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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. V ZB 105/06
  4. vom
  5. 28. September 2006
  6. in dem Kostenfestsetzungsverfahren
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. FGG §§ 13a, 27; ZPO §§ 103, 574
  14. Das statthafte Rechtsmittel gegen Entscheidungen über sofortige Beschwerden in
  15. Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist - soweit nicht gesetzlich etwas
  16. anderes angeordnet worden ist - auch in Kostenfestsetzungsangelegenheiten die
  17. sofortige weitere Beschwerde nach §§ 27 ff. FGG und nicht die Rechtsbeschwerde
  18. nach §§ 574 ff. ZPO (wie Senat, Beschl. v. 30. September 2004, V ZB 16/04, NJW
  19. 2004, 3412; insoweit Aufgabe von Senat, Beschl. v. 9. März 2006, V ZB 164/05, NJW
  20. 2006, 2495).
  21. BGH, Beschl. v. 28. September 2006 - V ZB 105/06 - OLG Karlsruhe
  22. LG Freiburg
  23. AG Lörrach
  24. -2-
  25. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 28. September 2006 durch
  26. den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
  27. Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
  28. beschlossen:
  29. Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 werden der Beschluss
  30. der 4. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg vom 24. April 2006
  31. aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 3. Januar 2006 abgeändert.
  32. Auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts Lörrach vom
  33. 22. September 2005 sind der Beteiligten zu 1 von der Beteiligten
  34. zu 2 an Kosten 1.492,03 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem
  35. 6. Oktober 2005 zu erstatten.
  36. Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen Beschwerde beträgt 702,90 €.
  37. Gründe:
  38. I.
  39. 1
  40. Die Beteiligte zu 1 ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die Beteiligte zu 2 Wohnungs- und Teileigentümerin. Die Beteiligte zu 1 machte gegen
  41. die Beteiligte zu 2 eine Nachzahlung aus der Abrechnung für das Jahr 2004,
  42. rückständige Vorauszahlungen aus dem Wirtschaftsplan für 2005/2006 und die
  43. -3-
  44. nach dem Wirtschaftsplan fällig werdenden Zahlungen geltend. Das Amtsgericht hat gemäß den zuletzt gestellten Anträgen der Beteiligten zu 1 in einem
  45. ohne mündliche Verhandlung ergangenen Beschluss die Beteiligte zu 2 zur
  46. Zahlung verpflichtet und ihr zu 96 % die gerichtlichen und außergerichtlichen
  47. Kosten auferlegt.
  48. 2
  49. In ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die Beteiligte zu 1 neben der Verfahrensgebühr auch eine Terminsgebühr von 631,20 € zzgl. anteiliger Umsatzsteuer in Ansatz gebracht. Das Amtsgericht hat im Kostenfestsetzungsbeschluss diese Gebühr als nicht entstanden erachtet und daher nicht berücksichtigt. Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss erhobene sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
  50. 3
  51. Das Oberlandesgericht ist der Auffassung, dass es gem. § 28 Abs. 1
  52. FGG für die Entscheidung über das von der Beteiligten zu 1 eingelegte
  53. Rechtsmittel zuständig sei. Es sieht sich an einer Sachentscheidung durch die
  54. Entscheidung des Senats vom 9. März 2006 (V ZB 164/04, NJW 2006, 2495 =
  55. Rpfleger 2006, 438) gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
  56. II.
  57. 4
  58. Die Vorlage ist statthaft (§ 43 Abs. 1 WEG, § 13a Abs. 3 FGG, §§ 103 bis
  59. 107 ZPO i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG). Die Voraussetzungen von § 28 Abs. 2 FGG
  60. sind gegeben.
  61. 5
  62. 1. Wohnungseigentumssachen sind Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 43 Abs. 1 WEG). Dies gilt auch für das Nebenverfahren der
  63. Kostenfestsetzung (Staudinger/Wenzel, BGB [2005], § 45 WEG Rdn. 4; KK-
  64. -4-
  65. WEG-Abramenko, § 47 Rdn. 18). An der Zugehörigkeit der Kostenfestsetzung
  66. zur freiwilligen Gerichtsbarkeit ändert sich auch dadurch nichts, dass auf Grund
  67. der in § 13a Abs. 3 FGG angeordneten Verweisung die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenfestsetzung entsprechend anzuwenden sind
  68. (BGHZ 33, 205, 206).
  69. 6
  70. 2. Gegenstand der Vorlage ist eine Rechtsfrage, welche die Auslegung
  71. einer bundesgesetzlichen Bestimmung betrifft. Diese kann sich auch auf Verfahrensvorschriften beziehen, welche die Zuständigkeit des vorlegenden Oberlandesgerichts zu einer Entscheidung über die weitere Beschwerde begründen,
  72. aus der sich erst dessen Kompetenz zu einer Vorlage an den Bundesgerichtshof ergibt (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Februar 1978, IV ZB 76/77, NJW 1978,
  73. 1260; Beschl. v. 29. November 1978, IV ZB 57/78, Rpfleger 1979, 98; Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 28 Rdn. 11; Bassenge/Herbst/Roth, FGG,
  74. 10. Aufl., § 28 Rdn. 3).
  75. 7
  76. 3. Das vorlegende Gericht wiche mit der von ihm vertretenen Auslegung
  77. auch von der Entscheidung des Senats vom 9. März 2006 (V ZB 164/05 - NJW
  78. 2006, 2495 f. = RPfleger 2006, 438 f.) ab.
  79. 8
  80. a) Die Auffassung des vorlegenden Gerichts, dass es ohne eine Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht
  81. entscheiden könne, ist für den Senat bindend (Senat, BGHZ 99, 90, 92; 109,
  82. 396, 398; 116, 392, 394). Voraussetzung ist jedoch, dass die Entscheidung, von
  83. der das vorlegende Gericht abweichen will, dieselbe Rechtsfrage betrifft (Senat,
  84. Beschl. v. 23. Juni 2005, V ZB 61/05, NZM 2005, 627, 628; Beschl. v. 29. September 2005, V ZB 107/05, NJW-RR 2006, 18). Das ist hier der Fall.
  85. 9
  86. b) Die zur Vorlage berechtigende Abweichung ergibt sich aus den unterschiedlichen Auslegungen dieser Vorschriften durch den Senat, die insoweit
  87. -5-
  88. auch den Instanzenzug für Beschwerdeverfahren in Kostenfestsetzungsverfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit betreffen. Der Senat hat
  89. in dem Beschluss vom 30. September 2004 (V ZB 16/04, NJW 2004, 3412,
  90. 3413) ausgeführt, dass der Verweisung in § 13a Abs. 3 FGG auf die §§ 103 bis
  91. 107 ZPO nicht entnommen werden könne, dass die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) eingeführte
  92. Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (§ 574 ZPO, § 133 GVG) auch in
  93. Kostenfestsetzungsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegeben sein solle, es vielmehr auch in diesen Verfahren bei den eigenen und abschließenden
  94. Zuständigkeitsregelungen in § 28 FGG verbleibe. Aus dieser Entscheidung, der
  95. das vorlegende Gericht folgen möchte, ergibt sich die Abweichung von dem
  96. Beschluss des Senats vom 9. März 2006 zur Zuständigkeit für ein nunmehr zulässiges weiteres Rechtmittel gegen Beschwerdeentscheidungen in Kostenfestsetzungssachen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
  97. III.
  98. 10
  99. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.
  100. 11
  101. Das Rechtsmittel ist statthaft. In den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet nach § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG gegen die Entscheidung des
  102. Beschwerdegerichts die weitere Beschwerde statt. Das gilt auch für die Anfechtung von Entscheidungen über Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die in den nach diesem Gesetz zu erledigenden Verfahren ergangen
  103. sind.
  104. 12
  105. 1. Die Änderungen der Vorschriften über das Beschwerdeverfahren in
  106. der Zivilprozessordnung durch das Zivilprozessreformgesetz müssen auch in
  107. den Verfahren nach der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu einer Erweiterung des
  108. Instanzenzuges führen.
  109. -6-
  110. 13
  111. Eine weitere Beschwerde in Kostensachen war zwar bis zum 31. Dezember 2001 nicht statthaft. Mit der Ersetzung der weiteren Beschwerde in der
  112. Zivilprozessordnung durch die Rechtsbeschwerde ist indes auch § 568 Abs. 3
  113. ZPO a.F. weggefallen, welche Norm eine Anfechtung von Entscheidungen der
  114. Landgerichte über Prozesskosten ausschloss. In entsprechender Anwendung
  115. der Vorschrift war danach eine sofortige weitere Beschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen des Landgerichts auch in den Verfahren nach dem Gesetz
  116. über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht zulässig (dazu
  117. BGHZ 33, 205, 207 f.; BayObLGZ 2002, 274, 275). Der in § 568 Abs. 3 ZPO
  118. a.F. zum Ausdruck kommende Grundsatz, den Rechtsmittelzug in Kostensachen zu beschränken und diese von den oberen Gerichten trotz des nicht zu
  119. verkennenden allgemeinen Interesses an einer gleichmäßigen Handhabung des
  120. Kostenrechts möglichst fernzuhalten (dazu: BGHZ 7, 128, 134; 33, 205, 208),
  121. ist damit aufgegeben worden. Die Rechtsbeschwerde nach §§ 574 ff. ZPO ist
  122. auch in den Kostensachen statthaft. Der Gesetzgeber verfolgte damit das Ziel,
  123. dass auch in diesen Sachen der Bundesgerichtshof zur Wahrung der Rechtseinheit zuständig sein soll (BT-Drucks 14/4722, 116).
  124. 14
  125. 2. Die durch die Streichung des § 568 Abs. 3 ZPO a.F. gebotene Erweiterung des Instanzenzuges kann indes nicht so erfolgen, dass in Kostenfestsetzungssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Zulassung durch das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof zulässig ist.
  126. Der Senat kehrt daher zu der in dem Beschluss vom 30. September 2004
  127. (V ZB 16/04, NJW 2004, 3412) vertretenen Auffassung zurück, wonach es auch
  128. für die Rechtsmittel im Kostenfestsetzungsverfahren in den Angelegenheiten
  129. der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den eigenen und abschließenden Zuständigkeitsregelungen in den §§ 27 ff. FGG verbleibt. Die dem Beschluss vom 9. März
  130. 2006 zugrunde liegende Ansicht wird aufgegeben. Eine Bestimmung der Zuständigkeit dahin, dass auch in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts-
  131. -7-
  132. barkeit gegen Entscheidungen über Beschwerden eine von einer Zulassung
  133. abhängige Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof stattfindet, müsste
  134. durch Gesetz erfolgen, wie es in § 64 Abs. 3 Satz 1 FGG allein für die vor das
  135. Familiengericht gehörenden Angelegenheiten bestimmt worden ist. Bis zu einer
  136. Gesetzesänderung, wie sie derzeit im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen
  137. und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgeschlagen ist,
  138. gelten weiterhin auch für Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse
  139. die allgemeinen Regelungen über die Rechtsmittel nach den §§ 21 ff. FGG. Im
  140. Übrigen nimmt der Senat auf seine Entscheidung vom 30. September 2004 Bezug.
  141. III.
  142. 15
  143. Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet.
  144. 16
  145. 1. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht die beantragte Erstattung einer
  146. Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 des VV zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG
  147. verneint. Der Gebührentatbestand wird in den in § 43 Abs. 1 WEG bezeichneten Verfahren auch dann verwirklicht, wenn ausnahmsweise eine Entscheidung
  148. ohne mündliche Verhandlung ergeht. Die Anwendung der Vorschrift ist nach
  149. dem Zweck des Gebührentatbestands auch geboten, mit dem der besondere
  150. Aufwand des Rechtsanwalts für die Vorbereitung einer nach dem Gesetz
  151. grundsätzlich zu verhandelnden Sache abgegolten werden soll, wenn ausnahmsweise ohne eine mündliche Verhandlung entschieden werden kann. Der
  152. Senat verweist im Übrigen auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 9. März
  153. 2006 (V ZB 164/05, NJW 2006, 2495 = RPfleger 2006, 438).
  154. 17
  155. 2. Die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht mithin auf einer Rechtsverletzung und ist deshalb aufzuheben. Der Senat hat in
  156. -8-
  157. der Sache selbst zu entscheiden, da diese zur Endentscheidung reif ist (§ 27
  158. Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. dem entsprechend anzuwendenden § 563 Abs. 3
  159. ZPO; dazu: BayObLGZ 1993, 179, 183).
  160. 3. Die entstandene Terminsgebühr ist daher entsprechend der Kosten-
  161. 18
  162. grundentscheidung zu 96 % von der Beteiligten zu 2 zu erstatten. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts ist dahin abzuändern, dass sich die
  163. Summe der von der Beteiligten zu 2 zu erstattenden Kosten auf 1.492,03 €
  164. zzgl. Zinsen erhöht.
  165. IV.
  166. Die Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde sind bei
  167. 19
  168. einem Erfolg des Rechtsmittels gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 1 KostO). Für
  169. eine Anordnung zu einer Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 13a
  170. Abs. 1 Satz 1 FGG besteht kein Anlass, weil es nicht der Billigkeit entspräche,
  171. abweichend von dem Grundsatz, dass jeder Beteiligte in dem Verfahren der
  172. freiwilligen Gerichtsbarkeit seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat
  173. (Keidel/Zimmermann, FGG, 15. Auflage, § 13a Rdn. 21), hier der Beteiligten zu
  174. 2 die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 aufzuerlegen.
  175. -9-
  176. 20
  177. Die Festsetzung des Geschäftswerts der sofortigen Beschwerde beruht
  178. auf § 131 Abs. 2 i.V.m. § 30 KostO.
  179. Krüger
  180. Klein
  181. Czub
  182. Stresemann
  183. Roth
  184. Vorinstanzen:
  185. AG Lörrach, Entscheidung vom 03.01.2006 - 21 UR II 55/05
  186. LG Freiburg, Entscheidung vom 24.04.2006 - 4 T 76/06 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 20.07.2006 - 14 Wx 19/06 -