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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 4 StR 320/00
  4. vom
  5. 19. September 2000
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
  9. -2-
  10. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. September 2000 gemäß
  11. §§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. 1.
  13. Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden ist. Insoweit
  14. werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen
  15. Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.
  16. 2.
  17. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
  18. Landgerichts Mosbach vom 27. April 2000
  19. a)
  20. dahin geändert, daß der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung
  21. der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Buchen
  22. vom 15. November 1999 (Cs 25 Js 6347/99 AK
  23. 447/99) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
  24. Jahren und einem Monat verurteilt wird,
  25. b)
  26. im Maßregelausspruch aufgehoben sowie
  27. c)
  28. dahin ergänzt, daß die im Urteil des Amtsgerichts
  29. Buchen angeordnete Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aufrechterhalten wird.
  30. 3.
  31. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
  32. -3-
  33. 4.
  34. Der Angeklagte trägt die übrigen Kosten seines Rechtsmittels.
  35. Gründe:
  36. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
  37. Jahren und zwei Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen,
  38. dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. In die Gesamtstrafe einbezogen wurde die vom Amtsgericht Buchen
  39. durch Urteil vom 15. November 1999 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verhängte
  40. Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die
  41. Verletzung sachlichen Rechts.
  42. 1. Der Senat stellt auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren
  43. gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis
  44. verurteilt worden ist. Insoweit könnte der Senat den Schuldspruch nicht bestätigen, weil die bisher getroffenen Feststellungen eine rauschmittelbedingte
  45. ("relative") Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 Abs. 1 StGB nicht belegen.
  46. Daß der Angeklagte "am Abend" des Vortages eine "nicht mehr feststellbare
  47. Anzahl" benzodiazepinhaltiger Tabletten eingenommen hat, genügt zur sicheren Feststellung, daß der Angeklagte bei der Fahrt mit seinem Motorrad am
  48. Morgen des folgenden Tages nicht mehr in der Lage war, "das Fahrzeug sicher
  49. zu führen", nicht. Feststellungen zu Auffälligkeiten des Angeklagten bei der
  50. -4-
  51. Fahrt selbst oder in unmittelbarem Zusammenhang damit nach Abstellen des
  52. Krades fehlen (vgl. BGHSt 44, 219, 225 f.). Die allenfalls vage, zudem nicht
  53. ausschließbar von dem Bemühen, Schuldmilderungsgründe für den anschließend begangenen Überfall vorzubringen, getragene Angabe des Angeklagten,
  54. er sei den gesamten Vormittag über "benebelt" gewesen (UA 6), vermag diese
  55. Feststellungen nicht zu ersetzen. Was die Sachverständige ausgeführt hat,
  56. erschöpft sich nach dem Inhalt des Urteils im wesentlichen in einer allgemeinen Beschreibung der Auswirkungen der Einnahme benzodiazepinhaltiger Medikamente. Auch das genügt nicht (BGHSt aaO S. 226; vgl. ferner Senatsbeschluß vom 25. Mai 2000 – 4 StR 171/00). Schließlich teilt das Urteil nicht einmal mit, ob dem Angeklagten eine Blutprobe entnommen wurde. Deshalb kann
  57. der Senat auch nicht überprüfen, ob das Landgericht zu Recht von einer "hohen Wirkstoffkonzentration der sedierenden Medikamentenwirkstoffe" (UA 6 f.)
  58. ausgegangen ist und welche Rückschlüsse sich daraus für den Fahrtzeitpunkt
  59. ergeben.
  60. Eine Zurückverweisung und Neuverhandlung der Sache allein wegen
  61. dieses Tatvorwurfs, die auch die erneute Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich machte, erscheint dem Senat aus den in § 154 Abs. 1 Nrn. 1
  62. und 2 StPO genannten Gründen nicht sachdienlich.
  63. 2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat
  64. keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit er wegen
  65. schwerer räuberischer Erpressung zur Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt
  66. ist. Doch macht der Wegfall der von der Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO
  67. betroffenen Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten die Aufhebung und Neufestsetzung der Gesamtstrafe erforderlich. Diese kann der Senat hier in entspre-
  68. -5-
  69. chender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vornehmen. Angesichts der
  70. vom Landgericht auf vier Jahre zwei Monate festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe und der Höhe der Einsatzstrafe von vier Jahren kann der zu Gunsten des
  71. Angeklagten berücksichtigte Wegfall der dreimonatigen Freiheitsstrafe unter
  72. Beachtung der Grundsätze der §§ 39 2. Halbsatz, 54 Abs. 1 Satz 2 StGB zu
  73. keiner niedrigeren Gesamtfreiheitsstrafe als vier Jahre und einen Monat führen. Diese hat der Senat deshalb festgesetzt.
  74. 3. Die Teileinstellung des Verfahrens entzieht auch der auf den Tatvorwurf nach § 316 Abs. 2 StGB gestützten Anordnung der Sperrfrist nach § 69a
  75. Abs. 1 Satz 3 StGB die Grundlage; auf die verbleibende Straftat der schweren
  76. räuberischen Erpressung läßt sich unter den festgestellten Umständen, die
  77. Annahme, der Angeklagte sei zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet,
  78. nicht stützen. Der Senat ändert deshalb den Maßregelausspruch dahin ab, daß
  79. an die Stelle der Anordnung einer Sperre von zwei Jahren der Ausspruch tritt,
  80. daß die Anordnung der Sperre im Urteil des Amtsgerichts Buchen aufrechterhalten bleibt.
  81. Bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 2 StGB
  82. hat der Tatrichter, wenn in der früheren Entscheidung eine Sperre gemäß
  83. § 69a StGB bestimmt war und der Angeklagte erneut wegen einer Straftat verurteilt wird, die seine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen erneut belegt, eine neue einheitliche Sperre festzusetzen (OLG Köln VRS 61,
  84. 348 f; Hentschel Trunkenheit Fahrerlaubnisentziehung Fahrverbot 8. Aufl. Rdn.
  85. 741 m.w.N.), die dann die alte Sperre gegenstandslos werden läßt. Davon
  86. ausgehend hat das Landgericht die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu Recht zum Anlaß genommen, eine neue,
  87. -6-
  88. einheitliche Sperre zu bestimmen, wobei es freilich den gebotenen Ausspruch
  89. über die Anrechnung des Ablaufs der früheren Sperrfrist versäumt hat.
  90. Bietet die neu abzuurteilende Tat keine Grundlage für die Anordnung einer Sperre, so muß die frühere Sperre, wenn die Frist nicht schon abgelaufen
  91. ist, bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung aufrechterhalten bleiben. Dies
  92. ergibt sich unmittelbar aus § 55 Abs. 2 Satz 1 StGB, der damit die Bindung des
  93. für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung zuständigen Gerichts an die
  94. Rechtskraft der früheren Entscheidung zum Ausdruck bringt (BGH NStZ 1992,
  95. 231), und ist auch dann zu beachten, wenn im Rechtsmittelverfahren als Folge
  96. einer Beschränkung des Schuldspruchs – wie sie hier als Konsequenz der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO vorzunehmen war – die Anlaßtat wegfällt und
  97. die noch verbleibenden Taten die Anordnung einer Maßnahme nach den
  98. §§ 69, 69a StGB nicht rechtfertigen können. In einem solchen Fall kann die
  99. Festsetzung der neuen Sperrfrist im angefochtenen Urteil keinen Bestand haben; an ihre Stelle muß der Ausspruch treten, daß die im früheren Verfahren
  100. festgesetzte Sperre – hier die vom Amtsgericht Buchen bestimmte – aufrechtzuerhalten ist. Dieser Ausspruch obliegt, weil zwingend, im Revisionsverfahren
  101. entsprechend § 354 Abs. 1 StPO dem Revisionsgericht selbst.
  102. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht hier nicht
  103. entgegen. Bei dem Vergleich, den die Beachtung dieses Verbots verlangt, sind
  104. gegenüberzustellen der Nachteil, der den Angeklagten träfe, wenn es bei der
  105. von der Vorinstanz festgesetzten neuen Sperrfrist verbliebe, und derjenige, der
  106. ihn als Folge des Ausspruchs trifft, daß die im früheren Verfahren angeordnete
  107. Sperre – bei Wegfall der neuen Sperre - aufrechterhalten bleibt. Da die im früheren Verfahren angeordnete Sperrfrist 14 Monate (beginnend mit der Rechts-
  108. -7-
  109. kraft des Urteils des Amtsgerichts Buchen) beträgt und das angefochtene Urteil
  110. eine Sperrfrist von zwei Jahren bestimmt hat, gereicht die Änderung des Maßregelausspruchs dahin, daß an die Stelle der Anordnung der neuen Sperrfrist
  111. die Aufrechterhaltung der alten tritt, dem Angeklagten nur zum Vorteil.
  112. 4. Der gemessen an den gesamten Rechtsfolgen geringfügige Erfolg des
  113. Rechtsmittels gibt dem Senat keinen Anlaß, den Angeklagten teilweise von den
  114. Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 Satz 1 StPO).
  115. Meyer-Goßner
  116. Maatz
  117. Athing
  118. Nachschlagewerk:
  119. ja
  120. BGHSt:
  121. nein
  122. Veröffentlichung:
  123. ja
  124. Tolksdorf
  125. Solin-S
  126.  
  127. 
  128. ____________________
  129. StGB §§ 55 Abs. 2, 69a
  130. Ist bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung die in dem früheren
  131. Urteil angeordnete Sperrfrist zur Erteilung der Fahrerlaubnis durch die
  132. Festsetzung einer einheitlichen neuen Sperrfrist ”gegenstandslos” geworden, so ist, wenn im Rechtsmittelzug die Verurteilung wegen der
  133. Anlaßtat entfällt und der Maßregelausspruch deshalb aufgehoben wird,
  134. auszusprechen, daß die früher erkannte Maßnahme aufrechterhalten
  135. bleibt.
  136. -8-
  137. BGH, Beschluß vom 19. September 2000 – 4 StR 320/00 – Landgericht
  138. Mosbach