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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IX ZR 182/16
  4. vom
  5. 30. Mai 2017
  6. in dem Rechtsstreit
  7. ECLI:DE:BGH:2017:300517BIXZR182.16.0
  8. - 2 -
  9. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
  10. Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Prof. Dr. Pape, die Richterin Möhring und den Richter Meyberg
  11. am 30. Mai 2017
  12. beschlossen:
  13. Der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des
  14. 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Juli
  15. 2016 gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf Kosten der Beklagten zurückzuweisen.
  16. Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats
  17. Stellung zu nehmen.
  18. Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf bis zu 30.000 €
  19. festgesetzt.
  20. Gründe:
  21. I.
  22. 1
  23. Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und 2, Schweizer Rechtsanwälte,
  24. die eine Anwaltskanzlei in der Rechtsform einer Personengesellschaft geführt
  25. haben, aus einem Anwaltsvertrag wegen Anwaltsfehlern und die Beklagte zu 3,
  26. eine am 17. Juni 2011 von den Beklagten zu 1 und 2 gegründete Anwaltsgesellschaft in der Form einer Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht, auf
  27. - 3 -
  28. Schadensersatz in Anspruch, weil die Beklagten zu 1 und 2 alle Passiva und
  29. Aktiva ihrer vormaligen Anwaltsgesellschaft in die neue Gesellschaft eingebracht hätten und diese deswegen nach Schweizer Recht neben den Beklagten
  30. zu 1 und 2 für deren Anwaltsfehler hafte. Die Beklagten betreiben eine Internetseite in deutscher und englischer Sprache, die von Deutschland erreichbar ist.
  31. 2
  32. Der in Deutschland lebende Kläger betrieb bis Ende 2003 in der Rechtsform einer GmbH und betreibt seit 2004 unter der Firma H.
  33. Spedition
  34. e.K. ein Speditionsunternehmen. Er legte aufgrund von Vermögensverwaltungsverträgen vom 26. August 1998 und vom 15. September 2006 Gelder bei
  35. einer Vermögensverwaltungsgesellschaft mit Firmensitz in der Schweiz (künftig:
  36. Unternehmen) an, die ohne Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG ihre Anlageprodukte in Deutschland vertrieb. Deswegen beauftragte er seine Rechtsanwälte,
  37. die neben ihm 60 bis 100 weitere Mandanten gegen dasselbe Unternehmen
  38. vertraten, mit der Rückholung der Gelder aus der Schweiz. Das Schweizer Unternehmen wurde insolvent und es ist seit 2010 ein sogenanntes Nachlassverfahren nach Schweizer Recht anhängig. Deswegen fragten die klägerischen
  39. Anwälte Ende 2010 den Beklagten zu 1, ob er bereit sei, ihre Mandanten im
  40. Nachlassverfahren zu vertreten.
  41. 3
  42. Mit Schreiben vom 3. Januar 2011 überließ der Beklagte zu 1 den klägerischen Anwälten per Email zum Ausdrucken Auftragsformulare, Vollmachten
  43. sowie Formulare für die sogenannten Forderungseingaben im Nachlassverfahren. Das genannte Schreiben war an die geschädigten Kunden des Unternehmens gerichtet; in ihm stellte der Beklagte zu 1 seine Anwaltskanzlei und das
  44. Nachlassverfahren vor und erklärte die Bereitschaft, die Geschädigten im Nachlassverfahren zu vertreten. Die klägerischen Anwälte vervielfältigten die Unterlagen und leiteten sie mit einem Anschreiben an ihre Mandanten weiter, unter
  45. - 4 -
  46. anderem an den Kläger. Dieser gab die Unterlagen unterschrieben unter dem
  47. Datum des 13. Januar 2011 an seine Anwälte zurück, die sie an die Beklagten
  48. zu 1 und 2 weiterleiteten. Danach hatte der Kläger die Beklagten zu 1 und 2 mit
  49. der Forderungseingabe in das Nachlassverfahren und der Vertretung in den
  50. Gläubigerversammlungen beauftragt. Auftragsgemäß meldete der Beklagte
  51. zu 1 die klägerischen Forderungen im Nachlassverfahren an und stimmte in der
  52. Gläubigerversammlung am 7. November 2011 auch namens des Klägers dem
  53. Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung zwischen dem Unternehmen und
  54. seinen Gläubigern vorbehaltlos zu.
  55. 4
  56. Parallel zum Nachlassverfahren verklagte der Kläger die ehemaligen
  57. Verwaltungsräte und Direktoren des Unternehmens auf Schadensersatz. Die
  58. Klage hatte keinen Erfolg, weil die Schadensersatzansprüche des Klägers - so
  59. das Berufungsgericht - nach dem anzuwendenden Schweizer Recht gemäß
  60. Artikel 303 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs
  61. (SchKG) untergegangen seien. Nach dieser Regelung wahrt ein Gläubiger,
  62. welcher dem Nachlassvertrag zugestimmt hat, seine Rechte gegen Mitschuldner, Bürgen und Gewährspflichtige nur, sofern er ihnen mindestens zehn Tage
  63. vor der Gläubigerversammlung deren Ort und Zeit mitgeteilt und ihnen die Abtretung seiner Forderung gegen Zahlung angeboten hat.
  64. 5
  65. Nunmehr verlangt der Kläger wegen des Verlusts dieser Ansprüche von
  66. den Beklagten Schadensersatz in Höhe von 35.656,23 €, teilweise in der Form
  67. der Freistellung und in Höhe von 7.825,18 € im Rahmen einer einseitigen Erledigungserklärung im Laufe des Rechtsstreits. Das Landgericht hat die Klage als
  68. unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht durch Zwischenurteil entschieden, dass die deutschen Gerichte international zuständig seien. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
  69. - 5 -
  70. möchten die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
  71. II.
  72. 6
  73. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist das angerufene Landgericht
  74. München II nach Art. 16 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Fall 2 des LuganoÜbereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007
  75. (künftig: LugÜ 2007 oder Lugano-Übereinkommen) international zuständig. Gegenstand der Klage seien Ansprüche des Klägers aus einem Vertrag, welchen
  76. er als Verbraucher geschlossen habe. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten ihre Tätigkeit auf Deutschland als Wohnsitzstaat des Klägers sowohl durch ihren Internetauftritt als auch durch ihr Schreiben vom 3. Januar 2011 ausgerichtet, als sie
  77. die Mandanten der klägerischen Rechtsanwälte, auch den Kläger, am 3. Januar
  78. 2011 werbend angeschrieben und dem Anschreiben Auftrags- und Vollmachtformulare beigefügt hätten. Auch die Beklagte zu 3 könne im Verbrauchergerichtsstand in Deutschland verklagt werden.
  79. III.
  80. 7
  81. Die statthafte Revision gegen das Zwischenurteil (§ 280 Abs. 2 Satz 1
  82. ZPO) ist zulässig. Doch liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1
  83. ZPO).
  84. - 6 -
  85. 8
  86. 1. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen der Fragen zugelassen,
  87. ob der Vertragsschluss des Verbrauchers für die Annahme des Verbrauchergerichtsstand nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c Fall 2 LugÜ 2007 von der Ausrichtung
  88. der Tätigkeit des Vertragspartners motiviert sein müsse, ob das Tatbestandsmerkmal des Ausrichtens verlange, dass der Vertragspartner des Verbrauchers
  89. allgemein Kunden im Wohnsitzstaat des Verbrauchers anspreche, und ob der
  90. Rechtsnachfolger des Vertragspartners des Verbrauchers im Verbrauchergerichtsstand verklagte werden könne. Diese Fragen sind nicht mehr klärungsbedürftig. Der Bundesgerichtshof hat sie mit Urteil vom 9. Februar 2017 (IX ZR
  91. 67/16, WM 2017, 565) im Sinne der angefochtenen Entscheidung entschieden.
  92. Der spätere Vertragsschluss zwischen Verbraucher und Unternehmer muss
  93. durch die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtete Tätigkeit des
  94. Unternehmers nicht motiviert worden sein (BGH, Urteil vom 9. Februar 2017,
  95. aaO Rn. 36 ff). Für die Annahme des Ausrichtens reicht ein konkretes Vertragsangebot aus, das sich an einen Verbraucher persönlich richtet, selbst nach
  96. einem mehr oder weniger losen geschäftlichen Kontakt. Denn auch und gerade
  97. im Ansprechen bestimmter Einzelpersonen kann der Wille des Unternehmers
  98. Ausdruck finden, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern in anderen Staaten
  99. herzustellen (BGH, aaO Rn. 44). Ein Verbraucher verliert den Verbrauchergerichtsstand nicht dadurch, dass das Vertragsverhältnis auf Seiten seines Vertragspartners nach Vertragsschluss auf einen Dritten übergeht (BGH, aaO
  100. Rn. 51 ff).
  101. 9
  102. 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
  103. 10
  104. a) Die Wertung des Berufungsgerichts, die Beklagten zu 1 und 2 hätten
  105. ihre anwaltliche Tätigkeit auf Deutschland ausgerichtet, hält der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung stand (vgl. BGH, aaO Rn. 28). Dabei kann
  106. - 7 -
  107. der Senat dahinstehen lassen, ob die Beklagten zu 1 und 2 allein durch die
  108. Ausgestaltung der Internetseite ihre anwaltliche Tätigkeit gerade auch auf
  109. Deutschland ausgerichtet haben. Denn jedenfalls die Gesamtschau von Internetseite und den von den Beklagten zu 1 und 2 vorgenommenen Tätigkeiten,
  110. um den Vertragsschluss zu erreichen, ergibt das Ausrichten ihrer Tätigkeit gerade auch auf Deutschland.
  111. 11
  112. aa) Die Internetseite der Beklagten zu 1 und 2 enthält allerdings allenfalls
  113. schwache Anhaltspunkte für ein Ausrichten ihrer Anwaltstätigkeit auf Deutschland. Doch belegt der Internetauftritt, dass die Beklagten zu 1 und 2 ihre Tätigkeit auch auf Mandanten aus dem Ausland ausgerichtet haben, ohne Verbraucher als Mandanten auszuschließen. Dabei hat der Kläger mit der Vorlage eines Ausdrucks der aktuellen Internetseite der Beklagten zu 3 das Erforderliche
  114. getan, um den Inhalt der Internetseite der Beklagten zu 1 und 2 zum Zeitpunkt
  115. des Vertragsschlusses frühestens im Januar 2011 zu beschreiben. Es hätte
  116. nunmehr den Beklagten oblegen, diesen Vortrag gemäß § 138 Abs. 2 ZPO
  117. substantiiert zu bestreiten (BGH, aaO Rn. 30 f).
  118. 12
  119. Auf der in deutscher und englischer Sprache abgefassten Internetseite
  120. warben die Beklagten zu 1 und 2 damit, ihre Rechtsanwälte sprächen neben
  121. Deutsch und Englisch Französisch, Italienisch, Spanisch und Tibetisch, wovon
  122. nur Deutsch, Französisch und Italienisch Landessprachen sind. Weiter haben
  123. die Beklagten zu 1 und 2 darauf hingewiesen, Personen und Unternehmen aus
  124. der Schweiz und aus dem Ausland zu vertreten. Sie boten eine international
  125. ausgerichtete Rechtsberatung an und warben mit internationalen Kompetenzen.
  126. Sie verwendeten einen anderen Domänennamen oberster Stufe als den der
  127. Schweiz; Telefonnummer und Anschrift waren mit Auslandsvorwahl und Länderkennzeichen versehen. Interessenten konnten über die Internetseite, die von
  128. - 8 -
  129. Deutschland aus zu erreichen war, Kontakt zu den Beklagten aufnehmen (vgl.
  130. BGH, aaO Rn. 33). Dass den angebotenen Dienstleistungen in Bezug auf die
  131. forensische Tätigkeit der internationale Charakter fehlte, hindert die nationalen
  132. Gerichte nicht, aufgrund einer Gesamtwürdigung aller festgestellten Indizien
  133. dennoch ein Ausrichten der Tätigkeit auf einen anderen Staat anzunehmen.
  134. Denn keines der vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien ist für
  135. sich alleine für die Annahme des Merkmals des Ausrichtens erforderlich oder
  136. ausschlaggebend. Der Europäische Gerichtshof misst dem Indiz des internationalen Charakters der Tätigkeit zudem nur eine begrenzte Wirkung zu (BGH,
  137. aaO Rn. 34 f).
  138. 13
  139. bb) Das Berufungsgericht durfte in dem Schreiben der Beklagten zu 1
  140. und 2 vom 3. Januar 2011 ein Werbeschreiben sehen, durch das ein Ausrichten
  141. begründet wird (vgl. BGH, aaO Rn. 25). Die Beklagten zu 1 und 2 haben mit
  142. ihrem Schreiben nicht nur einem die Bedingungen eines Anwaltsmandats erfragenden Interessenten geantwortet, sondern ihnen weder namentlich noch in der
  143. Zahl bekannte Mandanten der klägerischen Anwaltskanzlei beworben, um sie
  144. zu einem Vertragsschluss zu veranlassen. Weiter haben sie ihnen entweder ein
  145. ausdrückliches Angebot oder aber eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots gemacht. Dadurch haben sie ihren Willen zum Ausdruck gebracht, in
  146. Deutschland ansässige Mandanten zum Abschluss eines Anwaltsvertrages zu
  147. motivieren (vgl. BGH, aaO Rn. 39 ff). Einen faktisch bereits ausgehandelten
  148. Anwaltsvertrag hat es ausweislich des Anschreibens vom 3. Januar 2011 nicht
  149. gegeben (BGH, aaO Rn. 40). Der Verbrauchergerichtsstand kann auch nicht
  150. deswegen verneint werden, weil der Kläger den Anwaltsvertrag mit den Beklagten zu 1 und 2 letztlich aufgrund einer dahin gehenden Beratung und Empfehlung durch seine deutschen Anwälte geschlossen hat. Gegen das Merkmal des
  151. Ausrichtens spricht jedenfalls nicht die fehlende (oder über den Zurechnungs-
  152. - 9 -
  153. zusammenhang zu modifizierende) Kausalität oder Motivation durch die absatzfördernde Tätigkeit des Unternehmers, weil diese nicht erforderlich ist. Für das
  154. Merkmal des Verbrauchers kommt es darüber hinaus auf eine tatsächlich vorhandene Schutzbedürftigkeit nicht an, solange der Vertragspartner eines gutgläubigen Unternehmers nicht den Eindruck erweckt, er handele zu beruflichen
  155. oder gewerblichen Zwecken (vgl. BGH, aaO Rn. 47). Zudem sind vorliegend
  156. den Beklagten zu 1 und 2 die absatzfördernden Handlungen der klägerischen
  157. Anwälte zuzurechnen. Die im Streitfall festgestellten Umstände sprechen für ein
  158. gemeinsames Vermarktungskonzept von klägerischen Anwälten und Beklagten.
  159. Deswegen ist die Empfehlung durch die klägerischen Anwälte, die Beklagten
  160. zu 1 und 2 zu beauftragen, diesen als Unternehmer zuzurechnen, weil sie mit
  161. deren Wissen und Wollen als Teil des Konzeptes erfolgt ist (vgl. BGH, aaO
  162. Rn. 48 ff).
  163. 14
  164. b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht weiter festgestellt, dass
  165. der Kläger Verbraucher im Sinne von Art. 15 LugÜ 2007 ist.
  166. 15
  167. aa) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind Verbraucher natürliche Personen, die zu einem privaten Zweck einen Vertrag
  168. schließen, der nicht einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet
  169. werden kann. Der Begriff des Verbrauchers ist eng auszulegen und nach der
  170. Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrages in Verbindung mit
  171. dessen Natur und Zielsetzung und nicht nach der subjektiven Stellung dieser
  172. Person zu bestimmen, so dass ein und dieselbe Person im Rahmen bestimmter
  173. Geschäfte als Verbraucher und im Rahmen anderer als Unternehmer angesehen werden kann. Es fallen nur Verträge unter diese Sonderregelung, die eine
  174. Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder
  175. Zielsetzung und unabhängig von einer solchen schließt. Die Beweislast für die
  176. - 10 -
  177. Verbrauchereigenschaft trägt derjenige, der sich darauf beruft (BGH, aaO
  178. Rn. 13).
  179. 16
  180. bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger
  181. den Anwaltsvertrag allein zu nichtberuflichen und nichtgewerblichen Zwecken
  182. mit den Beklagten zu 1 und 2 geschlossen hat, weil er die dem Anwaltsvertrag
  183. zugrundeliegenden Kapitalanlageverträge zu einem allein nichtberuflichen und
  184. nichtgewerblichen Zweck geschlossen hat. Es hat sich nach Anhörung des Klägers davon überzeugt, dass dieser die Kapitalanlageverträge mit dem Unternehmen geschlossen hat, um sein privates Vermögen zu verwalten, nicht aber
  185. um Betriebsvermögen seiner GmbH oder seines Einzelhandelsunternehmens
  186. anzulegen. Unstreitig sei der Kläger gegenüber dem Schweizer Unternehmen
  187. unter seinem eigenen Namen und nicht namens der Gesellschaft oder seines
  188. Einzelhandelsunternehmens aufgetreten. Auch spreche die Natur der vermittelten Anlagen gegen die Annahme, das Geld sei zu betrieblichen Zwecken angelegt worden. Bei diesen handele es sich nämlich um aus dem Bereich der privaten Vermögensanlagen bekannte Anlageformen. Mit dem Kläger sei eine Vermögensanalyse durchgeführt worden, deren Fragen sich mit der privaten Lebens-, Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers befasst hätten. Für
  189. eine Vermögensanlage für betriebliche Zwecke könne der Senat keine Anhaltspunkte erkennen. Das gelte auch, wenn die Behauptung der Beklagten zutreffe,
  190. der Kläger habe die Mittel für die Geldanlagen in der Schweiz aus den (unversteuerten) Betriebseinnahmen seiner Gesellschaft oder seines Einzelhandelsunternehmens gezahlt.
  191. 17
  192. Gegen diese tatrichterliche Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nichts
  193. zu erinnern. Die grundsätzlich dem Tatrichter obliegende Beweiswürdigung
  194. kann vom Revisionsgericht lediglich daraufhin überprüft werden, ob sich der
  195. - 11 -
  196. Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den
  197. Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BGH, aaO Rn. 15). Solche Fehler weist die Revision nicht nach.
  198. Sie rügt insoweit lediglich, das Berufungsgericht habe gehörswidrig den Vortrag
  199. der Beklagten übergangen, der Kläger sei deswegen als Unternehmer anzusehen, weil er die Betriebseinnahmen seiner Gesellschaft und seines Einzelhandelsunternehmens bei dem Schweizer Unternehmen angelegt habe, die er als
  200. Bargeld am deutschen Fiskus vorbei in die Schweiz geschafft habe. Das angelegte Geld entstamme deswegen nicht seinem Privatvermögen und sei auch
  201. nicht aus dem Betriebsvermögen in sein Privatvermögen überführt worden. Der
  202. Kläger hätte substantiiert vortragen und nachweisen müssen, dass er die angelegten Gelder in sein Privatvermögen überführt und dann aus seinem Privatvermögen in die Schweiz transferiert habe. Deswegen entbehre die Auffassung
  203. des Berufungsgerichts, der Kläger habe als Verbraucher gehandelt, jeder tragfähigen Grundlage.
  204. 18
  205. Der behauptete Gehörsverstoß liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat
  206. den Vortrag der Beklagten berücksichtigt, es kam auf diesen Vortrag nach der
  207. Rechtsansicht des Berufungsgerichts jedoch nicht an. Diese Ansicht des Berufungsgerichts ist auch richtig, weil der Vortrag unerheblich ist. Auch wenn der
  208. Kläger das Geld für die Kapitalanlagen aus den (unversteuerten) Betriebseinnahmen seiner Gesellschaft und seines Einzelhandelsunternehmens entnommen haben sollte, um dieses selbst am deutschen Fiskus vorbei in eigenem
  209. Namen in der Schweiz anzulegen, verfolgten die ihrem Wortlaut und Inhalt nach
  210. auf eine solche private Vermögensanlage ausgerichteten Anlageverträge keine
  211. beruflichen oder gewerblichen Zwecke. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist
  212. die (möglicherweise strafrechtlich relevante) Herkunft des Geldes für die
  213. - 12 -
  214. Zweckbestimmung unerheblich. Denn anderenfalls würde der Verbrauchergerichtsstand eine internationale Zuständigkeit selten begründen können, weil ein
  215. Verbraucher die Geldmittel für seine privaten Geschäfte regelmäßig mit beruflichen Einnahmen erwirtschaftet (BGH, aaO Rn. 17).
  216. 19
  217. Auch soweit die Beklagten unter Hinweis auf § 286 ZPO rügen, dass das
  218. Berufungsgericht nicht ohne Nachweis den Angaben des informatorisch angehörten und wenig glaubwürdigen Klägers habe glauben dürfen, das Geld privat
  219. angelegt zu haben, greift die Rüge nicht durch. Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO
  220. erfolgt die Beweiswürdigung auf der Grundlage des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer durchgeführten Beweisaufnahme. Den
  221. Inhalt der Verhandlungen bilden das gesamte Vorbringen der Parteien in der
  222. mündlichen Verhandlung, der Inhalt der von ihnen eingereichten und in Bezug
  223. genommenen Schriftsätze und sonstigen Unterlagen und ihr sonstiges Prozessverhalten. Diese Vorgaben hat das Berufungsgericht eingehalten, indem es
  224. die klägerischen Angaben gewürdigt und mit den vorgelegten Urkunden abgewogen hat. Im Übrigen setzt die Revision lediglich ihre eigene Beweiswürdigung
  225. an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts (vgl. BGH, aaO Rn. 16).
  226. 20
  227. Die Geschäfte des Klägers im Zusammenhang mit der Verwaltung eigenen Privatvermögens lassen ihn nicht zum Unternehmer werden. Insbesondere
  228. steht das Vorliegen eines Gewinninteresses der Einordnung seiner Person als
  229. Verbraucher nicht entgegen. Ob etwas anderes gilt, wenn die Anlage einer Privatperson einen solchen Umfang annimmt, dass sie eine kaufmännische Organisation erforderlich macht, kann dahin stehen, weil dies auf den Kläger nicht
  230. zutrifft (vgl. BGH, aaO Rn. 18).
  231. - 13 -
  232. 21
  233. c) Der
  234. Verbrauchergerichtsstand
  235. nach
  236. Art. 15
  237. Abs. 1
  238. Buchst. c
  239. LugÜ 2007 ist auch im Verhältnis zu der Beklagten zu 3 gegeben, wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat. Allerdings wurde die Beklagte zu 3
  240. erst nach Abschluss des Anwaltsvertrages gegründet, sie wurde daher nicht
  241. originär Vertragspartnerin des Klägers im Sinne der genannten Regelung. Doch
  242. hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte zu 3 habe bei der Gründung das Geschäft der nicht im Handelsregister eingetragenen einfachen Gesellschaft T.
  243. , Rechtsanwälte, übernommen, und zwar mit allen Aktiven und
  244. Passiven. Nach dem Vortrag des Klägers hat dies nach Schweizer Recht zur
  245. Folge, dass die Beklagte zu 3 dem Kläger neben den Beklagten zu 1 und 2 als
  246. Gesamtschuldnerin hafte. Dann aber bleibt es bei dem Verbrauchergerichtsstand auch gegenüber der Beklagten zu 3. Für die Annahme der internationalen
  247. Zuständigkeit am Wohnsitz des Verbrauchers ist es unerheblich, ob dieser den
  248. Vertragspartner oder einen Rechtsnachfolger des Vertragspartners des Verbrauchervertrages nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c/Art. 17 Abs. 1 Buchst. c
  249. EuGVVO aF/nF, Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ 2007 verklagt. In beiden Fällen
  250. ist der Verbrauchergerichtsstand gegeben (BGH, aaO Rn. 52 f).
  251. 22
  252. Im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit nach dem LuganoÜbereinkommen ist es nicht erforderlich, zu strittigen Tatsachen, die sowohl für
  253. die Frage der Zuständigkeit als auch für das Bestehen des geltend gemachten
  254. Anspruchs von Relevanz sind, ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen. Das angerufene Gericht prüft im Stadium der Prüfung der internationalen
  255. Zuständigkeit weder die Zulässigkeit noch die Begründetheit der Klage nach
  256. den Vorschriften des nationalen Rechts, sondern ermittelt nur die Anknüpfungspunkte mit dem Staat des Gerichtsstands, die seine Zuständigkeit nach
  257. dieser Bestimmung rechtfertigen. Daher darf das nationale Gericht, soweit es
  258. - 14 -
  259. nur um die Prüfung seiner Zuständigkeit nach der genannten Bestimmung geht,
  260. die einschlägigen Behauptungen des Klägers zu den die internationale Zuständigkeit begründenden Merkmalen als erwiesen ansehen (BGH, aaO Rn. 54).
  261. 23
  262. 3. Hat mithin die Revision keine Aussicht auf Erfolg, steht die grundsätzliche Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen erst nach Einlegung der
  263. vom Berufungsgericht zugelassenen Revision einer Revisionszurückweisung
  264. durch Beschluss nach § 552a ZPO nicht entgegen (BGH, Beschluss vom
  265. 15. Februar 2017 - IV ZR 373/13, nv Rn. 13; Zöller/Heßler ZPO, 31. Aufl.,
  266. § 552a Rn. 3).
  267. Kayser
  268. Lohmann
  269. Möhring
  270. Pape
  271. Meyberg
  272. Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt
  273. worden.
  274. Vorinstanzen:
  275. LG München II, Entscheidung vom 15.01.2016 - 13 O 4779/14 Rae OLG München, Entscheidung vom 20.07.2016 - 15 U 845/16 Rae -