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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Xa ZR 56/05
Verkündet am:
30. April 2009
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Airbag-Auslösesteuerung
EPÜ Art. 56; PatG § 4
Der Umstand, dass die Kenntnis eines technischen Sachverhalts zum allgemeinen Fachwissen gehört, belegt noch nicht, dass es für den Fachmann nahegelegen hat, sich bei der Lösung eines bestimmten technischen Problems
dieser Kenntnis zu bedienen.
BGH, Urt. v. 30. April 2009 - Xa ZR 56/05 - Bundespatentgericht
-2-
Der Xa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2009 durch die Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Lemke und
Asendorf
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 2. Februar 2005 verkündete Urteil des
4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf
Kosten der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich
die Rückbeziehungen auf Patentanspruch 1 in den nachgeordneten
Patentansprüchen 5 bis 44 auf Patentanspruch 1 in der Fassung
des Urteils des Bundespatentgerichts beziehen und dass die Rückbeziehung auf Patentanspruch 2 in Patentanspruch 6 sowie die
Rückbeziehungen auf Patentanspruch 5 in Rückbeziehung auf Patentanspruch 2 in den Patentansprüchen 7 bis 44 entfallen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 27. Januar 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier deutscher Patentanmeldungen vom 18. Februar
1989 und 25. Juli 1989 angemeldeten, auch mit Wirkung für die Bundesrepublik
-3-
Deutschland erteilten europäischen Patents 458 796 (Streitpatents), das ein
"Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln" betrifft und 44 Patentansprüche umfasst. Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 3 und 4 des Streitpatents haben in der Fassung, die sie im europäischen Einspruchsverfahren erhalten haben, in der Verfahrenssprache Deutsch folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherungssystem
für Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, dieses
Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in eine Geschwindigkeit
umgewandelt wird, und bei dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für die Geschwindigkeit vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit
von einer oder mehreren vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen
des Fahrzeugs veränderbar ist.
3. Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherungssystem
für Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, durch
zeitliche Integration eine Geschwindigkeit gebildet, diese Geschwindigkeit
durch Wichtung in ein Arbeitssignal umgewandelt wird, und bei dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für das Arbeitssignal vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der als Auslösekriterium
benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar ist.
4. Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherungssystem
für Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, dieses
Beschleunigungssignal durch eine erste Wichtungsfunktion gewichtet, das
gewichtete Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in ein erstes
Arbeitssignal umgewandelt, dieses erste Arbeitssignal durch eine zweite
Wichtungsfunktion in ein zweites Arbeitssignal umgewandelt wird, und bei
dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für das
Arbeitssignal vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren vom
Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar
sind."
2
Wegen der abhängigen Patentansprüche 5 bis 44 des Streitpatents wird
auf die Patentschrift verwiesen.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, das Streitpatent sei gegenüber den
ursprünglich eingereichten Unterlagen unzulässig erweitert, weil das im europäischen Einspruchsverfahren eingefügte Merkmal der "vom Crashvorgang abgeleiteten" Zustandsgrößen den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen
-4-
sei. Die Erfindung sei weiter nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass
ein Fachmann sie ausführen könne, weil sich aus der Patentschrift nicht ergebe, wie ein Aufprall mittels eines gemessenen Beschleunigungssignals ermittelt
werden könne. Der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand
der Technik, wie ihn die vorveröffentlichten deutschen Offenlegungsschriften
21 23 359 (D14), 22 22 038 (D10), 22 25 709 (D13), 22 56 299 (D11),
23 03 894 (D12), 28 08 872 (D1), 28 39 849 (D17), 32 07 216 (D3), die nachveröffentlichten,
aber
zeitrangälteren
deutschen
Offenlegungsschriften
38 16 587 (D15), 38 16 588 (D6) und 38 16 590 (D7), die Veröffentlichung der
europäischen Patentanmeldung 292 669 (D9), die europäische Patentschrift
156 930 (D4), die Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung
WO 88/00146 (D5) vom 14. Januar 1988 und die Literaturstellen "HalbleiterSchaltungstechnik" von U. Tietze und Ch. Schenk, 5. Auflage 1980 (D2) und
W. Suchowerskyj, "Évolution en matière de détecteurs de choc", Ingénieurs de
lAutomobile, 1982, Nr. 6, S. 69 - 72 (D8), bildeten, nicht patentfähig. Die Klägerin hat weiter auf die Veröffentlichung von Broesch, "Digitale Signalverarbeitung", 1997 (D18), verwiesen.
4
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist
der Klage entgegengetreten. Sie hat das Streitpatent hilfsweise mit der Maßgabe verteidigt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhalten soll (Anfügung
unterstrichen):
"Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherungssystem für
Fahrzeuginsassen, bei dem ein Beschleunigungssignal gemessen, dieses Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in eine Geschwindigkeit umgewandelt wird, und bei dem zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein
Schwellwert für die Geschwindigkeit vorgebbar ist, dadurch gekennzeichnet,
dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer
oder mehreren vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgrößen des Fahrzeugs
veränderbar ist, wobei die eine Zustandsgröße bzw. eine von den mehreren Zustandsgrößen das gemittelte Beschleunigungssignal ist."
-5-
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Kla-
5
ge das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 2 und 5, soweit dieser
auf Patentanspruch 2 rückbezogen ist, sowie 1, soweit dieser über die hilfsweise verteidigte Fassung hinausgeht, für nichtig erklärt. Aus den Gründen des
Urteils ergibt sich, dass die durchweg auch auf Patentanspruch 1 rückbezogenen nachgeordneten Patentansprüche 5 bis 44 nur in Rückbeziehung auf den
geänderten Patentanspruch 1 Bestand haben sollten (vgl. Umdruck S. 27, 28:
"in Zusammenhang mit einem tragenden Hauptanspruch"). Ersichtlich sollte
auch die Rückbeziehung dieser Patentansprüche auf Patentanspruch 2 und
über Patentanspruch 5 auf Patentanspruch 2 entfallen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie beantragt,
6
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent mit Wirkung für
das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären, und nennt weiter u.a. die Veröffentlichung der japanischen Gebrauchsmusteranmeldung Sho 63-51 (BK11; Nippon Denki), die Veröffentlichung der japanischen Patentanmeldung Sho 53-16 232 (BK15; Honda) und
die US-Patentschrift 4 497 025 (BK16; Hannoyer). Die Beklagte tritt dem
Rechtsmittel entgegen. Sie verteidigt Patentanspruch 1 des Streitpatents nunmehr auch mit mehreren Hilfsanträgen.
Das Bundespatentgericht hat in einem weiteren Verfahren das Streitpa-
7
tent in vollem Umfang für nichtig erklärt (4 Ni 58/06 (EU)). Hiergegen hat die
Beklagte Berufung eingelegt, über die noch nicht verhandelt und entschieden
ist.
8
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. W.
M.
, Leiter
des Instituts für theoretische Elektrotechnik der Leibniz-Universität H.
,
ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
-6-
Entscheidungsgründe:
9
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt mit der Maßgabe ohne Erfolg,
dass die bereits vom Bundespatentgericht ersichtlich gewollte Änderung der
Rückbeziehungen auf den geänderten Patentanspruch 1 ebenso wie die Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang seiner Unteransprüche 6 bis 44, soweit diese auf den für nichtig erklärten Patentanspruch 2 und auf den in seiner
Rückbeziehung auf Patentanspruch 2 ebenfalls für nichtig erklärten Patentanspruch 5 rückbezogen sind, in den Urteilstenor aufgenommen wird.
10
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln, die vor allem in Personenfahrzeugen eingesetzt werden. Solche Rückhaltemittel werden in bekannten Rückhaltesystemen eingesetzt, die das Streitpatent nicht näher bezeichnet. In Betracht kommen vor allem Gurtstraffer- und
Airbag-Systeme.
11
1. Das Streitpatent bezeichnet ein Verfahren nach dem Oberbegriff des
Patentanspruchs 1 als aus dem Beitrag von Suchowerskyj in Ingénieurs de
lAutomobile (1982), Nr. 6, S. 79 - 82 (D8), bekannt, bei dem lediglich ein zentral angeordneter Aufprallsensor eingesetzt werde. Dieses Verfahren erfülle seine Aufgabe hervorragend bei einem Frontal- oder Heckaufprall. Probleme ergäben sich jedoch bei im Stadtverkehr relativ häufig auftretenden Kollisionen
mit schrägem Aufprallwinkel, da hier die Rückhaltemittel zu spät aktiviert werden könnten. Zur Verbesserung der Erkennung von in Schrägrichtung verlaufenden Kollisionen seien Systeme mit zwei Beschleunigungssensoren bekannt,
deren Empfindlichkeitsachsen winklig zur Fahrzeuglängsachse angeordnet seien, bei denen die Verkabelung der Sensoren aber einen hohen technischen
-7-
Aufwand erfordere. Weiter seien Rückhaltesysteme mit einer Mehrzahl dezentral angeordneter Sensoren bekannt, die aber störanfällig seien (Beschr. Sp. 1
Z. 5 - 36). Bekannt sei auch eine Sicherheitseinrichtung mit einem Beschleunigungssensor, einem Verstärker für das Ausgangssignal, einer ersten Schwellwertschaltung, einer Integrationsschaltung, einer zweiten Schwellwertschaltung
sowie einem UND-Verknüpfungsglied und einer dritten Schwellwertschaltung,
der eingangsseitig das Ausgangssignal des Verstärkers zugeführt sei und deren Ausgangssignal am zweiten Eingangsanschluss des UND-Verknüpfungsglieds liege (Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 184 307).
Weiter sei eine Auslösevorrichtung bekannt, die einen Beschleunigungsaufnehmer, einen Hochpass, einen Integrator, einen den Auslöseschwellwert festlegenden ersten Schwellwertschalter und einen zweiten Schwellwertgeber umfasse, dessen Eingangsanschluss mit dem Ausgangsanschluss des Integrators
verbunden sei, während der Ausgangsanschluss des zweiten Schwellwertgebers an einen Summationspunkt geführt sei, der am Eingangsanschluss des
Integrators liege. Der zweite Schwellwertgeber erzeuge dabei ein Ausgangssignal, das eine untere Integrationsschwelle des Integrators beeinflusse (Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO-A-88/00146 [D5]).
12
2. Durch das Streitpatent soll ein Rückhaltesystem zur Verfügung gestellt werden, durch das auch die Insassen gefährdende Schräg-, "Offset"- und
Polaufprallsituationen zuverlässig erkannt und die Rückhaltemittel rechtzeitig
ausgelöst werden können (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 13 - 22). Dass dies mit nur einem zentral angeordneten Sensor möglich sein soll, betrifft bereits ein mögliches Lösungselement und ist zudem nicht in den Patentansprüchen 1 bis 4
genannt; aus Patentanspruch 9 folgt, dass auch die Ausgangssignale mehrerer
Sensoren herangezogen werden können. Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit
der Erkennung verschiedener Aufprallsituationen sollen aber so verbessert
werden, dass gegebenenfalls auch ein einziger Sensor ausreicht. Dass als
Auslösekriterium ein Schwellwert verwendet wird, ist ebenso ein Element der
-8-
Lösung und nicht des zu lösenden Problems. Das gilt erst recht für die Bildung
(und Veränderung) dieses Schwellwerts.
13
3. Zur Lösung des unter 2. genannten Problems soll durch Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner zulässigerweise durch Einfügung des in
den Anmeldeunterlagen u.a. in den ursprünglichen Patentansprüchen 12 und
13 und in der ursprünglichen Beschreibung S. 13 offenbarten und auch im Patent sowohl in seiner erteilten Fassung als auch in der Fassung, die es im europäischen Einspruchsverfahren erhalten hat, enthaltenen Merkmals, dass die
eine Zustandsgröße bzw. eine von den mehreren Zustandsgrößen das gemittelte Beschleunigungssignal ist, verteidigten Fassung ein Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln bei einem Sicherungssystem für Fahrzeuginsassen
mit folgenden Verfahrensschritten unter Schutz gestellt werden:
(1)
es wird ein Beschleunigungssignal gemessen;
(2)
dieses Beschleunigungssignal wird durch zeitliche Integration
in eine Geschwindigkeit umgewandelt;
(3)
zur Bildung eines Auslösekriteriums ist mindestens ein
Schwellwert für die Geschwindigkeit vorgebbar;
(4)
der Schwellwert ist in Abhängigkeit von einer oder mehreren
Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar,
(4.1) die vom Crashvorgang abgeleitet sind,
(4.2) wobei die (oder eine) Zustandsgröße das gemittelte
Beschleunigungssignal ist.
14
4. Patentanspruch 2, der in erster Instanz der Nichtigerklärung anheim
gefallen ist, steht im Berufungsverfahren nicht mehr zur Überprüfung, weil das
Urteil des Bundespatentgerichts insoweit nicht angefochten worden ist.
-9-
15
5. Die Lösung nach Patentanspruch 3 sieht vor, dass
(1)
ein Beschleunigungssignal gemessen,
(2) aus diesem durch zeitliche Integration eine Geschwindigkeit
gebildet wird,
(2.1) die durch Wichtung in ein Arbeitssignal umgewandelt
wird,
(3) zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für das Arbeitssignal vorgebbar ist,
(4)
wobei der Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar ist,
(4.1) die vom Crashvorgang abgeleitet sind.
16
Die Abweichung von Patentanspruch 1, die darin liegt, dass eine Geschwindigkeit gebildet und nicht wie in Patentanspruch 1 das Beschleunigungssignal in eine Geschwindigkeit umgewandelt werden soll, erklärt sich
zwanglos daraus, dass in Patentanspruch 1 das Arbeitssignal von der Geschwindigkeit gebildet wird, während in Patentanspruch 3 das Arbeitssignal aus
der gewichteten Geschwindigkeit gebildet wird. Der Senat versteht dabei die
Umwandlung des Beschleunigungssignals in eine "Geschwindigkeit" mit dem
sachkundig besetzten Bundespatentgericht als Umwandlung in ein Geschwindigkeitssignal. Nach Patentanspruch 3 bleibt zudem die "Zustandsgröße"
(Merkmal 4.2 nach dem verteidigten Patentanspruch 1) offen.
17
6. Die Lösung nach Patentanspruch 4 sieht vor, dass
(1)
ein Beschleunigungssignal gemessen wird,
(1.1) das durch eine erste Wichtungsfunktion gewichtet wird,
(2) das gewichtete Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in ein erstes Arbeitssignal umgewandelt wird und
- 10 -
(2.1) das erste Arbeitssignal durch eine zweite Wichtungsfunktion in ein zweites Arbeitssignal umgewandelt wird,
wobei
(3) zur Bildung eines Auslösekriteriums mindestens ein Schwellwert für das (zweite) Arbeitssignal vorgebbar und
(4)
der Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren Zustandsgrößen des Fahrzeugs veränderbar ist,
(4.1) die vom Crashvorgang abgeleitet sind.
18
Dieser Patentanspruch sieht damit eine zweifache Wichtungsfunktion
vor. Merkmal (4.2) des verteidigten Patentanspruchs 1 entfällt auch hier.
19
7. a) Den Patentansprüchen 1 (in seiner verteidigten Fassung), 3 und 4
ist gemeinsam, dass der als Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von einer oder mehreren Zustandsgrößen des Fahrzeugs, die vom
Crashvorgang abgeleitet sind, verändert werden kann ("veränderbar ist"). Dabei bestehen entgegen der Auffassung der Klägerin für den Senat keine Zweifel
daran, dass schon eine Mittelwertbildung aus mehreren Beschleunigungswerten und die Division durch die Anzahl der Beschleunigungswerte eine Veränderung des Schwellwerts bedeutet, denn das in erster Instanz eingefügte Merkmal 4.2 sieht dies jedenfalls für Patentanspruch 1 ausdrücklich vor. Auch ist der
Beklagten darin beizutreten, dass die Schwellwertänderung nicht kontinuierlich
sein muss, sondern im Extremfall sogar nur zwei Stufen erfassen kann (vgl.
z.B. Fig. 10 und Beschr. Sp. 13/14). Allerdings verlangt die Beschreibung des
Streitpatents insoweit, dass die DV-Schwelle entweder als Funktion der Zeit
(Beschr. Sp. 4 Z. 13 ff.) oder der Zeit und des kumulierten DV-Integratorstands
(Beschr. Sp. 4 Z. 22 ff.) dargestellt wird. Die in der Beschreibung vorgesehene
dritte Alternative, nach der das Integral verändert werden soll (Beschr. Sp. 4
Z. 30 ff.), wird von den Patentansprüchen nicht erfasst.
- 11 -
20
Die Formulierung, es sei ein Schwellwert "vorgebbar" und dieser sei
"veränderbar", könnte zu der Annahme verleiten, Vorgabe und Veränderung
des Schwellwerts seien fakultativ (vgl. zu Vorrichtungsansprüchen BGH, Urt. v.
26.9.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter). Dies würde jedoch
die hier zu beurteilenden Verfahrensansprüche ihres Sinns entkleiden. Richtigerweise muss ein Schwellwert vorgegeben werden, denn dieser ist das einzige in den Patentansprüchen genannte Auslösekriterium, wenn auch nicht notwendigerweise das einzige verwendete. Ferner setzen die patentgemäßen Verfahren voraus, dass es mindestens einen Fall gibt, in dem der Schwellwert
auch verändert wird; die Formulierung "veränderbar" bringt damit lediglich zum
Ausdruck, dass es von der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens abhängt,
ob und inwieweit bei einem bestimmten Arbeitssignal eine Änderung des
Schwellwerts stattfindet.
21
b) Das übereinstimmend in den Patentansprüchen 1 (in seiner verteidigten Fassung), 3 und 4 enthaltene Merkmal (4.1) versteht der Senat dahin, dass
mit dem "Crashvorgang" der Zeitabschnitt gemeint ist, in dem Beschleunigungswerte gemessen werden, die bei der Definition des Arbeitssignals, das im
Weg der Integration oder Wichtung aus ihnen gewonnen wird, und bei der Vorgabe des Schwellwerts daraufhin geprüft werden müssen, ob und zu welchem
Zeitpunkt sie das Auslösekriterium erfüllen. Es versteht sich dabei von selbst,
dass mit dem "Crashvorgang" nicht erst der Unfall an sich verstanden werden
kann, sondern der Verlauf, der möglicherweise zu einem "Crash" führen kann.
22
II. Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Soweit die
Klägerin das Streitpatent über die vom Bundespatentgericht ausgesprochene
und im Tenor des Berufungsurteils hinsichtlich der Rückbeziehung der Unteransprüche 5 bis 44 präzisierte Teilnichtigerklärung hinaus angreift, ist das Ein-
- 12 -
greifen eines der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht nachgewiesen.
Dies geht zu Lasten der Klägerin.
23
1. Eine unzulässige Erweiterung des im europäischen Einspruchsverfahren beschränkt aufrechterhaltenen Streitpatents gegenüber den ursprünglichen
Unterlagen (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. c EPÜ)
liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor. Der Senat tritt der Auffassung des
Bundespatentgerichts bei, dass sich die Ableitung des veränderbaren Schwellwerts als Auslösekriterium in Abhängigkeit von Zustandsgrößen des Fahrzeugs, die vom Crashvorgang abgeleitet sind, bereits aus den ursprünglichen
Unterlagen ergibt. Crashvorgänge sind in den ursprünglichen Unterlagen mehrfach genannt, so in der dem Streitpatent zugrunde liegenden Veröffentlichung
der internationalen Patentanmeldung WO 90/09298 A 1 auf S. 4 Z. 15 - 19,
S. 11 Z. 16 und S. 13 Z. 6.
24
2. Die Lehre des Streitpatents ist derart offenbart, dass der Fachmann,
als den der Senat einen Diplomingenieur auf dem Gebiet der Elektrotechnik
ansieht, der über gute Grundkenntnisse auf dem Gebiet der Mechanik und der
Materialwissenschaften verfügt, sie ausführen kann (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ). Auch insoweit tritt der Senat dem Bundespatentgericht jedenfalls im Ergebnis bei. Für die ausführbare Offenbarung
ist nicht maßgeblich, ob das Streitpatent schon für jeden denkbaren "Crashvorgang" eine praxistaugliche Lösung bereithält. Es kommt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht darauf an, welcher Aufwand für Crashversuche
betrieben werden muss, bis die Daten vorliegen, die erforderlich sind, damit für
jeden denkbaren "Crashtypus" das passende Programm entwickelt werden
kann. Derartige Crashversuche müssen, sofern sie nicht durch Simulationen
ersetzt werden können, für die Praxistauglichkeit der geschützten Lehre ohnehin durchgeführt werden. Ausreichend ist vielmehr, dass dem Fachmann die
entscheidende Richtung angegeben wird, in der er ohne Aufwendung eigener
- 13 -
erfinderischer Tätigkeit mit Erfolg weiterarbeiten kann (vgl. BGH, Urt. v.
21.12.1967 - Ia ZB 14/66, GRUR 1968, 311 - Garmachverfahren; v. 24.3.1998
- X ZR 39/95,
GRUR
1998,
1003,
1005
- Leuchtstoff;
v.
4.11.2008
- X ZR 154/05, st. Rspr.). Das Streitpatent befasst sich mit der Frage, wie die
Messergebnisse solcher Crashversuche zu einem möglichst effektiven und sicheren Verfahren zur Auslösung von Rückhaltemitteln verarbeitet werden können. Dazu gibt es im Sinne der zitierten Rechtsprechung die Richtung an, an
der sich der Fachmann bei der Auswertung und Verarbeitung der Beschleunigungssignale und der Definition und Veränderung des Schwellwerts orientieren
kann, um für jeden Einzelfall eine möglichst gut geeignete Lösung zu finden.
Dass ein praktisch brauchbares Ergebnis noch weitere Arbeit erfordern mag,
stellt die Ausführbarkeit nicht in Frage.
25
Der Senat vermag auch der Auffassung der Klägerin nicht beizutreten,
dass sich aus dem Streitpatent nicht entnehmen lasse, wann die Integration zu
beginnen habe. In der Beschreibung ist hierzu u.a. angegeben, dass die Zeit ab
einem besonderen Merkmal der Beschleunigung laufe (Sp. 4 Z. 17/18); hierzu
teilt die Patentschrift eine Reihe von Ausführungsbeispielen mit. Dass in einer
Gleichsetzung der Zeit mit dem Beginn der Integration eine gewisse Unschärfe
liegen mag, steht der Ausführbarkeit für sich nicht entgegen.
26
3. Die Prüfung der Schutzfähigkeit hat auch im Berufungsverfahren nicht
zu Feststellungen geführt, aus denen sich die Wertung ableiten ließe, dass das
Streitpatent in einem weitergehenden Umfang, als sich dies nach dem erstinstanzlichen Urteil ergibt, nicht patentfähig wäre (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 139 Abs. 2 EPÜ). Dies geht zu Lasten
der Klägerin.
27
a) Soweit das Streitpatent auf Algorithmen (im Sinn von Verarbeitungsvorschriften, die nach festen Regeln ablaufen) zurückgreift, steht dies seiner
- 14 -
Patentfähigkeit schon deshalb nicht entgegen, weil sich aus der bloßen Verwendung von Algorithmen weder das Fehlen einer technischen Lehre noch das
Eingreifen eines Patentierungsausschlusses nach Art. 52 Abs. 2 EPÜ ergibt.
Schutz für einen isolierten Algorithmus wird durch das Streitpatent nicht begründet. Die Klägerin macht derartiges auch nicht geltend.
28
b) Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents
ist neu.
29
aa)
Die
Veröffentlichung
der
internationalen
Patentanmeldung
WO 88/00146 (D5) berührt die Neuheit des Streitpatents schon deshalb nicht,
weil sie mit einer festen Auslöseschwelle ΔV arbeitet. Dies hat bereits das
Bundespatentgericht zutreffend gesehen. Wenn in dieser Veröffentlichung von
einem Integrationsschwellwert als veränderliche Größe die Rede ist (insbesondere Beschreibung Seite 3), so ist damit gemeint, dass der vom gemessenen
Beschleunigungssignal oder von einem von diesem abgeleiteten Signal abzuziehende Integrationsschwellwert eine veränderliche Größe ist; darin liegt eine
Wichtung des Beschleunigungssignals im Sinn des Patentanspruchs 2, der vor
dem Bundespatentgericht der Nichtigerklärung anheim gefallen ist. Der Auslöseschwellwert im Sinn des Merkmals 4 bleibt dagegen unveränderlich.
30
bb) Die zeitrangältere, aber nicht vorveröffentlichte und deshalb nach
Art. 139 Abs. 2 EPÜ, Art. 56 Satz 2 EPÜ i.V.m. Art. 54 Abs. 3 EPÜ im nationalen Nichtigkeitsverfahren - anders als im europäischen Einspruchsverfahren (nur) bei der Neuheitsprüfung zu berücksichtigende deutsche Offenlegungsschrift 38 16 590 (D7) offenbart zwar eine Einstellung der Schwellwerte, nicht
aber deren Veränderung aus einer vom gemittelten Geschwindigkeitssignal
abgeleiteten Größe. Das gilt ebenso für die ebenfalls nicht vorveröffentlichte
deutsche Offenlegungsschrift 38 16 588 (D6). Dass, wie die Klägerin meint, die
Filterung des Beschleunigungssignals üblicherweise mit einem Tiefpassfilter
- 15 -
vorgenommen wird, steht dem nicht entgegen. Abgesehen davon, dass die
Verwendung eines Tiefpasses in dieser Entgegenhaltung nicht erwähnt ist und
es daher, wie schon das Bundespatentgericht angenommen hat, zweifelhaft
erscheint, ob ein Tiefpass vom Fachmann als (nahezu) unerlässlich und selbstverständlich mitgelesen wird, hat die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ergeben, dass die von einem Tiefpass bewirkte Mittelung aus
fachmännischer Sicht nicht mit der Bildung eines gemittelten Beschleunigungssignals im Sinne des Merkmals 4.2 gleichgesetzt werden kann. Denn während
der Tiefpass im Kontext der Vorveröffentlichung lediglich im Sinne einer
Rauschdämpfung dazu dient, hochfrequente Störsignale auszufiltern, dient die
Mittelwertbildung dazu, nicht das einzelne, an sich valide Beschleunigungssignal zu verwenden, sondern aus einer Mehrzahl valider Signale einen mittleren
Wert erhöhter Aussagekraft zu bilden.
31
Die angenommene Wichtung begründet die Berufung mit der Verwendung eines Integrators, der einen Verstärker umfassen soll. Jedoch soll nach
dem Streitpatent das integrierte Beschleunigungssignal (d.h. das Geschwindigkeitssignal) gewichtet werden. Zudem kann eine bloße Verstärkung nicht als
Wichtung im Sinne des Merkmals 2.1 angesehen werden, weil damit die Funktion der Wichtung verfehlt würde, einzelne Signalanteile stärker zu werten als
andere.
32
cc) Nach der ebenfalls nachveröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift 38 16 587 (D15) mag zwar eine Signalglättung nach Art eines Bandpasses vorgenommen werden, jedoch erfolgt auch hier, wie schon das Bundespatentgericht zutreffend erkannt hat, nur eine Ausfilterung von Spitzenwerten der
Beschleunigung, nicht aber eine Mittelwertbildung im Sinn des Streitpatents, in
dem die Mittelwertbildung nicht im Sinn einer Glättung angesprochen wird (vgl.
z.B. Beschr. Sp. 10 Z. 50; Patentansprüche 12, 13). Demnach kann eine
- 16 -
Gleichsetzung der Glättung mit einer Mittelwertbildung im Sinn des Streitpatents entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vorgenommen werden.
33
Für die ebenfalls angesprochene Verstärkung des Ausgangssignals
(Sp. 3 Z. 66 ff.) gilt dasselbe wie vorstehend unter bb.
dd) In den übrigen Veröffentlichungen, auf die sich die Klägerin stützt,
34
erfolgt schon keine Bildung veränderbarer Schwellwerte für die Auslöseschwelle.
35
c) Der Senat sieht auch keine hinreichende tatsächliche Grundlage dafür, die in den Patentansprüchen 3 und 4 geschützte sowie die im verteidigten
Patentanspruch 1 zu schützende Lehre nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend zu bewerten.
36
aa) Die vorveröffentlichten deutschen Offenlegungsschriften 28 08 872
(D1), 32 07 216 (D3), die europäische Patentschrift 156 930 (D4), die Veröffentlichung von W. Suchowerskyj (D8), die Veröffentlichung der europäischen
Patentanmeldung
292 669
(D9),
die
deutschen
Offenlegungsschriften
22 22 038 (D10), 22 56 299 (D11), 23 03 894 (D12), 22 25 709 (D13) und
21 23 359 (D14) arbeiten allesamt mit festen, unveränderlichen Schwellwerten
als Auslösekriterium, die, wie das Bundespatentgericht zutreffend angenommen hat, im Prioritätszeitpunkt von der Fachwelt klar favorisiert wurden. Der
gerichtliche Sachverständige hat hierzu angegeben, dass in den Veröffentlichungen D1, D3, D4, D10, D11, D12 und D13 das Abschneiden des Verlaufs
der Beschleunigung nach unten beschrieben werde, um eine Auslösung des
Sicherheitssystems bei unbedeutenden Beschleunigungen zu verhindern. Daraus kann eine Veränderung des Schwellwerts aber nicht entnommen werden.
Die Klägerin hat dem in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen: Der
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Senat ist daher überzeugt davon, dass die Äußerung des gerichtlichen Sachverständigen zutrifft.
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bb) Soweit sich die Klägerin darauf gestützt hat, dass die USPatentschrift 4 497 025 (BK16; Hannoyer) alle Merkmale des verteidigten Patentanspruchs 1 mit Ausnahme der Integration (Merkmal 2) vorwegnehme und
dem Fachmann ohne weiteres die Möglichkeit zur Verfügung gestanden habe,
den Schwellwertvergleich nicht mit dem Beschleunigungssignal, sondern mit
dem integrierten Beschleunigungssignal (Geschwindigkeitssignal) vorzunehmen, vermag der Senat dem nicht beizutreten. Die Klägerin nennt als Beleg die
Beschreibungsstelle Sp. 6 Z. 56, wonach für die Berechnung des Terms S(n)
folgende Formel gelten soll:
S(n+1) = S(n) + γp(n+1) - (S(n)/α).
Da in den Algorithmus der exponentielle Mittelwert des Beschleunigungssignals
eingehe, habe, so meint die Klägerin, für den Fachmann aller Anlass bestanden, das Signal durch ein integriertes Signal zu ersetzen. Nach der Beschreibung sei nämlich die Konstante α eine Potenz k der Zahl 2, wobei k vorzugsweise ganzzahlig sei. Damit tendiere aber der letzte Teil des Terms gegen Null,
wenn nur α genügend groß angenommen werde, so dass von dem Term im
Ergebnis nur die ersten zwei Glieder S(n) + γp(n+1) verblieben. Die Beklagte hat
dem entgegengehalten, dass kein Grund dafür ersichtlich sei, den Wert α beliebig groß anzunehmen und gegen Unendlich gehen zu lassen; die Klägerin
hat dem nur entgegengesetzt, dass die Veröffentlichung keine Vorgaben für die
Größe des Werts α enthalte. Der Senat vermag nicht zu erkennen, was den
Fachmann veranlassen sollte, das sehr aufwändige und komplexe System des
Schwellwertvergleichs nach der US-Patentschrift 4 497 025 (BK16) durch einen
Schwellwertvergleich zu ersetzen oder zu modifizieren, bei dem der - vom gemittelten Beschleunigungssignal abhängige - Schwellwert ein Schwellwert für
das Geschwindigkeitssignal ist. Der kurze Weg, der hierzu, wie der gerichtliche
Sachverständige bestätigt hat, aus mathematischer Sicht zurückzulegen ist, ist
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hierfür ebenso unergiebig wie der von der Klägerin wiederholt hervorgehobene
Gesichtspunkt, dass dem Fachmann die Möglichkeit bekannt war, das Beschleunigungssignal durch zeitliche Integration in eine Geschwindigkeit umzuwandeln. Der Umstand, dass die Kenntnis eines technischen Sachverhalts zum
allgemeinen Fachwissen gehört, belegt noch nicht, dass es für den Fachmann
nahegelegen hat, sich bei der Lösung eines bestimmten technischen Problems
dieser Kenntnis zu bedienen. Dass die grundsätzliche Möglichkeit der Verwendung des integrierten Beschleunigungssignals zu seinem allgemeinen Fachwissen gehören mag, besagt deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin
nichts dafür, dass es für den Fachmann nahegelegen hat, das Geschwindigkeitssignal im Zusammenhang der Lösung nach der US-Patentschrift 4 497 025
(BK 16) einzusetzen, die gerade nicht mit diesem Signal arbeitet. Auch der
Sachverständige hat hierzu keine Veranlassung gesehen.
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cc) Bei der Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung
WO 88/00146 (D5; Robert Bosch GmbH) wird anders als beim Streitpatent
nicht die Auslöseschwelle, die hier konstant gehalten wird, sondern die Integrationsschwelle, d.h. die Schwelle, von der an das Beschleunigungssignal integriert wird, verändert (vgl. Beschr. S. 6; Patentansprüche 1, 2). Wenn die Klägerin hierzu angegeben hat, dass sich die Wichtung des Beschleunigungssignals
in eine Wichtung des Geschwindigkeitssignals und/oder in eine Veränderung
der Schwelle des Komparators überführen lasse, so führt dies den Senat auch
nicht in Zusammenschau mit der Veröffentlichung von Suchowerskij (D8) zu
der Überzeugung, dass es für den Fachmann nahelag, derartige Überlegungen
anzustellen. Diese Veröffentlichung zeigt nämlich nur eine Signalverarbeitung
ohne Mittelwertbildung und ohne Berücksichtigung weiterer vom Crash abgeleiteter Zustandsgrößen, die die Auslöseschwelle bilden (vgl. Fig. 14).
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Die nach den Patentansprüchen 3 und 4 zusätzlich vorgesehene Wichtung der Signale wird in dieser Anmeldung nicht beschrieben.
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dd) Auch die Veröffentlichung der japanischen Gebrauchsmusteranmeldung Sho 63-51 (BK11) und die japanische Offenlegungsschrift Sho 53-16232
(BK15) rechtfertigen nicht die Annahme, der Gegenstand des Streitpatents habe für den Fachmann nahegelegen.
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(1) Die Veröffentlichung der japanischen Gebrauchsmusteranmeldung
Sho 63-51 (BK11) vom 5. Januar 1988 offenbart eine Airbag-Einrichtung mit
variablem Aktivierungswert, bei der auf Grund eines detektierten Werts eines
Beschleunigungssensors ein Aktuator aktiviert wird, wobei mit einem Komparator zur Einstellung der Aktivierungsbedingungen ein Speicher verbunden ist, in
dem die Aktivierungsbedingungen gespeichert sind, die dadurch gebildet werden, dass ein durch Mittelwertbildung aus den Ausgaben des Beschleunigungssensors gebildeter mittlerer Beschleunigungswert mit einem eingestellten
Initialwert addiert wird, dem Komparator an einem anderen Anschluss die Ausgabe des Beschleunigungssensors zugeführt wird und die Ausgabe des Beschleunigungssensors mit den ständig veränderlichen Aktivierungsbedingungen verglichen wird, wodurch der Aktuator aktiviert wird. Dem kann der Fachmann sowohl eine Variabilität des Auslösesignals als auch die Ableitung aus
einer Mittelwertbildung der Beschleunigungssignale entnehmen. Nicht offenbart
sind hier jedoch die Signalintegration und die Nutzung eines Schwellwerts für
die Geschwindigkeit als Auslösekriterium, die schon deshalb nicht gelehrt wird,
weil das Beschleunigungssignal nicht integriert wird. Es fehlt daher auch die
von den Patentansprüchen 3 und 4 gelehrte Wichtung des Geschwindigkeitssignals (Merkmale 2' und 2"); lediglich eine Wichtung im Sinn des Merkmals
(1.1") des Patentanspruchs 4 erfolgt durch die Addition des Initialwerts.
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Die Lücke bezüglich der Signalintegration versucht die Klägerin vergeblich mit der japanischen Offenlegungsschrift Sho 53-16232 (BK15) zu schließen. Diese betrifft eine Einrichtung zur Steuerung der Aktivierung von Airbags.
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Die Einrichtung weist einen Beschleunigungssensor, eine Integrationsschaltung, einen Komparator, einen Reset-Oszillator, eine Differenzierschaltung und
einen Komparator auf (Fig. 2). Die Integrationsschaltung wird in konstanten
Abständen durch das Ausgangssignal des Oszillators zurückgesetzt. Überschreitet
der
integrierte
Wert
den
eingestellten
Aktivierungspegelwert
(Schwellwert), wird ein Airbagaktivierungssteuersignal generiert. Als ein weiterer - jedoch nicht als Auslösekriterium dienender - Schwellwert ist ein Aktivierungsprädikationspegel I1 vorgesehen (Übers. S. 5 unten), bei dessen Überschreitung durch das Geschwindigkeitssignal die Oszillationsperiode (Zeitdauer
bis zum Resetimpuls) verlängert wird (Übers. S. 7 f.). Die Veränderung der Oszillationsperiode führt dazu, dass der Aktivierungspegel, d.h. der im Komparator
als Auslösekriterium verwendete Schwellwert, allmählich vom Wert I2 auf den
Wert I2' verändert wird (Übers. S. 8, 2. Abs.). Damit soll erreicht werden, dass
auch dann ein Aktivierungssteuersignal erzeugt wird, wenn kurz vor der Rücksetzung der Integrationsschaltung eine plötzliche Geschwindigkeitsänderung
auftritt (Übers. S. 9). Die Veränderung des Schwellwertes soll mithin nur dem
Umstand Rechnung tragen, dass die voreingestellte Oszillationsperiode dazu
führen kann, dass der Resetimpuls die Integration kritischer Beschleunigungssignale unterbricht, so dass der Schwellwert nicht erreicht wird, obwohl das
Auslösekriterium erfüllt wäre, wenn die Oszillationsperiode später begonnen
hätte (vgl. Übers. S. 4, 1. Abs. a.E.). Der Gedanke, den Schwellwert in Abhängigkeit von einer vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgröße des Fahrzeugs, namentlich von dem (gemittelten) Beschleunigungssignal, zu verändern,
ist der Offenlegungsschrift damit nicht oder allenfalls aus Ex-post-Sicht zu entnehmen. Der Schwellwert wird zwar verändert; dies geschieht jedoch lediglich
zur Anpassung an die veränderte Oszillationsperiode (den veränderten Integrationszeitraum). Hiernach ist aber nicht ersichtlich und wird auch von der
Klägerin nicht aufgezeigt, was den Fachmann, der vor der Frage stand, ob er
die Auslöseschaltung nach der japanischen Gebrauchsmusteranmeldung Sho
63-51 (BK11) verbessern könne, zu einem Rückgriff auf die Offenlegungsschrift
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veranlassen sollte, zumal die Gebrauchsmusteranmeldung bereits über eine
Schwellwertanpassung verfügt und die Auslöseentscheidung nach dieser Lösung gerade, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, auf dem dynamischen
Verlauf des Beschleunigungssignals beruht, hingegen diese Dynamik bei der
Integration des Beschleunigungssignals weitgehend verloren ginge.
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(2) Das Bundespatentgericht ist in seinem zweiten Nichtigkeitsurteil in
dem Verfahren 4 Ni 58/06 (EU) - Xa ZR 68/08 den umgekehrten Weg gegangen und hat es für nahegelegt gehalten, die Vorrichtung nach der japanischen
Offenlegungsschrift Sho 53-16232 (BK15) unter Rückgriff auf die Veröffentlichung der japanischen Gebrauchsmusteranmeldung Sho 63-51 (BK11) fortzuentwickeln. Auch dem vermag der Senat nicht beizutreten.
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Das Patentgericht hat hierzu ausgeführt: Aufgrund der in der Offenlegungsschrift beschriebenen (und vorstehend dargestellten) Veränderung des
Aktivierungspegels sei der Schwellwert mittelbar in Abhängigkeit von der vom
Crashvorgang des Fahrzeugs abgeleiteten Beschleunigung des Fahrzeugs
veränderbar, nämlich vom Wert I2 des integrierten Beschleunigungssignals auf
den höheren Wert I2'. Aus der japanischen Gebrauchsmusteranmeldung Sho
63-51 (BK11) kenne der Fachmann auch die unmittelbare Zuführung des nicht
integrierten Beschleunigungssignals als Schwellwert zum Komparator (und
zwar nach Mittelung und anschließender Addition eines voreingestellten Initialwerts). Der Fachmann wäge bei seinem stetigen Bemühen um eine optimale
Airbagauslösung die beiden bekannten Möglichkeiten zur Schwellwertgenerierung gegeneinander ab und wähle die ihm als geeignet Erscheinende aus. Dies
führe im Streitfall zur Abwandlung der Lösung nach der Offenlegungsschrift im
Sinne der unmittelbaren Anlegung des gemittelten Beschleunigungssignals an
den Komparatoranschluss. Wegen der in der Gebrauchsmusteranmeldung beschriebenen Mittelung erfolge eine Änderung des Schwellwerts zeitlich nicht
unmittelbar nach der Änderung des Beschleunigungssignals, sondern erst nach
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Ablauf des für die Mittelung zu betrachtenden Zeitfensters. Somit sei der als
Auslösekriterium benutzte Schwellwert in Abhängigkeit von der im Crash ablaufenden Zeit veränderbar.
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Was dem Fachmann bei der vom Patentgericht angenommenen Abwägung dazu Veranlassung geben soll, dem Komparator statt des integrierten
Beschleunigungssignals (Geschwindigkeitssignals) ein gemitteltes und zu einem Initialwert hinzugerechnetes Beschleunigungssignal als Schwellwert zuzuführen, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Auch die mündliche Verhandlung hat
hierfür nichts ergeben. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Veränderung des Auslöseschwellwerts - wie vorstehend bereits ausgeführt - bei der
Lösung nach der Offenlegungsschrift den Sinn hat, einer Verlängerung der Oszillationsperiode Rechnung zu tragen. Die Offenlegungsschrift erläutert einleitend, dass sich bei der Aktivierung eines Airbags aufgrund eines Beschleunigungssignals Fehlauslösungen ergeben könnten, weil auf Grund eines mit hoher Geschwindigkeit auftreffenden kleinen Objekts ein Aktivierungssteuersignal
generiert werde. Dem soll durch die Umwandlung in ein Geschwindigkeitssignal
durch Integration des Beschleunigungssignals begegnet werden (Übers. S. 3).
Ausgehend von der Offenlegungsschrift spricht nichts dafür, die - lediglich der
Anpassung an die Oszillationsperiode dienende - Veränderung des Auslöseschwellwerts nicht vom Geschwindigkeitssignal, sondern vom (gemittelten) Beschleunigungssignal abhängig zu machen. Die Mittelung des Beschleunigungssignals hat bei der Gebrauchsmusteranmeldung die gleiche Funktion, die die
deutsche Offenlegungsschrift der Integration des Beschleunigungssignals zuschreibt: Sie vermeidet, dass ein einzelner starker Ausschlag des Beschleunigungssignals zur Auslösung der Rückhaltemittel führt, indem der Auslöseschwellwert aus dem gemittelten Beschleunigungssignal und einem festen
Wert a gebildet wird (vgl. Fig. 2 der Gebrauchsmusteranmeldung). Daraus ergibt sich, dass der Auslöseschwellwert statt eines Schwellwerts für das Geschwindigkeitssignal (Offenlegungsschrift) auch ein Schwellwert für das Be-
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schleunigungssignal (Gebrauchsmusteranmeldung) sein kann. Für eine Veränderung eines Geschwindigkeitsschwellwerts in Abhängigkeit von einem gemittelten Beschleunigungssignal (Patentanspruch 1) ergibt sich daraus ebenso
wenig wie für eine von einer vom Crashvorgang abgeleiteten Zustandsgröße
abhängige Veränderung eines Schwellwerts für ein gewichtetes Geschwindigkeitssignal (Patentansprüche 3 und 4).
ee) Die nachfolgend kurz genannten Veröffentlichungen haben in der
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mündlichen Verhandlung keine Rolle mehr gespielt.
(1) Auf die deutsche Offenlegungsschrift 22 07 831 (BK12) hat sich die
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Klägerin schriftsätzlich nur zum Beleg dafür gestützt, dass die Mittelung und die
Integration des Beschleunigungssignals als nahe liegende Alternativen anzusehen seien.
(2) Die Veröffentlichungen BK20a - c (SAE-Paper 730605, 841218,
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871277) weisen mechanische Aufprallsensoren auf, bei denen eine Trägheitsmasse einen Kontakt schließt, was zur Auslösung von Rückhaltemitteln führt,
und zwar bei einem "harten" Crash früher als bei einem "weichen". Bei den angeführten Veröffentlichungen wird den Trägheitsmassen durch Dämpfungsmittel ein zeitabhängiges nichtlineares Bewegungsverhalten aufgeprägt, um die
Auslösung bei unterschiedlichen Crasharten zu verbessern. Eine Veränderung
der mechanischen Auslöseschwelle findet während eines Crashverlaufs nicht
statt.
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(3) Die Veröffentlichung BK21 (Analysis of Automobile Crash Test Data
and Recommendations for Acquiring and Filtering Accelerometer Data) von
Frank P. DiMasi) befasst sich insbesondere mit dem Herausfiltern von Beschleunigungssignalen, die nicht ursächlich auf einen Crash zurückzuführen
sind. Die Veränderung von Auslöseschwellwerten ist nicht angesprochen.
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4. Die Patentansprüche 3 und 4 haben aus den genannten Gründen mit
Patentanspruch 1 Bestand.
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Mit den Patentansprüchen 1, 3 und 4 haben auch die auf sie zurückbezogenen Unteransprüche Bestand.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m.
§ 97 ZPO.
Meier-Beck
Keukenschrijver
Lemke
Mühlens
Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 02.02.2005 - 4 Ni 37/03 -