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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
XII ZR 115/98
Verkündet am:
18. Oktober 2000
Küpferle,
Justizamtsinspektorin,
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Prof. Dr. Wagenitz
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil 15. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Köln vom 31. März 1998 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von den Beklagten die Räumung und Herausgabe
von Gewerberäumen.
Der Kläger ist seit 1997 Eigentümer eines Grundstücks, auf dem die Beklagten einen Früchte-, Wein- und Gemüseladen betreiben. Die Beklagten
hatten die Räume von der Voreigentümerin gemietet. Die Parteien streiten über
Wirksamkeit und Fortbestand des Mietvertrags.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat
die Berufung des Klägers zurückgewiesen und festgestellt, daß der Wert der
Beschwer für den Kläger 15.000 DM beträgt; von der Darstellung eines Tatbestandes hat das Berufungsgericht abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet sich
die Revision des Klägers, mit der er sein zweitinstanzliches Klagebegehren
weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
I.
Da die Beklagten und Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntmachung des Termins nicht vertreten waren, ist
über die Revision antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden,
§§ 557, 331 ZPO (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff.). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich
nicht auf der Säumnisfolge, sondern auf einer Prüfung der angefochtenen Entscheidung.
II.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat in dem Berufungsurteil von einer Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen, weil es die Sa-
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che als nicht revisibel angesehen hat. Dieser Annahme ist der Boden entzogen, nachdem der erkennende Senat den Wert der Beschwer mit mehr als
60.000 DM festgesetzt hat (§ 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
2. Die Revision beanstandet zu Recht, daß das angefochtene Urteil keinen Tatbestand enthält. Das Fehlen eines Tatbestandes führt grundsätzlich zur
Aufhebung des Urteils, weil einer solchen Entscheidung nicht entnommen werden kann, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (vgl. etwa BGHZ 73, 248, 252; Senatsurteile vom 1. Oktober
1986 - IVb ZR 76/85 - und vom 12. Mai 1993 - XII ZR 174/92 - BGHR ZPO
§ 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender Nr. 2 und 10).
Allerdings hat der Bundesgerichtshof in Einzelfällen von der Aufhebung
eines nicht mit einem Tatbestand versehenen Berufungsurteils dann abgesehen, wenn die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt deshalb nachgeprüft werden konnte, weil sich der Sach- und Streitstand in einem
für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang
aus den Entscheidungsgründen ergab (vgl. etwa BGH Urteile vom 22. September 1992 - VI ZR 4/92 - und vom 26. März 1997 - IV ZR 275/96 - BGHR ZPO
§ 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender Nr. 8 und 13). Ein solcher Ausnahmefall ist
hier jedoch nicht gegeben.
Es fehlt bereits an der Wiedergabe der gestellten Anträge (§ 313 Abs. 2
ZPO); im Berufungsurteil ist nur allgemein von der Abweisung der Räumungsklage die Rede. Im übrigen hat das Berufungsgericht zwar auf die "zutreffende
Begründung", mit der das Landgericht die Räumungsklage abgewiesen hat,
Bezug genommen. Diese Bezugnahme ersetzt aber nicht die notwendige Feststellung der tatsächlichen Grundlagen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat.
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Schon im Ansatz ermöglicht das angefochtene Urteil keinen verläßlichen
Überblick, wann, von wem, mit welchem Inhalt und in welcher Form der Mietvertrag geschlossen oder verlängert worden ist. Ebenso fehlen Feststellungen
zu der - für das Verständnis des Klagebegehrens zentralen - Frage, wann, von
wem und aus welchem Grund der Mietvertrag gekündigt oder angefochten
worden ist.
Auch in Einzelheiten läßt sich aus dem Berufungsurteil kein hinreichend
klares Bild darüber gewinnen, auf welcher tatsächlichen Grundlage das Berufungsgericht zu seinem rechtlichen Ergebnis gelangt ist:
So geht das Berufungsgericht davon aus, daß eine im Mietvertrag enthaltene "Sondervereinbarung" über die Einräumung eines Vorkaufsrechts zwar
der von § 313 Satz 1 BGB vorgeschriebenen Form ermangele; die Formnichtigkeit dieser Abrede greife aber auf den Mietvertrag als solchen nicht über.
Das Oberlandesgericht beruft sich für seine Auffassung auf eine "Gesamtschau
von Ursprungsvertrag und den beiden Ergänzungsvereinbarungen", welche die
für eine Gesamtnichtigkeit sprechende Vermutung des § 139 BGB entkräfte.
Da aus dem Urteil selbst Inhalt und Zusammenspiel dieser Abreden im einzelnen nicht erkennbar werden, kann das Revisionsgericht diese - bei Anwendung
des § 139 BGB durchaus mögliche - Gesamtschau allein aufgrund des Berufungsurteils nicht nachvollziehen.
Entsprechendes gilt für die Überlegungen des Berufungsgerichts, nach
denen "die Ergänzungsvereinbarung vom 31. Januar 1994, durch die die Vertragslaufzeit bis zum 31. Dezember 2005 verlängert worden ist, ... dem
Schriftformerfordernis des § 566 BGB" genügt. Das Berufungsurteil gibt die
Voraussetzungen, die der erkennende Senat für die Anwendung des § 566
Satz 1 BGB auf Nachtragsvereinbarungen formuliert hat, zutreffend wieder.
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Eine erschöpfende Nachprüfung der - vom Berufungsgericht bejahten - Frage,
ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, ist jedoch aufgrund der tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil allein nicht möglich.
So bleibt, worauf die Revision zutreffend hinweist, etwa die Frage offen, inwieweit der in der Nachtragsabrede in Bezug genommene ursprüngliche Mietvertrag die Form des § 566 Satz 1 BGB gewahrt hat; auch wird aus der Entscheidung - für sich genommen - nicht hinreichend erkennbar, in welcher Weise die
Parteien der Ergänzungsvereinbarung die Fortgeltung des bisherigen formgerecht niedergelegten Vertragsinhalts "klargestellt" und - unter Wahrung der
Form des § 566 Satz 1 BGB - offengelegt haben, daß der beklagte Ehemann
diese Vereinbarung zugleich als Vertreter der beklagten Ehefrau unterzeichnet
hat.
3. Unter diesen Umständen kann das angefochtene Urteil nicht bestehen
bleiben. Die Sache muß vielmehr zur neuen Verhandlung und Entscheidung an
das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
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Wegen der Gerichtskosten des Revisionsverfahrens macht der Senat
von § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch (§ 8 Abs. 2 Satz 1 GKG; vgl. Senatsurteile vom 1. Oktober 1986 und vom 12. Mai 1993 aaO).
Blumenröhr
Krohn
Gerber
Hahne
Wagenitz