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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (B) 48/08
  4. vom
  5. 20. April 2009
  6. in dem Verfahren
  7. wegen Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung
  8. -2-
  9. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
  10. Richter Dr. Ganter, die Richter Dr. Frellesen und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Roggenbuck sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stüer, Dr. Martini und
  11. Prof. Dr. Quaas
  12. am 20. April 2009
  13. beschlossen:
  14. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofes vom
  15. 27. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
  16. Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen
  17. und der Antragsgegnerin die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
  18. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
  19. 12.500 € festgesetzt.
  20. Gründe:
  21. I.
  22. 1
  23. Die Antragstellerin ist seit 1982 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Sie
  24. beantragte mit Schreiben vom 7. Februar 2006 die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Erbrecht. Die Antragsgegnerin wies den Antrag mit
  25. Bescheid vom 9. Juli 2007 zurück.
  26. -3-
  27. 2
  28. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen sofortigen Beschwerde.
  29. II.
  30. 3
  31. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 223 Abs. 3 und 4, § 42 Abs. 4 BRAO),
  32. hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf
  33. gerichtliche Entscheidung mit Recht zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.
  34. 4
  35. Die Antragsgegnerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Verleihung
  36. der Fachanwaltsbezeichnung für das Erbrecht (§§ 1, 2 Abs. 1 FAO). Zwischen
  37. den Beteiligten ist außer Streit, dass die Antragstellerin die erforderlichen theoretischen Kenntnisse im Erbrecht nachgewiesen hat (§ 2 i.V.m. §§ 4, 14f FAO).
  38. Die Antragstellerin hat jedoch, wie die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof mit Recht angenommen haben, hinsichtlich der geforderten praktischen Erfahrungen (§ 2 i.V.m. § 5 Satz 1 Buchst. m, § 14f FAO) jedenfalls nicht
  39. nachgewiesen, mindestens zehn rechtsförmliche Verfahren außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit bearbeitet zu haben.
  40. 5
  41. Nach § 5 Satz 1 Buchst. m FAO in der ab 1. Juli 2005 geltenden für die
  42. Antragstellerin maßgeblichen Fassung (§ 16 Abs. 1 FAO) setzt der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen im Erbrecht voraus, dass der Antragsteller
  43. innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung 80 Fälle persönlich und
  44. weisungsfrei bearbeitet hat, davon mindestens 20 rechtsförmliche Verfahren,
  45. davon wiederum höchstens 10 Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit; die
  46. Fälle müssen sich auf die in § 14f Nr. 1 bis 5 FAO bestimmten Bereiche beziehen. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof haben offen gelassen, ob
  47. die Antragstellerin nachgewiesen hat, dass sie innerhalb der letzten drei Jahre
  48. -4-
  49. vor der Antragstellung 80 erbrechtliche Fälle persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat. Die Antragsgegnerin hat die Ablehnung des Antrags darauf gestützt,
  50. dass lediglich neun Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und zwei rechtsförmliche Verfahren außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt werden könnten. Der Anwaltsgerichtshof hat dagegen im angefochtenen Beschluss
  51. auch die Anzahl anzuerkennender FGG-Fälle offen gelassen; jedenfalls seien
  52. aus der von der Antragstellerin vorgelegten Fallliste nicht mindestens zehn,
  53. sondern lediglich sieben Fälle anzuerkennen, die rechtsförmliche Verfahren im
  54. Erbrecht außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit zum Gegenstand hätten.
  55. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
  56. 6
  57. 1. Die Rechtsfragen, zu deren Klärung der Anwaltsgerichtshof die sofortige Beschwerde zugelassen hat, beziehen sich auf den Fallbegriff im Erbrecht
  58. sowie auf den Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens. Den hierzu vertretenen
  59. Auffassungen des Anwaltsgerichtshofs ist weitgehend, jedoch nicht uneingeschränkt zuzustimmen.
  60. 7
  61. a) Der Anwaltsgerichtshof hat seiner Entscheidung einen zutreffenden
  62. Fallbegriff zugrunde gelegt. Ein Fall im Sinne des § 5 Satz 1 FAO ist, wie der
  63. Senat entschieden hat, jede juristische Aufarbeitung eines einheitlichen Lebenssachverhalts, der sich von anderen Lebenssachverhalten dadurch unterscheidet, dass die zu beurteilenden Tatsachen und die Beteiligten verschieden
  64. sind (BGHZ 166, 292 = NJW 2006, 1513 Tz. 12 m.w.N.; zustimmend Hartung/
  65. Römermann-Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., § 5 FAO
  66. Rdn. 45; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 5 FAO Rdn. 4; Kleine-Cosack,
  67. BRAO, 5. Aufl., Anh. I 2, § 5 Rdn. 6). An dieser Begriffsbestimmung, die auch
  68. für den Fallbegriff im Fachgebiet Erbrecht (§ 5 Satz 1 Buchst. m FAO) maßgeblich ist, hält der Senat fest.
  69. -5-
  70. Zu einem erbrechtlichen Fall wird ein Fall gemäß § 5 Satz 1 Buchst. m
  71. 8
  72. FAO dadurch, dass er sich auf die in § 14f Nr. 1 bis 5 FAO bestimmten Bereiche des Erbrechts bezieht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein Schwerpunkt der Bearbeitung in dem in § 14f FAO näher umschriebenen Fachgebiet
  73. Erbrecht liegt; dafür genügt es, wenn eine Frage aus diesem Fachgebiet erheblich ist oder erheblich werden kann (vgl. BGHZ 166, 292 Ls. 2 und Tz. 22).
  74. Ein solcher Bezug zum Erbrecht muss auch bei den Fällen gewahrt sein,
  75. 9
  76. die in die in § 14f FAO aufgeführten, mit dem Erbrecht häufig in Beziehung
  77. stehenden Rechtsgebiete übergreifen (Familien-, Gesellschafts-, Stiftungs- und
  78. Sozialrecht; Internationales Privatrecht, Steuerrecht). Dies ergibt sich bereits
  79. aus dem Wortlaut des § 14f FAO, nach dem zwischen diesen Gebieten und
  80. dem Erbrecht "Bezüge" bestehen müssen. Dafür reicht nicht jeder beliebige
  81. erbrechtliche Gesichtspunkt aus. Ein Fall, dessen Schwerpunkt in einem anderen Gebiet liegt, wird nicht dadurch schon zu einem erbrechtlichen Fall, dass
  82. einem Anspruch etwa eine unstreitige Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922
  83. BGB zugrunde liegt. Fälle aus den in § 14f FAO genannten Rechtsgebieten außerhalb des Erbrechts können als erbrechtliche Fälle nur anerkannt werden,
  84. wenn bei ihnen auch erbrechtliche Fragen für die argumentative Auseinandersetzung "eine Rolle spielen" (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Februar 2008
  85. - AnwZ (B) 17/07, NJW 2008, 3001 = BRAK-Mitt. 2008, 135 Tz. 10 zum Arbeitsrecht). Auch der verschiedene Rechtsgebiete berührende Fall muss eine für die
  86. juristische Bearbeitung relevante erbrechtliche "Frage" aufwerfen, das heißt
  87. einen
  88. Bearbeitungsschwerpunkt
  89. im
  90. Erbrecht
  91. enthalten
  92. (Hartung/
  93. Römermann-Scharmer, aaO, Rdn. 64, 175).
  94. 10
  95. Dies erfordert im Rahmen der Prüfung, ob die nach § 5 Satz 1 Buchst. m
  96. FAO erforderliche Anzahl erbrechtlicher Fälle nachgewiesen ist, eine Beurteilung des Gewichts, das dem erbrechtlichen Gesichtspunkt eines Falles für die
  97. -6-
  98. juristische Aufarbeitung dieses Falles zukommt. Eine solche wertende Beurteilung kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorgenommen werden.
  99. 11
  100. b) Der Anwaltsgerichtshof ist auch mit Recht davon ausgegangen, dass
  101. Erbschaftsteuererklärungen nicht unter den Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens fallen. Dies ergibt sich aus der Bestimmung in § 5 Satz 1 Buchst. b FAO,
  102. die eine Legaldefinition des Begriffs für das Steuerrecht enthält, nach der nur
  103. Einspruchs-
  104. und
  105. Klageverfahren
  106. als
  107. rechtsförmliche
  108. Verfahren
  109. gelten
  110. (Hartung/Römermann-Scharmer, aaO , Rdn. 236; Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben, 2. Aufl., Rdn. 352). Diese Beschränkung schließt
  111. die Anerkennung bloßer Steuererklärungen als rechtsförmliche Verfahren aus.
  112. Dies gilt auch für Erbschaftsteuerklärungen, und zwar nicht nur im Fachgebiet
  113. Steuerrecht (§ 5 Satz 1 Buchst. b FAO), sondern auch im Fachgebiet Erbrecht
  114. (§ 5 Satz 1 Buchst. m FAO). Denn für Erbschaftsteuererklärungen kann unter
  115. dem Gesichtspunkt der Rechtsförmlichkeit des Verfahrens im Erbrecht nichts
  116. anderes gelten als im Steuerrecht. Erbschaftsteuererklärungen können zwar
  117. nicht nur als steuerrechtlicher (§ 5 Satz 1 Buchst. b FAO), sondern auch als
  118. erbrechtlicher Fall gemäß § 5 Satz 1 Buchst. m FAO i.V.m. § 14f Nr. 5 FAO anzuerkennen sein, wenn ihre Bearbeitung die Klärung einer erbrechtlichen Frage
  119. erfordert, nicht aber als rechtsförmliche Verfahren im Sinne des § 5 Satz 1
  120. Buchst. m FAO. Dementsprechend werden auch in der Kommentarliteratur nur
  121. Widerspruchsverfahren gegen Erbschaftsteuerbescheide als Beispiel für rechtsförmliche Verfahren im Fachgebiet Erbrecht aufgeführt, nicht aber die zugrunde
  122. liegenden Erbschaftsteuerklärungen selbst (Hartung/Römermann-Scharmer,
  123. aaO, Rdn. 175; Feuerich/Weyland, aaO, Rdn. 56; Offermann-Burckart, aaO,
  124. Rdn. 463).
  125. -7-
  126. 12
  127. c) Der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, dass auch außerhalb des
  128. Steuerrechts nur streitige Gerichts- oder Verwaltungsverfahren rechtsförmliche
  129. Verfahren i.S. des § 5 Satz 1 Buchst. m FAO darstellten, kann dagegen nicht
  130. gefolgt werden. Gegen ein solches Begriffsverständnis spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, nach dem auch die (nicht streitigen) Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - ebenso wie im Handels- und Gesellschaftsrecht (§ 5
  131. Satz 1 Buchst. p FAO) - unter den Begriff der rechtsförmlichen Verfahren fallen
  132. ("davon"). Auch auf die übrigen Bestimmungen des § 5 Satz 1 FAO lässt sich
  133. das enge Begriffsverständnis des Anwaltsgerichtshofs nicht stützen. Der Begriff
  134. des rechtsförmlichen Verfahrens wird in § 5 Satz 1 FAO nicht einheitlich verwendet. § 5 Satz 1 Buchst. b FAO enthält zwar, wie ausgeführt, für das Steuerrecht eine auf streitige Verfahren begrenzte Legaldefinition (Einspruchs- und
  135. Klageverfahren), die neuere Bestimmung des § 5 Satz 1 Buchst. r FAO für den
  136. Bereich des Informationstechnologierechts dagegen eine beispielhafte Aufzählung, die auch nicht streitige Verwaltungsverfahren einschließt. Im Verhältnis
  137. zum gerichtlichen Verfahren wird der Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens
  138. - wie in § 5 Satz 1 Buchst. m und p FAO hinsichtlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit - zumeist als Oberbegriff verwendet (ebenso in § 5 Satz 1 Buchst. b, i, r
  139. und s FAO); in § 5 Satz 1 Buchst. c FAO dagegen werden rechtsförmliche und
  140. gerichtliche Verfahren einander gegenübergestellt.
  141. 13
  142. Aus dieser uneinheitlichen Begriffsverwendung in § 5 Satz 1 FAO ist für
  143. § 5 Satz 1 Buchst. m FAO abzuleiten, dass - abgesehen von Erbschaftsteuererklärungen - grundsätzlich auch (nicht streitige) Verwaltungsverfahren unter
  144. den Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens im Fachgebiet Erbrecht fallen können. Dementsprechend wird auch in der Kommentarliteratur der Begriff des
  145. rechtsförmlichen Verfahrens in § 5 Satz 1 Buchst. m FAO nicht auf streitige Verfahren verengt; so sollen etwa auch Genehmigungsverfahren zur Errichtung
  146. einer Stiftung rechtsförmliche Verfahren i.S. des § 5 Satz 1 Buchst. m FAO sein
  147. -8-
  148. können (Hartung/Römermann-Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung,
  149. aaO, Rdn. 175; Offermann-Burckart, aaO, Rdn. 463). Auf der anderen Seite soll
  150. aber für alle Fachanwaltsgebiete gelten, dass nicht jedes durch einen Antrag in
  151. Gang gesetzte Verwaltungsverfahren unter den Begriff des rechtsförmlichen
  152. Verfahrens fällt, sondern nur ein solches, das durch eine Verfahrensordnung,
  153. insbesondere
  154. also
  155. durch
  156. Form-
  157. und
  158. Fristvorschriften,
  159. geregelt
  160. ist
  161. (Hartung/Römermann-Scharmer, aaO, Rdn. 236; Offermann-Burckart, aaO,
  162. Rdn. 354; Kleine-Cosack, aaO, § 5 Rdn. 19). Ob diese Auffassung Zustimmung
  163. verdient, wie gegebenenfalls die Anforderungen an rechtsförmliche Verfahren,
  164. soweit es um nicht streitige Verwaltungsverfahren geht, zu konkretisieren wären
  165. und was daraus für § 5 Satz 1 Buchst. m FAO folgen würde, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung.
  166. 14
  167. 2. Nach Maßgabe der vorstehend dargelegten Grundsätze hat der Anwaltsgerichtshof im Ergebnis mit Recht angenommen, dass die Antragstellerin
  168. nicht - wie es § 5 Satz 1 Buchst. m FAO verlangt - nachgewiesen hat, mindestens zehn erbrechtliche Fälle bearbeitet zu haben, die rechtsförmliche Verfahren außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit zum Gegenstand haben. Aus der
  169. von der Antragstellerin vorgelegten, im gerichtlichen Verfahren ergänzten Fallliste, die insgesamt 35 Fälle umfasst, sind jedenfalls nicht mehr als sieben Fälle
  170. anzuerkennen.
  171. 15
  172. a) Fälle 1 bis 9, 11, 17:
  173. 16
  174. In diesen - unstreitig rechtsförmlichen - Verfahren geht es um die Vertretung einer Erbin gegenüber dem Finanzamt M.
  175. in mehreren Einspruchs-
  176. verfahren wegen verschiedener Steuerbescheide, welche die Veranlagung des
  177. Erblassers zur Einkommens- und Umsatzsteuer betreffen (Fälle 1 bis 9, 17)
  178. sowie gegenüber dem Zweckverband L.
  179. in einem Vollstreckungsverfah-
  180. -9-
  181. ren wegen eines gegen den Erblasser ergangenen Abwasserbeitragsbescheids
  182. (Fall 10). Allen Fällen gemeinsam ist, dass sie - abgesehen von der unstreitigen
  183. Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) sowie der Dreimonatseinrede (§ 2014
  184. BGB) im Fall 1 - nur einen erbrechtlichen Aspekt aufweisen: die Erhebung der
  185. Dürftigkeitseinrede (§ 1990 Abs. 1 BGB) nach Zurückweisung des Antrags auf
  186. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass des Erblassers. Weitere
  187. erbrechtliche Fragen spielten gegenüber den Ansprüchen dieser beiden Nachlassgläubiger keine Rolle.
  188. 17
  189. Die Beurteilung des Anwaltsgerichtshofs, dass von den genannten elf
  190. Fällen jedenfalls nicht mehr als insgesamt drei erbrechtliche Fälle anzuerkennen seien, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
  191. 18
  192. Von vornherein auszuscheiden aus der Fallliste der Antragstellerin ist der
  193. Fall 9, weil insoweit ein erbrechtlicher Bezug in der Fallliste nicht dargelegt ist.
  194. In den verbleibenden zehn Fällen ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin mit der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB (und im Fall 1 zusätzlich der
  195. Dreimonatseinrede nach § 2014 BGB) ein hinreichender Bezug zum Fachgebiet
  196. Erbrecht (§ 14f Nr. 4 FAO) zwar gegeben; davon geht auch der Anwaltsgerichtshof aus, der diese Fälle - wenn auch nicht in voller Anzahl - anerkannt hat.
  197. Der Umstand, dass sich die erbrechtliche Problematik in diesen Fällen im Wesentlichen auf die Erhebung der Dürftigkeitseinrede beschränkt und insoweit
  198. wiederholt, hat aber entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs nicht zur
  199. Folge, dass die weiteren Fälle mit gleich gelagerter Problematik von vornherein
  200. nicht mehr als Fälle anzuerkennen wären, weil sie, wie der Anwaltsgerichtshof
  201. gemeint hat, aufgrund der gleich gelagerten Problematik ihre Eigenschaft als
  202. erbrechtliche Fälle verlören. Wenn sich einem Rechtsanwalt in unterschiedlichen Fällen wiederholt dieselben erbrechtlichen Fragen stellen, so kann dies
  203. gemäß § 5 Satz 2 FAO in der für die Antragstellerin maßgeblichen Fassung (im
  204. - 10 -
  205. Folgenden; § 5 Satz 2 FAO a.F.) zwar zu einer anderen Gewichtung der Wiederholungsfälle führen, nicht aber dazu, dass diese Fälle von vornherein nicht
  206. mehr als erbrechtliche Fälle anzusehen wären; denn von der Frage einer abweichenden Gewichtung im Einzelfall ist die vorgelagerte Frage zu unterscheiden, ob ein Fall als "ein Fall" i.S. des § 5 Satz 1 FAO anzurechnen ist (Senatsbeschluss vom 6. März 2006, aaO Tz. 27 f.; Quaas, BRAK-Mitt. 2006, 265,
  207. 267).
  208. 19
  209. Ist danach hinsichtlich der Fälle 1 bis 8, 11 und 17 - zunächst - von zehn
  210. erbrechtlichen Fällen auszugehen, so ist anschließend die Frage, ob Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle eine andere Gewichtung rechtfertigen (§ 5 Satz 2 FAO a.F.), zu prüfen. Die Antragsgegnerin hat sich in ihrem
  211. Schriftsatz vom 14. Januar 2008 und in ihrer Beschwerdeerwiderung (GA 157,
  212. 16) mit Recht darauf berufen, dass aufgrund der im Wesentlichen gleich gelagerten rechtlichen Problematik (Erhebung der Einrede nach § 1990 BGB hinsichtlich ein und desselben Erbfalls) jedenfalls eine erhebliche Mindergewichtung vorzunehmen ist, wenn die Fälle - wovon hier auszugehen ist - als erbrechtliche Fälle anzuerkennen sein sollten.
  213. 20
  214. Eine solche Mindergewichtung, die auch dem Senat hier geboten erscheint, ist nach § 5 Satz 2 FAO a.F. zulässig. Unter der Geltung der Vorläuferbestimmung in § 9 Abs. 1 Satz 2 RAFachBezG war eine Gewichtung zu Ungunsten des Antragstellers zulässig (Senatsbeschluss vom 6. März 2006, aaO
  215. Tz. 17 m.N.). Für die im Wesentlichen wortgleiche Bestimmung in § 5 Satz 2
  216. FAO a.F. gilt insoweit nichts anderes (ebenso Feuerich/Weyland, BRAO, aaO
  217. § 5 FAO Rdn. 21; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 5 FAO
  218. Rdn. 9; noch offen gelassen im Senatsbeschluss vom 6. März 2006, aaO
  219. Tz. 16; dort auch Nachweise für die gegenteilige Auffassung). Dass bereits die
  220. Formulierung "anders gewichten" in § 5 Satz 2 FAO a.F. in diesem weiten, auch
  221. - 11 -
  222. Mindergewichtungen einschließenden Sinn auszulegen ist, ergibt sich aus der
  223. schon damals geltenden Bestimmung in § 24 Abs. 4 Satz 1 FAO, die eine Gewichtung zu Ungunsten des Antragstellers ausdrücklich nennt. Mittlerweile hat
  224. die Satzungsversammlung durch eine entsprechende Änderung der Bestimmung ausdrücklich klargestellt, dass Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit
  225. einzelner Fälle auch zu einer niedrigeren Gewichtung führen können (§ 5 Satz 3
  226. FAO). Damit hat der Satzungsgeber die schon vorher herrschende und in der
  227. Rechtsprechung anerkannte Praxis nachvollzogen (Hartung/RömermannScharmer, aaO § 5 FAO Rdn. 296).
  228. 21
  229. In allen zehn Fällen war die erbrechtliche Problematik (Erhebung der Einrede nach § 1990 BGB gegenüber verschiedenen Forderungen zweier Nachlassgläubiger) im Wesentlichen die gleiche und deshalb von der Antragstellerin
  230. nur einmal zu prüfen. Von den Fällen 1 bis 8, 11 und 17 kann deshalb nur ein
  231. Fall als erbrechtlicher Fall voll angerechnet werden. Die weiteren neun Fälle
  232. haben dagegen aufgrund der - in erbrechtlicher Hinsicht - gleich gelagerten
  233. Problematik so geringes Gewicht, dass sie als Nachweis für die praktischen
  234. Fähigkeiten im Erbrecht nach der Auffassung des Senats hier nur mit einem
  235. Faktor von höchstens 0,2, insgesamt also mit nicht mehr als höchstens zwei
  236. weiteren vollwertigen Fällen in Ansatz gebracht werden können. Dabei ist auch
  237. zu berücksichtigen, dass die Fälle 7 und 8 die den Erblasser betreffende Umsatzsteuer für das Jahr 2002 und damit im Wesentlichen denselben Lebenssachverhalt betreffen wie der Fall 6 und dass der Fall 17 - ebenso wie Fall 5 die Einkommensteuer 2002 zum Gegenstand hat; auch diese beiden Fälle hängen daher auch insoweit aufs Engste zusammen.
  238. 22
  239. Aus alledem ergibt sich, dass von den Fällen 1 bis 8, 11 und 17 - wie
  240. vom Anwaltsgerichtshof mit anderer Begründung angenommen - jedenfalls
  241. - 12 -
  242. nicht mehr als insgesamt drei Fälle unter dem Gesichtspunkt rechtsförmlicher
  243. Verfahren außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuerkennen sind.
  244. 23
  245. b) Die weiteren Fälle 10, 12 bis 16, 18, 20 bis 22, 28, 31, 32 und 34 hat
  246. der Anwaltsgerichtshof nicht anerkannt. Dies wird hinsichtlich der Fälle 20, 21
  247. und 32 von der sofortigen Beschwerde nicht angegriffen. Auch den übrigen Fällen ist die Anerkennung zu versagen.
  248. 24
  249. Die Fälle 18 und 22 scheiden schon deshalb aus, weil Erbschaftsteuererklärungen, wie unter 1 ausgeführt, nicht als rechtsförmliche Verfahren anzusehen sind.
  250. 25
  251. Hinsichtlich der Fälle 10 (Antrag auf Witwenrente) und 31 (Grundbuchberichtigung) kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei diesen Antragsverfahren,
  252. wie der Anwaltsgerichtshof angenommen hat, nicht um rechtsförmliche Verfahren handelt. Jedenfalls fehlt den Fällen ein hinreichender erbrechtlicher Bezug.
  253. Der etwaige Anspruch auf Witwenrente (Fall 10) ist nicht vom Erbrecht der Witwe abhängig, sondern beruht auf deren familienrechtlicher Beziehung zum Erblasser als dessen Ehefrau. Auch der Antrag auf Löschung des für den Erblasser
  254. in einem österreichischen Grundbuch eingetragenen Wohnrechts (Fall 31) wirft
  255. entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine hinreichende erbrechtliche
  256. Frage auf. Die Qualifizierung des Wohnrechts als beschränkt persönliche
  257. Dienstbarkeit, die mit dem Tod des Berechtigten erlischt, ist sachenrechtlicher
  258. und nicht erbrechtlicher Natur. Die sich daraus ergebende Rechtsfolge, dass
  259. das Wohnrecht nicht in den Nachlass fällt, reicht nicht aus, um den sachenrechtlichen Fall zu einem erbrechtlichen Fall werden zu lassen.
  260. 26
  261. Den verbleibenden Fällen 12 bis 16 sowie 28 und 34 fehlt ebenfalls der
  262. für die Anerkennung erforderliche erbrechtliche Bezug. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug.
  263. - 13 -
  264. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.
  265. 27
  266. c) Der Fall 19 ist entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs nicht
  267. anzuerkennen. Die Antragsgegnerin weist mit Recht darauf hin, dass sich der
  268. nach dem Tod des Mieters geltend gemachte sozialrechtliche Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI in diesem Fall nicht gegen den Erben, sondern einen Dritten, den Vermieter, richtete. Die Abwehr dieses Anspruchs hat
  269. mit dem Fachgebiet Erbrecht nichts zu tun. Aus der vom Anwaltsgerichtshof als
  270. Beleg angeführten Kommentierung (Offermann-Burckart, aaO Rdn. 187) ergibt
  271. sich nichts anderes; dort ist nur von sozialrechtlichen Rückforderungsansprüchen gegen einen Erben die Rede.
  272. 28
  273. d) Von den Fällen 23 bis 27 hat der Anwaltsgerichtshof mit Recht nicht
  274. mehr als zwei Fälle anerkannt. Anzuerkennen sind allenfalls die Fälle 23 und
  275. 24, in denen es um den Einspruch gegen die Feststellungsbescheide vom
  276. 6. Dezember 2006 über den Grundbesitzwert von zwei Grundstücken geht.
  277. Diese Fälle, denen auch die Antragsgegnerin die Anerkennung nicht versagen
  278. will (GA 61), gehören wegen ihres Bezugs zum Erbschaftsteuerrecht zum Fachgebiet Erbrecht (§ 14f Nr. 5 FAO). Die Zurückweisung der Zustellung der genannten Bescheide vom 6. Dezember 2006 (Fall 25) stellt gegenüber den Fällen 23 und 24 keinen eigenständigen erbrechtlichen Fall dar, sondern bildet mit
  279. diesen Fällen eine Einheit. Im Übrigen fehlt es dem Fall 25 - für sich genommen - auch an dem erforderlichen erbrechtlichen Bezug, da die Zurückweisung
  280. nicht auf erbrechtlichen Gesichtspunkten beruhte, sondern auf fehlender Empfangsvollmacht. Auch die Eigenständigkeit des Falles 26 (Zurückweisung der
  281. Zustellung eines weiteren, nicht näher konkretisierten Feststellungsbescheides)
  282. und dessen erbrechtlicher Bezug sind nicht dargetan. Der Fall 27 wiederum
  283. - 14 -
  284. betrifft die Feststellung des Grundbesitzwertes für das Grundstück des Falles
  285. 23 und bezieht sich damit auf den gleichen Lebenssachverhalt wie der Fall 23.
  286. 29
  287. e) Von den Fällen 29, 30, 33 und 35 hat der Anwaltsgerichtshof einen
  288. Fall anerkannt. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
  289. 30
  290. Der Fall 29 betrifft ein Scheidungsverbundverfahren, in dem es um die
  291. Auswirkungen der erbrechtlichen Folgen des Todes des Vaters der Scheidungsgegnerin auf die Folgesachen Güterrecht und Versorgungsausgleich
  292. geht. Dieser familienrechtliche Fall weist wegen der zu beurteilenden erbrechtlichen Fragen (Unwirksamkeit eines Pflichtteilsverzichts, Umfang des Pflichtteils
  293. sowie eines Vermächtnisses) einen hinreichenden Bezug zum materiellen Erbrecht auf (§ 14f Nr. 1 FAO). Dass die erbrechtlichen Fragen nach österreichischem Recht zu beurteilen waren, steht der Anerkennung entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht entgegen. Zwar liegt der Schwerpunkt des
  294. Fachgebiets Erbrecht nach § 14f FAO im deutschen Recht. Nach § 14f Nr. 2
  295. FAO gehört aber auch das internationale Privatrecht und damit auch ausländisches Erbrecht, soweit dieses nach den Kollisionsnormen zur Anwendung gelangt, zum Fachgebiet Erbrecht.
  296. 31
  297. Die weiteren Fälle betreffen zwar gesonderte rechtsförmliche Verfahren
  298. (Fall 30: Ehegattentrennungsunterhalt; Fälle 33 und 35: einstweilige Anordnung
  299. wegen Prozesskostenvorschuss für das Scheidungsverbundverfahren und das
  300. Unterhaltsverfahren), sind hier jedoch nur mit einem Faktor von jeweils nicht
  301. mehr als 0,2 zu gewichten und deshalb auch zusammengenommen nicht als
  302. weiterer vollwertiger Fall anzurechnen. Denn in diesen Fällen geht es in erbrechtlicher Hinsicht um die gleichen Fragen wie im Fall 29, so dass die erbrechtliche Problematik nur einmal geprüft werden musste. Die Auswirkungen
  303. der erbrechtlichen Sachverhalte auf das Güterrecht, den Versorgungsausgleich
  304. - 15 -
  305. und den Trennungsunterhalt ergeben sich, nachdem die erbrechtlichen Fragen
  306. geklärt sind, nicht aus dem Erbrecht, sondern aus dem Familienrecht. Darauf
  307. hat der Anwaltsgerichtshof mit Recht hingewiesen.
  308. 32
  309. Selbst wenn die Fälle 30, 33 und 35 aufgrund einer entsprechenden Gewichtung noch als ein weiterer Fall anerkannt werden könnten - eine höhere
  310. Gewichtung käme keinesfalls in Betracht -, würde dies insgesamt zu nicht mehr
  311. als sieben Fällen führen, die als rechtsförmliche Verfahren im Erbrecht anzuerkennen wären. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung daher mit Recht zurückgewiesen.
  312. Ganter
  313. Frellesen
  314. Stüer
  315. Schmidt-Räntsch
  316. Martini
  317. Roggenbuck
  318. Quaas
  319. Vorinstanz:
  320. AGH München, Entscheidung vom 27.02.2008 - BayAGH I - 32/07 -