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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
XII ZR 60/99
Verkündet am:
10. Mai 2001
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGB § 151
Zu den Voraussetzungen der stillschweigenden Annahme eines Abfindungsangebots durch Einlösung eines mit diesem übersandten Schecks, dessen Betrag in
krassem Mißverhältnis zur unbestrittenen Forderung steht ("Erlaßfalle"; im Anschluß
an BGHZ 111, 97, 101 ff.).
BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - XII ZR 60/99 - OLG Naumburg
LG Dessau
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Gerber, Sprick, Weber-Monecke und Fuchs
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Naumburg vom 26. Januar 1999 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer
des Landgerichts Dessau vom 28. November 1997 im Ausspruch
über die Zinsen dahin geändert, daß nur 5 % statt 10 % Zinsen zu
zahlen sind.
Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt rückständigen Mietzins für eine Teilfläche ihres
Grundstücks, die sie dem Beklagten mit Vertrag vom 3. Dezember 1991 zu einem an jedem Monatsersten im voraus fälligen Mietzins von 4.600 DM zuzüg-
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lich Mehrwertsteuer vermietet hatte, sowie für eine kleinere Lagerfläche, die
der Beklagte mit Nachtrag vom 5./10. August 1993 für die Zeit vom 1. August
bis 31. Oktober 1993 zu einem in gleicher Weise fälligen Mietzins von
3.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer hinzugemietet hatte.
Da der Beklagte den Mietzins für die kleinere Fläche (3 x 3.450 DM =
10.350 DM) und für die größere Fläche ab Mai 1995 (26 x 5.290 DM =
137.540 DM) nicht zahlte, kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 21. Januar und 4. März 1997 fristlos und klagte - nach vorausgegangenem Mahnverfahren - auf Zahlung von 147.890 DM nebst 10 % Verzugszinsen. Die Klagebegründungsschrift wurde dem Beklagten am 9. Juli 1997 zugestellt.
Mit Schreiben vom 28. August 1997 teilte der Beklagte der Klägerin mit,
daß er den Rückstand von 147.890 DM "trotz aller Bemühungen, ... vertragstreu (zu) sein", nicht werde begleichen können. In dem Schreiben heißt es
ferner:
»Da ich bemüht bin, auch diese Angelegenheit im Rahmen meiner finanziellen Möglichkeiten abzuschließen, überreiche ich Ihnen in der Anlage einen Verrechnungsscheck über 1.000,00 DM
zur endgültigen Erledigung obiger Angelegenheit. Eine Antwort
auf dieses Schreiben erwarte ich nicht, eine Antwort ist auch nicht
notwendig, da ich meine, daß insofern alles besprochen ist.«
Der diesem Schreiben beigefügte Verrechnungsscheck trug den Vermerk "Mein Schreiben vom 28.08.97 wegen Vergl." und wurde von der Klägerin
am 10. September 1997 eingelöst. Die Klägerin verrechnete diese Zahlung in
Höhe von 70 DM auf vorgerichtliche Kosten und im übrigen auf einen näher
bezeichneten Teil der Zinsen auf die Hauptforderung. Daraufhin erklärten beide Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt.
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Das Landgericht gab der nach Teilerledigung noch anhängigen Klage
statt. Auf die Berufung des Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage mit
der Begründung ab, mit der Einlösung des Schecks habe die Klägerin das Angebot des Beklagten zum Abschluß eines Abfindungsvertrages angenommen,
so daß die Klageforderung erloschen sei. Dagegen richtet sich die Revision der
Klägerin.
Entscheidungsgründe:
Aufgrund der Säumnis des Beklagten ist durch Versäumnisurteil zu erkennen, obwohl die Entscheidung inhaltlich auch insoweit, als die Revision
Erfolg hat, nicht auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
Die Revision führt - bis auf einen Teil der zugesprochenen Zinsen - zur
Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist ein Abfindungsvertrag nicht zustande gekommen.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß für die
Annahme eines Angebots auf Abschluß eines Abfindungsvertrages, auf deren
Zugang der Anbietende gemäß § 151 BGB verzichtet hat, ein als Willensbetätigung zu wertendes, nach außen hervortretendes Verhalten des Angebotsempfängers ausreichend ist, sofern sich dessen Annahmewille daraus unzweideutig ergibt (vgl. BGHZ 111, 97, 101; BGH, Urteile vom 18. Dezember
1985 - VIII ZR 297/84 - WM 1986, 322, 324 und vom 6. Februar 1990 - X ZR
39/89 - NJW 1990, 1656, 1657).
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Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht bei der
Würdigung der Einlösung des Schecks als Betätigung eines wirklichen Annahmewillens der Klägerin gegen anerkannte Auslegungsregeln verstoßen und
maßgebliche Umstände des vorliegenden Einzelfalles unzureichend berücksichtigt hat (§ 286 ZPO). Da nach dem Tatsachenvortrag der Parteien für die
Würdigung des Verhaltens der Klägerin erhebliche weitere Feststellungen nicht
zu erwarten sind, kann der erkennende Senat diese selbst vornehmen, und
zwar auch dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen
(vgl. BGHZ 65, 107, 112 m.N.). Nach dem Ergebnis dieser Auslegung erweist
sich die Klage - bis auf die Höhe der geltend gemachten Zinsen - als begründet.
2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Auslegung des Abfindungsangebotes dahin, daß die Klägerin den Scheck nur unter der Voraussetzung der
Annahme dieses Angebots solle einlösen dürfen, den Angriffen der Revision
standhält. Denn auch dann läßt die Einlösung des Schecks zumindest nicht
unzweideutig auf die Betätigung eines "wirklichen Annahmewillens" der Klägerin schließen.
a) Richtig ist zwar, daß die nur für den Fall der Annahme eines Abfindungsangebotes gestattete Einlösung eines mit diesem zugleich übersandten
Schecks für sich allein genommen nur als angebotskonformes Verhalten und
folglich als Betätigung des Annahmewillens des Angebotsempfängers gewertet
werden kann. Richtig ist ferner, daß auch ein Mißverhältnis zwischen der Höhe
der angebotenen Abfindung und der Höhe der Forderung, die durch sie abgegolten werden soll, lediglich ein Indiz gegen eine bewußte Betätigung des Annahmewillens durch die Einreichung des Schecks darstellt, das bei der Bewertung der Umstände durch einen unbeteiligten Dritten regelmäßig hinter dem
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tatsächlichen äußeren Verhalten des Angebotsempfängers zurücktritt, weil von
dessen Redlichkeit auszugehen ist und dies ein ausschlaggebendes Kriterium
für die Beurteilung seines Verhaltens ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember
1985 aaO S. 324).
b) Bei der Würdigung des Verhaltens des Angebotsempfängers aus der
im Falle des § 151 BGB maßgeblichen Sicht eines unbeteiligten Dritten (vgl.
BGH, Urteil vom 6. Februar 1990 aaO) sind indes sämtliche äußeren Indizien
und sonstigen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die auch für die Auslegung
empfangsbedürftiger Willenserklärungen aus der Sicht des Erklärungsgegners
zu berücksichtigen sind. Das hat das Berufungsgericht nicht ausreichend beachtet.
c) Das Angebot des Beklagten entspricht dem Muster, das in Rechtsprechung und Literatur als "Erlaßfalle" bezeichnet wird (vgl. Frings BB 1996,
809 ff. und Lange WM 1999, 1301 ff., jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Insoweit hat bereits die Rechtsprechung der Instanzgerichte bei einem
krassen Mißverhältnis der angebotenen Abfindung zur Höhe der nicht bestrittenen Schuld das Zustandekommen eines Vergleichs oder eines Abfindungsoder Erlaßvertrages in zahlreichen Fällen verneint (vgl. OLG Nürnberg
NJW-RR 1998, 256 f.; LG Bremen NJW-RR 1999, 636 f.; OLG München
OLG-Report 1998, 376 - die Revision gegen diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 19. Januar 1999 - XI ZR 158/98 - nach Verweigerung von Prozeßkostenhilfe mangels Begründung verworfen -; OLG München MDR 1998, 1236 f; OLG Karlsruhe WM 1999, 490 f.; OLG Dresden
WM 1999, 487; OLG Dresden WM 1999, 488 ff.; OLG Karlsruhe ZIP 2000,
534 ff. m. zust. Anm. Lange WuB IV A § 151 BGB 2.00). Nicht auszuschließen
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ist, daß die Klägerin schon angesichts dieser Rechtsprechung davon ausging,
der angebotene Abfindungsvertrag werde auch in ihrem Fall mit der Einreichung des Schecks nicht zustande kommen.
Auf jeden Fall aber spricht hier der Umstand, daß die angebotene Abfindung gerade mal 0,68 % der Hauptforderung (ohne Zinsen) ausmacht, aus der
Sicht eines unbeteiligten Dritten gegen die Annahme, die Klägerin habe mit der
Einlösung des Schecks unzweideutig ihren Willen zum Ausdruck gebracht, das
Abfindungsangebot des Beklagten anzunehmen.
Insoweit ist zu berücksichtigen, daß das im Mißverhältnis zwischen Gesamtforderung und Abfindungsangebot zu sehende Indiz gegen eine bewußte
Betätigung des Annahmewillens (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1985 aaO
S. 324) um so stärkeres Gewicht hat, je krasser dieses Mißverhältnis ist, und
daß in gleichem Maße die Anforderungen an die Redlichkeit, die der Rechtsverkehr vom Angebotsempfänger im Hinblick auf die bestimmungsgemäße
Verwendung des Schecks erwarten darf, bis hin zur Unbeachtlichkeit dieser
Verwendungsbestimmung relativiert werden können, insbesondere vor dem
Hintergrund, daß es zunächst der säumige Schuldner selbst ist, der sich nicht
vertragstreu verhält.
Im vorliegenden Fall war das Angebot des Beklagten aus der Sicht eines
unbeteiligten objektiven Dritten ersichtlich indiskutabel, weil es nicht einmal
ausreichte, die von der Klägerin geltend gemachten Verzugszinsen auf die
Hauptforderung für den Zeitraum eines einzigen Monats zu decken.
Dem Abfindungsangebot waren auch keine Vergleichsverhandlungen
der Parteien vorausgegangen, die die Erwartung hätten nahelegen können, die
Klägerin werde sich zu einer wie auch immer gearteten gütlichen Einigung mit
-8-
dem Beklagten bereitfinden. Vielmehr hatte die Klägerin ein vorgerichtliches
Angebot des Beklagten vom 1. Oktober 1996, ihr erfüllungshalber bereits anhängige Pachtzinsansprüche gegenüber einer dritten Firma in Höhe von
161.000 DM bis zur Höhe des Mietrückstandes abzutreten, mit Schreiben vom
21. Januar 1997 als "realitätsfremd" abgelehnt und angekündigt, den Mietrückstand gerichtlich geltend zu machen. Ein objektiver Dritter hätte eine Annahme
des Abfindungsangebots des Beklagten vor diesem Hintergrund nicht nur als
wirtschaftlich unvernünftig, sondern als schlechterdings nicht nachvollziehbar
ansehen müssen, zumal keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich waren, die einen
derartigen Sinneswandel der Klägerin hätten verständlich erscheinen lassen
können.
Dies gilt um so mehr, als die Klägerin im März 1997 wegen des bis dahin
aufgelaufenen Mietrückstandes von rund 132.000 DM die fristlose Kündigung
des Mietverhältnisses erklärt und das Mahnverfahren gegen den Beklagten
eingeleitet, nach dem Widerspruch des Beklagten die Klage um den bis dahin
aufgelaufenen weiteren Mietrückstand erhöht und für dieses Verfahren im Mai
1997 allein weitere Gerichtskostenvorschüsse von 3.387,50 DM eingezahlt
hatte, die das spätere Abfindungsangebot des Beklagten um ein Mehrfaches
übersteigen.
Ein Sinneswandel der Klägerin dahingehend, eine bis dahin konsequent
verfolgte unstreitige Forderung in der hier vorliegenden Höhe gegen eine Abfindungszahlung von nur 1.000 DM zu erlassen, zumal vor dem Hintergrund,
daß der Beklagte das größere Grundstück ungeachtet der nach § 554 Abs. 1
BGB wirksam erklärten Kündigung des Mietvertrages nicht zurückgab und monatlich weitere 4.600 DM zuzüglich Mehrwertsteuer als Nutzungsentschädigung anfielen, wäre unter diesen Umständen allenfalls dann erklärlich gewe-
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sen, wenn die Klägerin zwischenzeitlich zu der Überzeugung gelangt wäre,
daß ein das Abfindungsangebot übersteigender Betrag bei dem Beklagten auf
Dauer nicht beizutreiben sei. Auch hierfür sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte
ersichtlich. Wie sich aus dem Mahnbescheid ergibt, hatte die Klägerin nämlich
bereits vor Einleitung des Mahnverfahrens eine Kreditauskunft über den Beklagten eingeholt und sich gleichwohl zur gerichtlichen Geltendmachung des
gesamten Mietrückstandes entschlossen. Hinzu kommt, daß der Beklagte am
Tage seines an die Klägerin unmittelbar übersandten Angebots mit der Klageerwiderung seines Prozeßbevollmächtigten den Antrag stellen ließ, im Unterliegensfall die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Form einer
Bankbürgschaft abwenden zu dürfen, was mit seiner im Abfindungsangebot
enthaltenen Beteuerung, im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten mehr als
1.000 DM Abfindung nicht anbieten zu können, schwerlich vereinbar erscheint.
3. Die Einlösung des Schecks kann nach alledem nicht als ein Verhalten
gewertet werden, durch das sich für einen unbeteiligten objektiven Dritten unzweideutig die Betätigung eines Annahmewillens der Klägerin manifestiert hat.
Ein Abfindungsvertrag ist somit nicht zustande gekommen, so daß die Forderung der Klägerin nicht erloschen ist.
4. Die Höhe der Klageforderung steht außer Streit. Auch der jeweilige
Zinsbeginn, den das Landgericht der Zinsstaffel seines Urteilsspruchs zugrundegelegt hat, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere liegt entgegen
der Ansicht des Beklagten kein Verstoß gegen § 193 BGB vor, da diese Vorschrift durch die Vereinbarung in § 3 Abs. 2 des Mietvertrages, demzufolge der
Mietzins jeweils am 1. eines Kalendermonats fällig ist, wirksam abbedungen
wurde und im übrigen die Zinspflicht aus §§ 353 HGB nicht berührt (vgl. Pa-
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landt/
Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 193 Rdn. 5).
Allerdings hat der Beklagte gemäß § 352 Abs. 1 HGB nur 5 % kaufmännische Fälligkeitszinsen zu zahlen, da er die Inanspruchnahme von Bankkredit
im zweiten Rechtszug - zwar verspätet, aber den Rechtsstreit nicht verzögernd - bestritten und die Klägerin für die behauptete Inanspruchnahme von
Bankkredit zu einem höheren Zinssatz keinen Beweis angetreten hat. Dies gilt
jedoch nicht für die Verzugszinsen aus 3.450 DM für den Zeitraum vom
2. August 1983 bis 13. April 1996, hinsichtlich derer die Parteien die Hauptsache angesichts der Verrechnung mit der Scheckzahlung des Beklagten übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Blumenröhr
Gerber
Sprick
Weber-Monecke
Fuchs