Monotone Arbeit nervt!
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

898 lines
28 KiB

1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. 1 StR 235/15
  5. vom
  6. 11. November 2015
  7. in der Strafsache
  8. gegen
  9. 1.
  10. 2.
  11. 3.
  12. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels u.a.
  13. -2-
  14. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
  15. 10. November 2015, in der Sitzung vom 11. November 2015, an denen teilgenommen haben:
  16. Richter am Bundesgerichtshof
  17. Prof. Dr. Graf
  18. als Vorsitzender,
  19. die Richter am Bundesgerichtshof
  20. Prof. Dr. Jäger,
  21. Prof. Dr. Mosbacher,
  22. die Richterin am Bundesgerichtshof
  23. Dr. Fischer
  24. und der Richter am Bundesgerichtshof
  25. Dr. Bär,
  26. Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
  27. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  28. Rechtsanwalt
  29. Rechtsanwalt
  30. als Verteidiger des Angeklagten G.
  31. Rechtsanwalt
  32. Rechtsanwalt
  33. als Verteidiger des Angeklagten M.
  34. - in der Verhandlung vom
  35. 10. November 2015 -,
  36. - in der Verhandlung vom
  37. 10. November 2015 ,
  38. - in der Verhandlung vom
  39. 10. November 2015 -,
  40. - in der Verhandlung vom
  41. 10. November 2015 ,
  42. -3-
  43. Rechtsanwalt
  44. - in der Verhandlung vom
  45. 10. November 2015 -,
  46. - in der Verhandlung vom
  47. 10. November 2015 -
  48. Rechtsanwalt
  49. als Verteidiger des Angeklagten K.
  50. ,
  51. Justizangestellte
  52. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  53. für Recht erkannt:
  54. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
  55. des Landgerichts Bochum vom 15. September 2014 mit
  56. den Feststellungen aufgehoben.
  57. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
  58. auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere
  59. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  60. Von Rechts wegen
  61. -4-
  62. Gründe:
  63. 1
  64. Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf des gewerbs- und
  65. bandenmäßigen Schmuggels und der Hinterziehung von Umsatzsteuer in insgesamt 216 Fällen bzw. beim Angeklagten K.
  66. in 181 Fällen, darunter eine
  67. versuchte Tat, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wenden
  68. sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die gestützt auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstanden. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel
  69. haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die von der Staatsanwaltschaft erhobenen verfahrensrechtlichen Beanstandungen nicht mehr ankommt.
  70. I.
  71. 2
  72. 1. In der zugelassenen Anklage werden den Angeklagten in den Jahren
  73. 2010 bis 2012 zugunsten der S. K.
  74. S.
  75. 3
  76. GmbH) und der G.
  77. GmbH (im Folgenden:
  78. GmbH begangene Steuerstraftaten zur Last gelegt.
  79. Die S. GmbH, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der
  80. gesondert Verurteilte
  81. P.
  82. gewesen sei, habe ab dem Jahr
  83. 2010 umfangreiche Importe von Metallen durchgeführt, die nahezu vollständig
  84. an die G.
  85. GmbH weiterverkauft worden seien. Der Angeklagte G.
  86. Geschäftsführer und Alleingesellschafter und die Angeklagten M.
  87. K.
  88. 4
  89. sei
  90. und
  91. Angestellte dieser Gesellschaft gewesen.
  92. Aufgrund einer gemeinsamen Besprechung Ende Juni 2010 in den Räumen der G.
  93. GmbH hätten die Angeklagten mit P.
  94. und den früheren
  95. -5-
  96. Mitangeklagten S.
  97. der S.
  98. und St.
  99. vereinbart, sich durch die Zwischenschaltung
  100. GmbH in den Warenbezug einen Wettbewerbsvorteil am Markt zu ver-
  101. schaffen. Anders als bei der zuvor durch die G.
  102. GmbH selbst eingeführten
  103. Ware sollte es nun möglich sein, aufgrund generierter Vorsteuerabzüge eine
  104. Kaufpreisminderung und damit eine Gewinnmaximierung zu erreichen. Hierzu
  105. sollte die S.
  106. GmbH in den Rechnungen an die G.
  107. GmbH jeweils Umsatz-
  108. steuer ausweisen, diese aber gegenüber den Finanzbehörden nicht erklären
  109. und auch nicht abführen. Auf diese Weise sollte der G.
  110. GmbH die Geltend-
  111. machung von Vorsteuern ermöglicht werden, ohne dass diese zuvor abgeführt
  112. worden seien.
  113. 5
  114. Die aus Osteuropa nach Deutschland verbrachten Waren hätten im Jahr
  115. 2010 allein aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere den baltischen Staaten, gestammt. Ab Anfang 2011 seien dann von den Angeklagten
  116. G.
  117. St.
  118. und M.
  119. zusammen mit den früheren Mitangeklagten S.
  120. und
  121. auch Einfuhren aus Drittstaaten, namentlich aus Russland und der Ukrai-
  122. ne, vorgenommen worden. Hierbei sei der Wert der eingeführten Waren gegenüber dem Zoll in der Regel mit weniger als einem Zehntel des tatsächlichen
  123. Werts angegeben worden. Zudem sei für die inländischen Verkäufe der S.
  124. GmbH an die G.
  125. GmbH keine Umsatzsteuer erklärt worden, obwohl die Um-
  126. satzsteuer bei den jeweiligen Rechnungen an die G.
  127. GmbH ausgewiesen
  128. worden sei. Hierdurch seien jeweils Abgaben verkürzt worden. Im Einzelnen:
  129. 6
  130. a) Fälle 1 bis 184 der Anklageschrift (gewerbs- und bandenmäßiger
  131. Schmuggel)
  132. 7
  133. In den die Jahre 2011 und 2012 betreffenden Fällen 1 bis 184 bzw. hinsichtlich des Angeklagten K.
  134. 24 bis 184 der Anklageschrift wirft die Staats-
  135. anwaltschaft den Angeklagten vor, sie hätten gewerbs- und bandenmäßig ge-
  136. -6-
  137. genüber dem Zollamt E.
  138. falsche Angaben zum Warenwert bei der Einfuhr
  139. von Kupfererzeugnissen aus osteuropäischen Staaten in das Gebiet der Europäischen Union gemacht. Infolge der falschen Angaben seien nahezu vier Millionen Euro an Einfuhrumsatzsteuer und mehr als 300.000 Euro an Zoll nicht
  140. festgesetzt und damit verkürzt worden.
  141. 8
  142. b) Fälle 185 bis 199 der Anklageschrift (Umsatzsteuerhinterziehung zugunsten der S. GmbH)
  143. 9
  144. In den Fällen 185 bis 199 bzw. hinsichtlich des Angeklagten K.
  145. 191
  146. bis 199 der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten jeweils
  147. die Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der S.
  148. chend dem gemeinsamen Tatplan mit P.
  149. GmbH vor. Entspre-
  150. seien für die S.
  151. GmbH für
  152. das Jahr 2010 wahrheitswidrig ein Umsatz von null Euro angemeldet und für die
  153. Monate Februar 2011 bis März 2012 pflichtwidrig keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben worden. Hierdurch sei insgesamt Umsatzsteuer in Höhe
  154. von mehr als 4,7 Mio. Euro verkürzt worden.
  155. 10
  156. c) Fälle 200 bis 216 der Anklageschrift (Umsatzsteuerhinterziehung zugunsten der G.
  157. 11
  158. GmbH)
  159. In den Fällen 200 bis 216 bzw. hinsichtlich des Angeklagten K.
  160. 206
  161. bis 216 der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten jeweils
  162. die Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der G.
  163. chend dem gemeinsamen Tatplan seien für die G.
  164. GmbH vor. EntspreGmbH in der Umsatz-
  165. steuerjahreserklärung 2010 und den Umsatzsteuervoranmeldungen für Februar
  166. 2011 bis März 2012 sowie Mai und November 2012 zu Unrecht Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der S. GmbH geltend gemacht worden. Den Angeklagten sei dabei bewusst gewesen, dass ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der S.
  167. GmbH nicht in Betracht kam. Hierdurch seien in den Fällen
  168. -7-
  169. 200 bis 215 der Anklageschrift insgesamt nahezu fünf Mio. Euro an Umsatzsteuer verkürzt worden. Im Fall 216 sei es beim Versuch geblieben.
  170. 12
  171. 2. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
  172. 13
  173. a) Die G.
  174. GmbH stand etwa zehn Jahre lang in laufender Geschäfts-
  175. beziehung zur A.
  176. AG. Diese produzierte aus Kupferkonzentraten, Kupfer-
  177. schrott und anderen kupferhaltigen Legierungen hochreines Kupfer. Für ihre
  178. Kupferöfen benötigte die A.
  179. AG kupferhaltige Rohstoffe. Kupfer wird welt-
  180. weit zu Preisen gehandelt, die an der Börse London Metal Exchange (LME)
  181. nach börsenmäßigen Preisfindungsmechanismen gebildet werden. Der Preis
  182. unterliegt dabei erheblichen Schwankungen. Für andere kupferhaltige Materialien werden Abschläge zu den LME-Preisen verhandelt.
  183. 14
  184. Bis zum Ende des Jahres 2010 bezog die G.
  185. GmbH selbst Kupferraf-
  186. finiermaterial aus Osteuropa. Die Einfuhren in den Jahren 2003 bis 2010 waren
  187. Gegenstand von zwei Betriebsprüfungen, die jeweils zu Beanstandungen führten, weil die Gesellschaft das Benennungsverlangen gemäß § 160 AO für die
  188. ausländischen Zahlungsempfänger nicht erfüllen konnte. Zur Vermeidung
  189. gleichartiger Probleme wurden mit den steuerlichen Beratern der Gesellschaft
  190. zahlreiche Maßnahmen erörtert, darunter die Einholung von steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen über Vertragspartner bei den Finanzbehörden.
  191. 15
  192. b) Im Oktober 2006 hatte der frühere Mitangeklagte S.
  193. sondert Verurteilten P.
  194. die S.
  195. GmbH gegründet, die ebenfalls im Me-
  196. tallhandel tätig werden sollte. Bei einem Treffen mit P.
  197. ter Beteiligung der Angeklagten G.
  198. klagten S.
  199. und St.
  200. für den ge-
  201. und M.
  202. im Juli 2010 un-
  203. sowie der früheren Mitange-
  204. wurde vereinbart, dass die S.
  205. GmbH zukünftig die
  206. -8-
  207. G.
  208. GmbH mit Buntmetallen beliefern sollte. S.
  209. P.
  210. und St.
  211. unterstützen, insbesondere Aufgaben in Deutschland wahrnehmen,
  212. wenn sich P.
  213. 16
  214. im Ausland aufhält.
  215. c) Ab September 2010 erfolgten dann Bestellungen der G.
  216. der S.
  217. G.
  218. sollten
  219. GmbH bei
  220. GmbH und Lieferungen im Wege des Streckengeschäfts direkt an die
  221. GmbH. Der Angeklagte G.
  222. ließ sich für diese Geschäfte regelmäßig
  223. Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamts über die S.
  224. GmbH vorle-
  225. gen. Für den Einkauf in den baltischen Staaten führte der Zeuge P.
  226. dort
  227. mit den Lieferanten die Vertragsverhandlungen. Die letzte Lieferung aus den
  228. baltischen Staaten erfolgte Anfang Dezember 2010. Danach kam es zu einem
  229. Wechsel der Bezugsquellen. Ab Februar 2011 kamen die Kupferprodukte aus
  230. nicht der Europäischen Union angehörenden Staaten Osteuropas. Die S.
  231. GmbH lieferte dann bis zum Ende der Geschäftsbeziehung infolge der Festnahme des Zeugen P.
  232. im Mai 2012 an die G.
  233. GmbH sogenanntes
  234. Halbzeug, das sie von Lieferanten aus Russland und der Ukraine bezog.
  235. 17
  236. d) Die Geschäfte der S.
  237. den früheren Mitangeklagten S.
  238. GmbH in Deutschland wurden weitgehend von
  239. und St.
  240. abgewickelt. Für die Verzollung
  241. der LKW-Lieferungen mit Kupfer tauschten sie die Kaufunterlagen gegen solche
  242. mit niedrigeren, manipulierten Werten aus, die stets nur zehn Prozent des tatsächlichen Werts betrugen. Infolgedessen wurden jeweils der Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer zu niedrig festgesetzt. Bei den insgesamt 184 Einfuhren entstand insgesamt ein Einfuhrumsatzsteuerschaden von mehr als 3,9 Mio. Euro
  243. und ein Zollschaden von mehr als 307.000 Euro (UA S. 29 f.).
  244. 18
  245. e) Beim anschließenden Weiterverkauf an die G.
  246. GmbH akzeptierte
  247. und bezahlte diese sämtliche Rechnungen einschließlich der dort ausgewiese-
  248. -9-
  249. nen Umsatzsteuer. Da das aus Osteuropa gelieferte Halbzeug von minderer
  250. Qualität war, wurde allerdings beim Weiterverkauf an die A.
  251. AG nach Erör-
  252. terung mit deren Vertretern gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG das ReverseCharge-Verfahren angewendet, so dass die Ausgangsrechnungen der G.
  253. GmbH im Gegensatz zu den Eingangsrechnungen keine Umsatzsteuer enthielten.
  254. 19
  255. f) Zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung verschwieg die S.
  256. GmbH in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2010 und den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar 2011 bis März 2012 die Umsätze aus den
  257. inländischen Metallverkäufen. Insgesamt wurde hierdurch Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 4,7 Mio. Euro hinterzogen.
  258. 20
  259. g) Wer letztlich von den Zoll- und Steuerverkürzungen der S.
  260. GmbH
  261. profitierte, konnte das Landgericht nicht feststellen (UA S. 32).
  262. 21
  263. h) Der Angeklagte G.
  264. aus den Rechnungen der S.
  265. brachte für die G.
  266. GmbH die Vorsteuern
  267. GmbH in der Umsatzsteuerjahreserklärung für
  268. das Jahr 2010 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar 2011 bis März 2012 sowie Mai und November 2012 in Ansatz. Hierdurch
  269. wurde die Umsatzsteuerzahllast im Umfang von insgesamt mehr als 4,9 Mio.
  270. Euro vermindert; für November 2012 wurde zudem eine Auszahlung eines Umsatzsteuerguthabens von mehr als 141.000 Euro erstrebt.
  271. 22
  272. 3. Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es konnte sich von einer Tatbegehung bzw. Tatbeteiligung der
  273. Angeklagten nicht überzeugen.
  274. - 10 -
  275. 23
  276. a) Der Angeklagte G.
  277. die Angeklagten M.
  278. und K.
  279. hatte die Tatvorwürfe bestritten (UA S. 33 ff.);
  280. hatten sich nicht zur Sache eingelassen (UA
  281. S. 35).
  282. 24
  283. b) Hinsichtlich der Tatvorwürfe des Schmuggels und der Hinterziehung
  284. von Umsatzsteuer zugunsten der S.
  285. GmbH (Fälle 1 bis 199 der Anklage-
  286. schrift) hat sich das Landgericht zwar die Überzeugung gebildet, dass diese
  287. Straftaten tatsächlich begangen worden sind. Eine Beteiligung der drei Angeklagten an diesen Straftaten hält es jedoch nicht für erwiesen.
  288. 25
  289. Bezüglich des Vorwurfs der Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten
  290. der G.
  291. GmbH (Fälle 200 bis 216 der Anklageschrift) hat sich das Landge-
  292. richt davon überzeugt, dass die Angeklagten bei den Handelsgeschäften der
  293. G.
  294. GmbH mit der S.
  295. GmbH gutgläubig gewesen seien; ihnen sei auch
  296. keine Leichtfertigkeit vorzuwerfen. Der G.
  297. GmbH habe deshalb jeweils ein
  298. Vorsteuererstattungsanspruch zugestanden, so dass Steuern nicht verkürzt
  299. worden seien.
  300. 26
  301. c) Im Einzelnen konnte sich das Landgericht von folgenden Behauptungen der Staatsanwaltschaft keine Überzeugung verschaffen:
  302. 27
  303. aa) Hinsichtlich der im Juli 2010 mit dem Zeugen P.
  304. geführten
  305. Unterredung konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei klären, ob die Beteiligten
  306. des Gesprächs vereinbart hatten, dass die S.
  307. GmbH bei der Einfuhr zu gerin-
  308. ge Werte angeben sollte, um zu erreichen, dass Zölle und Einfuhrumsatzsteuer
  309. zu niedrig festgesetzt werden. Auch konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei
  310. klären, ob Gegenstand der Gespräche war, dass die S.
  311. terverkäufen an die G.
  312. GmbH bei den Wei-
  313. GmbH im Streckengeschäft Umsatzsteuer gegen-
  314. - 11 -
  315. über der G.
  316. GmbH in ihren Rechnungen ausweist, ohne sie beim Finanzamt
  317. anzumelden und abzuführen, und die G.
  318. GmbH sodann die Vorsteuer aus
  319. den Rechnungen beim Finanzamt geltend macht. Schließlich konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei klären, ob in dem Gespräch vereinbart wurde, dass
  320. sich der Zeuge P.
  321. aus der Geschäftsführung zurückziehen und die S.
  322. GmbH faktisch den Angeklagten überlassen sollte (UA S. 26 f.).
  323. 28
  324. bb) Das Landgericht konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass die
  325. Angeklagten Kenntnis davon hatten oder zumindest die Möglichkeit hatten zu
  326. erkennen, dass beim Zoll zu niedrige Warenwerte für die Kupferwaren angegeben wurden und dass die S.
  327. GmbH in ihren Ausgangsrechnungen ausgewie-
  328. sene Umsatzsteuer bei den Finanzbehörden nicht anmeldete und auch nicht
  329. abführte. Der Angeklagte G.
  330. habe versucht, alle steuerlichen Verpflichtun-
  331. gen zu erfüllen und die von seinen Steuerberatern empfohlenen Maßnahmen,
  332. um nicht in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden zu werden, umzusetzen.
  333. 29
  334. d) Der Angeklagte G.
  335. nung mit der S.
  336. hatte sich eingelassen, die Geschäftsanbah-
  337. GmbH sei in völlig üblichem Rahmen verlaufen (UA S. 34).
  338. Die Geschäftsbeziehung habe sich positiv entwickelt; außerdem habe er alle
  339. sechs Monate vom Finanzamt für diese Gesellschaft Unbedenklichkeitsbescheinigungen angefordert und erhalten. Für ihn sei es daher überraschend,
  340. dass der Zeuge P.
  341. die Handelsgeschäfte mit dem Ziel betrieben habe,
  342. Umsatzsteuer zu hinterziehen.
  343. 30
  344. e) Das Landgericht ist der Auffassung, die Einlassung des Angeklagten
  345. G.
  346. sei nicht zu widerlegen. Die Behauptung der Staatsanwaltschaft in der
  347. Anklageschrift, es habe einen gemeinsamen Tatplan gegeben, sei auf die Einlassung des Zeugen P.
  348. im vorangegangenen gegen ihn geführten
  349. - 12 -
  350. Strafverfahren gestützt gewesen. Dieser habe in der gegen ihn gerichteten
  351. Hauptverhandlung seine eigene Tatbeteiligung eingeräumt und behauptet, es
  352. habe im Juni 2010 ein Treffen mit den Angeklagten G.
  353. gesondert Verfolgten S.
  354. und St.
  355. und M.
  356. sowie den
  357. gegeben. Bei diesem Treffen sei ver-
  358. einbart worden, die bereits bestehende S.
  359. GmbH zwecks Hinterziehung von
  360. Einfuhrabgaben und inländischer Umsatzsteuer sowie zur Erschleichung von
  361. Vorsteuererstattungen zu nutzen, um Metallschrott aus dem Ausland für die
  362. G.
  363. GmbH einzuführen. Wesentliche Funktion des P.
  364. sei dabei der
  365. Kontakt zu den ausländischen Lieferanten und das „Schreiben von Rechnungen“ gewesen (UA S. 40).
  366. 31
  367. Im Zuge seiner mehrtägigen Vernehmung vor der erkennenden Strafkammer habe der Zeuge P.
  368. aber bestritten, sich im vorangegangenen
  369. Verfahren in diesem Sinne geäußert zu haben, und habe den Sachverhalt abweichend dargestellt. Gegenstand eines Gesprächs im Juli 2010 seien nur sein
  370. beruflicher Hintergrund und seine Fachkenntnisse im Metallhandel, die Möglichkeit einer Belieferung der G.
  371. GmbH durch die S.
  372. GmbH und techni-
  373. sche Details gewesen. Über geplante Abgabenverkürzungen sei dagegen weder ausdrücklich noch stillschweigend gesprochen worden. Erst im August 2011
  374. habe er von den gesondert Verfolgten S.
  375. und St.
  376. erfahren, dass in den
  377. Zollanmeldungen die Warenwerte manipulativ herabgesetzt worden seien. Unter dem Eindruck ihrer Drohung, als Geschäftsführer der S.
  378. GmbH andernfalls
  379. finanziell einstehen zu müssen, habe er sich bereitgefunden, an der Fortführung
  380. dieser illegalen Praktiken mitzuwirken. Von der Hinterziehung der inländischen
  381. Umsatzsteuer habe er hingegen keine Kenntnis gehabt. Seine Verurteilung wegen Abgabenhinterziehung habe er akzeptiert, weil er als formeller Geschäftsführer unabhängig von seiner Unkenntnis einstandspflichtig gewesen sei (UA
  382. S. 41).
  383. - 13 -
  384. 32
  385. Das Landgericht hält die Angaben des Zeugen P.
  386. in weiten Tei-
  387. len für unglaubhaft und widerlegt. Auch gestützt auf die Angaben der früheren
  388. Mitangeklagten S.
  389. und St.
  390. hat sich das Landgericht vielmehr die Über-
  391. zeugung gebildet, dass die Tatherrschaft über die Einfuhrabgabenverkürzung
  392. und die Verkürzung der inländischen Umsatzsteuer der S.
  393. dem Zeugen P.
  394. 33
  395. GmbH allein bei
  396. lag (UA S. 43).
  397. Das Landgericht hat „keine Veranlassung gesehen, aufzuklären, ob der
  398. Zeuge P.
  399. in der früheren Hauptverhandlung in eigener Sache die von
  400. der Staatsanwaltschaft behaupteten belastenden Angaben betreffend die Angeklagten G.
  401. , M.
  402. und K.
  403. nicht nur zweifelhaft, ob P.
  404. tatsächlich gemacht hat.“ Denn es bleibe
  405. die Angeklagten in der früheren Hauptver-
  406. handlung überhaupt in dieser Weise belastet hat. „Vielmehr wären entsprechende frühere Angaben im Lichte seiner aktuellen zeugenschaftlichen Bekundungen und nach dem persönlichen Eindruck der Kammer unglaubhaft.“ Die
  407. Bekundungen des Zeugen P.
  408. seien daher nicht geeignet, den Nach-
  409. weis einer kollusiven Einbindung der Angeklagten in die Abgabenhinterziehungen der S.
  410. 34
  411. GmbH zu führen (UA S. 44).
  412. Auch nach einer Gesamtwürdigung mit weiteren Umständen, darunter
  413. die Höhe der Preise, Teilzahlungen an Drittempfänger, die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens gegenüber der A.
  414. AG, die vorangegangene
  415. Versagung des Betriebskostenabzugs gemäß § 160 AO, der E-Mail-Verkehr
  416. unter den Angeklagten und die steuerliche Beratung des Angeklagten G.
  417. ,
  418. verblieben beim Landgericht „unüberwindbare Zweifel“ an der Tatbeteiligung
  419. der Angeklagten.
  420. - 14 -
  421. II.
  422. 35
  423. Die Freisprüche haben keinen Bestand; denn die Beweiswürdigung hält
  424. rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
  425. 36
  426. 1. Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen,
  427. wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner
  428. Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des
  429. Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es
  430. die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine
  431. andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre
  432. (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Dem
  433. Tatrichter obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu
  434. würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015
  435. – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung
  436. beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies
  437. ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte
  438. Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2007
  439. – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792 mwN).
  440. 37
  441. 2. Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
  442. 38
  443. a) Die Beweiswürdigung zur Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen
  444. P.
  445. ist lückenhaft. Denn die Urteilsgründe enthalten keine nachvollzieh-
  446. - 15 -
  447. bare Begründung für die Annahme des Landgerichts, die von P.
  448. in der
  449. Hauptverhandlung des gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahrens gemachten
  450. Angaben seien jedenfalls unglaubhaft (UA S. 44).
  451. 39
  452. aa) Zwar können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden
  453. Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so
  454. beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere dann, wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt,
  455. obwohl gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss
  456. es jedoch in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen
  457. einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH, Urteile vom
  458. 8. September 2011 – 1 StR 38/11, wistra 2011, 465, vom 6. September 2006
  459. – 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19 und vom 22. August 2002 – 5 StR 240/02,
  460. wistra 2002, 430 mwN).
  461. 40
  462. bb) Diesen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung zu den Angaben
  463. des Zeugen P.
  464. 41
  465. nicht.
  466. Ausweislich der Urteilsgründe beruht die Anklage entscheidend auf der
  467. Tatschilderung dieses Zeugen, die er in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren in der Hauptverhandlung gemacht hatte (UA S. 40). Weshalb das Landgericht diese Angaben für unglaubhaft hält, hat es indes nicht nachvollziehbar und
  468. für das Revisionsgericht nachprüfbar begründet. Als Beleg für diese Annahme
  469. hat das Landgericht lediglich die Bekundungen des Zeugen P.
  470. im vor-
  471. liegenden Verfahren und dessen persönlichen Eindruck aus der Hauptverhand-
  472. - 16 -
  473. lung angeführt. Den Inhalt der früheren Aussage des Zeugen hat das Landgericht hingegen nicht mitgeteilt. Damit fehlt es an einer ausreichenden Grundlage
  474. für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung. Um die Glaubhaftigkeit der Angaben des
  475. Zeugen P.
  476. beurteilen zu können, durfte das Landgericht nicht offen las-
  477. sen, von welchem Inhalt der früheren Aussage es ausgeht. Auch hat das Landgericht nicht erörtert, welches Motiv der Zeuge für Falschangaben zum damaligen Zeitpunkt gehabt haben könnte. Umgekehrt hat das Landgericht auch nicht
  478. in den Blick genommen, dass die Aussage des Zeugen P.
  479. in der
  480. Hauptverhandlung gegen die Angeklagten eine Gefälligkeitsaussage zu deren
  481. Gunsten gewesen sein konnte. Mit dieser Möglichkeit musste sich das Landgericht schon deshalb auseinandersetzen, weil es als naheliegend ansah, dass
  482. der Tatplan des Zeugen P.
  483. von vornherein auf die Verkürzung der Ein-
  484. fuhrabgaben, des Zolls und der Umsatzsteuer gerichtet war (UA S. 44).
  485. 42
  486. b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts lässt zudem besorgen, das
  487. Landgericht habe belastende Indizien fehlerhaft einzeln sowie anhand eines
  488. falschen Maßstabs gewürdigt und nicht in die Gesamtwürdigung eingestellt.
  489. 43
  490. aa) Das Tatgericht ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen
  491. (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148
  492. mwN). Dabei muss sich aus den Urteilsgründen auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende
  493. Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23.
  494. Juli 2007 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792 mwN). Die Anforderungen an eine
  495. umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind bei einem Freispruch
  496. nicht geringer als im Fall der Verurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009
  497. - 17 -
  498. – 1 StR 479/08, wistra 2009, 315). Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich
  499. allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004
  500. – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238).
  501. 44
  502. bb) Rechtsfehlerhaft ist hier bereits der rechtliche Ansatz des Landgerichts bei der Würdigung belastender Einzelindizien.
  503. 45
  504. Statt die Indizien mit ihrem jeweiligen Beweiswert in die Gesamtwürdigung einzustellen, spricht das Landgericht einzelnen Umständen jeglichen belastenden Beweiswert mit der Begründung ab, diese seien „nicht zwangsläufig“
  505. nur mit einer Abgabenverkürzung zu erklären (UA S. 46), seien „nicht zweifelsfrei“ (UA S. 50) oder ließen „keinen zweifelsfreien Rückschluss“ auf Kenntnisse
  506. oder eine Tatbeteiligung der Angeklagten (UA S. 47, 52, 53) zu. Damit hat das
  507. Landgericht rechtsfehlerhaft einzelne Beweisergebnisse lediglich isoliert und
  508. nicht im Zusammenhang mit anderen Beweisanzeichen gewürdigt.
  509. 46
  510. cc) Schließlich hält auch die vom Landgericht vorgenommene Gesamtwürdigung (UA S. 57 ff.) rechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn sie beschränkt sich im Wesentlichen auf die Würdigung entlastender Indizien. Belastende Indizien wurden hingegen nicht in die Gesamtwürdigung einbezogen, die
  511. damit unvollständig ist. Hierauf beruht das Urteil schon deshalb, weil auch
  512. dann, wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft der Angeklagten ausreichen würde, die Möglichkeit besteht, dass sie in
  513. ihrer Gesamtheit dem Tatgericht die entsprechende Überzeugung vermitteln
  514. können (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004,
  515. 238).
  516. - 18 -
  517. 47
  518. 3. Die Freisprüche einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Feststellungen haben daher wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung keinen Bestand. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere
  519. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Auf die weiteren
  520. von der Staatsanwaltschaft erhobenen sachlich- und verfahrensrechtlichen Beanstandungen kommt es nicht mehr an.
  521. III.
  522. 48
  523. Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat im Hinblick auf die
  524. insoweit unzutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf UA S. 61:
  525. 49
  526. Die Kognitionspflicht des Gerichts bezieht sich auf die Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO). Zur Tat als Prozessgegenstand gehört das gesamte
  527. Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten
  528. geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Dies kann nicht unabhängig von der verletzten Strafbestimmung beurteilt werden. Im Steuerstrafrecht werden der Umfang und die
  529. Reichweite der prozessualen Tat neben der einschlägigen Blankettvorschrift
  530. maßgeblich durch die sie ausfüllenden Normen des Steuerstrafrechts bestimmt
  531. (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 – 1 StR 665/08, wistra 2009, 465
  532. mwN). Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass es sich bei der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO um ein Erklärungs- und zugleich um ein Erfolgsdelikt handelt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – 1 StR 718/08, BGHR StPO
  533. § 267 Abs. 1 StPO Steuerhinterziehung 1). Deshalb ist beim Tatvorwurf der
  534. Steuerhinterziehung auch bei einem freisprechenden Urteil festzustellen und in
  535. den Urteilsgründen darzulegen, wann der Angeklagte welche Steuererklärun-
  536. - 19 -
  537. gen mit welchem Inhalt abgegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2009
  538. – 1 StR 718/08, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 1 mwN). Die
  539. Urteilsgründe müssen zudem in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren
  540. Weise erkennen lassen, ob die in den verfahrensgegenständlichen Steuererklärungen enthaltenen Angaben unrichtig oder unvollständig waren und ob sie gegebenenfalls zu einer Steuerverkürzung oder einem nicht gerechtfertigten
  541. Steuervorteil geführt haben. Dies beinhaltet, dass das Tatgericht nicht nur die in
  542. der Anklageschrift als Beleg für fehlerhafte Angaben angeführten Umstände in
  543. den Blick zu nehmen hat. Vielmehr muss es sich dann, wenn nach dem Gang
  544. der Hauptverhandlung hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für andere Geschehnisse bestehen, aus denen sich die Unrichtigkeit der verfahrensgegenständlichen Steuererklärungen ergeben kann, auch mit diesen Umständen auseinandersetzen. Gegebenenfalls hat das Tatgericht entsprechend § 265 StPO
  545. auf diese Veränderung hinzuweisen. Denn der Strafklageverbrauch eines Freispruchs würde einer neuen, auf solche Umstände gestützten Strafverfolgung
  546. entgegenstehen. Ein Freispruch kommt schließlich auch dann nicht in Betracht,
  547. - 20 -
  548. wenn das vom Tatgericht festgestellte Verhalten eines Angeklagten den Ordnungswidrigkeitentatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO)
  549. erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11, wistra 2011, 465
  550. mwN).
  551. Graf
  552. Jäger
  553. Fischer
  554. Mosbacher
  555. Bär