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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 50/11
  5. Verkündet am:
  6. 12. Oktober 2011
  7. Ring,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. -2-
  13. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  14. vom 14. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
  15. Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den Richter
  16. Dr. Bünger
  17. für Recht erkannt:
  18. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 15. Zivilkammer
  19. des Landgerichts München I vom 12. Januar 2011 aufgehoben.
  20. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  21. über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  22. Von Rechts wegen
  23. Tatbestand:
  24. 1
  25. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger das Mietverhältnis mit den
  26. Beklagten gemäß § 1056 Abs. 2 BGB kündigen kann.
  27. 2
  28. Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 7. Dezember 2002 von der Tante des Klägers eine Wohnung in M.
  29. . Gemäß § 23 des Mietvertrags ist
  30. eine Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen. Das Eigentum an dieser Wohnung war dem Kläger von seiner Tante bereits mit notariellem Vertrag vom
  31. 27. Dezember 1995 - unter Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs - übertragen worden. Unter dem 14. Oktober 2003 unterzeichneten die Beklagten und
  32. die Tante des Klägers eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag, wonach der
  33. -3-
  34. Vertrag auf Lebenszeit der Beklagten abgeschlossen war; zudem wurden eine
  35. Erhöhung der Miete sowie eine ordentliche Kündigung des Vermieters ausgeschlossen. Der Kläger ist Alleinerbe seiner am 9. Juli 2007 verstorbenen Tante
  36. geworden.
  37. 3
  38. Der Kläger hat im Verfahren vor dem Amtsgericht zunächst Klage auf
  39. Feststellung erhoben, dass die Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003 unwirksam und der Mietvertrag nicht auf Lebenszeit der Beklagten, sondern auf
  40. unbestimmte Zeit abgeschlossen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem
  41. Amtsgericht hat er unter Zurücknahme der zunächst angekündigten Anträge nur
  42. noch den zunächst als Hilfsantrag angekündigten Feststellungsantrag gestellt,
  43. dass ihm ungeachtet der Vereinbarung vom 14. Oktober 2003 das Sonderkündigungsrecht des § 1056 Abs. 2 BGB zustehe und er dieses Kündigungsrecht
  44. jederzeit ausüben könne. Das Amtsgericht hat die Klage bezüglich der Feststellung einer Befugnis des Klägers zur jederzeitigen Ausübung des Kündigungsrechts abgewiesen und ihr im Übrigen stattgegeben. Das Landgericht hat die
  45. Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
  46. Entscheidungsgründe:
  47. 4
  48. Die Revision hat Erfolg.
  49. I.
  50. 5
  51. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  52. -4-
  53. 6
  54. Der Kläger sei ungeachtet der Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober
  55. 2003 zur Kündigung des Mietvertrags gemäß § 1056 Abs. 2 BGB berechtigt.
  56. Nach dieser Vorschrift stehe dem Eigentümer grundsätzlich ein Recht zur Sonderkündigung zu, wenn ein Grundstück - wie hier - durch den Nießbraucher
  57. über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet worden sei.
  58. 7
  59. Zwar werde in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten,
  60. dass der Eigentümer das Kündigungsrecht des § 1056 Abs. 2 BGB nicht in Anspruch nehmen könne, wenn er Alleinerbe des Vermieters geworden sei. Da
  61. sich in einem solchen Fall die durch die Gesamtrechtsnachfolge auf ihn übergegangenen mietrechtlichen Verpflichtungen mit der durch die Eigentümerstellung bestehenden Möglichkeit, diese zu erfüllen, vereinigt hätten, sei es treuwidrig, wenn sich der Grundstückseigentümer auf seine formale Rechtsposition
  62. berufe und das Mietverhältnis nach § 1056 Abs. 2 BGB kündige.
  63. 8
  64. Im vorliegenden Fall bestehe allerdings keine persönliche Bindung des
  65. Klägers an die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag. Denn es handele sich um
  66. einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter zwischen der Nießbrauchsberechtigten und den Beklagten. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten sei
  67. nämlich beabsichtigt gewesen, die Verfügungsbefugnis des Klägers über die
  68. Wohnung über den Tod der Tante hinaus zu beschränken. Eine derartige Vereinbarung könne nicht dazu führen, dass der Eigentümer auch nach der Beendigung des Nießbrauchs weiter gebunden bleibe, ohne zu einer Kündigung
  69. nach § 1056 Abs. 2 BGB berechtigt zu sein.
  70. -5-
  71. II.
  72. 9
  73. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dem Kläger
  74. steht ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 1056 Abs. 2 BGB nicht zu.
  75. 10
  76. 1. Allerdings ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen,
  77. dass der Kläger nach dem Ende des Nießbrauchs der ursprünglichen Vermieterin in den Mietvertrag mit den Beklagten eingetreten ist.
  78. 11
  79. Nach § 1056 Abs. 1 BGB finden bei der Beendigung des Nießbrauchs
  80. die für den Fall der Veräußerung vermieteten Wohnraums geltenden Vorschriften (§§ 566, 566a, § 566b Abs. 1, §§ 566c - 566e sowie § 567b BGB) entsprechende Anwendung, sofern der Nießbraucher ein Grundstück über die Dauer
  81. des Nießbrauchs hinaus vermietet hat. Eine solche Vermietung über die Dauer
  82. des Nießbrauchs hinaus lag hier schon nach dem ursprünglichen, auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrag vor. Denn das Mietverhältnis war im
  83. Zeitpunkt der Beendigung des Nießbrauchs ungekündigt, so dass die Wohnung
  84. über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet war; auf die Wirksamkeit der
  85. Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003, nach der die Wohnung für die Dauer der Lebenszeit der Beklagten vermietet ist, kommt es somit insoweit nicht an.
  86. 12
  87. 2. Durch § 1056 Abs. 2 BGB wird dem Eigentümer grundsätzlich die
  88. Möglichkeit eingeräumt, das Mietverhältnis außerordentlich unter Einhaltung der
  89. gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen; dies ermöglicht dem Eigentümer eine (vorzeitige) Beendigung des Mietverhältnisses, wenn der Mietvertrag, in den
  90. er gemäß § 1056 Abs. 1 BGB eintritt, auf bestimmte Zeit geschlossen oder die
  91. ordentliche Kündigung erschwert oder ausgeschlossen ist (Staudinger/Frank,
  92. BGB, Neubearb. 2009, § 1056 Rn. 16; Bamberger/Roth/Wegmann, BGB,
  93. 2. Aufl., § 1056 Rn. 9).
  94. -6-
  95. 13
  96. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der auch das
  97. Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht, ist dem Eigentümer jedoch
  98. nach Treu und Glauben eine Kündigung nach § 1056 Abs. 2 BGB verwehrt,
  99. wenn er unabhängig von § 1056 Abs. 1 BGB persönlich an den Mietvertrag gebunden ist, beispielsweise, wenn er ihn vor der Bewilligung des Nießbrauchs
  100. noch als Eigentümer selbst abgeschlossen hatte, wenn er dem Mietvertrag beigetreten oder wenn er Alleinerbe des Vermieters geworden ist (BGH, Urteile
  101. vom 20. Oktober 1989 - V ZR 341/87, BGHZ 109, 111, 117 f., sowie vom
  102. 20. Oktober 2010 - XII ZR 25/09, NJW 2011, 61 Rn. 16 f.). In einem solchen
  103. Fall muss sich der Eigentümer an einer vereinbarten bestimmten Laufzeit des
  104. Mietvertrages oder einer sonstigen Erschwerung der ordentlichen Kündigung
  105. festhalten lassen, denn anderenfalls würde die den Schutz des Mieters bezweckende Vorschrift des § 1056 BGB in ihr Gegenteil verkehrt (BGH, Urteil vom
  106. 20. Oktober 1989 - V ZR 341/87, aaO S. 118).
  107. 14
  108. Das Berufungsgericht meint, dass diese Grundsätze hier nicht anwendbar seien, weil die Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003 einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter darstelle, den sich der Kläger nicht entgegen halten lassen müsse; vielmehr sei dem Kläger ungeachtet seiner Erbenstellung ein
  109. Sonderkündigungsrecht nach § 1056 Abs. 2 BGB zuzubilligen.
  110. 15
  111. Dies ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Ein unzulässiger und deshalb unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter liegt nur dann vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten - ohne seine
  112. Autorisierung - entstehen soll (BGH, Urteil vom 29. Juni 2004 - VI ZR 211/03,
  113. NJW 2004, 3326 unter II 2 mwN). Dies ist hier nicht der Fall, denn die Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003 begründet lediglich vertragliche Pflichten
  114. der an ihr beteiligten ursprünglichen Vermieterin und späteren Erblasserin. Der
  115. Umstand, dass vom Schuldner eingegangene vertragliche Pflichten mit dessen
  116. -7-
  117. Tod auf den Erben (hier den Kläger) übergehen, ändert daran nichts. Denn die
  118. Pflichten des Erben, dem es freisteht, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen oder seine Haftung für die Verbindlichkeiten auf den Nachlass zu beschränken, werden nicht unmittelbar durch den vom Erblasser geschlossenen
  119. Vertrag begründet, sondern treffen ihn erst aufgrund der Rechtsnachfolge.
  120. III.
  121. 16
  122. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist
  123. daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil es weiterer Sachaufklärung bedarf.
  124. 17
  125. Das Rechtsschutzziel des Klägers richtet sich (allgemein) gegen die im
  126. Mietvertrag und in der Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003 enthaltenen
  127. Beschränkungen einer ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses. Dies
  128. ergibt sich aus den in der ersten Instanz angekündigten unterschiedlichen Anträgen sowie dem Schriftsatz vom 20. Februar 2010, in dem der Kläger ausführt, dass die Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003 einer "jederzeitigen
  129. Kündigung" nicht entgegenstehe, weil die gemäß § 550 BGB erforderliche
  130. Schriftform mangels einer festen Verbindung der Zusatzvereinbarung mit dem
  131. Mietvertrag verletzt sei. Träfe dies zu, würde der Mietvertrag gemäß § 550
  132. Satz 1
  133. BGB
  134. als
  135. auf
  136. unbestimmte
  137. Zeit
  138. geschlossen
  139. gelten
  140. und
  141. wäre - unabhängig von einem Sonderkündigungsrecht nach § 1056 Abs. 2
  142. BGB - eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 BGB zulässig, frühestens zum
  143. Ablauf eines Jahres seit der Zusatzvereinbarung (vgl. Senatsurteile vom
  144. 29. Oktober 1986 - VIII ZR 253/85, BGHZ 99, 54, 58 ff. und vom 4. April 2007
  145. - VIII ZR 223/06, NJW 2007, 1742, Rn. 14 ff.). Nach der Rechtsauffassung der
  146. Vorinstanzen, die dem Kläger ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 1056 Abs. 2
  147. BGB zugebilligt haben, kam es hierauf nicht an. Das Berufungsgericht hatte
  148. -8-
  149. deshalb bisher keinen Anlass, Feststellungen zu § 550 BGB zu treffen und insoweit auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Die Sache ist daher
  150. zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
  151. Ball
  152. Dr. Frellesen
  153. Dr. Fetzer
  154. Dr. Milger
  155. Dr. Bünger
  156. Vorinstanzen:
  157. AG München, Entscheidung vom 01.02.2010 - 463 C 19931/09 LG München I, Entscheidung vom 12.01.2011 - 15 S 3210/10 -