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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 122/09
vom
13. April 2011
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VAHRG § 3 a
Enthält eine Versorgungsordnung die Regelung, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung wegfällt, wenn der Witwer oder die Witwe wieder heiratet
(sog. Wiederverheiratungsklausel), kann ein geschiedener, wieder verheirateter
Ehegatte von dem Träger der Versorgung auch dann nicht die Zahlung einer
Ausgleichsrente im Wege des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs verlangen, wenn die zweite Ehe nach dem Tod des früheren Ehemannes, aber vor Eintritt in das Rentenbezugsalter geschlossen wird (im Anschluss
an Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2005 - XII ZB 39/01 - FamRZ 2006,
326).
BGH, Beschluss vom 13. April 2011 - XII ZB 122/09 - OLG Stuttgart
AG Böblingen
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2011 durch die
Richter Dose, Weber-Monecke, Schilling, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats
- Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juni
2009 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.000 €
Gründe:
I.
1
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege des verlängerten
schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs auf Zahlung einer Ausgleichsrente in
Anspruch.
2
Sie war mit einem früheren Werksangehörigen der Antragsgegnerin verheiratet. Die Ehe wurde durch Verbundurteil des Familiengerichts vom 24. Januar 1985 geschieden; dabei blieb der Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung des Ehemanns bei der Antragsgegnerin dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
3
Am 5. Mai 1986 verstarb der frühere Ehemann der Antragstellerin; am
4. Dezember 1992 heiratete diese erneut. Nach der Satzung (im Folgenden:
Versorgungsordnung) der Antragsgegnerin steht der Witwe eines Versicherten
-3-
eine Witwenrente zu. Gemäß § 32 lit. b der Versorgungsordnung wird die Witwenrente mit dem Ablauf des Monats der Wiederverheiratung eingestellt, wenn
die Witwe sich wiederverheiratet. Gemäß § 33 der Versorgungsordnung erhält
die wieder heiratende Witwe - sofern der Ehegatte als aktiver Mitarbeiter oder
Invalide gestorben ist - 36 Monatsrenten als Abfindung; die wieder heiratende
Witwe eines Pensionärs erhält 24 Monatsrenten als Abfindung.
4
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin verpflichtet, an die Antragstellerin eine monatliche Ausgleichsrente von 619,71 € zu zahlen. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss des
Amtsgerichts abgeändert und den Antrag auf Durchführung des verlängerten
schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zurückgewiesen. Dagegen richtet
sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie die
Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, jedenfalls aber eine Abfindung erstrebt.
II.
5
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
6
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1, 4 FGG-RG, § 48 Abs. 1, 2
VersAusglG noch das bis August 2009 geltende Verfahrensrecht und materielle
Recht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden
ist und weil es weder am 1. September 2009 noch danach abgetrennt oder ausgesetzt und das Ruhen nicht angeordnet war (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100).
-4-
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1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: § 3 a Abs. 1 Satz 1 VAHRG sehe nur dann einen Leistungsanspruch
vor, wenn der Ausgleichsberechtigte bei angenommenem Fortbestehen der
Ehe von dem Träger der Versorgung eine Hinterbliebenenversorgung als Witwe
oder Witwer erhielte. Eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente komme
dann nicht in Betracht, wenn der Versorgungsträger die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft habe und
diese Voraussetzungen in der Person des geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht vorlägen. Dies gelte insbesondere in Fällen, in denen eine
Wiederverheiratungsklausel Bestandteil der Versorgungsordnung sei. Die geschiedene Frau eines später verstorbenen Mannes sei als "Witwe" im Sinne der
Versorgungsordnung zu behandeln. Auch eine Abfindung nach § 33 der Versorgungsordnung stehe der Antragstellerin nicht zu, da diese voraussetze, dass
der Anspruch auf Witwenrente zunächst entstand und erst infolge von Wiederheirat weggefallen sei.
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2. Diese Ausführungen des Beschwerdegerichts halten der rechtlichen
Nachprüfung stand.
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a) Nach § 3 a Abs. 1 Satz 1 VAHRG kann der geschiedene ausgleichsberechtigte Ehegatte in den Fällen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs von dem Träger der auszugleichenden Versorgung, von dem er, wenn
die Ehe bis zum Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten fortbestanden hätte,
eine Hinterbliebenenversorgung erhielte, bis zur Höhe dieser Hinterbliebenenversorgung die Ausgleichsrente nach § 1587 g BGB verlangen, und zwar auch
dann, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte noch keine Versorgung erlangt
hatte. Durch die Verpflichtung, auch dem geschiedenen ausgleichsberechtigten
Ehegatten des Versicherten in Form des verlängerten schuldrechtlichen Ver-
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sorgungsausgleichs eine Versorgung zu gewähren, wird der Versorgungsträger
mit einem zusätzlichen Risiko belastet. Diese zusätzliche Belastung erschien
dem Gesetzgeber nur hinnehmbar, wenn und soweit der Versorgungsträger
dem geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten für den Fall, dass die Ehe
mit dem Versicherten bis zu dessen Tod fortbestanden hätte, zur Zahlung einer
(Hinterbliebenen-)Versorgung verpflichtet gewesen wäre. Daran fehlt es nicht
nur dann, wenn der Versorgungsträger seinem Versicherten überhaupt keine
Hinterbliebenenversorgung zugesagt hat. Eine verlängerte schuldrechtliche
Ausgleichsrente kommt vielmehr auch dann nicht in Betracht, wenn der Versorgungsträger die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung an zusätzliche
Voraussetzungen geknüpft hat und diese Voraussetzungen in der Person des
geschiedenen ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht vorliegen (Senatsbeschluss vom 17. November 2004 - XII ZB 46/01 - FamRZ 2005, 189, 190).
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Das ist hier der Fall: Die Antragsgegnerin hat in ihrer Versorgungsordnung zwar eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt. Die Gewährung dieser
Hinterbliebenenversorgung steht jedoch unter der auflösenden Bedingung, dass
der hinterbliebene Ehegatte erneut heiratet. Da § 3 a VAHRG die Antragstellerin nicht besser stellen will als sie stünde, wenn ihre Ehe durch den Tod ihres
(ersten) Ehemannes aufgelöst worden wäre, schließt diese Wiederverheiratungsklausel einen Anspruch der wieder verheirateten Antragstellerin auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unabhängig davon aus, ob
die zweite Ehe vor oder nach dem Tod des geschiedenen Ehemannes geschlossen worden ist.
11
b) Soweit mit der Rechtsbeschwerde die Rechtswirksamkeit der in der
Versorgungsordnung der Antragsgegnerin vorgesehenen Wiederverheiratungsklausel in Zweifel gezogen wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
-6-
aa) Wiederverheiratungsklauseln beruhen auf der Vorstellung, dass der
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hinterbliebene Ehegatte, der sich erneut verheiratet, in dem Zusammenleben
mit dem neuen Ehegatten eine angemessene Versorgung findet und auf eine
Versorgung nach seinem verstorbenen Ehegatten nicht länger angewiesen ist.
Diese Vorstellung hat für die gesetzliche Rentenversicherung in § 107 SGB VI,
der in der Versorgungsordnung der Antragsgegnerin nachgebildet ist, ihren
Niederschlag gefunden. Die Überlegung rechtfertigt es, auch den Anspruch des
geschiedenen Ehegatten auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich
auszuschließen
(Senatsbeschluss
vom
17. November
2004
- XII ZB 46/01 - FamRZ 2005, 189, 190).
13
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Hinterbliebenenversorgung
zugesagt wird und welchen Umfang diese hat, kann der Versorgungsträger frei
bestimmen. Enthält eine Versorgungsordnung die Regelung, dass ein Anspruch
auf Hinterbliebenenversorgung nicht (mehr) besteht, so entfällt mithin auch eine
Zahlungspflicht des Versorgungsträgers nach § 3 a VAHRG. Andererseits kann
ein Anspruch nach § 3 a VAHRG nicht isoliert durch eine Bestimmung der Versorgungsordnung ausgeschlossen werden, etwa indem festgelegt wird, dass
die Witwenrente nur im Fall des Fortbestehens der Ehe bis zum Tod des Ehemannes gezahlt wird. Denn durch eine solche Regelung würde die zwingende
Vorschrift des § 3 a VAHRG umgangen, nach der eine vorgesehene Hinterbliebenenversorgung auch dem - geschiedenen - ausgleichsberechtigten Ehegatten zugutekommen muss. Hingegen stellt eine Wiederverheiratungsklausel,
nach der im Fall der Wiederheirat des hinterbliebenen Ehegatten der Anspruch
auf Hinterbliebenenrente ruht oder wegfällt, eine Regelung dar, durch die die
Versorgung eines Hinterbliebenen unabhängig davon beschränkt wird, ob der
Wiederverheiratung eine Ehescheidung oder das Vorversterben des Versicherten in bestehender Ehe vorausgeht. Sie enthält daher - anders als eine Schei-
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dungsklausel - keine Umgehung der Regelung des § 3 a VAHRG (vgl. bereits
Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2005 - XII ZB 39/01 - FamRZ 2006, 326,
327).
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bb) Die Wiederverheiratungsklausel verstößt auch nicht gegen Art. 14
Abs. 1 GG, weil der Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Zusatzversorgung dem Schutzbereich dieses Grundrechts nicht unterfällt (vgl. für die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung: BVerfGE 97,
271, 283 ff.; für die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: BGH Urteil vom
24. Februar 2010 - IV ZR 7/09 - NVwZ-RR 2010, 689, 692). Zwar können zu
den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen auch Ansprüche und
Anwartschaften auf Rentenleistungen gehören, wenn es sich um vermögensrechtliche Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf dessen nicht unerheblichen Eigenleistungen beruhen und seiner Existenzsicherung dienen. Es
fehlt hier aber bereits die Anknüpfung des Rentenanspruchs an eine individuell
zurechenbare Eigenleistung des Rentenberechtigten, denn ähnlich wie bei der
gesetzlichen Rente wird die Hinterbliebenenrente als Element des sozialen
Ausgleichs dem Rentenempfänger ohne eigene Beitragsleistung und ohne eine
gegenüber
unverheirateten
Versicherten
erhöhte
Beitragslast
gewährt
(BVerfGE 97, 271, 283 ff.).
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cc) Entgegen dem von der Rechtsbeschwerde eingenommenen Standpunkt liegt in der Wiederverheiratungsklausel auch keine Benachteiligung gegenüber dem Falle einer im Ausland geschlossenen und als rechtswirksam zu
behandelnden Mehrehe. Denn eine vor dem Tode des verstorbenen Versicherten geschlossene Zweitehe des hinterbliebenen Ehegatten stünde seiner Wiederverheiratung gleich und schlösse einen Witwer- und Witwenrentenanspruch
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ebenfalls aus. Das gilt in der betrieblichen Altersversorgung ebenso wie in der
gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil
vom 29. Juni 2004 - L 2 RA 429/03 - Juris; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr,
Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - SGB VI, Stand November 2005,
§ 46 Rn. 21). Daher schließt auch die in § 3 a Abs. 1 Satz 1 VAHRG enthaltene
Fiktion des Fortbestandes der Erstehe es nicht aus, eine nach der Scheidung
rechtswirksam erfolgte Wiederverheiratung in die Prüfung der satzungsgemäßen Anspruchsvoraussetzungen der Hinterbliebenenversorgung einzubeziehen.
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c) Die Antragstellerin kann auch nicht deshalb eine verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente von der Antragsgegnerin verlangen, weil in deren
Versorgungsordnung einer (echten) Witwe oder einem (echten) Witwer für den
Fall der Wiederverheiratung eine Abfindung zugesagt wird. Die Abfindung setzt
nämlich stets voraus, dass der Anspruch auf Witwenrente zunächst entstanden
ist, dann infolge der Wiederverheiratung eingestellt (§ 32 der Versorgungsordnung) und deshalb durch die Abfindung surrogiert wird (Senatsbeschluss vom
17. November 2004 - XII ZB 46/01 - FamRZ 2005, 189, 191).
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So liegen die Dinge im vorliegenden Fall aber nicht: Hier hat die Antragstellerin, die nach dem Tod ihres (ersten) Ehemannes und noch vor dem Eintritt
in das Rentenalter erneut geheiratet hat, schon keinen Anspruch auf verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gegen die Antragsgegnerin erworben. Ein solcher Anspruch konnte deshalb von vornherein auch nicht durch
Zahlung eines bestimmten Betrages abgefunden werden. Darin liegt ebenfalls
keine Umgehung der Vorschrift des § 3 a VAHRG, denn auch der Anspruch auf
die Abfindung knüpft nicht an das Bestehen der Ehe im Renteneintrittszeitpunkt
an, sondern daran, ob die Wiederverheiratung vor oder nach dem Eintritt in das
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Rentenbezugsalter erfolgt. Ein geschiedener Ehegatte, der sich erst nach dem
Eintritt in das Rentenbezugsalter wiederverheiratete, erhielte die Abfindung.
Dose
Weber-Monecke
Günter
Schilling
Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Böblingen, Entscheidung vom 16.02.2009 - 15 F 1811/08 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 15.06.2009 - 15 UF 59/09 -