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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IV ZR 12/16
  4. vom
  5. 11. Juli 2016
  6. in dem Rechtsstreit
  7. ECLI:DE:BGH:2016:110716BIVZR12.16.0
  8. -2-
  9. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
  10. Richterin
  11. Mayen,
  12. die
  13. Richterin
  14. Harsdorf-Gebhardt,
  15. die
  16. Richter
  17. Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
  18. am 11. Juli 2016
  19. beschlossen:
  20. Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen
  21. das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
  22. Köln vom 22. Dezember 2015 gemäß § 552a Satz 1 ZPO
  23. zurückzuweisen.
  24. Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
  25. eines Monats
  26. Stellung zu nehmen.
  27. Gründe:
  28. 1
  29. I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer)
  30. - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Policenmodell des
  31. -3-
  32. § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG
  33. a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom 28. Februar 2014 erklärte d. VN den Wide rspruch gemäß § 5a VVG a.F. und mit Schreiben vom 14. März 2014
  34. hilfsweise die Kündigung. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und
  35. zahlte den Rückkaufswert aus. D. VN erhielt mit dem Versicherungsschein
  36. die
  37. Versicherungsbedingungen,
  38. eine
  39. Verbraucherinformation
  40. nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1
  41. VVG a.F.
  42. 2
  43. Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rüc kkaufswerts.
  44. 3
  45. Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam
  46. zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
  47. 4
  48. II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter
  49. Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2
  50. Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wir ksam zustande gekommen. Ob § 5a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1
  51. VVG a.F. gegen europäisches Recht verstoße, bedürfe keiner Entsche i-
  52. -4-
  53. dung. Die Ausübung des Widerspruchsrechts sei hier treuwidrig, weil
  54. d. VN die bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss h abe verstreichen lassen und mehr als sieben Jahre die Prämien gezahlt
  55. habe.
  56. 5
  57. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
  58. d. VN das Klagebegehren weiter.
  59. 6
  60. III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne
  61. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch
  62. keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
  63. 7
  64. 1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es - bei
  65. identischer Widerspruchsbelehrung und gleichem Text im Versich erungsschein - von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (12 U 41/15), das die Belehrung für unzureichend gehalten hat, a bweiche. Diese Frage ist jedoch geklärt, weil der Senat mit Beschluss vom
  66. 30. Juni 2015 (IV ZR 16/14, juris) die Rechtsauffassung des Berufung sgerichts bereits gebilligt hat.
  67. 8
  68. Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung hat das
  69. Berufungsgericht, anders als die Revision meint, entschieden, dass die
  70. Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Pol icenbegleitschreibens d. VN noch ausreichend deutlich mache, welche
  71. Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt.
  72. Der Senat hat mit genanntem Beschluss die tatrichterliche Beurteilung
  73. desselben Berufungssenats für revisionsrechtlich unbedenklich erklärt,
  74. wonach eine wortgleiche Widerspruchsbelehrung der Beklagten den g e-
  75. -5-
  76. setzlichen Anforderungen auch im Hinblick auf die Nennung der fristau slösenden Unterlagen im Policenbegleitschreiben genügt und die Revision
  77. durch Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückgewiesen (Senatsb eschlüsse vom 30. Juni 2015 und 16. September 2015 - IV ZR 16/14, juris). Entgegen der Ansicht der Revision gibt die abweichende Beurtei lung
  78. durch das Oberlandesgericht Karlsruhe zu einer wortgleichen Wide rspruchsbelehrung (Urteil vom 11. August 2015 - 12 U 41/15 nicht veröffentlicht) keinen Anlass zu einer Änderung der Senatsrechtsprechung.
  79. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgef ührt hat, wird trotz Verwendung des Begriffs "Beilagen" im Versicherungsschein hinreichend
  80. klar, dass es sich auch bei den unter diesem Begriff angeführten Ve rbraucherinformationen um Unterlagen im Sinne der Widerspruchsbele hrung handelt. Bedenkenfrei war das Berufungsgericht schließlich auch
  81. der Ansicht, die Belehrung in dem Policenbegleitschreiben sei in druc ktechnisch deutlicher Form erfolgt.
  82. 9
  83. 2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung auch stand.
  84. 10
  85. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG
  86. a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom
  87. 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR
  88. 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sche idet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit
  89. den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungse rheblich ankommt. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat,
  90. ist es d. VN auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidri gkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher
  91. -6-
  92. Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus B ereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben
  93. Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.).
  94. D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich
  95. eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Ve rtragsschluss im Jahre 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über
  96. Jahre bis 2014 die Versicherungsprämien, bis er den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. und hilfsweise die Kündigung erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss 2004 über die
  97. Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten
  98. VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den B estand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung
  99. war für d. VN auch erkennbar.
  100. 11
  101. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträc htigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die pra ktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck
  102. -7-
  103. des Widerspruchsrechts nicht (vgl. ergänzend Senatsurteil vom 10. Juni
  104. 2015 - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 13 f.).
  105. Mayen
  106. Harsdorf-Gebhardt
  107. Lehmann
  108. Dr. Karczewski
  109. Dr. Brockmöller
  110. Vorinstanzen:
  111. LG Köln, Entscheidung vom 19.08.2015 - 26 O 59/15 OLG Köln, Entscheidung vom 22.12.2015 - 20 U 146/15 -