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  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. III ZR 21/04
  4. vom
  5. 9. Juni 2005
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. GKG § 17 Abs. 3 F.: 15. Dezember 1975 (§ 42 Abs. 3 GKG F.: 5. Mai
  14. 2004); ZPO § 3; GG Art. 3 Abs. 1
  15. Bei Streitigkeiten über den Bestand eines privatrechtlichen dauernden
  16. Dienstverhältnisses vor den ordentlichen Gerichten (hier: Hauptgeschäftsführer einer Handwerkskammer) bestimmt sich der Gebührenstreitwert
  17. grundsätzlich in Anlehnung an § 17 Abs. 3 GKG a.F. (§ 42 Abs. 3 n.F.).
  18. § 13 Abs. 4 GKG a.F. und § 12 Abs. 7 ArbGG a.F. (§ 52 Abs. 4 GKG n.F.
  19. und § 42 Abs. 4 GKG n.F.) sind nicht entsprechend anwendbar (Bestätigung von BGH, Beschluß vom 13. Februar 1986 - IX ZR 114/85 - NJW-RR
  20. 1986, 676). Das verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des
  21. Art. 3 Abs. 1 GG.
  22. BGH, Beschluß vom 9. Juni 2005 - III ZR 21/04 - OLG Karlsruhe
  23. LG Freiburg
  24. - 2 -
  25. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Kapsa, Dörr, Galke und Dr. Herrmann
  26. beschlossen:
  27. Die Gegenvorstellung des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung im Senatsbeschluß vom 30. September 2004 wird zurückgewiesen.
  28. Gründe:
  29. I.
  30. Der Kläger war auf der Grundlage eines privatrechtlichen Dienstvertrags
  31. mit einem Jahresgehalt von 190.000 DM Hauptgeschäftsführer der erstbeklagten Handwerkskammer. Am 12. Februar 2001 wurde ihm fristlos gekündigt. Anschließend schlossen die Parteien unter Vereinbarung einer Abfindung in Höhe
  32. von 250.000 DM einen Aufhebungsvertrag, den der Kläger später wegen widerrechtlicher Drohung anfocht. Mit der Klage hat er in erster Linie die Feststellung begehrt, daß der Aufhebungsvertrag unwirksam und das Dienstverhältnis
  33. durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zu 1 nicht aufgelöst worden sei, sondern zu unveränderten Vertragsbedingungen fortbestehe, und hat
  34. seine Weiterbeschäftigung als Hauptgeschäftsführer verlangt, hilfsweise
  35. - soweit von Interesse -, die Erstbeklagte zu verurteilen, eine rückständige Umlage für die Altersversorgung des Klägers in Höhe von 2.132,39 € abzuführen.
  36. - 3 -
  37. Landgericht und Oberlandesgericht haben diese Anträge abgewiesen.
  38. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat der
  39. Senat durch Beschluß vom 30. September 2004 zurückgewiesen. Den Gegenstandswert der Beschwerde hat er zugleich auf 235.281,48 € festgesetzt. Dabei
  40. ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht von dem dreifachen
  41. Jahresbetrag der Vergütung des Klägers unter Abzug von 20 % wegen der
  42. Feststellungsklage ausgegangen (190.000 DM x 3 = 570.000 DM x 80 %
  43. = 456.000 DM = 233.149,09 €) und hat die mit dem Hilfsantrag zu 1 zusätzlich
  44. geforderte Zahlung von 2.132,39 € streitwerterhöhend berücksichtigt.
  45. Gegen diese Festsetzung wendet sich der Kläger mit einer am 30. März
  46. 2005 eingegangen Gegenvorstellung. Er vertritt die Ansicht, das nach § 3 ZPO
  47. bei der Ermittlung des Streitwerts auszuübende Ermessen habe sich in solchen
  48. Fällen an der für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten geltenden Bestimmung des
  49. § 42 Abs. 4 GKG n.F. auszurichten, mindestens aber an den Regelungen in
  50. § 52 Abs. 5 GKG n.F. für öffentlich-rechtliche Dienst- und Amtsverhältnisse. In
  51. der ersten Alternative wäre der Streitwert vorliegend auf 24.286,36 € festzusetzen, in der zweiten auf 83.060,40 €. Die hiervon abweichende Rechtsprechung
  52. des Bundesgerichtshofs führe zu einem erheblichen Mißverhältnis bei den verschiedenen Arbeitnehmergruppen und sei mit dem Gleichheitsgrundsatz des
  53. Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
  54. II.
  55. Die Gegenvorstellung ist zulässig, aber nicht begründet.
  56. - 4 -
  57. 1.
  58. Auf das Streitverhältnis ist gemäß § 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des
  59. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) das
  60. Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember
  61. 1975 (BGBl. I S. 3047; im folgenden: GKG) weiterhin anzuwenden. Die danach
  62. auch bei der Gegenvorstellung gegen eine sonst nicht mehr anfechtbare
  63. Streitwertfestsetzung zu wahrende Frist von sechs Monaten seit Rechtskraft
  64. der Hauptsacheentscheidung gemäß § 25 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 GKG
  65. (vgl. BGH, Beschluß vom 12. Februar 1986 - IVa ZR 138/83, NJW-RR 1986,
  66. 737) ist gewahrt.
  67. 2.
  68. Die Wertfestsetzung im Beschluß des Senats vom 30. September 2004
  69. entspricht den gesetzlichen Vorschriften.
  70. a) Weder das Gerichtskostengesetz noch die Zivilprozeßordnung enthalten über die Ermittlung des Gegenstandswerts in Rechtsstreitigkeiten über
  71. das Bestehen oder Nichtbestehen oder die Beendigung eines Dienstverhältnisses des bürgerlichen Rechts besondere Bestimmungen. § 13 Abs. 4 GKG (jetzt
  72. § 52 Abs. 4 GKG n.F.), der für Statusstreitigkeiten als Streitwert den 13-fachen
  73. Betrag des Endgrundgehalts zuzüglich ruhegehaltsfähiger Zulagen bzw. die
  74. Hälfte dieses Betrags oder des für die Dauer eines Jahres vereinbarten Gehalts vorsieht, gilt nur für öffentlich-rechtliche Dienst- oder Amtsverhältnisse.
  75. Auch die ähnliche Streitwertbestimmung in dem früheren, durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz aufgehobenen § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG (heute
  76. § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG n.F.), wonach in Streitigkeiten dieser Art für die Wertberechnung höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend ist, beschränkt sich nach Wortlaut und
  77. Gesetzessystematik auf Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsverhältnisse im Sinne
  78. - 5 -
  79. des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen. Auf Verfahren vor den ordentlichen Gerichten über andere Dienstverhältnisse läßt sich
  80. diese Sonderregelung nicht übertragen (BGH, Beschluß vom 13. Februar 1986
  81. - IX ZR 114/85, NJW-RR 1986, 676).
  82. b) In Ermangelung spezieller Normen ist der Gebührenstreitwert im Zivilprozeß gemäß § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen
  83. festzusetzen. Maßgebend ist das vom Gericht zu schätzende Interesse des
  84. Klägers an der begehrten Feststellung. Als Anhaltspunkt hierfür kann die in
  85. § 17 Abs. 3 GKG (jetzt § 42 Abs. 3 GKG n.F.) getroffene, der Regelung des § 9
  86. ZPO vorgehende Bestimmung über die Wertberechnung bei Klagen von
  87. Arbeitnehmern
  88. auf
  89. wiederkehrende
  90. Leistungen
  91. mit
  92. dem
  93. dreifachen
  94. Jahresbetrag dieser Leistungen dienen. Denn mit der Klage auf Fortbestehen
  95. des Dienstverhältnisses wird der Kläger in der Regel vorrangig seinen
  96. Anspruch auf die vereinbarte Vergütung wahren wollen. Sein Interesse
  97. entspricht daher in etwa dem Wert einer alternativ möglichen Klage auf
  98. Feststellung, daß der Dienstberechtigte zur Fortzahlung der Vergütung über
  99. den Kündigungszeitpunkt hinaus verpflichtet sei (BGH, Beschluß vom
  100. 13. Februar 1986 aaO). Das entspricht der ganz überwiegenden Meinung und
  101. gilt auch für Organmitglieder von Handelsgesellschaften oder juristischen
  102. Personen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 17 Abs. 3 GKG auf die Mitglieder von
  103. Vertretungsorganen: BGH, Beschluß vom 24. November 1980 - II ZR 183/80,
  104. NJW 1981, 2465 f; zur Wertberechnung bei Bestandsstreitigkeiten: OLG
  105. Bamberg JurBüro 1988, 227; OLG Celle OLG-Rep. 1994, 298; OLG Frankfurt
  106. am Main OLG-Rep. 1995, 238; KG NJW-RR 1997, 543, 544; OLG München
  107. OLG-Rep. 1998, 162; OLG Naumburg OLG-Rep. 1995, 214, 215; LG Hamburg
  108. NZS 2002, 336; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 42 Rn. 43, 44;
  109. Schneider/Herget, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozeß, 11. Aufl., Rn. 256,
  110. - 6 -
  111. vilprozeß, 11. Aufl., Rn. 256, 3527; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 9
  112. Rn. 32 f; siehe auch Germelmann in Germelmann/Matthes/Glöge/Prütting,
  113. ArbGG, 5. Aufl., § 12 Rn. 91; Vollstädt in Schwab/Weth, ArbGG, 2004, § 12
  114. Rn. 165; abweichend, jedenfalls bei der Verweisung eines Rechtsstreits vom
  115. Arbeitsgericht an das ordentliche Gericht: Mümmler, JurBüro 1979, 167, 173;
  116. Meyer, GKG, 6. Aufl., § 42 Rn. 28). Eine Ausnahme wird im wesentlichen nur
  117. dann zugelassen, wenn der andere Vertragsteil vor Ablauf von drei Jahren zu
  118. einer ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses befugt gewesen wäre
  119. (vgl. OLG Köln NJW-RR 1995, 318; OLG München NJW-RR 1988, 190). Demgegenüber können die erwähnten Vorschriften des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG
  120. und des § 13 Abs. 4 GKG, die für Bestandsstreitigkeiten - im Gegensatz zu
  121. Klagen auf wiederkehrende Leistungen (§ 17 Abs. 3 GKG und § 12 Abs. 7
  122. Satz 2 ArbGG, jetzt § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG n.F.) - den Streitwert in der Regel
  123. weit unterhalb des tatsächlichen Interesses des Klägers am Fortbestand des
  124. Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ansetzen, bei einer Schätzung des Gegenstandswerts nach § 3 ZPO auch nicht in ihren Rechtsgedanken herangezogen
  125. werden. Es handelt sich bei diesen Bestimmungen um eng begrenzte Ausnahmen zum Schutz der zumeist sozial schwächeren Arbeitnehmer im engeren,
  126. arbeitsrechtlichen Sinn oder öffentlich-rechtlichen Bediensteten in ähnlicher
  127. Stellung. Diese Zielsetzung entfällt bei einem freien Dienstverhältnis jedenfalls
  128. dann, wenn es - wie hier - um Beschäftigte juristischer Personen in einer Gehaltsklasse weit jenseits des durchschnittlichen Verdienstes von Arbeitnehmern
  129. oder Beamten geht, bei denen von einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit keine Rede sein kann.
  130. c) Auf dieser Grundlage ist der vom Senat festgesetzte Streitwert, wie
  131. auch der Kläger nicht in Abrede stellt, richtig errechnet. Eine Herabsetzung
  132. - 7 -
  133. wegen eines vorzeitigen ordentlichen Kündigungsrechts des Dienstherrn
  134. kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Beklagte zu 1 nach § 4 Abs. 3 des
  135. von den Parteien geschlossenen Dienstvertrags lediglich zu einer Kündigung
  136. aus wichtigem Grund berechtigt war.
  137. 3.
  138. Die - wie dem Kläger zuzugeben ist - sehr unterschiedliche Bemessung
  139. des Streitwerts in Streitigkeiten über den Bestand eines Dienstverhältnisses, je
  140. nachdem, ob es sich um Arbeitnehmer oder öffentlich-rechtliche Bedienstete
  141. einerseits oder um durch freie Dienstverträge Beschäftigte andererseits handelt
  142. (höchstens der Verdienst eines Vierteljahres bzw. die 13-fachen Monatsbezüge
  143. oder die Hälfte des jährlichen Gehalts auf der einen Seite im Gegensatz zu
  144. dem dreifachen Jahresbetrag der Einkünfte auf der anderen Seite) mag rechtspolitisch nicht zweifelsfrei sein. Sie verstößt aber nicht gegen den allgemeinen
  145. Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
  146. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dabei ist allerdings davon auszugehen, daß die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG stets auf einem Vergleich von
  147. Lebensverhältnissen beruht, die nie in allen, sondern nur in einzelnen Elementen übereinstimmen. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche
  148. Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Der Gleichheitssatz
  149. ist erst verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt (BVerfGE 71, 255, 271; 103, 242, 258; ähnlich BVerfGE 107, 257, 270). Eine gewisse
  150. Typisierung und Generalisierung ist hierbei unvermeidbar (vgl. BVerfGE 99,
  151. - 8 -
  152. 280, 290; 103, 310, 319; 103, 392, 397). Sozialpolitische Entscheidungen des
  153. Gesetzgebers sind ferner grundsätzlich hinzunehmen (BVerfGE 14, 288, 301;
  154. 89, 365, 376). Allein daraus, daß einer Gruppe aus besonderem Anlaß besondere Vergünstigungen zugestanden werden, kann niemand für sich ein verfassungsrechtliches Gebot herleiten, dieselben Vorteile für sich in Anspruch nehmen zu dürfen (BVerfGE 49, 192, 208; 67, 231, 238).
  155. Daran gemessen ist die in den kostenrechtlichen Bestimmungen vorgenommene Differenzierung im wesentlichen zwischen den abhängig Beschäftigten und den sonstigen in einem dauernden Dienstverhältnis stehenden Dienstverpflichteten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet, wie ausgeführt, ihre Rechtfertigung in der typischerweise gegebenen besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer oder der vergleichbar eingestuften
  156. öffentlich-rechtlichen Bediensteten, die ebenso regelmäßig bei freien Dienstverhältnissen wegen der im allgemeinen dort wesentlich höheren Bezüge und
  157. der in diesen Fällen außerdem vorauszusetzenden Geschäftsgewandtheit der
  158. Dienstverpflichteten weitgehend entfällt. Eine gleichartige Privilegierung dieses
  159. Personenkreises ist daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten.
  160. Härten und Ungleichgewichte, die etwa - worauf der Kläger verweist - wegen
  161. der nicht immer trennscharf möglichen Zuordnung des Dienstvertrags zu einem
  162. - 9 -
  163. Arbeitsverhältnis oder freien Dienstverhältnis entstehen können, müssen bei
  164. einer solchen, notwendigerweise typisierenden Regelung hingenommen werden.
  165. Schlick
  166. Kapsa
  167. Galke
  168. Dörr
  169. Herrmann