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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 1 StR 78/18
  5. vom
  6. 28. Juni 2018
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
  10. ECLI:DE:BGH:2018:280618U1STR78.18.0
  11. -2-
  12. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Juni 2018,
  13. an der teilgenommen haben:
  14. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
  15. Dr. Raum,
  16. die Richter am Bundesgerichtshof
  17. Prof. Dr. Jäger,
  18. Bellay,
  19. die Richterin am Bundesgerichtshof
  20. Dr. Fischer
  21. und der Richter am Bundesgerichtshof
  22. Dr. Bär,
  23. Staatsanwalt
  24. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  25. die Angeklagte persönlich,
  26. Rechtsanwalt
  27. – in der Verhandlung –
  28. als Verteidiger,
  29. Justizangestellte
  30. Justizobersekretärin
  31. – in der Verhandlung –,
  32. – bei der Verkündung –
  33. als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
  34. für Recht erkannt:
  35. -3-
  36. 1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des
  37. Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26. Oktober 2017, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen
  38. Feststellungen aufgehoben.
  39. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  40. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  41. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
  42. Von Rechts wegen
  43. Gründe:
  44. 1
  45. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten
  46. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
  47. Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
  48. Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.
  49. 2
  50. Die Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
  51. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang
  52. Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
  53. -4-
  54. I.
  55. 3
  56. Nach den Feststellungen des Landgerichts buchte die Angeklagte per Internet am 10. Januar 2017 für ihren Ehemann ein Hotelzimmer in Barcelona,
  57. weil er nicht über eine Kreditkarte verfügte und daher keine Internetbuchung
  58. vornehmen konnte. Sie hatte in den Monaten zuvor mit ihm regelmäßig Kokain
  59. konsumiert und wusste spätestens seit Ende des Jahres 2016, dass die Fahrten ihres Ehemanns nach Spanien jeweils der Beschaffung erheblicher Mengen
  60. von Kokain für den gewinnbringenden Weiterverkauf in Deutschland und dem
  61. gemeinsamen Konsum dienten und auch die anstehende Reise denselben
  62. Zweck verfolgte. Tatsächlich war mit dem spanischen Lieferanten der Erwerb
  63. von einem Kilogramm Kokain für 41.000 € vereinbart worden. Am 13. Januar
  64. 2017 führte ihr Ehemann in seinem PKW 482,42 g Kokain (Kokainhydrochlorid
  65. 448,5 g) nach Deutschland ein.
  66. 4
  67. Im Rahmen einer in der Hauptverhandlung getroffenen Verständigung
  68. räumten sämtliche Angeklagte die Tatvorwürfe aus der Anklageschrift in vollem
  69. Umfang ein, wenngleich die Angeklagte stets betonen ließ, von einem nicht
  70. strafbaren Verhalten ihrerseits ausgegangen zu sein (UA S. 4). Sie gab hierbei
  71. an, sie habe bei Buchung des Hotelzimmers billigend in Kauf genommen, dass
  72. der Aufenthalt ihres Ehemanns in Barcelona der Beschaffung von Betäubungsmitteln dienen könnte, da sie zu jener Zeit gemeinsam mit ihm Kokain
  73. konsumiert habe und somit jeder Aufenthalt ihres Ehemanns außerhalb des
  74. gemeinsamen ehelichen Haushalts aus ihrer Sicht der Beschaffung von Betäubungsmitteln habe dienen können. Positive Kenntnis vom Zweck der Fahrt nach
  75. Barcelona habe sie jedoch erst wenige Stunden nach der Hotelbuchung erlangt
  76. (UA S. 15).
  77. -5-
  78. 5
  79. Die Strafkammer hat einen minder schweren Fall des § 30 Abs. 1 Nr. 4,
  80. Abs. 2 BtMG verneint. Bei dessen Prüfung hat sie zu Gunsten der Angeklagten
  81. – neben anderen Aspekten – gewertet, dass sie ein Geständnis, „in subjektiver
  82. Hinsicht aber nur ein Teilgeständnis“, abgelegt hat, dass ihr Tatbeitrag nur geringe kriminelle Energie erfordert habe und am unteren Rand des strafwürdigen
  83. Verhaltens anzusiedeln sei, und die Haupttat mit großer Wahrscheinlichkeit
  84. auch ohne ihren Tatbeitrag mit gleichem Erfolg begangen worden wäre (UA
  85. S. 24). Die Beihilfe als vertypten Strafmilderungsgrund hat sie nicht erwähnt.
  86. 6
  87. Bei der Festsetzung der Einzelstrafe hat die Strafkammer die bei der
  88. Strafrahmenwahl genannten Strafzumessungsgesichtspunkte erneut abgewogen und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten für tat- und
  89. schuldangemessen erachtet.
  90. II.
  91. 7
  92. Die Nachprüfung des Urteils auf die Revision der Angeklagten hat lediglich im Strafausspruch einen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrügen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 8. Februar 2018 Bezug genommen.
  93. 8
  94. 1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Strafkammer ist aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung zu der Überzeugung
  95. gelangt, dass die Angeklagte bei der Buchung des Hotelzimmers billigend in
  96. Kauf genommen hat, dass die Fahrt ihres Ehemanns nach Barcelona der Beschaffung einer nicht unerheblichen Menge Kokain diente, sie deshalb mit der
  97. tatsächlich eingeführten Menge rechnete und diese Menge billigend in Kauf
  98. nahm. Die Wertung dieses Tatbeitrags als Beihilfe (§ 27 StGB), also einer Hilfeleistung, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv
  99. -6-
  100. fördert oder erleichtert, ohne dass sie für den Eintritt des Erfolges in irgendeiner
  101. Weise kausal werden muss (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. März 2001
  102. – 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410 mwN), ist ohne Rechtsfehler.
  103. 9
  104. 2. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  105. 10
  106. Die Strafkammer hat nicht bedacht, dass nach ständiger Rechtsprechung
  107. in den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren
  108. Fall vorsieht und im Einzelfall ein gesetzlicher Milderungsgrund nach § 49
  109. Abs. 1 StGB gegeben ist, bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen ist, ob
  110. ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Beschlüsse vom 16. November 2017
  111. – 2 StR 404/17 mwN und vom 17. März 2016 – 1 StR 47/16). Ist nach einer
  112. Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines
  113. minder schweren Falls abzulehnen, sind bei der weitergehenden Prüfung, ob
  114. der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, gesetzlich vertypte
  115. Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner
  116. konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zu Grunde legen
  117. (BGH aaO). Das Landgericht hat diese Prüfungsreihenfolge nicht beachtet und
  118. nicht erkennbar erwogen, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrunds der
  119. Beihilfe allein oder in Verbindung mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen
  120. die Annahme eines minder schweren Falls des § 30 Abs. 2 BtMG rechtfertigen
  121. kann.
  122. 11
  123. Da die Strafkammer ihrer Strafzumessung den nach §§ 27 Abs. 2, 49
  124. Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (sechs Monate bis elf Jahre und drei Monate) zugrunde gelegt, sich bei der Festsetzung
  125. der Freiheitsstrafe an dem unteren Bereich des eröffneten Strafrahmens orien-
  126. -7-
  127. tiert und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt hat,
  128. die Strafrahmenuntergrenze des § 30 Abs. 2 BtMG demgegenüber aber bei drei
  129. Monaten liegt, kann der Senat – anders als der Antrag des Generalbundesanwalts – nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei zutreffender Prüfungsreihenfolge zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre.
  130. 12
  131. Der Senat kann offenlassen, ob die im Vorspann des Urteils getroffene
  132. Feststellung, die Angeklagte habe die Tatvorwürfe aus der Anklageschrift „vollumfänglich“ eingeräumt, wenngleich sie stets habe betonen lassen, von einem
  133. nicht strafbaren Verhalten ihrerseits ausgegangen zu sein (UA S. 4), in einem
  134. unauflösbaren Widerspruch mit der Feststellung in der Strafzumessung steht,
  135. die Angeklagte habe „in subjektiver Hinsicht nur ein Teilgeständnis“ (UA S. 24)
  136. abgelegt, die Strafzumessung also darüber hinausgehend auch deshalb fehlerhaft ist, weil die Strafkammer das Geständnis der Angeklagten nicht uneingeschränkt als Strafmilderungsgrund eingestellt hat. Der Senat hat aber deshalb
  137. die dem Strafausspruch zugehörigen Feststellungen insgesamt aufgehoben,
  138. um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.
  139. Raum
  140. Jäger
  141. Fischer
  142. Bellay
  143. Bär