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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 1 StR 727/08
  4. vom
  5. 21. Januar 2009
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. 1.
  9. 2.
  10. wegen gewerbs- und bandenmäßiger Geldfälschung u.a.
  11. -2-
  12. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2009 beschlossen:
  13. 1. Auf die Revisionen der Angeklagten L.
  14. und P.
  15. wird das
  16. Urteil des Landgerichts München I vom 6. August 2008, soweit
  17. es diese Angeklagten betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit
  18. den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
  19. a) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II. 2
  20. und II. 3 der Urteilsgründe sowie
  21. b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen.
  22. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
  23. Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
  24. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen,
  25. an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  26. -3-
  27. Gründe:
  28. 1
  29. Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchter Beteiligung an
  30. gewerbs- und bandenmäßiger Geldfälschung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) und
  31. gewerbs- und bandenmäßiger Geldfälschung in zwei Fällen (Fälle II. 2 und 3
  32. der Urteilsgründe) zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und neun Monaten
  33. bzw. fünf Jahren verurteilt. Zudem hat es hinsichtlich eines sichergestellten
  34. 500-Euro-Scheins den Verfall und in Höhe von 4.500 Euro den Verfall von
  35. Wertersatz angeordnet sowie sichergestelltes Falschgeld eingezogen. Die auf
  36. Verfahrensrügen und näher ausgeführte Sachrügen gestützten Revisionen der
  37. Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
  38. I.
  39. 2
  40. Nach den Urteilsfeststellungen versuchten die Angeklagten in einem Fall
  41. (Fall II. 1 der Urteilsgründe) erfolglos, sich Falschgeld im Nennwert von 500.000
  42. Euro zu verschaffen, um es mit Gewinn zu veräußern. In zwei weiteren Fällen
  43. (Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe) verkauften sie zuvor beschafftes Falschgeld
  44. jeweils an Vertrauenspersonen der Polizei.
  45. II.
  46. 3
  47. Die Revisionen der Angeklagten sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zum Schuldspruch insgesamt und zum
  48. Strafausspruch im Fall II. 1 der Urteilsgründe unbegründet im Sinne von § 349
  49. -4-
  50. Abs. 2 StPO. Dagegen haben die auf die fehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen auf die Vernehmung des Zeugen K.
  51. gestützten Verfahrensrügen
  52. zum Strafausspruch in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe und hieraus
  53. folgend auch zum Gesamtstrafausspruch Erfolg; im Fall II. 3 der Urteilsgründe
  54. greifen zur Strafzumessung im Hinblick auf das von der Strafkammer nicht näher gewürdigte Verhalten der eingesetzten Vertrauenspersonen (VP) auch die
  55. Sachrügen durch. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
  56. „Zu a) Fall II. 3 (Tatzeitpunkt: 19. Oktober 2007)
  57. Nach den Urteilsfeststellungen sind die Angeklagten L.
  58. und P.
  59. von
  60. den beiden VP vor der Tat ´erheblich unter Druck gesetzt und bedroht
  61. worden und es wurde ihnen mitgeteilt, man würde die serbische Mafia
  62. auf sie hetzen, sollten sie aus dem Geschäft aussteigen´ (UA S. 12).
  63. Der Angeklagte L.
  64. hat sich in der Hauptverhandlung dahingehend
  65. eingelassen, er - L. - und P.
  66. seien am 6. Oktober 2007, nachdem
  67. sie gegenüber den VP M.
  68. und B.
  69. angedeutet hätten, dass sie
  70. ´aussteigen´ wollten, von diesen massiv bedroht worden mit den Sätzen
  71. wie: ´Wenn die Sache nicht über die Bühne geht, hetzen wir die Mafia
  72. aus Belgrad auf euch bzw. eure Familie´. M.
  73. und B.
  74. hätten weiteres Falschgeld gefordert. Aus Angst vor Repressalien hätten sie - L.
  75. und P.
  76. - sich entschlossen, weiter zu machen (UA S. 15). Hierauf
  77. bezog sich die vom Landgericht zugesagte Wahrunterstellung (Bd. II
  78. Bl. 767 d.A.).
  79. Das Landgericht hat die insoweit gegen die Angeklagten L. und P.
  80. verhängten Einzelfreiheitsstrafen - zugleich Einsatzstrafen - von jeweils
  81. vier Jahren dem Strafrahmen des § 146 Abs. 2 StPO entnommen. Zugunsten beider Angeklagten hat es u.a. (´desweiteren´, ´schließlich´) berücksichtigt, dass die Tat unter polizeilicher Mitwirkung von Vertrauenspersonen begangen worden ist (UA S. 23 - L. , S. 26 - P.
  82. ).
  83. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  84. Zwar lag zunächst keine Tatprovokation seitens der VP vor; vielmehr waren die beiden Angeklagten von sich aus an die VP mit dem Angebot herangetreten, ein Falschgeldgeschäft zu tätigen. Indes trat eine Zäsur ein,
  85. als die beiden Angeklagten erklärten, keine Geschäfte mehr tätigen zu
  86. -5-
  87. wollen. Wurden sie, was das Landgericht als wahr unterstellt, von den
  88. VP unter zumindest konkludenter Drohung mit Gefahr für Leib und Leben
  89. - mithin durch eine strafbare Handlung - dazu genötigt, das weitere
  90. Falschgeldgeschäft vom 19. Oktober 2007 durchzuführen, bei dem ihre
  91. Festnahme erfolgte, lag ein Verhalten der VP vor, welches mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar ist. Feststellungen dahin, dass die
  92. Polizei mit einem Fehlverhalten der VP nicht rechnen konnte (vgl. BGHSt
  93. 45, 321, 336; 47, 44, 48), enthält das Urteil nicht, obwohl der Zeuge
  94. R.
  95. als V-Mann-Führer in der Hauptverhandlung vernommen
  96. wurde (UA S. 20). Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK liegt somit jedenfalls nahe.
  97. Das Landgericht wird die Sache daher nach Maßgabe der Grundsätze
  98. der Entscheidungen BGHSt 45, 321; 47, 44 zu prüfen haben.
  99. Zu b) Fall II. 2 (Tat vom 4. Oktober 2007)
  100. Zutreffend machen die Beschwerdeführer geltend, dass die Begründung,
  101. mit welcher das Landgericht den Beweisantrag auf Vernehmung des
  102. Zeugen K.
  103. (VP) zum Beweis der Tatsache, dass sie bereits am
  104. 29. September 2007 in Memmingen gegenüber den VP geäußert hatten,
  105. aussteigen zu wollen und daraufhin im Sinne des der Wahrunterstellung
  106. zugrundeliegenden Geschehens bedroht worden seien, ´zurückgewiesen
  107. hat´, rechtsfehlerhaft ist. Da der benannte Zeuge die unter Beweis gestellten Tatsachen selbst wahrgenommen bzw. die Bedrohungen selbst
  108. bzw. im Zusammenwirken mit der weiteren VP ausgesprochen haben
  109. soll, war er kein völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne des § 244
  110. Abs. 3 StPO.
  111. Der Sache nach hat das Landgericht darauf abgestellt, dass die behaupteten Tatsachen den Einlassungen der Angeklagten L.
  112. und P.
  113. widersprächen, die zum Treffen am 29. September 2007 ´einzig und allein
  114. die Bedrohung durch die VPs schildern, nach dem sie diesen von den
  115. Lieferschwierigkeiten des Falschgeldes berichtet hatten´. Ein ´ins Blaue´
  116. gestellter Antrag lag nicht vor. Zwar muss einem Beweisbegehren nicht
  117. oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden,
  118. wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und
  119. ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit auf Geratewohl ins Blaue
  120. hinein aufgestellt wurde, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht
  121. ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (vgl.
  122. BGH NStZ 2003, 497; StV 2002, 233 m.w.N.). So liegt der Fall hier nicht,
  123. -6-
  124. zumal das Landgericht als wahr unterstellt hat, dass sich das unter Beweis gestellte Geschehen - wenn auch erst zu einem späteren Zeitpunkt
  125. - tatsächlich abgespielt hat.“
  126. Dem schließt sich der Senat an.
  127. 4
  128. RiBGH Dr. Graf ist
  129. erkrankt und deshalb
  130. an der Unterschrift
  131. gehindert.
  132. Nack
  133. Wahl
  134. Jäger
  135. Nack
  136. Sander