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1 year ago
  1. Nachschlagewerk:
  2. ja
  3. BGHSt:
  4. nein
  5. Veröffentlichung:
  6. ja
  7. ________________________
  8. StGB §§ 306 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 13. November 1998, 306a
  9. Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 13. November 1998
  10. Beim Inbrandsetzen ein und desselben fremden Gebäudes wird der Tatbestand
  11. der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB (i.d.F. des 6. StrRG) durch
  12. denjenigen der schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 (hier: Inbrandsetzen eines Gebäudes, das der Wohnung von Menschen dient) verdrängt.
  13. BGH, Beschl. vom 21. November 2000 - 1 StR 438/00 - LG Waldshut-Tiengen
  14. BUNDESGERICHTSHOF
  15. BESCHLUSS
  16. 1 StR 438/00
  17. vom
  18. 21. November 2000
  19. in der Strafsache
  20. gegen
  21. -2-
  22. wegen schwerer Brandstiftung u.a.
  23. -3-
  24. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. November 2000 gemäß
  25. § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
  26. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
  27. Waldshut-Tiengen vom 30. März 2000 wird mit der Maßgabe als
  28. unbegründet verworfen, daß die tateinheitliche Verurteilung wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB) entfällt.
  29. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
  30. Gründe:
  31. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in Tateinheit
  32. mit schwerer und versuchter besonders schwerer Brandstiftung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete
  33. Revision des Angeklagten führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs, bleibt im übrigen aber ohne Erfolg.
  34. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts legte der Angeklagte
  35. nächtens im Gasthof "E.
  36. " in H.
  37. , wo er als Auszubildender tätig
  38. war, einen Brand. Im Gebäude, das im Eigentum seines Lehrherrn stand, befanden sich zu diesem Zeitpunkt 24 Personen, darunter 17 Übernachtungsgäste, die alle im ersten Obergeschoß und teilweise über dem in Brand gesetzten
  39. Raum schliefen. Der Angeklagte hielt für möglich, daß das Feuer auf das
  40. Obergeschoß und die anderen Stockwerke übergreifen und so die Gesundheit
  41. -4-
  42. dieser Menschen durch Brandverletzungen oder Rauchvergiftungen erheblich
  43. beeinträchtigen könne. Da eine junge Frau, deren Zimmer sich alsbald mit
  44. Rauch gefüllt hatte, aufwachte, kam es zu einem schnellen Eingreifen der Feuerwehr. Dadurch blieb der Brand im wesentlichen auf den Raum beschränkt, in
  45. welchem der Angeklagte ihn gelegt hatte. Dort hatte das Feuer bereits die hölzernen Deckenbalken ergriffen; u.a. hatte auch der fest mit dem Boden verklebte Teppichboden weiter gebrannt, nachdem das als Brandbeschleuniger
  46. eingesetzte Benzin verbraucht war.
  47. 2. Rechtlich hat das Landgericht dies als versuchte besonders schwere
  48. Brandstiftung (§ 306b Abs. 1, § 22 StGB) gewürdigt, weil der bedingte Vorsatz
  49. des Angeklagten sich auf eine Gesundheitsbeschädigung einer großen Zahl
  50. von Menschen bezogen habe. Darüber hinaus hat es die Tatbestände der
  51. (einfachen) Brandstiftung (in der Variante des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und
  52. der schweren Brandstiftung (in der Variante des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) als
  53. erfüllt angesehen. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern (vgl. zur
  54. Auslegung des Merkmals einer "großen Zahl von Menschen" in § 306b Abs. 1
  55. StGB: BGH NStZ 1999, 84 f.).
  56. 3. Indessen hält die Annahme von Tateinheit zwischen der (einfachen)
  57. Brandstiftung und der (hier vollendeten) schweren Brandstiftung rechtlicher
  58. Nachprüfung nicht stand. Vielmehr wird bei der Inbrandsetzung ein und desselben fremden Gebäudes die Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Inbrandsetzen eines fremden Gebäudes) durch den Tatbestand der schweren
  59. Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 (hier: Inbrandsetzen eines Gebäudes,
  60. das der Wohnung von Menschen dient) verdrängt. Für die Fassung der entsprechenden Tatbestände vor dem Inkrafttreten des 6. StrRG war dies in der
  61. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (siehe zum Verhältnis von
  62. -5-
  63. § 308 Abs. 1 StGB aF zu § 306 Nr. 2 StGB aF: BGH StV 1984, 246; BGHR
  64. StGB § 308 Abs. 1 aF Konkurrenzen 1, 2; BGH, Urteil vom 30. November 1993
  65. - 1 StR 637/93; Beschluß vom 22. Oktober 1997 - 2 StR 485/97; Beschluß vom
  66. 12. März 1998 - 1 StR 708/97). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch
  67. für die durch das 6. StrRG umgestalteten Tatbestände fest (wie hier Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 306 Rdn. 6; a.A.: Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl.
  68. § 306 Rdn. 20; SK Horn § 306 Rdn. 21).
  69. Während der Grundtatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB lediglich
  70. fremde Gebäude vor dem Inbrandsetzen schützen soll, erweitert der Tatbestand des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB diesen Schutz. Er erfaßt sowohl fremde
  71. wie eigene Gebäude und fügt ein weiteres Merkmal hinzu: das Gebäude muß
  72. der Wohnung von Menschen dienen. Liegen die Voraussetzungen dieses Tatbestandes (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) vor, wird - wenn es sich um ein fremdes
  73. Gebäude handelt - der Unrechtsgehalt des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB vollständig
  74. miterfaßt; alle seine Merkmale sind in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB enthalten. Dem
  75. kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, beide Tatbestände schützten
  76. unterschiedliche Rechtsgüter: der erste das (fremde) Eigentum, der zweite Leben und Gesundheit (so aber SK Horn § 306 Rdn. 21; vgl. Tröndle/Fischer aaO
  77. § 306 Rdn. 20). Eine solche Betrachtung griffe zu kurz. Auch bei der Tatbestandsvariante des Inbrandsetzens eines der Wohnung von Menschen dienenden Gebäudes (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) wird dann, wenn dieses ein fremdes
  78. ist, zwangsläufig neben Leib und Leben auch das fremde Eigentum geschützt.
  79. Das ergibt sich schon aus der Fassung des Tatbestandes, der uneingeschränkt
  80. jedes Gebäude zum tauglichen Tatobjekt erhebt. Im übrigen ist auch der
  81. Grundtatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht etwa ausschließlich als
  82. "qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt" zu charakterisieren. Ihm haftet vielmehr auch ein Element der Gemeingefährlichkeit an (vgl. Gesetzentwurf BT-
  83. -6-
  84. Drucks. 13/8587 S. 87; Radtke ZStW 110 (1998), 848, 861). Das findet nicht
  85. zuletzt in seiner systematischen Stellung im Abschnitt über die gemeingefährlichen Straftaten seine Bestätigung. Hinzu kommt, daß der gerade in der
  86. Fremdheit des Gebäudes gründende Teil des Schuldgehalts bei einer Verurteilung wegen "Brandstiftung in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung" im
  87. Schuldspruch selbst nur unvollkommen Ausdruck fände, weil er sich in der Deliktsbezeichnung nicht widerspiegeln würde. Eine solche Tenorierung wäre
  88. eher eigentümlich, weil ein Brandstiftungsakt ein und demselben Gebäude gilt.
  89. Die etwaige Fremdheit des in Brand gesetzten Gebäudes kann hingegen bei
  90. der Strafzumessung im Rahmen des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Blick auf die
  91. verschuldeten Auswirkungen der Tat (vgl. § 46 Abs. 2 StGB) angemessen berücksichtigt werden. Das wird regelmäßig im Zusammenhang mit der Höhe des
  92. angerichteten Schadens geschehen. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) läge darin nicht, weil das in Rede stehende
  93. Merkmal (Gebäude) so weit gefaßt ist, daß es verschiedene Fallgestaltungen
  94. abdeckt, die voneinander unterschieden werden können.
  95. 4. Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend ändern und den
  96. Strafausspruch bestehen lassen. Der Unrechtsgehalt des § 306 Abs. 1 Nr. 1
  97. StGB ist in dem Schuldspruch nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB enthalten und die
  98. vom Landgericht angeführten Strafzumessungsgesichtspunkte sind ersichtlich
  99. nicht berührt. Der Senat schließt daher aus, daß die Schuldspruchänderung
  100. Einfluß auf die Strafbemessung haben könnte.
  101. 5. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
  102. -7-
  103. 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO. Es erscheint nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den Kosten zu belasten, weil
  104. der Erfolg seines Rechtsmittels lediglich geringfügig ist.
  105. Schäfer
  106. Nack
  107. Schluckebier
  108. Wahl
  109. Schaal