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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. IV ZR 519/15
  4. vom
  5. 12. Juli 2016
  6. in dem Rechtsstreit
  7. ECLI:DE:BGH:2016:120716BIVZR519.15.0
  8. -2-
  9. Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
  10. Richterin
  11. Mayen,
  12. die
  13. Richterin
  14. Harsdorf-Gebhardt,
  15. die
  16. Richter
  17. Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
  18. am 12. Juli 2016
  19. beschlossen:
  20. Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen
  21. das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
  22. Köln vom 20. November 2015 gemäß § 552a Satz 1 ZPO
  23. zurückzuweisen.
  24. Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
  25. eines Monats
  26. Stellung zu nehmen.
  27. Gründe:
  28. 1
  29. I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rüc kzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. November 2007 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgen-
  30. -3-
  31. den § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom Juli 2014 erklärte er unter anderem
  32. den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung des
  33. Versicherungsvertrages. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und
  34. zahlte den Rückkaufswert aus. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das
  35. Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
  36. 2
  37. Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für die Revisionsinstanz von
  38. Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge
  39. nebst Zinsen abzüglich des gezahlten Rückkaufswerts.
  40. 3
  41. Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam
  42. zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
  43. 4
  44. II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter
  45. Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2
  46. Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wir ksam zustande gekommen. Ob § 5a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1
  47. VVG a.F. gegen europäisches Recht verstoße, bedürfe keiner Entsche idung. Die Ausübung des Widerspruchsrechts widerspreche hier jede n-
  48. -4-
  49. falls Treu und Glauben, weil d. VN die ihm bekannt gemachte Wide rspruchsfrist beim Vertragsschluss ungenutzt habe verstreichen lassen
  50. und jahrelang die Prämien gezahlt habe.
  51. 5
  52. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
  53. d. VN das Klagebegehren weiter.
  54. 6
  55. III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne
  56. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch
  57. keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
  58. 7
  59. 1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es - bei
  60. identischer Widerspruchsbelehrung und gleichem Text im Versicherungsschein - von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (12 U 41/15), das die Belehrung für unzureichend gehalten hat, abweiche. Diese Frage ist jedoch geklärt, weil der Senat mit Beschluss vom
  61. 30. Juni 2015 (IV ZR 16/14, juris) die Rechtsauffassung des Berufung sgerichts bereits gebilligt hat.
  62. 8
  63. Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung hat das
  64. Berufungsgericht, anders als die Revision meint, entschieden, dass die
  65. Widerspruchsbelehrung unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens d. VN noch ausreichend deutlich mache, welche
  66. Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt.
  67. Der Senat hat mit genanntem Beschluss die tatrichterliche Beurteilung
  68. desselben Berufungssenats für revisionsrechtlich unbedenklich erklärt,
  69. wonach eine wortgleiche Widerspruchsbelehrung der Beklagten den g esetzlichen Anforderungen auch im Hinblick auf die Nennung der fristaus-
  70. -5-
  71. lösenden Unterlagen im Policenbegleitschreiben genügt, und die Revision durch Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückgewiesen (Senat sbeschlüsse vom 30. Juni 2015 und 16. September 2015 - IV ZR 16/14,
  72. juris). Entgegen der Ansicht der Revision gibt die abweichende Beurteilung durch das Oberlandesgericht Karlsruhe zu einer wortgleichen W iderspruchsbelehrung (Urteil vom 11. August 2015 - 12 U 41/15) keinen
  73. Anlass zu einer Änderung der Senatsrechtsprechung. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, wird trotz Verwendung des
  74. Begriffs "Beilagen" im Versicherungsschein hinreichend klar, dass es
  75. sich auch bei den unter diesem Begriff angeführten Verbraucherinformationen um Unterlagen im Sinne der Widerspruchsbelehrung handelt. Bedenkenfrei war das Berufungsgericht schließlich - entgegen der Auffassung der Revision - auch der Ansicht, die Belehrung in dem Policenbegleitschreiben sei in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt.
  76. 9
  77. 2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung auch stand.
  78. 10
  79. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Vers icherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG
  80. a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom
  81. 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR
  82. 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sche idet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit
  83. den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungse rheblich ankommt. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat,
  84. ist es d. VN auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidri gkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher
  85. Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Ve r-
  86. -6-
  87. trages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus B ereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben
  88. Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.).
  89. D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich
  90. eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2007 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die
  91. Versicherungsprämien, bis er im Jahr 2014 den Widerspruch gemäß § 5a
  92. VVG a.F. erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei
  93. Vertragsschluss 2007 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande
  94. kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese ve rtrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
  95. 11
  96. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträc htigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalle s die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck
  97. -7-
  98. des Widerspruchsrechts nicht (vgl. ergänzend Senatsurteil vom 10. Juni
  99. 2015 - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 13 f.).
  100. Mayen
  101. Harsdorf-Gebhardt
  102. Lehmann
  103. Dr. Karczewski
  104. Dr. Brockmöller
  105. Vorinstanzen:
  106. LG Köln, Entscheidung vom 24.08.2015 - 26 O 40/15 OLG Köln, Entscheidung vom 20.11.2015 - 20 U 149/15 -