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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. 2 StR 375/14
  4. vom
  5. 10. Dezember 2014
  6. in der Strafsache
  7. gegen
  8. wegen besonders schweren Raubs
  9. -2-
  10. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Dezember 2014
  11. gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
  12. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 9. Mai 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
  13. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  14. über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
  15. des Landgerichts zurückverwiesen.
  16. Gründe:
  17. 1
  18. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren
  19. Raubs unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Schöffengerichts Aachen vom 16. Oktober 2013 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs
  20. Jahren verurteilt und eine Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aufrecht erhalten. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und
  21. die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat
  22. Erfolg.
  23. -3-
  24. I.
  25. 2
  26. Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte am
  27. 16. Dezember
  28. Es.
  29. 2012
  30. die
  31. Bedienung
  32. des
  33. Imbiss
  34. „E.
  35. . Er bestellte ein Schnitzel, folgte der Zeugin D.
  36. in
  37. , als diese das
  38. Schnitzel aus dem Kühlschrank holen wollte, und hielt ihr plötzlich ein Messer,
  39. das er aus der Wohnung seines Freundes F.
  40. mitgenommen hatte, an den
  41. Hals mit der Aufforderung „Kohle raus“. Die Zeugin D.
  42. antwortete „Nö“ und
  43. schlug mit der Küchenzange auf den Angeklagten ein. Es folgte eine Rangelei,
  44. bei der die Zeugin D.
  45. zu Boden fiel. Der Angeklagte nahm drei 50 Euro-
  46. Scheine aus der Kasse und floh. Er ließ das Messer am Tatort zurück.
  47. 3
  48. An dem Messer fanden sich „Spuren eines Hauptspurenlegers A und
  49. Beimengungen an der Klinge sowie Spuren von mindestens zwei Hauptspurenlegern am Griff, von denen der Spurenleger A als Mitverursacher in Betracht
  50. kam und die im Übrigen für einen Direktabgleich mit tatverdächtigen Personen
  51. geeignet waren“. Als Spurenleger A wurde der Zeuge F.
  52. erkannt, der als
  53. Täter des Raubüberfalls ausschied, weil er am Tag zuvor wegen eines anderen
  54. Delikts festgenommen worden war. Der Hauptspurenanteil B wurde bei der
  55. DNA-Analyse mit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeit von mehr als eins zu
  56. zehn Milliarden dem Angeklagten zugeordnet. Die Zeugin D.
  57. hatte den An-
  58. geklagten jedoch im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung nicht
  59. als Täter wiedererkannt, sondern bei der Wahllichtbildvorlage sogar mit einer
  60. „90%igen Sicherheit“ eine andere Person als Täter bezeichnet. Die Möglichkeit,
  61. dass eine andere Person, die keine nachweisbare DNA-Spur an dem Messer
  62. hinterlassen hatte, der Täter war, hat das Landgericht gleichwohl ausgeschlossen. „Ausschlaggebend war insofern, dass der Versuch des Angeklagten, mit
  63. seiner Einlassung die Herkunft der ihm zuzuordnenden Spur anderweitig zu
  64. -4-
  65. erklären, nach Überzeugung der Kammer gelogen war“. Der Angeklagte hatte
  66. behauptet, das Messer sei in der Wohnung des Zeugen F.
  67. zum Zerkleinern
  68. von Drogenportionen benutzt worden, wenn er, der Zeuge F.
  69. und weitere
  70. Bekannte aus der Drogenszene dort Drogen konsumiert hätten. Das Messer
  71. habe deshalb häufig auf dem Tisch gelegen; er habe es zwar angefasst, aber
  72. nicht an sich genommen. Diese Einlassung zur Verwendung des Messers hat
  73. das Landgericht als widerlegt angesehen, weil weder der Zeuge F.
  74. Zeugen G.
  75. und P.
  76. noch die
  77. bestätigt haben, dass das Messer zum Zerkleinern
  78. von Drogenportionen verwendet wurde. Es hat ausgeführt, dass der Angeklagte
  79. versucht habe, durch die widerlegte Einlassung ein Indiz für seine Täterschaft
  80. zu relativieren, „verstärke die Gewissheit von seiner Täterschaft“.
  81. II.
  82. 4
  83. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es
  84. auf die Verfahrensrügen nicht ankommt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerhaft.
  85. 5
  86. Angesichts der Tatsache, dass die Geschädigte D.
  87. den Angeklagten
  88. nicht als Täter wiedererkannt und im Vorverfahren sogar eine andere Person
  89. als Täter bezeichnet hat, ist entscheidend, ob ausgeschlossen werden kann,
  90. dass ein anderer Verursacher einer DNA-Spur am Tatmesser oder eine Tatbegehung ohne Spurenverursachung in Frage kommt. Dies wird von den Urteilsgründen nicht belegt. Diese lassen zudem nicht erkennen, dass außer dem
  91. Wohnungsinhaber F.
  92. und dem Angeklagten, der auch einen Wohnungs-
  93. schlüssel besaß, kein Dritter vor der Tat einen Zugriff auf das Messer hatte. Die
  94. Aussagen der von der Strafkammer vernommenen Zeugen F.
  95. P.
  96. , G.
  97. und
  98. besagen, dass diese eine Benutzung des Messers zum Zerkleinern
  99. -5-
  100. von Drogenportionen nicht gesehen haben. Die Zeugen G.
  101. und P.
  102. waren zudem nur Personen, „die den häufigsten Umgang mit dem Zeugen F.
  103. hatten“, aber nicht die einzigen, die in der Wohnung des Zeugen F.
  104. verkehr-
  105. ten. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass auch anderen Besuchern ein Zugriff
  106. auf das Messer möglich war. Ferner ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen,
  107. dass keine DNA-Spuren auf dem Messer zu finden waren, die von einem Dritten stammen konnten. Außerdem hat die Strafkammer nicht geklärt, ob die Tatbegehung durch einen Dritten möglich war, ohne dass dieser eine DNA-Spur
  108. auf dem Messer hinterließ und nicht erwogen, dass eine Spurenverursachung
  109. durch den Angeklagten ohne weiteres dadurch zu erklären ist, dass er zeitweise
  110. bei dem Zeugen F.
  111. gewohnt hatte. Insoweit bestehen Lücken in den Beweis-
  112. gründen, die zur Folge haben, dass die Überzeugung der Strafkammer von der
  113. Tatbegehung durch den Angeklagten nicht tragfähig begründet ist.
  114. 6
  115. Soweit das Urteil die Widerlegung eines Teils der Einlassung des Angeklagten als ausschlaggebendes Indiz hierfür verwendet, ist dies rechtsfehlerhaft. Auch ein Unschuldiger kann sich durch falsche Angaben zu verteidigen
  116. suchen. Die Widerlegung eines Entlastungsvorbringens liefert daher in der
  117. -6-
  118. Regel kein zuverlässiges Indiz für die Täterschaft des Angeklagten (Senat,
  119. Urteil vom 5. Juli 1995 – 2 StR 137/95, BGHSt 41, 153, 156).
  120. Fischer
  121. Appl
  122. Ott
  123. Eschelbach
  124. Zeng