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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZB 35/09
  4. vom
  5. 1. Juli 2010
  6. in der Rechtsbeschwerdesache
  7. betreffend die Markenanmeldung 306 58 472.1
  8. Nachschlagewerk:
  9. BGHZ:
  10. BGHR:
  11. ja
  12. nein
  13. ja
  14. Die Vision
  15. MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
  16. Längere Wortfolgen entbehren in der Regel jeglicher Unterscheidungskraft i.S.
  17. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
  18. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - I ZB 35/09 - Bundespatentgericht
  19. -2-
  20. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher,
  21. Dr. Schaffert, und Dr. Koch
  22. beschlossen:
  23. Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss des
  24. 33. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts
  25. vom 31. März 2009 wird zurückgewiesen.
  26. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 €
  27. festgesetzt.
  28. -3-
  29. Gründe:
  30. 1
  31. I. Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung der Wortfolge
  32. Die Vision: EINZIGARTIGES ENGAGEMENT IN TRÜFFELPRALINEN
  33. Der Sinn: Jeder weiß WAS wann zu tun ist und was NICHT zu tun ist
  34. Der Nutzen: Alle tun das RICHTIGE zur richtigen Zeit
  35. als Marke für - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - folgende Waren und Dienstleistungen beantragt:
  36. Klasse 30
  37. Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioca, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;
  38. Klasse 35
  39. Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;
  40. Klasse 42
  41. Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Rechtsberatung und
  42. -vertretung.
  43. 2
  44. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung
  45. wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
  46. 3
  47. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (BPatG GRUR
  48. 2009, 1060).
  49. 4
  50. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.
  51. -4-
  52. 5
  53. II. Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde der Anmelderin für unbegründet erachtet, weil die angemeldete Wortfolge wegen Fehlens der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung als Marke für die
  54. beanspruchten Waren und Dienstleistungen ausgeschlossen sei. Es hat hierzu
  55. ausgeführt:
  56. 6
  57. Zwar lasse sich ein Waren und Dienstleistungen beschreibender Zusammenhang nicht in Bezug auf alle drei im angemeldeten Zeichen enthaltenen Slogans herstellen. Gleichwohl werde die angemeldete Wortfolge nur als solche und
  58. nicht als Unterscheidungsmittel verstanden. Gegen die Unterscheidungskraft
  59. sprächen bereits die Länge des angemeldeten Zeichens und der Umstand, dass
  60. die verschiedenen Slogans im Verbund verwendet würden. Da bei dem angemeldeten Zeichen mehrere Slogans nacheinander aufgeführt seien, fehle es an Kürze, Originalität und Prägnanz und damit an wichtigen Indizien, die für eine Unterscheidungskraft sprechen könnten. Allein zur Erfassung der komplexen Gesamtwortfolge benötige der Verkehr eine erhebliche Zeit, was für sich genommen
  61. schon dagegen spreche, dass die Wortfolge als ein Zeichen bzw. ein betrieblicher
  62. Herkunftshinweis erfasst werde. Der Verkehr werde angesichts fehlender Gewöhnung an Mehrfachslogans als Kennzeichnung in der angemeldeten Wortfolge keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sehen, sondern nur die Wortfolge als
  63. solche erkennen.
  64. 7
  65. III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) bejaht.
  66. 8
  67. 1. Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke
  68. innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von
  69. einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder
  70. -5-
  71. Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn
  72. die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen
  73. jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschl. v.
  74. 4.12.2008 - I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Tz. 11 = WRP 2009, 813 - Willkommen
  75. im Leben; Beschl. v. 22.1.2009 - I ZB 34/08, GRUR 2009, 949 Tz. 10 = WRP
  76. 2009, 963 - My World, m.w.N.).
  77. 9
  78. Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen
  79. auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortzeichen gerechtfertigt sind. Vielmehr
  80. ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe
  81. Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge bei
  82. beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner
  83. Art auszugehen (BGH GRUR 2009, 778 Tz. 12 - Willkommen im Leben; GRUR
  84. 2009, 949 Tz. 12 - My World, m.w.N.).
  85. 10
  86. 2. Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts beschreiben zwar
  87. nicht alle drei im angemeldeten Zeichen enthaltenen Werbesprüche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Das angemeldete Zeichen enthält zudem,
  88. wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, keine gebräuchliche Wortfolge, die vom Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel
  89. verstanden wird. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt daraus jedoch
  90. nicht, dass dem angemeldeten Zeichen Unterscheidungskraft zukommt.
  91. -6-
  92. 11
  93. Kann einem Wortzeichen kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen
  94. im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und
  95. handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht
  96. als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es zwar im Allgemeinen keinen
  97. tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die vorerwähnte Unterscheidungseignung
  98. und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2009, 778 Tz. 11
  99. - Willkommen im Leben, m.w.N.). Einem Zeichen kann die Unterscheidungskraft
  100. jedoch auch fehlen, wenn es keinen beschreibenden Begriffsinhalt hat und kein
  101. gebräuchliches Wort ist. So sind insbesondere längere Wortfolgen, wie der Senat
  102. bereits mehrfach ausgesprochen hat, grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig
  103. (st. Rspr.; vgl. Beschl. v. 13.6.2002 - I ZB 1/00, GRUR 2002, 1070, 1071 = WRP
  104. 2002, 1281 - Bar jeder Vernunft; GRUR 2009, 778 Tz. 12 - Willkommen im Leben;
  105. GRUR 2009, 949 Tz. 12 - My World). Dem steht nicht der Grundsatz entgegen, dass
  106. an Wortfolgen keine anderen rechtlichen Maßstäbe anzulegen sind als an sonstige
  107. Arten von Zeichen. Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind
  108. zwar für alle Arten von Zeichen dieselben; bei der Anwendung dieser Kriterien kann
  109. sich aber zeigen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht jede Art von Zeichen
  110. notwendig in gleicher Weise wahrnehmen (EuGH, Urt. v. 21.10.2004 - C-64/02,
  111. Slg. 2004, I-10031 = GRUR 2004, 1027, 1029 Tz. 34 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip
  112. der Bequemlichkeit] Urt. v. 21.1.2010 - C-389/08, GRUR 2010, 228 Tz. 37 - Audi [Vorsprung durch Technik]). Eine längere Wortfolge vermittelt dem angesprochenen Verkehr in der Regel nicht den Eindruck eines betrieblichen Herkunftshinweises (Ströbele
  113. in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 144 m.w.N. zur Rechtsprechung des
  114. BPatG).
  115. 12
  116. 3. Danach hat das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass
  117. der angemeldeten Wortfolge jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
  118. -7-
  119. 13
  120. Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts sehen die angesprochenen Verkehrskreise in dem angemeldeten Zeichen wegen der Länge der Wortfolge keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren und
  121. Dienstleistungen. Dem Zeichen fehlt es an Kürze, Originalität und Prägnanz und
  122. damit an wichtigen Indizien, die für eine Unterscheidungskraft sprechen könnten.
  123. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. BGH GRUR 2009, 778
  124. Tz. 12 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 Tz. 12 - My World).
  125. 14
  126. Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe den
  127. Umstand, dass der Verkehr zur Erfassung der komplexen Gesamtwortfolge erhebliche Zeit benötigt, zu Unrecht zur Begründung der fehlenden Unterscheidungskraft herangezogen. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Bundespatentgericht nicht verkannt, dass es für die Unterscheidungskraft unerheblich
  128. ist, ob die angesprochenen Verkehrskreise sich das angemeldete Zeichen merken
  129. können (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.1999 - I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 f. =
  130. WRP 2000, 520 - St. Pauli Girl, m.w.N.). Das Bundespatentgericht hat das Fehlen
  131. der Unterscheidungskraft vielmehr allein daraus hergeleitet, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der angemeldeten Wortfolge keinen Herkunftshinweis
  132. sehen.
  133. 15
  134. Gleichfalls ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde die Annahme des
  135. Bundespatentgerichts, der Verkehr werde angesichts fehlender Gewöhnung an
  136. Mehrfachslogans als Kennzeichnung in der angemeldeten Wortfolge keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen, sondern nur die Wortfolge als solche erkennen. Da der Verkehr nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nicht daran gewöhnt ist, in Mehrfachslogans eine Kennzeichnung zu sehen, kommt es
  137. nicht darauf an, ob der Verkehr, wenn er an Mehrfachslogans als Kennzeichnung
  138. gewöhnt wäre, in der angemeldeten Wortfolge einen betrieblichen Herkunftshinweis sähe.
  139. -8-
  140. 16
  141. Es kann dahinstehen, welche Folgen eine Zurückweisung des angemeldeten
  142. Mehrfachslogans im Hinblick darauf hat, dass die in dem Mehrfachslogan enthaltenen Einzelslogans jeweils für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen als Marke der Anmelderin eingetragen sind (vgl. BPatG, Beschl. v.
  143. 21.10.2008, 33 W (pat) 22/07, 33 W (pat) 33/07 und 33 W (pat) 37/07, jeweils
  144. juris). Die Rechtsbeschwerde macht geltend, bei einer Zurückweisung des Mehrfachslogans könnte die Anmelderin die Einzelslogans nicht durch Verwendung des
  145. Mehrfachslogans im Geschäftsverkehr rechtserhaltend nutzen und würden Dritte
  146. die Einzelslogans durch eine Verwendung des Mehrfachslogans nicht verletzen.
  147. Es kommt nicht darauf an, ob die Befürchtungen der Anmelderin berechtigt sind.
  148. Sie können jedenfalls nicht die Eintragung eines Zeichens rechtfertigen, dem jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
  149. Bornkamm
  150. Pokrant
  151. Schaffert
  152. Büscher
  153. Koch
  154. Vorinstanz:
  155. Bundespatentgericht, Entscheidung vom 31.03.2009 - 33 W(pat) 21/07 -