allgemeinen an eine Benennung der Gesellschaftsorgane,
  460. nicht aber an eine Benennung der Gesellschafter denkt. Zwar trifft es zu, daß
  461. nach dem personengesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Selbstorganschaft
  462. als technische und kaufmännische Geschäftsführer nur Personen in Frage
  463. kommen, die auch Gesellschafter sind. Es würde aber zu weit gehen, würde
  464. man dem Rechtsverkehr ein Verständnis dahingehend unterstellen, daß die
  465. Nennung von Geschäftsführung und Bauleitung in einem Briefkopf darauf
  466. schließen ließe, auch der Bauleiter müsse Gesellschafter sein. Üblicherweise
  467. wird nämlich die Bauleitung auf solche Personen übertragen, die zwar Mitarbeiter
  468. eines
  469. Gesellschafters,
  470. nicht
  471. aber
  472. selbst
  473. Gesellschafter
  474. sind
  475. (Burchardt/Pfülb aaO, § 9 Rdn. 7, 12 ff.). In diese Richtung weist im vorliegenden Fall zudem der Umstand, daß im Vertragsformular des der Hingabe des
  476. Wechsels zugrunde liegenden Nachunternehmervertrages zwischen Klägerin
  477. und Beklagter zu 1 ausdrücklich zwischen der ARGE als "Auftraggeber und
  478. Bauherr i.S. dieses Vertrages" und dem Beklagten zu 4, der unter der Rubrik
  479. "Planung und Bauleitung" aufgeführt ist, differenziert wird.
  480. Der Umstand, daß der Beklagte zu 4 nach dem Vortrag der Klägerin
  481. sämtliche Vertragsverhandlungen mit ihr geführt und auch das streitgegenständliche Wechselakzept im Namen der Beklagten zu 1 unterschrieben hat,
  482. - 28 -
  483. reicht für die Begründung einer Rechtsscheinhaftung ebenfalls nicht aus. Der
  484. Beklagte zu 4 war Geschäftsführer der ihrerseits als technische Geschäftsführerin der ARGE eingesetzten Beklagten zu 2 und in dieser Funktion allgemein
  485. zum Abschluß von Nachunternehmerverträgen für die ARGE befugt (§ 7.45
  486. ARGE-Vertrag). Selbst wenn die Klägerin keine Kenntnis von dieser Funktion
  487. des Beklagten zu 4 gehabt hätte, hätte dessen Handeln nicht zwangsläufig
  488. darauf schließen lassen müssen, daß er in eigener Person Gesellschafter der
  489. ARGE ist. Es wäre vielmehr auch denkbar - wenn nicht sogar naheliegender gewesen, daß Abschluß und Abwicklung des Nachunternehmervertrages von
  490. der Geschäftsführung der ARGE auf den Bauleiter als Unterbevollmächtigten
  491. weiterdelegiert worden ist, was durchaus zulässig gewesen wäre (vgl.
  492. Burchardt/Pfülb aaO, § 9 Rdn. 9) und ebenfalls nicht zu einer persönlichen
  493. Haftung des Beklagten zu 4 geführt hätte. Der von der Revision zur Begründung der Rechtsscheinhaftung schließlich noch herangezogene Vortrag der
  494. Klägerin, wonach der Beklagte zu 4 sämtliche Bankgeschäfte der ARGE erledigt habe, vermag eine Rechtsscheinhaftung gegenüber der Klägerin schon
  495. - 29 -
  496. deshalb nicht zu begründen, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern es sich bei einem solchen Handeln des Beklagten zu 4 gegenüber Dritten um einen im Verhältnis zur Klägerin gesetzten Rechtsschein gehandelt haben könnte.
  497. Röhricht
  498. Henze
  499. Kurzwelly
  500. Goette
  501. Münke