Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

157 lines
7.8 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (B) 11/07
  4. vom
  5. 10. Dezember 2007
  6. in dem Verfahren
  7. wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  8. -2Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
  9. des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richter Dr. Ernemann,
  10. Dr. Frellesen und Schaal, die Rechtsanwältinnen Dr. Hauger und Kappelhoff
  11. sowie den Rechtsanwalt Prof. Dr. Stüer
  12. nach mündlicher Verhandlung am 10. Dezember 2007 beschlossen:
  13. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des I. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs
  14. vom 11. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
  15. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen
  16. und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
  17. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
  18. 50.000 € festgesetzt.
  19. Gründe:
  20. I.
  21. 1
  22. Der Antragsteller ist 1987 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden.
  23. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 6. Juni 2006 die Zulassung des
  24. Antragstellers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.
  25. 2
  26. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der
  27. Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich
  28. der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.
  29. -3II.
  30. 3
  31. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der
  32. Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist mit Recht widerrufen worden.
  33. 4
  34. 1. Die Rügen des Antragstellers, der Anwaltsgerichtshof habe sein Vorbringen in einem Schriftsatz vom 3. Oktober 2006 nicht berücksichtigt und zudem – obwohl er sein Fernbleiben im Termin vom 13. November 2006 im
  35. Nachhinein durch Vorlage eines ärztlichen Attestes hinreichend entschuldigt
  36. habe – in seiner Abwesenheit mündlich verhandelt, vermag dem Rechtsmittel
  37. nicht zum Erfolg zu verhelfen. Ein Schriftsatz des Antragstellers vom 3. Oktober
  38. 2006 ist nicht zu den Akten gelangt. Der Antragsteller hat einen solchen auch
  39. zu keinem Zeitpunkt – auch nicht in Form einer Abschrift oder Kopie – nachgereicht. Ob die vorgelegte „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ vom 13. November 2006 geeignet ist, das Fernbleiben des Antragstellers im Termin vor dem
  40. Anwaltsgerichtshof zu entschuldigen, erscheint zweifelhaft. Letztlich kommt es
  41. hierauf jedoch nicht entscheidend an. Der Senat entscheidet als Beschwerdegericht in dem für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden
  42. Verfahren (§ 42 Abs. 5 und 6 BRAO). Er ermittelt als Tatsacheninstanz den
  43. Sachverhalt in eigener Verantwortung; auf Verfahrensfehler in der Vorinstanz
  44. kommt es damit grundsätzlich nicht an. Durch die Anhörung des Antragstellers
  45. im Beschwerdeverfahren würde eine etwaige Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof geheilt (Senat, Beschlüsse vom
  46. 13. Oktober 2003 – AnwZ (B) 36/02; vom 17. Mai 2004 – AnwZ (B) 48/03 und
  47. vom 25. April 2005 – AnwZ (B) 81/03).
  48. 5
  49. 2. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist (zwingend) die Zulassung zur
  50. Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall
  51. geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht
  52. -4gefährdet sind. Die Zweifel des Antragstellers an der Verfassungsmäßigkeit
  53. dieser Bestimmung teilt der Senat nicht (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. vom 31.
  54. August 2005 – 1 BvR 912/04, NJW 2005, 3057).
  55. 6
  56. Die Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.
  57. 7
  58. a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht
  59. ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
  60. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt
  61. (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 – AnwZ (B) 73/90, BRAKMitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 – AnwZ (B) 40/94, BRAKMitt. 1995, 126). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist. Zum Zeitpunkt des Widerrufs lagen gegen den Antragsteller sechs Eintragungen im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts N.
  62. vor, so dass der
  63. Vermutungstatbestand gegeben war. Er hatte am 9. November 2005 die eidesstattliche Versicherung (§ 807 ZPO) abgegeben. In dem Vermögensverzeichnis
  64. anlässlich der eidesstattlichen Versicherung vom 9. November 2005 hatte der
  65. Antragsteller angegeben, dass er von dem Einkommen seiner Ehefrau lebe und
  66. bei Bedarf auch von seinem Vater finanziell unterstützt werde. Über nennenswertes unbelastetes Vermögen verfügte er nach seinen Angaben nicht. Sein
  67. Konto bei der Na.
  68. Sparkasse in B.
  69. wies ein Sollsaldo von ca. 30.000 €
  70. auf. Der Aufforderung der Antragsgegnerin, zu seinen Vermögensverhältnissen
  71. detailliert Stellung zu nehmen, ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Dies
  72. geht zu seinen Lasten.
  73. -5b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Inte-
  74. 8
  75. ressen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Nach dem Gesetzeswortlaut ("es sei denn ...") führt der
  76. Vermögensverfall regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im
  77. Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den
  78. möglichen Zugriff von Gläubigern auf diese.
  79. 2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen
  80. 9
  81. Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.
  82. Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller
  83. 10
  84. nicht dargetan. Sowohl im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof als auch im
  85. Beschwerdeverfahren hat es der Antragsteller – trotz wiederholter entsprechender gerichtlicher Hinweise – bereits an der hierfür grundsätzlich unerlässlichen umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse
  86. fehlen lassen (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 14 Rdn. 59). Die im
  87. Schriftsatz vom 13. November 2006 angeführten Gesellschaftsbeteiligungen,
  88. insbesondere deren Werthaltigkeit, hat der Antragsteller nicht belegt. Die diesbezüglichen Ausführungen stehen zudem im Widerspruch zu den Angaben des
  89. Antragstellers anlässlich der eidesstattlichen Versicherung vom 9. November
  90. 2005. In der Anlage 1 zum Vermögensverzeichnis hatte damals der Antragsteller lediglich die Beteiligung an einer S.
  91. D.
  92. GmbH, umfirmiert in
  93. GmbH, angegeben und hierzu vermerkt, dass die
  94. erbrachte Einlage von ca. 25.000 € zwischenzeitlich verbraucht sei. Schließlich
  95. ist nach einer Mitteilung des Amtsgerichts N.
  96. vom 23. April 2007 der An-
  97. tragsteller weiterhin mit sechs Eintragungen im dortigen Schuldnerverzeichnis
  98. eingetragen, so dass davon auszugehen ist, dass die zugrunde liegenden Forderungen fortbestehen.
  99. -63. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der
  100. 11
  101. Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind. Ein
  102. Ausnahmefall im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschluss vom 18. Oktober 2004 – AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511) liegt ersichtlich nicht vor. Hierfür
  103. genügt nicht, dass der Antragsteller – wie er geltend gemacht hat – nicht beabsichtigt, Fremdmandate anzunehmen, sondern nur in eigenen Angelegenheiten
  104. tätig sein will. Eine solche Selbstbeschränkung ist – worauf schon der Anwaltsgerichtshof zutreffend hingewiesen hat – nicht kontrollierbar und kann jederzeit
  105. aufgegeben werden (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 12. Januar 2004
  106. – AnwZ (B) 17/03, vom 18. Oktober 2004 – AnwZ (B) 70/03, BRAK-Mitt. 2005,
  107. 27; vom 14. Juli 2003 – AnwZ (B) 61/02).
  108. Hirsch
  109. Ernemann
  110. Hauger
  111. Frellesen
  112. Kappelhoff
  113. Vorinstanz:
  114. AGH Frankfurt, Entscheidung vom 11.12.2006 - 1 AGH 13/06 -
  115. Schaal
  116. Stüer