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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 128/14
  4. vom
  5. 13. August 2014
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. August 2014 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
  11. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  12. Bonn vom 3. Dezember 2013 wird als unbegründet verworfen.
  13. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
  14. der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
  15. Gründe:
  16. 1
  17. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 20 Fällen unter Auflösung einer Gesamtfreiheitsstrafe
  18. und Einbeziehung mehrerer Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
  19. sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit
  20. der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet
  21. (§ 349 Abs. 2 StPO).
  22. 2
  23. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
  24. 3
  25. 1. Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom 13. Mai 2013 wurde dem Angeklagten u.a. zur Last gelegt, im Zeitraum vom 29. Juni 2011 bis zum 11. September 2011 täglich - in 75 Fällen - mit
  26. der minderjährigen Geschädigten gegen deren Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr durchgeführt zu haben.
  27. -3-
  28. 4
  29. Das Landgericht hat festgestellt, dass es "in mindestens 20 Fällen" zum
  30. vaginalen Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Geschädigten kam. Dabei
  31. ist es davon ausgegangen, dass es innerhalb des angeklagten Tatzeitraums
  32. dreimal wöchentlich, jedenfalls aber in mindestens 20 Fällen zu den abgeurteilten Straftaten kam.
  33. 5
  34. Hinsichtlich der weiteren angeklagten 55 Fälle hat die Strafkammer das
  35. Verfahren mit in der Hauptverhandlung verkündetem Beschluss gemäß § 154
  36. Abs. 2 StPO eingestellt, "um auch jedem Restzweifel im Hinblick auf die Anzahl
  37. der Übergriffe Rechnung zu tragen".
  38. 6
  39. 2. Diese Verfahrensweise ist rechtlich nicht zu beanstanden; Entscheidungen des 4. Strafsenats stehen - anders als der Generalbundesanwalt
  40. meint - nicht entgegen.
  41. 7
  42. Ausweislich des Beschlusses des 4. Strafsenats vom 29. Juli 2008
  43. (4 StR 210/08) hatte das landgerichtliche Urteil keinen Bestand, weil sich die
  44. ursprünglich angeklagten sechs Betäubungsmitteltaten bereits hinsichtlich der
  45. Art und Menge der unerlaubt eingeführten Betäubungsmittel unterschieden und
  46. der landgerichtliche Beschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO - nicht näher konkretisierte - vier Taten umfasste. Danach war schon zweifelhaft, welche der angeklagten (unterschiedlichen) Taten eingestellt und welche abgeurteilt waren.
  47. 8
  48. Im Beschluss des 4. Strafsenats vom 13. April 2011 (4 StR 7/11) ist entscheidend gewesen, dass das Landgericht der Verurteilung einen Tatzeitraum
  49. zu Grunde gelegt hat, dem es schon an einem hinreichend bestimmten Endzeitpunkt - und für einen Teil der abgeurteilten Straftaten zudem an einem Anfangszeitpunkt - fehlte, und der zudem gegenüber dem der Anklage zu Grunde
  50. -4-
  51. liegenden Tatzeitraum verkürzt war, ohne dass die Gründe für die Verkürzung
  52. des Tatzeitraums dem Urteil zu entnehmen waren.
  53. 9
  54. Entsprechendes gilt für den Beschluss des 4. Strafsenats vom
  55. 3. Dezember 2013 (4 StR 461/13); nach Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2
  56. StPO bezog sich auch dort die Verurteilung hinsichtlich der übrigen Fälle auf
  57. einen gegenüber der Anklage nicht nachvollziehbar verkürzten Tatzeitraum.
  58. 10
  59. Anders liegt der Fall hier: Das Landgericht hat hinsichtlich sämtlicher
  60. - gleichförmiger - nicht weiter konkretisierbarer Taten den gesamten angeklagten Tatzeitraum zu Grunde gelegt und diesen mit Verurteilung und Beschluss
  61. gemäß § 154 Abs. 2 StPO vollständig ausgeschöpft. Somit bleiben keinerlei
  62. Zweifel über den Umfang sowohl der abgeurteilten als auch der eingestellten
  63. Taten.
  64. 11
  65. Wie auch der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, ist es
  66. nicht nachvollziehbar, an die Unterscheidbarkeit von gleichförmigen Serientaten
  67. bei Einstellungsentscheidungen gemäß § 154 Abs. 2 StPO höhere Anforderungen zu stellen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2011 - 1 StR 321/11,
  68. NStZ-RR 2012, 50, 51; Urteil vom 26. Oktober 2006 - 5 StR 290/06, BGHR
  69. StPO § 154 Abs. 5 Wiederaufnahme 3) als bei Tatkonkretisierungen in Anklageschriften (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 - 5 StR 682/93, BGHSt
  70. 40, 44, 46; Schneider in KK-StPO, 7. Aufl., § 200 Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt,
  71. StPO, 57. Aufl., § 200 Rn. 9, jeweils mwN), im Verurteilungsfall in den Urteilsgründen (vgl. Kuckein in KK-StPO, aaO, § 267 Rn. 9a; Meyer-Goßner/Schmitt,
  72. aaO, § 267 Rn. 6a, jeweils mwN) oder bei Verurteilungen nebst Teilfreisprüchen, falls die Anzahl der festgestellten Taten die Anzahl der angeklagten Taten
  73. unterschreitet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 1994 - 5 StR 239/94, BGHR
  74. -5-
  75. StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 10 und vom 13. Dezember 2000 - 5 StR
  76. 540/00, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 13).
  77. 12
  78. Eine bei gleichförmigen Serientaten vorzunehmende genaue zeitliche
  79. Eingrenzung aller Einzelfälle und deren Individualisierung und Differenzierung
  80. ist schon regelmäßig weder in der Anklage noch in den Urteilsfeststellungen
  81. möglich (vgl. Schneider, aaO mwN). Die Anzahl der - gegebenenfalls nach tatrichterlicher Schätzung - festgestellten Taten kann demnach nur der Gesamtzahl der angeklagten Taten gegenüber gestellt und eine Differenz - wie hier ermittelt werden, die dann in der Einstellungsentscheidung gemäß § 154 Abs. 2
  82. StPO zum Ausdruck kommt. Eine solche Verfahrensweise lässt auch keinen
  83. Zweifel darüber, in welchem Umfang Gesetzesverletzungen nicht weiterverfolgt
  84. werden sollen (vgl. Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 154a Rn. 8).
  85. Appl
  86. Schmitt
  87. Ott
  88. Eschelbach
  89. Zeng