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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. I ZR 17/09
  4. vom
  5. 22. April 2010
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. April 2010 durch den
  9. Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
  10. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch
  11. beschlossen:
  12. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil
  13. des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat,
  14. vom 10. Dezember 2008 gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben
  15. und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
  16. über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  17. Gründe:
  18. 1
  19. Die Beklagte macht zu Recht eine entscheidungserhebliche Verletzung
  20. ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend.
  21. 2
  22. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Rahmen einer Werbeaktion mit dem Werbeslogan "Simply the Best!" unter dem Gesichtspunkt einer
  23. unzulässigen Alleinstellungswerbung irreführend geworben hat.
  24. 3
  25. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
  26. -3-
  27. 4
  28. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision
  29. nicht zugelassen (OLG Hamburg OLG-Rep 2009, 781).
  30. 5
  31. Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich mit Recht dagegen, dass
  32. das Berufungsgericht den in der Berufungsverhandlung am 29. November 2008
  33. vorgelegten Testbericht der Stiftung Warentest unter Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör
  34. als gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet und deshalb nicht mehr berücksichtigungsfähig angesehen hat. Die Vorlage des Testberichts war schon deshalb nicht im Sinne der genannten Vorschrift verspätet, weil dieser Bericht erst
  35. im Juni 2008 veröffentlicht worden war und bereits aus diesem Grund in dem
  36. Mitte 2007 abgeschlossenen Verfahren erster Instanz nicht hätte geltend gemacht werden können. Ob das Berufungsgericht die Vorlage des Testberichts
  37. aus einem anderen Grund als verspätet hätte zurückweisen können, kann
  38. schon deshalb dahinstehen, weil eine mit dem vom Gericht dafür angegebenen
  39. Grund nicht zu rechtfertigende Zurückweisung nicht mit anderer Begründung
  40. aufrechterhalten werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2005 - XII ZR 23/03, NJWRR 2005, 1007, 1008; BGHZ 166, 227 Tz. 19).
  41. 6
  42. Das Berufungsgericht hat die Nichtberücksichtigung des vorgelegten
  43. Testberichts allerdings auch damit zu begründen versucht, dass dieser Bericht
  44. einen substantiierten Vortrag nicht zu ersetzen vermöge. Dem steht jedoch entgegen, dass der Testbericht den Rasierer der Beklagten mit einer Gesamtbewertung von 1,4 (sehr gut) ohne weiteres erkennbar und deutlich als Testsieger
  45. vor dem Rasierer der Klägerin ausweist, der - insbesondere wegen seines erheblich schlechteren Abschneidens bei der Handhabung - insgesamt nur mit
  46. 1,8 (gut) bewertet wurde.
  47. -4-
  48. 7
  49. Die Nichtberücksichtigung des durch den Test, den die Stiftung Warentest durchgeführt und im Juni 2008 veröffentlicht hat, zu diesem Zeitpunkt für
  50. die Beklagte in Form des Testberichts neu entstandenen Beweismittels lässt
  51. sich ferner nicht mit der vom Berufungsgericht des Weiteren angestellten Erwägung rechtfertigen, die Beklagte habe bereits zum Zeitpunkt der Werbeaktion im
  52. Jahr 2006 Anhaltspunkte dafür haben müssen, auf welche tatsächliche Grundlage sie ihre Alleinstellungsbehauptung habe stützen können, und hätte entsprechende Umstände deshalb auch rechtzeitig in den Rechtsstreit einführen
  53. müssen. Die Bestimmung des § 531 ZPO regelt allein die Zurückweisung von
  54. Angriffs- und Verteidigungsmitteln, die bereits während des Rechtsstreits erster
  55. Instanz bestanden haben und entweder in diesem ausgeschlossen worden sind
  56. (Abs. 1) oder aber infolge eines Fehlers des Gerichts oder unter Verletzung der
  57. der Partei obliegenden Prozessförderungspflicht nicht berücksichtigt oder vorgebracht worden sind (Abs. 2; vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 30. Aufl.,
  58. § 531 Rdn. 1). Im Hinblick auf die erhebliche Beschwer für die säumige Partei
  59. verbietet sich auch eine ausdehnende Auslegung dieser Bestimmung (vgl.
  60. BGHZ 166, 227 Tz. 17). Dementsprechend können nach dem Schluss der
  61. -5-
  62. mündlichen Verhandlung erster Instanz neu entstandenen Angriffs- und Verteidigungsmittel ohne die sich aus § 531 Abs. 2 ZPO ergebenden Beschränkungen jederzeit in das Berufungsverfahren eingeführt werden (vgl. BGH, Urt. v.
  63. 6.10.2005 - VII ZR 229/03, NJW-RR 2005, 1687 f.; BGHZ 182, 158 Tz. 91;
  64. Zöller/Heßler aaO § 531 Rdn. 29 m.w.N.).
  65. Bornkamm
  66. Pokrant
  67. Schaffert
  68. Büscher
  69. Koch
  70. Vorinstanzen:
  71. LG Hamburg, Entscheidung vom 14.06.2007 - 315 O 1/07 OLG Hamburg, Entscheidung vom 10.12.2008 - 5 U 129/07 -