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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 95/10
  4. vom
  5. 2. Februar 2012
  6. in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. ZPO § 890 Abs. 2
  14. Die der Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO vorausgehende Androhung gemäß § 890 Abs. 2 ZPO kann nicht wirksam in einen Prozessvergleich aufgenommen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass das Gericht das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs nach § 278 Abs. 6
  15. Satz 2 ZPO feststellt.
  16. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2012 - I ZB 95/10 - OLG Schleswig
  17. LG Kiel
  18. -2-
  19. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Februar 2012 durch
  20. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
  21. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch
  22. beschlossen:
  23. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats
  24. des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig
  25. vom 10. November 2010 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
  26. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
  27. 50.000 € festgesetzt.
  28. Gründe:
  29. 1
  30. I. Die Parteien schlossen am 7. September 2004 vor dem Oberlandesgericht Schleswig einen Prozessvergleich. In diesem verpflichtete sich die Schuldnerin unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise
  31. Ordnungshaft, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
  32. Wettbewerbs zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, mit der Unterzeichnung eines Pre-Selection-Vertrags gehe die Kundin keine Vertragsbindung ein.
  33. 2
  34. Mit Beschluss vom 24. November 2009 hat das Landgericht gegen die
  35. Schuldnerin wegen Zuwiderhandlungen gegen das im Vergleich vereinbarte
  36. Verbot ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 €, ersatzweise für je 200 € einen
  37. -3-
  38. Tag Ordnungshaft, festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin
  39. hat das Beschwerdegericht den Ordnungsmittelbeschluss aufgehoben (OLG
  40. Schleswig, SchlHA 2011, 244). Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.
  41. 3
  42. II. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig
  43. (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.
  44. 4
  45. 1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, das Ordnungsmittel habe
  46. nicht festgesetzt werden dürfen, weil die vorausgehende Androhung im Sinne
  47. des § 890 Abs. 2 ZPO gefehlt habe. Diese könne in einen Prozessvergleich
  48. nicht wirksam aufgenommen werden. Vielmehr müsse das Gericht das Ordnungsmittel androhen.
  49. 5
  50. 2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
  51. 6
  52. a) Nach der Vorschrift des § 890 Abs. 2 ZPO muss der Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 Abs. 1 ZPO eine entsprechende Androhung
  53. vorausgehen, die, wenn sie nicht in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil enthalten ist, auf Antrag vom Prozessgericht des ersten Rechtszugs erlassen wird. Die Androhung soll dem Schuldner die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot deutlich vor Augen führen und ihn
  54. dadurch anhalten, die Unterlassungspflicht zu befolgen (vgl. BGH, Beschluss
  55. vom 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02, BGHZ 156, 335, 340 f. - Euro-Einführungsrabatt; KG, JurBüro 1983, 781, 783).
  56. 7
  57. b) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine
  58. entsprechende Androhung nicht wirksam in einem Prozessvergleich erfolgen
  59. kann (ebenso RGZ 40, 413, 415; OLG Karlsruhe, GRUR 1957, 447; OLG Stuttgart, WRP 1976, 119; KG, JurBüro 1983, 781, 783 und NJW-RR 1987, 507;
  60. -4-
  61. OLG Frankfurt, NJW-RR 2006, 1441; OLG Köln, OLG-Rep. 2007, 707; MünchKomm.ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 890 Rn. 25; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl.,
  62. § 890 Rn. 7; Saenger/Pukall, ZPO, 4. Aufl., § 890 Rn. 11; Schuschke/
  63. Walker/Sturhahn, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 890
  64. Rn. 16; Wiezcorek/Schütze/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 890 Rn. 93; Köhler in Köhler/
  65. Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 6.3; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12
  66. Rn. 383; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl.,
  67. Kap. 57 Rn. 25; aA LG Berlin, MDR 1967, 134; Blomeyer, Zivilprozessrecht
  68. - Vollstreckungsverfahren, 1975, § 95 I 2; Baur, Der schiedsrichterliche Vergleich, 1971, Rn. 112; Hasse, NJW 1969, 23, 24; Schlosser, JZ 1972, 639).
  69. 8
  70. aa) Die Bestimmung des § 890 Abs. 2 ZPO sieht die Androhung der
  71. Ordnungsmittel ausschließlich durch den Richter vor. Davon macht das Gesetz
  72. für die in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Prozessvergleiche keine Ausnahme. Sie ist auch nicht aus prozessökonomischen Gründen geboten. Dem
  73. steht der Zweck der Ordnungsmittelandrohung nach § 890 Abs. 2 ZPO entgegen, von Seiten des Gerichts auf den Schuldner einzuwirken, das Unterlassungsgebot zu beachten.
  74. 9
  75. Der Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes rechtfertigt ebenfalls kein
  76. Absehen vom Erfordernis einer richterlichen Ordnungsmittelandrohung. Allerdings kann das Gericht auf Antrag des Gläubigers die Ordnungsmittelandrohung bereits im Urteil aussprechen, während bei der Androhung von Ordnungsmitteln durch besonderen Beschluss die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gemäß § 750 Abs. 1 ZPO vorliegen müssen (vgl. BGH, Urteil vom
  77. 29. September 1978 - I ZR 107/77, GRUR 1979, 121, 122 = WRP 1978, 883
  78. - Verjährungsunterbrechung; Beschluss vom 22. Januar 2009 - I ZB 115/07,
  79. BGHZ 180, 72 Rn. 14). Dadurch entsteht für die Zeit bis zur Zustellung des Beschlusses mit der Ordnungsmittelandrohung aber keine Rechtsschutzlücke. Die
  80. Parteien können im Prozessvergleich eine Vertragsstrafe vereinbaren, so dass
  81. -5-
  82. der Schuldner das Unterlassungsgebot bereits mit Abschluss des Prozessvergleichs beachten muss, wenn er die Vertragsstrafe nicht verwirken will.
  83. 10
  84. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist im vorliegenden Fall auch
  85. nicht deshalb eine andere Beurteilung geboten, weil dem Prozessvergleich in
  86. anderen Verfahren ergangene Unterlassungsurteile mit Ordnungsmittelandrohungen vorausgegangen sind, deren Verbote in den Prozessvergleich aufgenommen worden sind. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung ausschließlich aus dem Prozessvergleich. Für die Frage, ob die Voraussetzungen
  87. für die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 ZPO vorliegen, ist
  88. danach nur auf diesen Vollstreckungstitel abzustellen.
  89. 11
  90. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, das Beschwerdegericht habe die Frage nicht offenlassen dürfen, ob auch bei einem nach § 278
  91. Abs. 6 ZPO vom Gericht festgestellten Vergleich, der mit einer Ordnungsmittelandrohung versehen sei, eine gesonderte Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO
  92. erforderlich sei.
  93. 12
  94. Nach der Vorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO können seit dem 1. September 2004 Prozessvergleiche auch dadurch zustande kommen, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen
  95. schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts annehmen und das Gericht das
  96. Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs durch Beschluss feststellt. Die
  97. durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I
  98. S. 1887) eingeführte und mit Wirkung ab 1. September 2004 neu gefasste Bestimmung des § 278 Abs. 6 ZPO sieht für gerichtliche Vergleiche die Möglichkeit einer erleichterten Protokollierung vor, die den Beteiligten den Abschluss
  99. eines Prozessvergleichs in einem Gerichtstermin erspart (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 30. Juni 2004, BTDrucks. 15/3482, S. 16). Ein auf diese Weise abgeschlossener Vergleich entspricht in seinen Wirkungen einem in einer mündlichen Verhandlung abge-
  100. -6-
  101. schlossenen Prozessvergleich (vgl. auch BAG, Urteil vom 23. November 2006
  102. - 6 AZR 394/06, NJW 2007, 1831 Rn. 32 bis 36). Weitergehende Wirkungen hat
  103. ein nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande gekommener Vergleich nicht. Der Beschluss nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO ersetzt daher nicht die Ordnungsmittelandrohung. Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass bei der Androhung von Ordnungsmitteln durch besonderen Beschluss die Voraussetzungen
  104. der Zwangsvollstreckung vorliegen müssen, was zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht der Fall ist.
  105. 13
  106. bb) Mit dem Abschluss des Prozessvergleichs hat die Schuldnerin auch
  107. nicht wirksam auf die Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO
  108. verzichtet. Die Bestimmungen des Zwangsvollstreckungsverfahrens sind grundsätzlich zwingendes Recht. Das schließt zwar nicht aus, dass die Parteien vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen treffen können (vgl. BGH, Urteil vom
  109. 2. April 1991 - VI ZR 241/90, NJW 1991, 2295, 2296). Die Vollstreckung erweiternde Vereinbarungen zu Lasten des Schuldners oder ein Verzicht auf den
  110. Schuldner schützende Zwangsvollstreckungsvorschriften sind aber - jedenfalls
  111. im Voraus - regelmäßig unzulässig (vgl. RGZ 72, 181, 183; KG, NJW 1960,
  112. 682; OLG Stuttgart, NJW 1971, 50; Musielak/Lackmann aaO Vorbem. § 704
  113. Rn. 17; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., Vor § 704 Rn. 26; Philipp, Rpfleger 2010,
  114. 456, 463). Dies gilt auch für einen im Voraus erklärten Verzicht auf die Androhung von Ordnungsmitteln im Sinne des § 890 Abs. 2 ZPO. Die Vorschrift ist
  115. zwingendes Recht zum Schutz des Schuldners.
  116. -7-
  117. 14
  118. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  119. Bornkamm
  120. Pokrant
  121. Schaffert
  122. Büscher
  123. Koch
  124. Vorinstanzen:
  125. LG Kiel, Entscheidung vom 24.11.2009 - 16 O 72/03 OLG Schleswig, Entscheidung vom 10.11.2010 - 6 W 8/10 -