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1 year ago
  1. Berichtigt durch Beschluss
  2. vom 16. September 2014
  3. Führinger
  4. Justizangestellte
  5. als Urkundsbeamtin
  6. der Geschäftsstelle
  7. BUNDESGERICHTSHOF
  8. BESCHLUSS
  9. I ZB 60/13
  10. vom
  11. 13. März 2014
  12. in der Rechtsbeschwerdesache
  13. Nachschlagewerk:
  14. ja
  15. BGHZ:
  16. nein
  17. BGHR:
  18. ja
  19. BGB § 259 Abs. 2
  20. Bei der Prüfung, ob es dem zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung
  21. verurteilten Beklagten nicht zugemutet werden kann, die eidesstattliche Versicherung ohne anwaltlichen Rat und Beistand abzugeben, ist dem Verpflichteten
  22. ein großzügiger Beurteilungsspielraum zuzubilligen.
  23. BGH, Beschluss vom 13. März 2014 - I ZB 60/13 - OLG Stuttgart
  24. LG Stuttgart
  25. -2-
  26. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2014 durch die
  27. Richter Prof. Dr. Büscher, Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und die
  28. Richterin Dr. Schwonke
  29. beschlossen:
  30. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des
  31. 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10. Juli 2013
  32. aufgehoben.
  33. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
  34. Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde beträgt 2.500 €.
  35. Gründe:
  36. 1
  37. I. Die Klägerin ist ein Softwareunternehmen. Sie arbeitete mit der Beklagten von 2004 bis Mai 2009 bei der Vermarktung ihrer Produkte zusammen. Die
  38. Klägerin macht im vorliegenden Rechtsstreit im Wege der Stufenklage Ansprüche auf Zahlung von Lizenzgebühren geltend. Das Landgericht hat die Beklagte
  39. in der ersten Stufe zur Erteilung von Auskünften verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen,
  40. weil der Wert der Beschwer der Beklagten für die Auskunftsstufe lediglich bis zu
  41. 300 € betrage.
  42. -3-
  43. 2
  44. Nach der Auskunftserteilung hat das Landgericht die Beklagte auf Antrag
  45. der Klägerin verurteilt, durch ihr Organ die Richtigkeit der erteilten Auskünfte an
  46. Eides Statt zu versichern. Den Streitwert für diesen Teil des Rechtsstreits hat
  47. das Landgericht auf 2.500 € festgesetzt. Die gegen ihre Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gerichtete Berufung der Beklagten hat das
  48. Berufungsgericht mangels Erreichens des erforderlichen Wertes der Beschwer
  49. als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.
  50. 3
  51. II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522
  52. Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575
  53. ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg.
  54. 4
  55. 1. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil
  56. der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht übersteige (§ 511 Abs. 2
  57. Nr. 1 ZPO). Dazu hat es ausgeführt:
  58. 5
  59. Der Wert der Beschwer der Beklagten bemesse sich nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten, der für sie mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verbunden sei. Dieser übersteige nicht den Betrag von
  60. 600 €. Das gelte selbst dann, wenn man berücksichtige, dass die Verurteilung
  61. zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über den Umfang der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach dem ersten Teilurteil des Landgerichts hinausgehe. Der Wert der Beschwer übersteige auch nicht deshalb den Betrag von
  62. 600 €, weil eine Beratung der Geschäftsführer der Beklagten durch einen
  63. Rechtsanwalt erforderlich sei. Der Urteilsausspruch sei hinreichend bestimmt.
  64. Die erteilten Auskünfte, deren Richtigkeit die Beklagte versichern solle, seien im
  65. Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführt. Die Formel für die
  66. eidesstattliche Versicherung sei im Urteilstenor ebenfalls schon festgelegt, so
  67. -4-
  68. dass es keiner Beratung durch einen Rechtsanwalt über die Fassung der eidesstattlichen Versicherung bedürfe. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stelle keine berufstypische Leistung der Geschäftsführer der Beklagten
  69. dar. Bei der Bemessung des Wertes des erforderlichen Zeitaufwands sei daher
  70. nicht der Verdienst eines Geschäftsführers der Beklagten, sondern der Stundensatz zugrunde zu legen, den der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalte. Selbst wenn insoweit 12 € je Stunde in Ansatz gebracht würden, übersteige der erforderliche Aufwand für die Abgabe der eidesstattlichen
  71. Versicherung nicht den Betrag von 600 €.
  72. 6
  73. 2. Die Begründung des Berufungsgerichts erfordert eine Entscheidung
  74. des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen ist.
  75. 7
  76. a) Das Berufungsgericht ist im Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Wert des Beschwerdegegenstands im Fall der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach dem Aufwand an Zeit und Kosten bemisst, den die
  77. Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfordert sowie nach einem - hier
  78. nicht geltend gemachten - Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten (st. Rspr.;
  79. vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - XII ZB 25/05, FamRZ 2006,
  80. 33 Rn. 4; Urteil vom 27. Februar 2013 - IV ZR 42/11, NJW-RR 2013, 1033
  81. Rn. 14 mwN).
  82. 8
  83. Der zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Verurteilte ist nicht nur
  84. berechtigt, sondern verpflichtet, die erteilte Auskunft auf Vollständigkeit und
  85. Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen und zu berichtigen.
  86. -5-
  87. Dabei kann ihm die Einschaltung eines Rechtsanwalts dann nicht verwehrt
  88. werden, wenn etwa der Urteilsausspruch nicht hinreichend bestimmt ist, so
  89. dass Zweifel über seinen Inhalt und Umfang im Vollstreckungsverfahren zu klären sind, oder wenn die sorgfältige Erfüllung des titulierten Anspruchs Rechtskenntnisse voraussetzt (BGH, NJW-RR 2013, 1033 Rn. 15 mwN). Bei der Beurteilung, ob es dem zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verurteilten
  90. Beklagten nicht zugemutet werden kann, die eidesstattliche Versicherung ohne
  91. anwaltlichen Rat und Beistand abzugeben, ist dem Verpflichteten ein großzügiger Beurteilungsspielraum zuzubilligen.
  92. 9
  93. b) Eine hinreichende Bestimmtheit des Urteilsausspruchs über die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde allerdings gegeben.
  94. 10
  95. aa) Ein Vollstreckungstitel ist hinreichend bestimmt und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt
  96. und Umfang seiner Leistungspflicht bezeichnet. Das Vollstreckungsorgan muss
  97. in der Lage sein, allein mit dem Titel ohne Verwertung der Gerichtsakten oder
  98. anderer Urkunden die Vollstreckung durchzuführen. Auch wenn ein Titel grundsätzlich auslegungsfähig ist, genügt es nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder wenn die geschuldete
  99. Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann (BGH,
  100. NJW-RR 2013, 1033 Rn. 17).
  101. 11
  102. bb) Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, durch ihr Organ eidesstattlich zu versichern, dass sich die Umsatzzahlen für 2008 aus Seite 44 der
  103. Anlage BK 1 im Rechtsstreit Landgericht Stuttgart 24 O 467/09/Oberlandesgericht Stuttgart 5 U 56/11, die Umsatzzahlen für den Zeitraum vom 1. Januar
  104. bis 31. Mai 2009 aus Seiten 44 und 46 dieser Anlage, die Umsatzzahlen vom
  105. -6-
  106. 1. Januar bis 31. Mai 2009 für bestimmte andere Geräte aus den Seiten 37
  107. (Zeilen 55 und 77) und 48 (Zeilen 54 und 72) dieser Anlage sowie die Stückzahlen für 2008 aus Seite 44 dieser Anlage ergeben. Des Weiteren ist die Beklagte
  108. verurteilt worden, durch ihr Organ eidesstattlich zu versichern, dass die Stückzahlen für 2008 und vom 1. Januar bis 31. Mai 2009 für bestimmte Geräte sich
  109. aus Seite 18 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 10. Juni 2011 im
  110. Rechtsstreit Oberlandesgericht Stuttgart - 5 U 56/11 - sowie die Stückzahlen für
  111. den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Juni 2009 aus Seite 44 der Anlage BK 1
  112. ergeben.
  113. 12
  114. Die Anlage BK 1 und Seite 18 der Berufungsbegründung der Beklagten
  115. vom 10. Juni 2011 sind zwar nicht unmittelbar mit dem Tenor des landgerichtlichen Urteils verbunden worden. Das Landgericht hat die von ihm in Bezug genommenen Seiten aus der Anlage BK 1 und auch den maßgeblichen Inhalt der
  116. Seite 18 der Berufungsbegründung der Beklagten aber in den Tatbestand seines Urteils aufgenommen. Damit kann dem Urteil selbst entnommen werden,
  117. um welche Auskünfte es geht, deren Richtigkeit die Beklagte eidesstattlich versichern soll. Die Gerichtsakte oder andere Schriftstücke sind zur Konkretisierung der Verpflichtung der Beklagten nicht erforderlich.
  118. 13
  119. c) Die Rechtsbeschwerde rügt aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Notwendigkeit einer rechtlichen Beratung der Beklagten durch einen
  120. Rechtsanwalt deshalb hätte bejahen müssen, weil ihre Verurteilung zur Abgabe
  121. der eidesstattlichen Versicherung über die Verpflichtung zur Auskunftserteilung
  122. im ersten Teilurteil des Landgerichts vom 11. März 2011 in zeitlicher Hinsicht
  123. deutlich hinausgeht.
  124. 14
  125. Das Landgericht hat die Beklagte im ersten Teilurteil verurteilt, hinsichtlich
  126. der
  127. J.
  128. und
  129. sämtlicher
  130. Folgeversionen
  131. für
  132. -7-
  133. das Jahr 2008 und die Zeit vom 1. Januar bis 25. Mai 2009 Auskunft über bestimmte Tatsachen zu erteilen. Die eidesstattliche Versicherung muss die Beklagte durch ihr Organ zusätzlich für Vertriebsergebnisse im vierten Quartal
  134. 2006, im Jahr 2007 und in der Zeit bis zum 30. Juni 2009 abgeben. Die zeitlichen Unterschiede zwischen der Auskunftserteilung und der Verpflichtung zur
  135. Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat das Berufungsgericht zwar erkannt. Es hat diesem Umstand jedoch zu Unrecht keine Bedeutung bei der Beurteilung der Frage beigemessen, ob es der Beklagten zumutbar ist, die geschuldete eidesstattliche Versicherung ohne vorherigen anwaltlichen Rat uneingeschränkt abzugeben.
  136. 15
  137. Die eidesstattliche Versicherung knüpft ihrer Natur nach an eine vorangegangene Auskunftsverpflichtung an. Geht die Verurteilung zur Abgabe der
  138. eidesstattlichen Versicherung über die Verpflichtung zur Auskunftserteilung hinaus, hat der Schuldner grundsätzlich ein berechtigtes Interesse, die weitergehende Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf ihre Zulässigkeit von einem Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Dies entspricht der
  139. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. auch BGH, NJW-RR 2013, 1033
  140. Rn. 15). Die Erfüllung des titulierten Anspruchs durch die Beklagte setzt
  141. Rechtskenntnisse voraus. Damit hätte sich das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung auseinandersetzen müssen. Es kann nicht ausgeschlossen werden,
  142. dass das Berufungsgericht zur Annahme eines über 600 € liegenden Wertes
  143. des Beschwerdegegenstands gelangt wäre, wenn es die Hinzuziehung eines
  144. Rechtsanwalts durch die Beklagte für geboten erachtet hätte. Dies wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu beachten haben.
  145. -8-
  146. 16
  147. III. Danach ist der angefochtene Beschluss auf die Rechtsbeschwerde
  148. der Beklagten aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das
  149. Berufungsgericht zurückzuverweisen.
  150. Büscher
  151. Pokrant
  152. Kirchhoff
  153. Schaffert
  154. Schwonke
  155. Vorinstanzen:
  156. LG Stuttgart, Entscheidung vom 07.11.2012 - 24 O 467/09 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 10.07.2013 - 5 U 186/12 -
  157. BUNDESGERICHTSHOF
  158. BESCHLUSS
  159. I ZB 60/13
  160. vom
  161. 16. September 2014
  162. in der Rechtsbeschwerdesache
  163. - 10 -
  164. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2014
  165. durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Pokrant,
  166. Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und die Richterin Dr. Schwonke
  167. beschlossen:
  168. Der Beschluss vom 13. März 2014 wird nach Anhörung beider
  169. Parteien wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO
  170. wie folgt berichtigt:
  171. In Rn. 11 vorletzte Zeile muss es 31. Mai 2009 anstatt 31. Juni
  172. 2009 heißen.
  173. Büscher
  174. Pokrant
  175. Kirchhoff
  176. Schaffert
  177. Schwonke