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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 81/08
Verkündet am:
13. Januar 2010
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 133, 157 (D, Ga, Ge), 306, 307 (Cb), 310, 315; AVBGasV § 4
a) Zur Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln in Erdgaslieferverträgen mit
Normsonderkunden.
b) Bei Unwirksamkeit einer solchen Preisänderungsklausel tritt weder § 4 AVBGasV
an deren Stelle noch kommt dem Energieversorgungsunternehmen im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Recht zur Änderung des vereinbarten Preises
zu, wenn ihm ein Festhalten am vereinbarten Preis deshalb nicht unzumutbar ist,
weil es sich innerhalb überschaubarer Zeit durch Kündigung vom Vertrag lösen
kann (Bestätigung von BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - VIII ZR 320/07).
BGH, Urteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 81/08 - OLG Hamm
LG Essen
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen
Hermanns, Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger zu 1 bis 143 und 145 bis 181 wird das
Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom
6. März 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die
vorgenannten Kläger betrifft. Die Berufung der Beklagten gegen
das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom
17. April 2007 wird insoweit mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass die Entscheidungsformel des erstinstanzlichen Urteils wie
folgt gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gegenüber den
Klägern zu 1 bis 143 und 145 bis 181 vorgenommenen Erhöhungen der Arbeitspreise für Erdgas zum 1. Oktober 2004, 1. April
2005, 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006 und 1. Oktober 2006 unwirksam sind.
Da der Kläger zu 144 die Revision zurückgenommen hat, wird er
des Rechtsmittels für verlustig erklärt.
Dem Kläger zu 144 fallen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten jeweils zu 1/181 und seine eigenen außergerichtlichen Kosten zur Last. Die übrigen Kosten des
Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
-3-
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen, die
von der Beklagten, einem kommunalen Versorgungsunternehmen, einseitig
vorgenommen wurden. Die Kläger - mit Ausnahme des Klägers zu 144 schlossen spätestens im September 2004 mit der Beklagten Gaslieferverträge
nach den Sonderabkommen SOA1 und SOA2. Die von der Beklagten vorformulierten Bedingungen für das Sonderabkommen lauten auszugsweise wie folgt:
"4. Die Stadtwerke [= Beklagte] behalten sich eine Änderung der Preise und Bedingungen dieses Sonderabkommens vor. Für das Wirksamwerden genügt eine
entsprechende Veröffentlichung in der E.
Tagespresse. Ist der Kunde mit
einer Änderung nicht einverstanden, so kann er das Sonderabkommen mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntmachung folgenden
Monats schriftlich kündigen und eine weitere Belieferung zu den Preisen und Bedingungen der Sondervereinbarung oder als Tarifkunde nach den AVBGasV und
den hierzu jeweils gültigen Anlagen der Stadtwerke und damit insbesondere zu
den "Allgemeinen Tarifen" verlangen. Die vereinbarte Vertragslaufzeit bleibt hiervon unberührt.
5. Soweit in diesem Sonderabkommen nichts anderes vereinbart ist, gelten die
Bestimmungen der AVBGasV entsprechend. …
9. Die Laufzeit dieses Vertrages beträgt - soweit nichts anderes vereinbart - zwei
Jahre; er verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird."
2
Bei Verträgen, die vor 1984 abgeschlossen wurden, haben die Bedingungen für das Sonderabkommen einen geringfügig abweichenden Wortlaut:
"4. Die Stadtwerke behalten sich eine Änderung der Preise und Bedingungen
dieses Sonderabkommens vor. Für das Wirksamwerden genügt eine entsprechende Veröffentlichung in der E.
Tagespresse. Ist der Kunde mit einer
Änderung nicht einverstanden, so kann er das Sonderabkommen fristlos kündi-
-4-
gen und eine weitere Belieferung als Tarifkunde nach den AVBGasV und den
hierzu jeweils gültigen Anlagen der Stadtwerke und damit insbesondere zu den
"Allgemeinen Tarifen" verlangen.
9. Soweit in diesem Sonderabkommen nicht etwas anderes vereinbart ist, gelten
die Bestimmungen der AVBGasV entsprechend. …
10. Dieses Sonderabkommen gilt zunächst bis zum 31. Dezember des auf den
Abschluß folgenden Jahres. Es verlängert sich jeweils um 1 Jahr, wenn es nicht
spätestens 1 Monat vorher schriftlich gekündigt wird."
3
Die Beklagte erhöhte die Arbeitspreise zum 1. Oktober 2004, 1. April
2005, 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006 und 1. Oktober 2006. Dagegen wenden
sich die Kläger mit ihrer Klage. Sie haben beantragt festzustellen, dass die genannten Preiserhöhungen unwirksam sind. Das Landgericht hat der Klage
stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die
Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene
Revision, mit der die Kläger - mit Ausnahme des Klägers zu 144, der die Revision zurückgenommen hat - die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils
erstreben.
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision hat Erfolg.
I.
5
Das Berufungsgericht (OLG Hamm, RdE 2008, 183) hat zur Begründung
seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
-5-
6
Die Klage sei betreffend den Kläger zu 144 mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Für die übrigen Kläger sei das erforderliche Feststellungsinteresse hingegen zu bejahen.
7
Die auf Feststellung der Unwirksamkeit oder Unbilligkeit der Preiserhöhungen gerichtete Klage sei jedoch unbegründet. Zwar seien die Preisanpassungsklauseln in den beiden Fassungen von Ziffer 4 der Bedingungen für das
Sonderabkommen unwirksam. Die Preiserhöhungen seien jedoch nach den
Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung wirksam.
8
Die Preisanpassungsklauseln verstießen gegen § 307 BGB. Sie räumten
der Beklagten das Recht ein, den Gaspreis zu ändern, enthielten jedoch keine
Regelung über Grund und Umfang eines Rechts zur Erhöhung des Gaspreises
oder eine Verpflichtung zur Senkung des Gaspreises. Jedenfalls bei den streitgegenständlichen Gaslieferungsverträgen mit Haushaltskunden sei ein einseitiges Preisänderungsrecht, das keine Einschränkungen, insbesondere keinerlei
Konkretisierung der Preisänderungsfaktoren enthalte, mit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu vereinbaren. Die Formulierung der
Preisanpassungsklauseln erlaube bei kundenfeindlichster Auslegung eine
Preisgestaltung nach freiem Belieben. Die Intransparenz der Preisanpassungsklauseln werde auch nicht durch ein Kündigungsrecht der Kläger ausreichend
kompensiert.
9
Ein Preisanpassungsrecht der Beklagten ergebe sich nicht aus einer vertraglichen Einbeziehung von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, denn die Bestimmungen der AVBGasV sollten nach den Bedingungen für das Sonderabkommen nur
für den Fall zur Anwendung kommen, dass diese Bedingungen keine Regelung
enthielten. Hier sei unter Ziffer 4 der Bedingungen aber eine - wenn auch nach
§ 307 BGB unwirksame - Preisanpassungsklausel vorgesehen.
-6-
10
Die umstrittenen Preiserhöhungen seien jedoch nach den Grundsätzen
der ergänzenden Vertragsauslegung wirksam. Eine durch die Unwirksamkeit
von AGB-Klauseln entstehende Lücke sei nach ständiger Rechtsprechung stets
dann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, wenn die
ersatzlose Streichung der betreffenden Klausel keine interessengerechte Lösung biete und kein dispositives Gesetzesrecht zur Verfügung stehe, das in geeigneter Weise zur Vertragsergänzung herangezogen werden könne. Diese
Voraussetzungen lägen hier vor. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass
die Lücke ausfüllungsbedürftig sei, weil bei langfristigen Verträgen ein anerkennenswertes Bedürfnis bestehe, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis
von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten. Mit der Vereinbarung der - unwirksamen - Preisanpassungsklausel hätten die Parteien auch verdeutlicht, dass nach ihrem Willen der zunächst vereinbarte Lieferpreis nicht für die gesamte Vertragsdauer Gültigkeit
haben sollte, sondern sich im Wege eines angemessenen Wertausgleichs anpassen sollte. Damit seien im Vertrag ausreichende Anhaltspunkte für einen
hypothetischen Parteiwillen gegeben, der nur eine ernsthafte Gestaltungsmöglichkeit zulasse. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien jedenfalls eine
Regelung dahingehend getroffen hätten, dass die Bezugskosten an die Kunden
weiterzugeben seien, mithin eine Preiserhöhung im Rahmen der tatsächlichen
Bezugskostensteigerungen zulässig sei.
11
Die von den Klägern beanstandeten Preiserhöhungen entsprächen dem
im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zugrunde zu legenden Erfordernis der allein zulässigen Weitergabe tatsächlicher Kostensteigerungen an die
Kläger. Die Beklagte habe vorgetragen, dass sie lediglich die Bezugskostenerhöhungen ihrer Vorlieferanten im Rahmen der angegriffenen Gaspreiserhöhungen an die Kläger weitergegeben habe. Ferner habe die Beklagte dargetan,
-7-
dass die Bezugskostensteigerungen nicht durch rückläufige Kosten in anderen
Bereichen hätten ausgeglichen werden können.
II.
12
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die umstrittenen Gaspreiserhöhungen sind unwirksam, weil der Beklagten ein Recht zur einseitigen Änderung des Gaspreises
nicht zusteht. Die Preisanpassungsklauseln in den von der Beklagten vorformulierten Bedingungen für das Sonderabkommen halten einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Der Beklagten ist auch, anders als
das Berufungsgericht meint, nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht zuzubilligen.
13
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die Klage, soweit im
Revisionsverfahren noch von Interesse, als zulässig angesehen. Insbesondere
haben die im Revisionsverfahren noch vertretenen Kläger zu 1 bis 143 und 145
bis 181 ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der mit
der Klage angegriffenen Gaspreiserhöhungen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Auf eine
Leistungsklage können sie schon deshalb nicht verwiesen werden, weil das
Rechtsschutzziel der hier gegebenen negativen Feststellungsklage mit einer
Leistungsklage nicht erreicht werden kann (BGHZ 172, 315, Tz. 10).
14
2. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die von
der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklauseln einer Inhaltskontrolle
gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhalten
und deshalb unwirksam sind.
-8-
15
a) Die Preisanpassungsklauseln in beiden Fassungen der Ziffer 4 der
Bedingungen für das Sonderabkommen sind als Versorgungsbedingungen in
Verträgen eines Gasversorgungsunternehmens mit Sonderkunden (dazu Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, WM 2009, 1717, Tz. 12 ff., und
VIII ZR 56/08, WM 2009, 1711, Tz. 11 ff., jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ
vorgesehen) nicht durch § 310 Abs. 2 BGB der Inhaltskontrolle gemäß § 307
BGB entzogen (BGHZ 138, 118, 123 zu den Vorgängerregelungen in § 23
Abs. 2 Nr. 2 und § 9 AGBG). Sie unterliegen gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB
als Preisnebenabreden der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (st.
Rspr., vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 18, und
VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 17, jeweils m.w.N.). Dieser Inhaltskontrolle halten sie
nicht stand.
16
b) Die mit der Klage angegriffenen Preisanpassungsklauseln benachteiligen die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
17
Zwar stellt eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag, die das
im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4
Abs. 1 und 2 AVBGasV (dazu BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 176, 244, Tz. 26; 178,
362, Tz. 26) unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also davon
nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar
(Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 19 f., 21; vgl. auch
Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 23, zu § 5 Abs. 2
GasGVV). Die von der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklauseln enthalten aber, anders als die Revisionserwiderung geltend macht, keine unveränderte Übernahme der Regelungen des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, die im Zeitpunkt der umstrittenen Gaspreiserhöhungen noch Geltung hatten (außer Kraft
-9-
getreten am 8. November 2006 nach Art. 4 der Verordnung zum Erlass von Regelungen des Netzanschlusses von Letztverbrauchern in Niederspannung und
Niederdruck vom 1. November 2006, BGBl. I S. 2477).
18
Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt, dass
das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens nach § 4 AVBGasV mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt
einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den
Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem
Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009
- VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29). Diesen
Anforderungen werden die umstrittenen Preisanpassungsklauseln - jedenfalls in
der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 19) nicht gerecht.
19
Denn die in beiden Fassungen von Ziffer 4 der Bedingungen für das Sonderabkommen verwendete Formulierung "Die Stadtwerke [= Beklagte] behalten
sich eine Änderung der Preise … vor" lässt eine Auslegung zu, nach der die
Beklagte zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, nach gleichlaufenden Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten eine Preisanpassung unabhängig davon
vorzunehmen, in welche Richtung sich die Gasbezugskosten seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt haben. Mangels anderweitiger vertraglicher Vorgaben hat die Beklagte damit die Möglichkeit, den
Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem sie von dem Preisänderungsrecht Gebrauch
macht, und durch die Wahl des Preisanpassungstermins erhöhten Bezugskosten umgehend, niedrigeren Bezugskosten jedoch nicht oder erst mit zeitlicher
- 10 -
Verzögerung durch eine Preisänderung Rechnung zu tragen (vgl. BGHZ 176,
244, Tz. 20 f.; Senatsurteile vom 15. Juli 2009, aaO, jeweils Tz. 29; vom 28.
Oktober 2009, aaO, Tz. 27). Dies verschafft der Beklagten die Möglichkeit einer
ungerechtfertigten Erhöhung ihrer Gewinnspanne (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 18;
Senatsurteil vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 25).
20
c) Die darin liegende unangemessene Benachteiligung der Kunden der
Beklagten wird nicht durch das den Kunden der Beklagten für den Fall der
Preisänderung in beiden Fassungen von Ziffer 4 der Bedingungen des Sonderabkommens eingeräumte Kündigungsrecht ausgeglichen (vgl. insoweit Senatsurteil vom 13. Dezember 2006, aaO, Tz. 27; vgl. ferner BGHZ 180, 257, Tz. 36
f.; BGH, Urteile vom 15. November 2007 - III ZR 247/06, WM 2008, 308, Tz. 34;
jeweils m.w.N.). Insofern erscheint schon zweifelhaft, ob es sich angesichts der
in beiden Fassungen enthaltenen zusätzlichen Formulierungen überhaupt um
ein vollwertiges Kündigungsrecht handelt. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung durch den Senat.
21
aa) Denn ein angemessener Ausgleich der mit den Preisänderungsklauseln verbundenen Nachteile durch ein Kündigungsrecht würde zumindest voraussetzen, dass der Kunde vorab über die beabsichtigte Preiserhöhung informiert wird und sich vom Vertrag lösen kann, bevor sie wirksam wird (Senatsurteil vom 13. Dezember 2006, aaO, Tz. 30 m.w.N.). Daran fehlt es hier, weil eine
rechtzeitige Information des Kunden, die es ihm ermöglicht, vor Wirksamwerden
der Preisänderung zu kündigen, bei der in beiden Fassungen von Ziffer 4 der
Bedingungen des Sonderabkommens vorgesehenen Veröffentlichung der
Preisänderungen in der E.
Tagespresse nicht hinreichend sichergestellt
ist (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 32 f., und
vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 34).
- 11 -
22
bb) Ferner scheitert ein angemessener Ausgleich der Benachteiligung
durch Einräumung eines Sonderkündigungsrechts hier schon daran, dass die
Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in dem Zeitraum, in
dem die umstrittenen Preisänderungen stattgefunden haben, eine faktische
Monopolstellung innehatte, weil es im fraglichen Zeitraum keinen weiteren Gasversorger für Haushaltskunden in E.
gab. Das Kündigungsrecht stellte des-
halb für die Mehrzahl der Kunden der Beklagten, die entweder an die Entscheidung des Vermieters für den Heizenergieträger Gas gebunden sind oder selbst
die Entscheidung dafür getroffen und entsprechende Investitionen getätigt haben, keine echte Alternative dar, weil sie dann nur die Möglichkeit hätten, sich
von der Beklagten zu dem (regelmäßig teureren) Allgemeinen Tarif mit Gas beliefern zu lassen (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO,
Tz. 34, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 35).
23
3. Die Revisionserwiderung macht geltend, dass die Unwirksamkeit der
von der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklauseln jedenfalls zu einer
entsprechenden Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV auf die Belieferung von Sonderkunden führen müsse. Dem kann nicht gefolgt werden.
24
a) Die in Ziffer 5 (bei Verträgen, die vor 1984 geschlossen wurden: Ziffer
9) der Bedingungen des Sonderabkommens enthaltene Verweisung auf die
AVBGasV führt nicht zu einer Anwendbarkeit des im Verhältnis zu Tarifkunden
gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV bestehenden Preisänderungsrechts des
Gasversorgungsunternehmens. Denn die Verträge enthalten in Ziffer 4 jeweils
eine eigenständige Vereinbarung zur Preisanpassung, die sich als abschließende Regelung darstellt. Eine ergänzende oder (für den Fall der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel) hilfsweise Anwendbarkeit von § 4 Abs. 1 und
2 AVBGasV lässt sich der ausgesprochenen Verweisung nicht, zumindest nicht
mit der erforderlichen Klarheit, entnehmen.
- 12 -
25
b) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen - hier die formularmäßigen
Preisänderungsklauseln - nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam,
so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam
und richtet sich sein Inhalt gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen
Vorschriften. § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zählt schon deshalb nicht zu den an
die Stelle der unwirksamen Preisanpassungsklausel tretenden gesetzlichen
Vorschriften, weil es sich bei den Klägern jeweils um Sonderkunden und nicht
um Tarifkunden im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV handelt. Auch eine entsprechende Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV auf die zwischen den Parteien bestehenden Sonderkundenverträge kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 - VIII ZR 320/07, aaO, Tz. 41 f.).
26
4. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Beklagten
auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisänderungsrecht zuzubilligen.
27
Zwar zählen zu den gemäß § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften auch
die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75 zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 2 AGBG; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36). Eine ergänzende
Vertragsauslegung kommt aber nur dann in Betracht, wenn sich die mit dem
Wegfall einer unwirksamen Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives
Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das
Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt (BGHZ 90, 69,
77 f.; 137, 153, 157; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO,
Tz. 36). Das ist hier, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht der Fall.
- 13 -
28
Gemäß Ziffer 9 der Bedingungen für das Sonderabkommen steht der
Beklagten das Recht zu, sich jeweils mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von zwei Jahren und sodann zum
Ablauf der um je ein Jahr verlängerten Vertragslaufzeit vom Vertrag zu lösen.
Bei Verträgen, die vor 1984 geschlossen wurden, endete gemäß Ziffer 10 der
Bedingungen die Mindestvertragslaufzeit spätestens am 31. Dezember 1984;
die Vertragslaufzeit verlängert sich bei diesen Verträgen ebenfalls um je ein
Jahr, die Kündigungsfrist beträgt einen Monat. Wenn die Beklagte für diese
Zeiträume an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden bleibt, so führt bereits dies nicht ohne Weiteres zu einem die ergänzende Vertragsauslegung gebietenden unzumutbaren Ergebnis (vgl. BGHZ 176, 244, Tz. 33; BGHZ 179,
186, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 37; vom
28. Oktober 2009 - VIII ZR 320/07, aaO, Tz. 45).
29
Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend macht, es sei mit
Rückforderungsansprüchen von Sonderkunden der Beklagten in erheblicher
Höhe zu rechnen, die zu einer Existenzbedrohung für die Beklagte führen könnten, zeigt sie entsprechenden Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen nicht auf,
obwohl dazu Anlass bestanden hätte, nachdem das Landgericht die Preisanpassungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen hat. Es
kann deshalb offen bleiben, ob ein sich aus dem Abschluss einer Vielzahl gleich
lautender Verträge ergebender wirtschaftlicher Nachteil überhaupt geeignet
sein kann, eine nicht mehr hinnehmbare einseitige Verschiebung des im Individualprozess zu beurteilenden konkreten Vertragsgefüges zulasten des Verwenders zu begründen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07,
aaO, Tz. 37).
- 14 -
Da es somit schon an den Voraussetzungen für eine ergänzende Ver-
30
tragsauslegung fehlt, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Art und Weise der Vertragsergänzung.
III.
31
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es
ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil keine weiteren Feststellungen erforderlich sind und die Sache
damit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da sich die Feststellungsklage der Kläger zu 1 bis 143 und 145 bis 181 als begründet erweist, ist
die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.
Ball
Hermanns
Dr. Fetzer
Dr. Milger
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 17.04.2007 - 19 O 520/06 OLG Hamm, Entscheidung vom 06.03.2008 - 2 U 114/07 -