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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 4 StR 418/12
  5. vom
  6. 25. April 2013
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
  10. -2-
  11. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. April
  12. 2013, an der teilgenommen haben:
  13. Richter am Bundesgerichtshof
  14. Dr. Mutzbauer
  15. als Vorsitzender,
  16. Richter am Bundesgerichtshof
  17. Cierniak,
  18. Dr. Franke,
  19. Bender,
  20. Dr. Quentin
  21. als beisitzende Richter,
  22. Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
  23. als Vertreter des Generalbundesanwalts,
  24. Rechtsanwältin
  25. als Verteidigerin,
  26. Justizangestellte
  27. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  28. für Recht erkannt:
  29. -3-
  30. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
  31. Landgerichts Hagen vom 11. April 2012
  32. a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte
  33. der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in
  34. nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum
  35. unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
  36. nicht geringer Menge in zwei Fällen und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb
  37. von Betäubungsmitteln schuldig ist;
  38. b) hinsichtlich der Einzelstrafen für die Taten II. 2. b der
  39. Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
  40. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  41. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  42. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
  43. Von Rechts wegen
  44. -4-
  45. Gründe:
  46. 1
  47. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen
  48. und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
  49. Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 50 Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet
  50. sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das
  51. Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und in deren Folge zu
  52. der aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilaufhebung des Strafausspruchs. Im
  53. Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
  54. I.
  55. 2
  56. Nach den Feststellungen bot der gesondert verfolgte L.
  57. , der den An-
  58. geklagten schon früher über einen längeren Zeitraum mit Marihuana versorgt
  59. hatte, dem Angeklagten im Juli 2008 an, von ihm Marihuana in Mengen von
  60. mindestens 500 Gramm zu beziehen, um durch dessen Weiterverkauf Geld zu
  61. verdienen. Nach dem Vorschlag L.
  62. s sollte der Angeklagte das Marihuana
  63. auch „auf Kommission“ erwerben können, wobei er aber jeweils nur dann neues
  64. Marihuana erhalten werde, wenn er das zuvor gelieferte vollständig bezahle.
  65. Der Angeklagte, der mit der Weiterveräußerung des Marihuanas die finanzielle
  66. Situation seiner Familie aufbessern und zugleich seinen Eigenkonsum finanzieren wollte, nahm das Angebot an.
  67. -5-
  68. 3
  69. In der Zeit von Anfang Juli 2008 bis Ende August 2010 bezog der Angeklagte sodann in mindestens 50 Einzelfällen Marihuana von L.
  70. . Bei sieben
  71. Gelegenheiten im Jahr 2009 erwarb er jeweils 1.500 Gramm, in den übrigen
  72. Fällen jeweils 500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens
  73. 5 % THC. In jedem Einzelfall erhielt der Angeklagte das Marihuana zunächst
  74. ohne Bezahlung und leistete diese regelmäßig dann, wenn er neues Marihuana
  75. bei L.
  76. abholte. Das Marihuana verkaufte der Angeklagte – jeweils abge-
  77. sehen von zum Eigenkonsum dienenden Teilmengen von bis zu 70 Gramm –
  78. gewinnbringend an verschiedene Abnehmer weiter.
  79. 4
  80. Ferner fuhr der Angeklagte einige Zeit vor Weihnachten 2010 zweimal im
  81. Auftrag des L.
  82. in die Niederlande, wo er von dessen Lieferanten nach
  83. Übergabe des Kaufgeldes Marihuana in Mengen von 5.000 und 5.500 Gramm
  84. mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils mindestens 5 % THC übernahm. Das
  85. Marihuana transportierte er jeweils nach Deutschland und lieferte es – in einem
  86. Fall nach Entnahme einer Eigenbedarfsmenge – bei L.
  87. ab.
  88. II.
  89. 5
  90. 1. Der Schuldspruch wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln
  91. in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (II. 2. c der
  92. Urteilsgründe) ist nicht zu beanstanden. Insoweit hat die Nachprüfung des
  93. Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil
  94. des Angeklagten ergeben.
  95. 6
  96. 2. Dagegen hält die Annahme von 50 selbständigen, real konkurrierenden Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht ge-
  97. -6-
  98. ringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in
  99. den Fällen II. 2. b der Urteilsgründe einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Da
  100. sich die Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden
  101. Marihuanageschäfte teilweise überschneiden, sind die verschiedenen auf die
  102. jeweilige Handelsmenge bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten im
  103. Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verknüpft.
  104. 7
  105. a) Das Landgericht ist bei seiner Bewertung der Konkurrenzen im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme von Tateinheit
  106. nur in Betracht kommt, wenn mehrere Tatbestandsverwirklichungen dergestalt
  107. objektiv zusammentreffen, dass die Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Dagegen reichen ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von
  108. Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel-ZweckVerknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht aus, Tateinheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 1997 – 5 StR 526/96, BGHSt
  109. 43, 317, 319; Urteil vom 16. Juli 2009 – 3 StR 148/09, NStZ 2011, 97; vgl.
  110. Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl., § 52 Rn. 20 mwN). Eine Teilidentität der objektiven Ausführungshandlungen bei den unmittelbar aufeinander folgenden
  111. Umsatzgeschäften hat die Strafkammer indes zu Unrecht verneint.
  112. 8
  113. b) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1
  114. Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05,
  115. BGHSt 50, 252, 256 mwN), wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 487 ff.
  116. -7-
  117. mwN). Eine solche auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln
  118. ausgerichtete Tätigkeit liegt auch darin, dass sich der Zwischenhändler zu der
  119. Örtlichkeit begibt, an welcher er von seinem Lieferanten eine zuvor abgesprochene, zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Betäubungsmittellieferung vereinbarungsgemäß übernehmen soll (vgl. BGH, Beschluss vom
  120. 16. September 1997 – 1 StR 472/97, StV 1997, 638; Urteil vom 20. August
  121. 1991 – 1 StR 273/91, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28; Weber
  122. aaO § 29 Rn. 420). Das Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer bereits
  123. zuvor verabredeten Lieferung zur Weiterveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel verwirklicht daher den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens
  124. mit Betäubungsmitteln.
  125. 9
  126. Dem – weit auszulegenden (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005
  127. – 1 GSSt 1/05, aaO, 262) – Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
  128. unterfallen aber nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der
  129. Übertragung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. Tatbestandlich erfasst werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
  130. vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde auf
  131. Seiten des Abnehmers oder des Lieferanten tätig geworden ist (vgl. Urteile
  132. vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; vom 17. Juli 1997
  133. – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 294/02, NStZ-RR 2003, 75; vom 23. Mai 2007 – 2 StR 569/06,
  134. NStZ 2008, 42, 43; vom 27. Juni 2008 – 3 StR 212/08, BGHR BtMG § 29 Abs. 1
  135. Nr. 1 Konkurrenzen 7). So hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten zum Handel gehört
  136. und den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt (vgl.
  137. -8-
  138. BGH, Urteil vom 20. März 1985 – 2 StR 861/84; Beschluss vom 5. November
  139. 1991 – 1 StR 361/91, StV 1992, 161; Urteil vom 11. Juli 1995 – 1 StR 189/95,
  140. StV 1995, 641; Beschlüsse vom 17. Mai 1996 – 5 StR 119/96, BGHR BtMG
  141. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50; vom
  142. 21. Mai 1999 – 2 StR 154/99,
  143. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 52; Urteil vom 7. Februar 2008
  144. – 5 StR 242/07 aaO).
  145. 10
  146. c) Der Senat entnimmt den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, dass die jeweils nächste ganz überwiegend zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Marihuanalieferung mit L.
  147. sprochen war, als der Angeklagte sich zu L.
  148. L.
  149. bereits abge-
  150. begab. Das Aufsuchen von
  151. diente daher sowohl der Übermittlung des Entgelts für die vorangegan-
  152. gene, als auch der Abholung der vereinbarten neuerlichen Marihuanalieferung.
  153. In diesem Teilakt überschneiden sich die objektiven Ausführungshandlungen
  154. der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden Umsatzgeschäfte, was eine tateinheitliche Verknüpfung sämtlicher auf die einzelnen Handelsmengen bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten des Handeltreibens im Wege der
  155. gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit
  156. Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Folge hat (vgl. BGH, Beschluss
  157. vom 22. Januar 2010 – 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97; offengelassen im Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 3/11).
  158. 11
  159. Durch das einheitliche Delikt des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG werden die
  160. tateinheitlich verwirklichten, an sich rechtlich selbständigen 50 Taten des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG
  161. zu einer Erwerbstat verklammert, sodass sich der Angeklagte in dem unter II. 2. b der Urteilsgründe geschilderten Tatkomplex des unerlaubten Handel-
  162. -9-
  163. treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig gemacht hat.
  164. 12
  165. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend, wobei nach § 260
  166. Abs. 4 Satz 5 StPO davon abgesehen wird, die gleichartige Idealkonkurrenz in
  167. der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der umfassend geständige Angeklagte
  168. nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
  169. 13
  170. 3. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der für die Taten II. 2. b der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
  171. Die Einzelstrafaussprüche für die zwei Einfuhrtaten sind rechtsfehlerfrei und
  172. können bestehen bleiben. Einer Aufhebung der von der fehlerhaften konkurrenzrechtlichen Bewertung nicht beeinflussten tatsächlichen Feststellungen zu
  173. den Strafaussprüchen bedarf es nicht. Ergänzende, zu der bisherigen nicht in
  174. Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter bleiben möglich.
  175. Mutzbauer
  176. Cierniak
  177. Bender
  178. Franke
  179. Quentin