Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

165 lines
9.1 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. II ZR 116/11
  4. vom
  5. 19. Februar 2013
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2013 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den Richter Dr. Strohn, die
  10. Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher und Born
  11. einstimmig beschlossen:
  12. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des
  13. 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in
  14. Schleswig vom 19. April 2011 gemäß § 552a ZPO auf seine Kosten zurückzuweisen.
  15. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 22.130,60 €
  16. festgesetzt.
  17. Gründe:
  18. 1
  19. Die Revision ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg hat.
  20. 2
  21. 1. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Weder erfordern die Fortbildung
  22. des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts noch stellen sich Fragen von grundsätzlicher
  23. Bedeutung. Zu beurteilen ist die Festsetzung einer Verbandsstrafe im Einzelfall.
  24. Die der Festsetzung zu Grunde liegenden Satzungsbestimmungen gelten für
  25. eine begrenzte Anzahl von Mitgliedern der Beklagten. Die bei der gerichtlichen
  26. Überprüfung von Verbandsstrafen zu beachtenden Grundsätze sind in der
  27. -3-
  28. Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt (vgl. nur BGH, Urteil vom
  29. 2. Dezember 2002 - II ZR 1/02, NZG 2003, 230).
  30. 3
  31. 2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend einen Anspruch des Klägers wegen der durchgreifenden Aufrechnung der Beklagten mit ihrem Anspruch auf Zahlung einer Verbandsstrafe verneint.
  32. 4
  33. a) Entgegen der anderslautenden Bezeichnung regelt § 12 lit. f der Satzung der Beklagten keine „Vertragsstrafe”, sondern eine an das korporationsrechtlich begründete Gefüge von Rechten und Pflichten zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern anknüpfende Verbandsstrafe, die entsprechend
  34. den Regeln einer Vereinsstrafe zu behandeln ist.
  35. 5
  36. Die Pflicht des Klägers zur Ablieferung der in seiner Landwirtschaft gewonnenen Milch ist genossenschaftsrechtlicher Art. § 12 lit. f S. 2 der Satzung
  37. bestimmt, dass die Verpflichtung der Genossen zur Milchlieferung besteht, solange die Mitgliedschaft dauert und auf dem landwirtschaftlichen Betrieb des
  38. Mitglieds Milch erzeugt wird. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit dem
  39. Kläger oder den anderen Genossen jeweils einen Individualvertrag geschlossen
  40. hätte. Damit ist die in § 12 lit. f der Satzung vorgesehene Strafe, die die Einhaltung der mitgliedschaftlichen Milchablieferungspflicht der Genossen sichern
  41. soll, keine Vertragsstrafe, da sie anders als jene nicht auf Vertrag, sondern auf
  42. der Unterwerfung der Mitglieder unter die Satzung beruht (vgl. BGH, Urteil vom
  43. 2. Dezember 2002 - II ZR 1/02, NZG 2003, 230, 231 f.).
  44. 6
  45. b) Entgegen der Auffassung der Revision enthält die Satzung der Beklagten eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung der
  46. Verbandsstrafe.
  47. -4-
  48. 7
  49. aa) Die Satzungsbestimmungen, die in diesem Zusammenhang entscheidungserheblich sind, haben körperschaftsrechtlichen Charakter und müssen deshalb objektiv, d.h. aus sich heraus einheitlich und gleichmäßig unter
  50. Berücksichtigung von Zusammenhang und erkennbarem Zweck, ausgelegt
  51. werden. Umstände, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen und die nicht allgemein zugänglich und erkennbar sind, dürfen bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden. Die Auslegung derartiger Bestimmungen durch die Tatsacheninstanzen unterliegt dabei der unbeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BGH, Urteil vom 9. Juni 1997 - II ZR 303/95, NJW 1997, 3368, 3369
  52. mwN).
  53. 8
  54. bb) In § 12 lit. f der Satzung ist formuliert: „Bei einem schuldhaften Verstoß gegen die Milchlieferungspflicht hat das Mitglied pro Kilogramm nicht abgelieferter Milch eine Vertragsstrafe von 0,03 € zu zahlen. Die fehlende Menge
  55. berechnet sich nach der im Mittel der beiden letzten Jahre von ihm gelieferten
  56. Milchmenge. ….“
  57. 9
  58. Entgegen der Auffassung der Revision wird diese Aussage nicht durch
  59. § 12 lit. h Satz 3 der Satzung der Beklagten, wonach die Höhe der Vertragsstrafe für jeden Verstoß bis zu 300 € beträgt, unbestimmt. Denn § 12 lit. f der Satzung der Beklagten ist angesichts der ausdrücklichen und eindeutigen Regelung der Strafe für Verstöße gegen die Milchlieferungspflicht gegenüber § 12
  60. lit. h Satz 3 der Satzung der Beklagten die speziellere Regelung. Selbst wenn
  61. § 12 lit. h Satz 3 der Satzung im Geltungsbereich des § 12 lit. f der Satzung
  62. Anwendung finden sollte, würde dies - so das Berufungsgericht zu Recht - nur
  63. zu einer Höhenbegrenzung der Verbandsstrafe für jeden einzelnen Verstoß gegen die Milchlieferungspflicht führen.
  64. -5-
  65. 10
  66. c) Der nach § 12 lit. h Satz 2 zuständige Vorstand der Beklagten durfte
  67. die Strafe auch bereits für zukünftige Zeiträume festsetzen. Darin liegt keine
  68. „Strafe für zukünftiges Verhalten“, weil die Strafzahlungen immer erst mit dem
  69. Verstreichen des jeweiligen Abrechnungsmonats fällig geworden sind.
  70. 11
  71. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zu Recht von einer endgültigen Erfüllungsverweigerung
  72. des Klägers ausgegangen. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass an
  73. die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bejahung einer endgültigen Erfüllungsverweigerung strenge Anforderungen zu stellen sind. Sie liegt nur vor,
  74. wenn der Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten nicht nachkommen (BGH, Urteil vom 16. März 1988 - VIII ZR 184/87,
  75. BGHZ 104, 6, 13; Urteil vom 21. Dezember 2005 - VIII ZR 49/05, NJW 2006,
  76. 1195 Rn. 25).
  77. 12
  78. Hiervon durfte das Berufungsgericht nach Würdigung des Schreibens
  79. des Klägers vom 15. Mai 2006 ausgehen. Nachdem der Kläger die Milchlieferung bereits eingestellt hatte, hat er der Beklagten mit diesem Schreiben erläutert, warum er nach seiner Auffassung zur Lieferung nicht mehr verpflichtet sei
  80. und welche Maßnahmen er ergreifen werde, wenn die Beklagte auf der Lieferpflicht bestehe. Er hat angekündigt, seinen Betrieb vorsorglich in eine Personengesellschaft einzubringen, was ihn von der Lieferpflicht befreien werde; zudem könne er die Milcherzeugung ganz aufgeben oder vollständig auf eine Direktvermarktung der Milch umstellen. Wenn das Berufungsgericht aus diesen
  81. Äußerungen den Schluss zieht, der Kläger habe deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Lieferung nicht mehr aufnehmen werde, ist das aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
  82. -6-
  83. 13
  84. d) Das Berufungsgericht ist auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass dem Kläger das vor der Verhängung der Verbandsstrafe notwendige
  85. (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2002 - II ZR 1/02, NZG 2003, 230, 232)
  86. rechtliche Gehör gewährt worden ist.
  87. 14
  88. Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 6. Mai 2006 mit dem
  89. Vorwurf konfrontiert, dass er mit Wirkung vom 1. Mai 2006 die Milchlieferung
  90. eingestellt habe und eine andere Molkerei beliefere. Weiter heißt es: „Wir haben
  91. vor diesem Hintergrund Veranlassung, Sie auf die Regelungen unserer Satzung
  92. und das dort vorgesehene Verfahren sowie auf unsere Milchlieferungsordnung
  93. hinzuweisen.“ Die Beklagte hat weiter deutlich gemacht, dass sie von einer fortbestehenden Milchlieferpflicht des Klägers ausgeht und ihm die konkret zu gewärtigende Höhe der „gegebenenfalls festzusetzenden“ Strafe mitgeteilt. Sie
  94. hat ferner ausgeführt, dass sie ernsthaft gewillt sei, den Verstoß gegen die Andienungspflicht zu ahnden. Das Schreiben lautet weiter: „Sollten Sie bis zum
  95. 12. Mai 2006 die Andienung Ihrer Milch nicht wieder aufnehmen, werden wir
  96. zunächst das in der Satzung und der Milchlieferungsordnung vorgesehene Verfahren zur Festsetzung von Vertragsstrafen einleiten. Vor diesem Hintergrund
  97. bitten wir ihr Verhalten noch einmal zu überdenken.“
  98. 15
  99. Der anwaltlich vertretene Kläger hat sich - in Kenntnis des Vorwurfs und
  100. der zu erwartenden Strafe - mit dem bereits angeführten Schreiben vom 15. Mai
  101. 2006 geäußert und mitgeteilt, warum er der Auffassung sei, nicht mehr liefern
  102. zu müssen und was er unternehmen werde, wenn die Beklagte auf der Lieferpflicht bestehen würde. Nach diesem Sachverhalt durfte der Kläger nicht darauf
  103. vertrauen, dass ihn die Beklagte vor der Festsetzung der Strafe zu einer weiteren Stellungnahme auffordern werde. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass
  104. er die Lieferpflicht nicht wieder aufnehmen werde, war die Beklagte auch nicht
  105. verpflichtet, vorrangig über einen - vorsorglich gestellten - Antrag auf Entbin-
  106. -7-
  107. dung von der Lieferpflicht zu entscheiden. Die Entbindung konnte mit der Straffestsetzung konkludent abgelehnt werden.
  108. 16
  109. e) Aus revisionsrechtlicher Sicht ist es letztlich nicht zu beanstanden,
  110. dass das Berufungsgericht die Vertragsstrafe jedenfalls in Höhe der Klageforderung als ordnungsgemäß festgesetzt und fällig angesehen hat.
  111. Bergmann
  112. Strohn
  113. Drescher
  114. Reichart
  115. Born
  116. Hinweis: Die Revision des Klägers wurde durch Beschluss vom
  117. 25. Juli 2013 gemäß § 552a ZPO zurückgewiesen.
  118. Vorinstanzen:
  119. LG Lübeck, Entscheidung vom 09.07.2009 - 10 O 213/08 OLG Schleswig, Entscheidung vom 19.04.2011 - 6 U 19/09 -