Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

319 lines
16 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 3 StR 124/13
  4. vom
  5. 22. Oktober 2013
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. Miguel
  9. M.
  10. wegen Handeltreibens mit Grundstoffen
  11. weiterer Verfahrensbeteiligter:
  12. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof,
  13. Brauerstraße 30, 76135 Karlsruhe
  14. -2-
  15. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Oktober 2013 beschlossen:
  16. 1. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung
  17. der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 betreffend Drogenausgangsstoffe (ABl. EU Nr. L 47 vom 11. Februar 2004
  18. S. 1) sowie der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 des Rates vom
  19. 22. Dezember 2004 zur Festlegung von Vorschriften für die
  20. Überwachung des Handels mit Drogenausgangsstoffen zwischen der Gemeinschaft und Drittländern (ABl. EU Nr. L 22
  21. vom 26. Januar 2005 S. 1, Nr. L 61 vom 2. März 2006 S. 23)
  22. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
  23. Sind
  24. Arzneimittel
  25. gemäß
  26. der
  27. Definition
  28. der
  29. Richtli-
  30. nie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
  31. vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, die von den Verordnungen (EG)
  32. Nr. 273/2004 und (EG) Nr. 111/2005 erfasste Stoffe enthalten,
  33. gemäß dem jeweiligen Art. 2 Buchst. a dieser Verordnungen
  34. stets von deren Anwendungsbereich ausgenommen, oder ist
  35. dies lediglich dann anzunehmen, wenn die Arzneimittel so zusammengesetzt sind, dass die erfassten Stoffe nicht einfach
  36. verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahiert werden können?
  37. 2. Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.
  38. -3-
  39. Gründe:
  40. 1
  41. Dem 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs liegt die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Krefeld zur Entscheidung vor. Das
  42. Landgericht hat den Angeklagten des Handeltreibens mit Grundstoffen, die zur
  43. unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden sollten, in
  44. 14 Fällen schuldig gesprochen, ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
  45. von drei Jahren und drei Monaten verurteilt sowie eine Kompensations- und
  46. eine Verfallsentscheidung getroffen.
  47. I.
  48. 2
  49. 1. Dem Revisionsverfahren liegt im Wesentlichen folgender, vom Landgericht festgestellter Sachverhalt zugrunde:
  50. 3
  51. Der Angeklagte war selbständig als Handelsvertreter für Nahrungsergänzungsmittel, orthopädische Hilfsmittel, medizinische Geräte und Zubehör
  52. sowie rezeptfreie Medikamente tätig. Er vermittelte und organisierte, dass ein in
  53. Brüssel ansässiges Unternehmen zwischen dem 15. Juni 2007 und dem
  54. 6. Oktober 2008 (legal hergestellte und grundsätzlich für eine Verwendung als
  55. Arzneimittel bestimmte) Ephedrin-Tabletten in dreizehn Fällen nach Mexiko
  56. sowie in einem Fall nach Belize lieferte. Das Gesamtwirkstoffgewicht betrug
  57. 4.179 Kilogramm Ephedrinhydrochlorid. Dem Angeklagten war bereits vor der
  58. ersten Lieferung bewusst, dass die Ephedrin-Tabletten zur Herstellung von
  59. Metamfetamin verwendet und dann auf dem amerikanischen Drogenmarkt verkauft werden sollten.
  60. 4
  61. 2. Nach Würdigung des Landgerichts hat sich der Angeklagte nach § 19
  62. Abs. 1 Nr. 1 GÜG (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GÜG aF) strafbar gemacht, indem er ent-
  63. -4-
  64. gegen § 3 GÜG mit einem Grundstoff i.S.d. § 1 Nr. 1 GÜG (§ 2 Nr. 1 GÜG aF),
  65. der zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden sollte, Handel getrieben habe.
  66. 5
  67. 3. Der Angeklagte wendet sich mit seiner Revision gegen die Verurteilung und rügt allgemein die Verletzung sachlichen Rechts.
  68. II.
  69. 6
  70. Die Entscheidung über die Revision des Angeklagten hängt von der Beantwortung der Vorlagefrage ab. Die Arzneimittel betreffenden Ausnahmeregeln in Art. 2 Buchst. a Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 und Art. 2
  71. Buchst. a Halbsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 bedürfen - auch vor
  72. dem Hintergrund der Auffassung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften - mit Blick auf den Wortlaut, die Historie sowie den Sinn und Zweck
  73. dieser Verordnungen der Auslegung. Da es sich um europäische Rechtsregeln
  74. handelt, obliegt diese allein dem Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267
  75. AEUV). Dieser hat bislang die Frage nicht entschieden, ob Arzneimittel stets
  76. vom Anwendungsbereich der genannten Verordnungen ausgenommen sind,
  77. oder ob dies nur dann der Fall ist, wenn die in den Arzneimitteln enthaltenen,
  78. von den Verordnungen "erfassten Stoffe" nicht einfach verwendet oder leicht
  79. und wirtschaftlich extrahiert werden können, so dass kein "acte éclairé" vorliegt.
  80. Die Auslegung ist auch nicht derart offenkundig, dass sie im Sinne eines "acte
  81. clair" keinen vernünftigen Zweifeln unterläge. Im Einzelnen:
  82. 7
  83. 1. Die Strafbarkeit des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Grundstoffen setzt nach § 19 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 1 Nr. 1 GÜG (BGBl. I 2008
  84. S. 306 ff.), § 29 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3, 2 Nr. 1 GÜG aF (BGBl. I 2005 S. 3686,
  85. -5-
  86. 3689 f.) voraus, dass es sich bei den Ephedrin-Tabletten um Grundstoffe handelt. Da das deutsche Recht zur Definition des Begriffs "Grundstoff" auf den
  87. "erfassten Stoff" im Sinne des Art. 2 Buchst. a in Verbindung mit Anhang I der
  88. Verordnung (EG) Nr. 273/2004 und des Art. 2 Buchst. a in Verbindung mit dem
  89. Anhang der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 Bezug nimmt, kommt es darauf an,
  90. ob die gehandelten Tabletten "erfasste Stoffe" im Sinne dieser Verordnungen
  91. sind. Ephedrin ist jeweils in den Anhängen der genannten Verordnungen als
  92. "erfasster Stoff" aufgeführt. Allerdings könnte der Ausnahmetatbestand des
  93. Art. 2 Buchst. a Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 und des Art. 2
  94. Buchst. a Halbsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 vorliegen, der jeweils
  95. unter anderem Arzneimittel gemäß der Definition der Richtlinie 2001/83/EG
  96. nennt. Da nach den Feststellungen des Landgerichts die legal hergestellten
  97. Tabletten jedenfalls in einem Teil der abgeurteilten Fälle zunächst für eine
  98. Verwendung als Arzneimittel bestimmt waren, handelt es sich zumindest insoweit um Arzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG (vgl.
  99. auch Anlage 1 zu § 1 Nr. 1, § 5 AMVV [BGBl. I 2005 S. 3632 f., 3642]; BGH,
  100. Beschluss vom 12. April 2011 - 5 StR 463/10, NStZ 2011, 583), so dass für die
  101. Strafbarkeit die Reichweite der Ausnahmeregelung maßgeblich ist.
  102. 8
  103. 2. Die Ausnahmeregelungen in Art. 2 Buchst. a Satz 2 der Verordnung
  104. (EG) Nr. 273/2004 und Art. 2 Buchst. a Halbsatz 2 der Verordnung (EG)
  105. Nr. 111/2005 sind auslegungsbedürftig hinsichtlich der Frage, ob Arzneimittel,
  106. die "erfasste Stoffe" enthalten, stets - unabhängig von der Art ihrer Zusammensetzung - ausgenommen sind, oder ob dies lediglich dann anzunehmen ist,
  107. wenn die Arzneimittel so zusammengesetzt sind, dass diese Stoffe nicht einfach verwendet oder leicht und wirtschaftlich extrahiert werden können.
  108. 9
  109. a) Art. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 273/2004 lautet in seiner
  110. deutschen Fassung: "Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
  111. -6-
  112. 'erfasste Stoffe' alle in Anhang I aufgeführten Stoffe, einschließlich Mischungen
  113. und Naturprodukten, die derartige Stoffe enthalten. Ausgenommen sind Arzneimittel gemäß der Definition der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen
  114. Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, pharmazeutische Zubereitungen,
  115. Mischungen, Naturprodukte und sonstige Zubereitungen, die erfasste Stoffe
  116. enthalten und so zusammengesetzt sind, dass sie nicht einfach verwendet oder
  117. leicht und wirtschaftlich extrahiert werden können".
  118. 10
  119. Art. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 ist sprachlich ähnlich
  120. gefasst: "Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck 'erfasster Stoff'
  121. jeden im Anhang aufgeführten Stoff, einschließlich Mischungen und Naturprodukte, die derartige Stoffe enthalten, jedoch ausgenommen Arzneimittel gemäß
  122. der Definition der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des
  123. Rates, pharmazeutische Zubereitungen, Mischungen, Naturprodukte und sonstige Zubereitungen, die erfasste Stoffe enthalten und so zusammengesetzt
  124. sind, dass diese Stoffe nicht einfach verwendet oder leicht und wirtschaftlich
  125. extrahiert werden können."
  126. 11
  127. b) Der deutsche Wortlaut dieser Vorschriften könnte eher darauf hindeuten, dass vom Anwendungsbereich der Verordnungen Arzneimittel lediglich
  128. dann nicht erfasst werden, wenn sie so zusammengesetzt sind, dass die in
  129. ihnen enthaltenen, erfassten Stoffe nicht einfach verwendet oder leicht und
  130. wirtschaftlich extrahiert werden können. Dies ergibt sich daraus, dass sich der
  131. abschließende Relativsatz nach den Regeln der deutschen Grammatik entweder nur auf das letzte Substantiv des übergeordneten Satzes oder auf alle Substantive der vorangehenden Aufzählung bezieht. Da der Relativsatz nach dem
  132. Zusammenhang naheliegend nicht lediglich an "sonstige Zubereitungen", sondern zumindest auch an Mischungen und Naturprodukte anknüpft, spricht die
  133. -7-
  134. grammatische Auslegung dafür, dass der Relativsatz auch die Arzneimittel betrifft und diese demnach nicht stets als "erfasste Stoffe" ausscheiden (vgl. zur
  135. grammatischen Auslegung in solchen Fällen Kudlich in Festschrift Puppe,
  136. 2011, S. 123, 131). Dementsprechend sind verschiedene Gerichte - allerdings
  137. jeweils ohne nähere Erörterung - davon ausgegangen, dass der Handel mit
  138. Ephedrinhydrochlorid sowohl einen Straftatbestand nach dem deutschen
  139. Grundstoffüberwachungsgesetz als auch einen Straftatbestand nach dem
  140. deutschen Arzneimittelgesetz verwirklichen und mithin grundsätzlich auch ein
  141. Arzneimittel einen Grundstoff im Sinne des Grundstoffüberwachungsgesetzes
  142. darstellen könne (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2011 - 5 StR 463/10,
  143. NStZ 2011, 583; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September
  144. 2013 - OVG 5 N 21.09, juris Rn. 16; s. auch Raum in Kügel/Müller/Hofmann,
  145. AMG, 2012, § 95 Rn. 9).
  146. 12
  147. c) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
  148. Union schließt es die Notwendigkeit einheitlicher Anwendung und damit Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts aus, sie in einer ihrer Fassungen isoliert
  149. zu betrachten, sondern gebietet vielmehr, sie nach dem wirklichen Willen des
  150. Urhebers und dem von diesem verfolgten Zweck namentlich im Licht ihrer Fassung in allen anderen Amtssprachen auszulegen (EuGH, Urteil vom 3. Oktober
  151. 2013 - C-298/12 - Confédération paysanne - juris Rn. 22 mwN). Insoweit ergibt
  152. der
  153. Vergleich
  154. mit
  155. anderen
  156. Sprachfassungen
  157. kein
  158. eindeutiges
  159. Bild.
  160. Beispielsweise erscheinen auch in der englischen Fassung Arzneimittel nicht
  161. als Bezugssubjekt ausgeschlossen (vgl. Art. 2 Buchst. a Satz 2 Verordnung
  162. [EG] Nr. 273/2004: "This excludes medicinal products as defined by Directive
  163. 2001/83/EC of the European Parliament and of the Council of 6 November
  164. 2001 on the Community code relating to medicinal products for human use,
  165. pharmaceutical preparations, mixtures, natural products and other preparations
  166. containing scheduled substances that are compounded in such a way that they
  167. -8-
  168. cannot be easily used or extracted by readily applicable or economically viable
  169. means"). Die französischen Fassungen des Art. 2 Buchst. a der Verordnung
  170. (EG) Nr. 273/2004 und des Art. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 111/2005
  171. weisen untereinander bereits Unterschiede auf, die eine eindeutige Auslegung
  172. zweifelhaft erscheinen lassen (vgl. einerseits Verordnung [EG] Nr. 237/2004:
  173. "[…] à l'exclusion des médicaments, tels que définis par la directive 2001/83/CE
  174. du Parlement européen et du Conseil du 6 novembre 2001 instituant un code
  175. communautaire relatif aux médicaments à usage humain, des préparations
  176. pharmaceutiques, mélanges, produits naturels ou autres préparations contenant des substances classifiées qui sont composées de manière telle que ces
  177. substances ne peuvent pas être facilement utilisées, ni extraites par des
  178. moyens aisés à mettre en œuvre ou économiquement viables"; andererseits
  179. Verordnung [EG] Nr. 111/2005: "[…] à l'exclusion des médicaments tels que
  180. définis par la directive 2001/83/CE du Parlement européen et du Conseil et [!]
  181. des préparations pharmaceutiques, mélanges, produits naturels ou autres préparations contenant des substances classifiées qui sont composés de manière
  182. telle que ces substances ne peuvent pas être facilement utilisées ni extraites
  183. par des moyens aisés à mettre en œuvre ou économiquement viables").
  184. 13
  185. d) Die historische und teleologische Auslegung der Verordnungen könnte eher die - auch in der deutschen Kommentarliteratur (vgl. Rohr in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser,
  186. Arzneimittelrecht,
  187. 2010,
  188. §
  189. 43
  190. Rn.
  191. 83;
  192. Hü-
  193. gel/Junge/Lander/Winkler, Betäubungsmittelrecht, Art. 2 Verordnung [EG] Nr.
  194. 273/2004 Rn. 1 [Stand: 8. Auflage, 10. Akt.-Lfg.]; Körner/Patzak/Volkmer,
  195. BtMG, 7. Auflage, Stoffe, Teil 3 Rn. 8; Körner, GÜG, 1998, § 2 Rn. 2, 5) verbreitete - Auffassung stützen, dass Arzneimittel stets als erfasste Stoffe ausscheiden. So dienen sowohl die Verordnung (EG) Nr. 273/2004 als auch die
  196. Verordnung (EG) Nr. 111/2005 (in Ersetzung älterer Richtlinien und Verordnungen) der Umsetzung der Anforderungen des Art. 12 des am 19. Dezember
  197. -9-
  198. 1988 angenommenen Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen.
  199. Durch sie sollten für den grundsätzlich legalen Handel mit Arzneimitteln kein
  200. unnötiges Hemmnis und für die beteiligten Wirtschaftskreise keine Erlaubnispflicht und zusätzliche Buchführungspflichten geschaffen werden (s. Erwägungsgrund Nr. 13 zur Verordnung (EG) Nr. 273/2004). Der nach dem gemäß
  201. Art. 33 des genannten UN-Übereinkommens - neben Arabisch, Chinesisch und
  202. Russisch - allein maßgebliche französische, englische und spanische Wortlaut
  203. des Art. 12 Abs. 14 legt daneben nahe, dass pharmazeutische Zubereitungen
  204. insgesamt vom Anwendungsbereich des Artikels ausgenommen sind (vgl. United Nations Treaty Series, Volume 1582 [1990], 95, 193, 239 f., 332). Dementsprechend ließen sich auch der Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 der
  205. Richtlinie 92/109/EWG und des Art. 1 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 der Verordnung
  206. (EWG) Nr. 3677/90 verstehen, die durch Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG)
  207. Nr. 273/2004 bzw. Art. 34 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 111/2005 aufgehoben wurden. Dass durch diese Änderung die Ausnahmeregelung für Arzneimittel modifiziert werden sollte, ist den Begründungen für die Verordnungen nicht
  208. zu entnehmen. Indes erscheint danach auch nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass der Anwendungsbereich "erfasster Stoffe" in den Verordnungen (EG) Nr. 273/2004 und Nr. 111/2005 erweitert wurde, zumal es der Kommission bei dem Vorschlag für die Verordnung etwa darum ging, "neuen Wegen und Trends der Abzweigung von Ausgangsstoffen und dem illegalen Handel mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen begegnen zu können"
  209. (KOM[2004] 244 endgültig S. 2).
  210. 14
  211. e) Allerdings spricht Einiges dafür, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften davon ausgeht, pharmazeutische Zubereitungen und
  212. Humanarzneimittel fielen nicht unter die Rechtsvorschriften für Drogenausgangsstoffe (vgl. etwa Bericht der Kommission an den Rat und das Europäi-
  213. - 10 -
  214. sche Parlament, KOM[2009] 709 endgültig S. 10; Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD[2012] 267 final S. 2). Sie hat entsprechende Vorschläge
  215. zur
  216. Änderung
  217. bzw.
  218. Klarstellung
  219. der
  220. Verordnungen
  221. vorgelegt
  222. (COM[2012] 521 final S. 2, 11; COM[2012] 548 final S. 13), aus deren Wortlaut
  223. sich eindeutig ergibt, dass Arzneimittel stets - unabhängig von einer einfachen
  224. Verwendbarkeit oder leichten und wirtschaftlichen Extrahierbarkeit enthaltener
  225. "erfasster Stoffe" - nicht unter die "erfassten Stoffe" fallen. Nach der hierzu gegebenen Begründung soll es sich dabei nicht um eine Änderung, sondern lediglich um eine Verdeutlichung oder Klarstellung der Begrifflichkeit handeln
  226. (s. COM[2012] 521 final S. 9; COM[2012] 548 final S. 11; Stellungnahme des
  227. Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, Abl. EU 2013 Nr. C 76/10
  228. S. 56).
  229. - 11 -
  230. III.
  231. 15
  232. Der Senat bittet anzuordnen, dass über das Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit Vorrang entschieden wird. Die Vorabentscheidungsfrage ist in
  233. einem schwebenden Strafverfahren entscheidungserheblich, für das in besonderem Maße der aus Art. 6 Abs. 1 MRK resultierende Anspruch des Angeklagten gilt, dass über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen Anklage in angemessener Zeit entschieden wird. Überdies ist es nach Auffassung des Landgerichts bereits zu einer überlangen Verfahrensdauer gekommen.
  234. Becker
  235. Pfister
  236. Schäfer
  237. Hubert
  238. Spaniol