|
|
- BUNDESGERICHTSHOF
- BESCHLUSS
- AnwZ(B) 102/05
- vom
- 27. November 2006
- in dem Verfahren
-
- wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
-
- -2-
-
- Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
- Richter Terno, die Richterin Dr. Otten, die Richter Dr. Frellesen und
- Dr. Schmidt-Räntsch sowie die Rechtsanwälte Dr. Wosgien, Dr. Martini und
- Prof. Dr. Quaas
- am 27. November 2006
- beschlossen:
- Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 2 bis 14 gegen
- den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 2005, mit dem die Nebeninterventionen dieser Antragsteller zurückgewiesen worden sind
- und ihren Anträgen auf Gewährung von Einsicht in die Verfahrensakten des Antragstellers zu 1 nicht entsprochen worden ist,
- werden als unzulässig verworfen.
- Die Beiladung der Antragsteller zu 2 bis 14 im Beschwerdeverfahren des Antragstellers zu 1 wird abgelehnt; die Anträge, als Nebenintervenienten zum Beschwerdeverfahren des Antragstellers zu 1 zugelassen zu werden, werden zurückgewiesen.
- Die im Beschwerdeverfahren erneut gestellten Anträge der Antragsteller zu 2 bis 14 auf Gewährung von Einsicht in die Verfahrensakten des Antragstellers zu 1 werden zurückgewiesen.
- Die Anträge der Antragsteller zu 2, 3, 11 und 12 auf Bewilligung
- von Prozesskostenhilfe werden zurückgewiesen.
- Von der Erhebung von Gerichtskosten von den Antragstellern zu 2
- bis 14 wird abgesehen. Außergerichtliche Auslagen sind von ihnen
- nicht zu erstatten.
-
- -3-
-
- Gründe:
- I.
- 1
-
- Der im Jahr 1938 geborene Antragsteller zu 1 ist seit dem 14. September
- 1999 als Rechtsanwalt beim Amtsgericht und beim Landgericht B.
-
- zugelas-
-
- sen. Mit Verfügung vom 4. Dezember 2003 widerrief die Antragsgegnerin die
- Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3
- BRAO in Verbindung mit §§ 15, 8a Abs. 1 Satz 1 BRAO.
- 2
-
- Der Antragsteller zu 1 hat gerichtliche Entscheidung beantragt. Die Antragsteller zu 2 bis 14, bei denen es sich um Mandanten des Antragstellers zu 1
- handelt, haben ihre Zulassung als Nebenintervenienten im gerichtlichen Verfahren des Antragstellers zu 1 beantragt. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag
- auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen - dagegen wendet sich der Antragsteller zu 1 mit seiner sofortigen Beschwerde, über die der Senat noch nicht
- entschieden hat - und hat die Nebeninterventionen der Antragsteller zu 2 bis 14
- als unzulässig zurückgewiesen; den Gesuchen der Antragsteller zu 2 bis 14 auf
- Gewährung von Einsicht in die Verfahrensakten des Antragstellers zu 1 hat der
- Anwaltsgerichtshof nicht entsprochen.
-
- 3
-
- Dagegen wenden sich die Antragsteller zu 2 bis 14 mit ihren sofortigen
- Beschwerden. Sie begehren darüber hinaus die Zulassung als Nebenintervenienten im Beschwerdeverfahren des Antragstellers zu 1 und beantragen erneut
- Einsicht in die Verfahrensakten des Antragstellers zu 1.
- II.
-
- 4
-
- 1. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 2 bis 14 sind nicht
- statthaft. In Verfahren über Anträge auf gerichtliche Entscheidung in Zulassungssachen nach §§ 37 ff. BRAO ist in der Bundesrechtsanwaltsordnung eine
-
- -4-
-
- sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen des Anwaltsgerichtshofs nur unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 BRAO vorgesehen. Darunter fällt nur
- die sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 1 (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 BRAO),
- nicht die der Antragsteller zu 2 bis 14. Deren Rechtsmittel sind auch nicht nach
- § 223 BRAO statthaft. Ebenso wenig ist die Statthaftigkeit aus den Vorschriften
- des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die
- nach § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO sinngemäß gelten, herzuleiten. Entscheidungen
- der Oberlandesgerichte in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit sind unanfechtbar. Dies gilt auch dann, wenn das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug
- entschieden hat (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - V ZB 61/02, NJWRR 2003, 644) und damit auch für solche Entscheidungen des beim Oberlandesgericht angesiedelten Anwaltsgerichtshofs (vgl. zur Zurückweisung eines
- Befangenheitsantrags: Senatsbeschluss vom 29. Januar 1996 - AnwZ(B) 6/97,
- BRAK-Mitt. 1997, 203; Senatsbeschluss vom 31. März 2006 - AnwZ(B) 119/05,
- BRAK-Mitt. 2006, 174).
- III.
- 5
-
- Dem Begehren der Antragsteller zu 2 bis 14, im Beschwerdeverfahren
- des Antragstellers zu 1 beteiligt zu werden, ist nicht zu entsprechen. Die Voraussetzungen für eine Beiladung nach § 65 VwGO liegen nicht vor; eine Nebenintervention nach §§ 66 ff. ZPO kommt in Zulassungssachen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht in Betracht.
-
- 6
-
- 1. Die Beteiligung Dritter an Verfahren über Zulassungssachen nach der
- Bundesrechtsanwaltsordnung ist, wie der Senat bereits entschieden hat, nach
- der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 65 VwGO zu beurteilen (Senatsbeschlüsse vom 28. Juli 2006 - AnwZ 1/06 und AnwZ 2/06; Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2006 - AnwZ(B) 87/05). Die Vorschriften der Nebenintervention gemäß §§ 66 ff. ZPO sind hier nicht anwendbar.
-
- -5-
-
- 7
-
- a) Die Bundesrechtsanwaltsordnung enthält keine Regelung über die Beteiligung Dritter an Verfahren in Zulassungssachen vor dem Anwaltsgerichtshof
- und dem Bundesgerichtshof. Insoweit finden zunächst die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechende
- Anwendung (§§ 40 Abs. 4, 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO). Dort finden sich - mit Ausnahme des § 13 FGG (Beistand) - ebenfalls keine Bestimmungen, die eine Beteiligung anderer Personen als der Hauptbeteiligten zulassen. Bei Lücken in der
- Ausgestaltung des Verfahrens im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kommt - je nach dem in Rede stehenden Verfahren unterschiedlich - eine entsprechende Anwendung von Vorschriften der Zivilprozessordnung oder von verwaltungsprozessualen Grundsätzen in Frage (BGHZ 84,
- 70, 73; vgl. zu besonderen Einzelfragen BGHZ 38, 110; BGHZ 70, 345). Es
- kommt deshalb darauf an, welche der beiden Verfahrensordnungen sich am
- ehesten mit den Verfahrensgrundsätzen in Zulassungssachen nach der BRAO
- vereinbaren lässt.
-
- 8
-
- b) In Zulassungssachen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung hat der
- Senat über die Beteiligung Dritter bereits mehrfach nach Maßgabe der Voraussetzungen für die Beiladung nach § 65 VwGO analog entschieden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Juli 2006 und 13. Oktober 2006, aaO). Die Regelung über
- die Beiladung nach § 65 VwGO ist hierfür sachgerecht, weil es sich bei den Zulassungssachen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung um öffentlich-rechtliche
- Streitigkeiten handelt und der Anwaltsgerichtshof sowie der Senat für Anwaltssachen bei dem Bundesgerichtshof damit der Sache nach als besonderes Verwaltungsgericht tätig werden (vgl. Kopp, BRAK-Mitt. 1998, 56, 57; Redeker,
- AnwBl. 1992, 505, 506); dem steht nicht entgegen, dass der Senat für Anwaltssachen insoweit als Zivilsenat gilt (§ 106 Abs. 1 Satz 2 BRAO). Dem in Zulassungssachen geltenden Untersuchungsgrundsatz (§ 36a Abs. 1 Satz 1 BRAO,
- § 12 FGG) steht die Beiladung, die auch von Amts wegen angeordnet werden
-
- -6-
-
- kann, näher als das der Parteidisposition unterliegende Institut der Nebenintervention. Sie wird aus diesem Grund dem Gemeinwohlinteresse an einer geordneten Rechtspflege, das die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung in
- Zulassungssachen maßgeblich mitbestimmt, eher gerecht als die Nebenintervention. Gegen die Anwendung des Rechtsinstituts der Nebenintervention
- sprechen auch prozessökonomische Gründe. Über die Zulässigkeit einer Nebenintervention ist auf Antrag einer Hauptpartei im Verfahren nach § 71 ZPO
- - durch Zwischenurteil nach mündlicher Verhandlung - zu entscheiden (BGHZ
- 165, 358, 362); ein solches Zwischenverfahren hätte eine Schwerfälligkeit des
- Verfahrens in Zulassungssachen zur Folge, die bei der Beiladung nach § 65
- VwGO, über die schon im vorbereitenden Verfahren entschieden werden kann
- (§ 87a VwGO, vgl. Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 65
- Rdn. 32), vermieden wird.
- 9
-
- 2. Hinsichtlich der Antragsteller zu 2 bis 14 sind die Voraussetzungen für
- eine Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO nicht erfüllt; ein Fall notwendiger Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) liegt ohnehin nicht vor.
-
- 10
-
- Die Antragsteller zu 2 bis 14 haben nicht, wie es § 65 Abs. 1 VwGO verlangt, ein rechtliches Interesse daran, an dem Verfahren über den Widerruf der
- Zulassung des Antragstellers zu 1 zur Rechtsanwaltschaft beteiligt zu werden.
- In rechtliche Interessen der Antragsteller zu 2 bis 14 wird im Falle einer Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers zu 1 nicht eingegriffen. Hierfür reicht nicht aus, dass die Antragsteller zu 2 bis 14 als Mandanten
- des Antragstellers zu 1 das Interesse geltend machen, sich von dem Antragsteller zu 1 weiterhin anwaltlich vertreten zu lassen und daran nicht durch den Widerruf der Zulassung des Antragstellers zu 1 gehindert zu werden. § 3 Abs. 3
- BRAO gewährt dem Rechtsuchenden keinen Anspruch darauf, dass der von
- ihm gewählte Rechtsanwalt seine Zulassung als Rechtsanwalt behält. Die Be-
-
- -7-
-
- stimmung spricht lediglich das Recht aus, dass sich jedermann im Rahmen der
- gesetzlichen Vorschriften durch einen (zugelassenen) Rechtsanwalt beraten
- und vertreten lassen kann; sie beschränkt sich auf die Befugnis, den (zugelassenen) Rechtsanwalt selbst auszuwählen (vgl. BT-Drucks. III/120 S. 49;
- BVerfGE 37, 67, 77).
- IV.
- 11
-
- Die im Beschwerdeverfahren erneut gestellten Anträge auf Gewährung
- von Einsicht in die Verfahrensakten des Antragstellers zu 1 sind zurückzuweisen. Ein Einsichtrecht besteht insoweit nicht unter dem Gesichtspunkt einer
- Verfahrensbeteiligung der Antragsteller zu 2 bis 14; diese sind, wie ausgeführt,
- an dem Verfahren des Antragstellers zu 1 nicht beteiligt und daran auch nicht
- zu beteiligen. Ein davon unabhängiges berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht (§ 34 FGG) ist weder dargetan noch ersichtlich und ergibt sich nicht bereits daraus, dass es sich bei den Antragstellern zu 2 bis 14 um Mandanten des
- Antragstellers zu 1 handelt. Davon abgesehen steht einer Akteneinsicht durch
- die Antragsteller zu 2 bis 14 auch entgegen, dass die Verfahrensakten des Antragstellers zu 1 zahlreiche Vorgänge enthalten, die andere Mandanten des Antragstellers zu 1 sowie weitere Personen betreffen, und damit deren Geheimhaltungsinteressen berühren. Eine Einwilligung dieses Personenkreises in die Akteneinsicht durch die Antragsteller zu 2 bis 14 liegt nicht vor.
- V.
-
- 12
-
- Die Anträge der Antragsteller zu 2, 3, 11 und 12 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind zurückzuweisen, weil deren Rechtsmittel und Anträge aus
- den dargelegten Gründen keinen Erfolg haben.
-
- -8-
-
- VI.
- 13
-
- Über die unzulässigen Rechtsmittel kann der Senat ohne vorherige
- mündliche Verhandlung entscheiden (BGHZ 44, 25). Auch die Entscheidung
- über die Beiladung und die weiteren Anträge erfordert keine mündliche Verhandlung.
- Terno
-
- Otten
- Wosgien
-
- Frellesen
- Martini
-
- Schmidt-Räntsch
- Quaas
-
- Vorinstanz:
- AGH Hamm, Entscheidung vom 17.06.2005 - 1 ZU 74/03 -
-
|