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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 465/07
  4. vom
  5. 14. November 2007
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen gefährlicher Körperverletzung
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. November 2007
  11. gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision des Angeklagten H.
  13. wird das Urteil
  14. des Landgerichts Köln, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch
  15. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
  16. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  17. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  18. Gründe:
  19. 1
  20. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
  21. StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Die Verfahrensrüge ist
  22. nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die mit der
  23. Sachrüge erhobenen Einwendungen gegen den Schuldspruch decken einen
  24. Rechtsfehler des Urteils nicht auf. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien
  25. Feststellungen des Landgerichts bestehen insbesondere keinerlei Zweifel am
  26. Vorsatz des Angeklagten auch hinsichtlich der von ihm verwirklichten Qualifikationen des § 224 Abs. 1 StGB. Angesichts des Leistungsverhaltens des Ange-
  27. -3-
  28. klagten kann auch unter Berücksichtigung der unklaren Feststellungen des
  29. Landgerichts zu seiner Alkoholisierung sicher ausgeschlossen werden, dass
  30. seine Schuldfähigkeit zur Tatzeit aufgehoben war.
  31. 2
  32. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
  33. Das Landgericht hat zum Rauschmittel-Konsum des Angeklagten vor der Tat
  34. festgestellt, er habe "unwiderlegt" acht bis neun Flaschen Bier und eine Dreiviertel-Flasche Wodka "wohl in der Nacht zum 2.7. auf den 3.7." zu sich genommen und zudem ein Gramm Kokain und ein Gramm Amphetamin konsumiert (UA S. 16/17). Im Laufe der Nacht stach er sich - absichtlich - mit einem
  35. Messer selbst in das Bein. Um 4.00 Uhr morgens begab sich der Angeklagte zu
  36. dem Mittäter K. und forderte diesen zu der gemeinsamen Tat auf. In diesem
  37. Zusammenhang stieß er mit einem Kopfstoß ein Loch in eine Rigipswand. Die
  38. Tat wurde dann gegen 7.30 Uhr begangen.
  39. 3
  40. Zur Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht ausgeführt, es
  41. hätten sich keine Hinweise für eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit ergeben (UA S. 31). Die Ausführungen eines hierzu gehörten psychiatrischen
  42. Sachverständigen hat die Schwurgerichtskammer dahingehend wiedergegeben,
  43. "die von dem Angeklagten angegebene Menge alkoholischer Getränke können
  44. nicht in den letzten 10 Stunden vor der Tat konsumiert worden sein, da der Angeklagte bei einer Rückrechnung nach der Widmarkformel ansonsten eine Blutalkoholkonzentration von 6,5 ‰ zur Tatzeit aufgewiesen hätte" (UA S. 32). Im
  45. Übrigen habe der Angeklagte vor der Tat zu den Mitangeklagten gesagt, der
  46. Geschädigte solle seine Familie in Ruhe lassen, "er haue dem eine rein"; dies
  47. spreche gegen einen mittelgradigen Rauschzustand. Er habe aus dem Auto
  48. einen Schraubendreher mitgenommen, um die Hauseingangstür aufzuhebeln,
  49. sei zügig die Treppe hinauf und wieder herunter gelaufen, habe nach der Tat
  50. ein "geordnetes Rückzugsverhalten" gezeigt und die Tat reflektiert, indem er
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  52. dem Mitangeklagten den blutigen Schraubendreher gezeigt und gesagt habe, er
  53. habe "Mist gebaut". All dies spreche "gegen einen mittelgradigen Rauschzustand und mithin gegen eine verminderte Schuldfähigkeit" (UA S. 33). Diesen
  54. Ausführungen des Sachverständigen, "dessen Sachkunde dem Gericht aus
  55. einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist und die keinem Zweifel unterliegt", hat
  56. sich die Schwurgerichtskammer in vollem Umfang angeschlossen.
  57. 4
  58. Mit der zitierten Begründung konnte eine erhebliche Einschränkung der
  59. Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht ausgeschlossen werden.
  60. Es sind schon die Feststellungen, der Angeklagte habe "unwiderlegt … wohl in
  61. der Nacht" die von ihm angegebenen Rauschmittel konsumiert (UA S. 16), und
  62. er "könne" diese Alkoholmenge nicht während dieser Zeit getrunken haben (UA
  63. S. 32), nicht miteinander vereinbar. Die Ausführungen zur Widerlegung der
  64. Trinkmengenangaben lassen überdies außer Acht, dass zur Prüfung solcher
  65. Angaben nicht allein eine Rückrechnung mit den möglichen Höchstwerten, sondern auch eine Kontrollrechnung mit anderen medizinisch möglichen Resorptions- und Abbauwerten durchzuführen ist; erst auf dieser Grundlage kann beurteilt werden, ob die Angaben zutreffen können, von welcher Alkoholisierung zur
  66. Tatzeit ggf. auszugehen sein könnte und welches Gewicht einer solcherart ermittelten Alkoholisierung im Rahmen der Beweiswürdigung zur Frage der Steuerungsfähigkeit zukommt (vgl. dazu Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 20 Rdn.
  67. 15 mit Nachw. zur Rechtsprechung). Eine solche Kontrollrechnung fehlt in dem
  68. angefochtenen Urteil. Auch zur Kombinations- und Wechselwirkung zwischen
  69. dem Alkohol und den nach den Feststellungen darüber hinaus konsumierten
  70. Drogen enthält das Urteil keinen Hinweis.
  71. 5
  72. Soweit das Urteil den Begriff eines "mittelgradigen Rausches" ohne Weiteres mit dem einer "verminderten Schuldfähigkeit" gleichsetzt (UA S. 33), bleibt
  73. dies unklar; aus der Verwendung des unspezifischen Begriffs "mittelgradiger
  74. -5-
  75. Rausch" ergibt sich nicht, ob der Sachverständige und mit ihm der Tatrichter bei
  76. der Prüfung der Voraussetzungen von §§ 20, 21 StGB von zutreffenden Kriterien ausgegangen sind.
  77. 6
  78. Insoweit geben im Übrigen, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend
  79. hingewiesen hat, die Ausführungen des Landgerichts zu den "psychodiagnostischen Zeichen" (UA S. 33) Anlass zu Bedenken. Aus welchem Grunde etwa der
  80. Umstand, dass der Angeklagte vor der Tat erklärte, er wolle dem Geschädigten
  81. "eine reinhauen", gegen einen "mittelgradigen Rausch" sprechen soll (UA S.
  82. 33), ist nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass der Angeklagte, weil er wenige Tage zuvor nicht in das Haus hatte eindringen können, einen Schraubendreher mitnahm, um die Tür aufhebeln zu können, würde einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit im Hinblick auf den Tatenschluss nicht von
  83. vornherein entgegen stehen; erst recht nicht der Umstand, dass der Angeklagte
  84. die Treppe zum zweiten Stockwerk "zügig" hinauf und hinunter gehen konnte
  85. und ein "geordnetes Rückzugverhalten" zeigte.
  86. 7
  87. Die vom Landgericht wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen weisen somit erhebliche Widersprüche, Lücken und Unklarheiten auf, die
  88. eine rechtsfehlerfreie Prüfung der Voraussetzungen einer möglichen erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht zulassen. Das Landgericht ist dem Gutachten ohne Einschränkung
  89. und ohne erkennbare eigene Prüfung gefolgt. Es hat die Fehler des Gutachtens
  90. in die eigene Bewertung übernommen, so dass sich ein Beruhen des Urteils auf
  91. -6-
  92. ihnen nicht ausschließen lässt. Dass ein Sachverständiger "aus einer Vielzahl
  93. von Verfahren bekannt" ist (UA S. 33), belegt im Übrigen für sich allein weder
  94. seine Sachkunde noch eine kritische Überprüfung des Gutachtens durch das
  95. Gericht.
  96. Rissing-van Saan
  97. Bode
  98. Fischer
  99. Rothfuß
  100. Appl