Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/viii_zr_261-15.pdf.txt
2023-03-06 15:36:57 +01:00

371 lines
No EOL
19 KiB
Text
Raw Blame History

This file contains invisible Unicode characters

This file contains invisible Unicode characters that are indistinguishable to humans but may be processed differently by a computer. If you think that this is intentional, you can safely ignore this warning. Use the Escape button to reveal them.

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 261/15
Verkündet am:
24. August 2016
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b, § 569 Abs. 3 Nr. 2
Ist durch Auflauf eines Rückstands in der in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a oder
Nr. 3 Buchst. b BGB genannten Höhe ein Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses entstanden, wird dieses nach § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB
nur durch eine vollständige Zahlung des Rückstandes vor Zugang der Kündigung
ausgeschlossen (Bestätigung des Senatsurteils vom 14. Juli 1970 - VIII ZR 12/69,
ZMR 1971, 27, unter II 4).
Nach § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB wird die Kündigung des Vermieters nur unwirksam,
wenn durch unverzügliche Aufrechnung die gesamten Rückstände getilgt werden.
Die Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB setzt eine vollständige Tilgung
der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a BGB innerhalb der
dort genannten Frist voraus.
ECLI:DE:BGH:2016:240816UVIIIZR261.15.0
-2-
HeizkostenV §§ 9, 9a; BGB § 556 Abs. 3
Für die formelle Ordnungsgemäßheit einer Heizkostenabrechnung ist es ohne Bedeutung, ob die der Abrechnung zugrunde gelegten Verbrauchswerte auf abgelesenen Messwerten oder auf einer Schätzung beruhen und ob eine vom Vermieter vorgenommene Schätzung den Anforderungen des § 9a HeizkostenV entspricht. Es bedarf deshalb weder einer Erläuterung, auf welche Weise eine Schätzung vorgenommen wurde noch der Beifügung von Unterlagen, aus denen der Mieter die Schätzung
nachvollziehen kann (Bestätigung des Senatsurteils vom 12. November 2014
- VIII ZR 112/14, NJW 2015, 406 Rn. 18).
BGH, Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 261/15 - LG Bonn
AG Bonn
-3-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger sowie die Richter
Dr. Achilles, Dr. Schneider, Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer
des Landgerichts Bonn vom 12. November 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Beklagte ist seit dem Ende des Jahres 1997 Mieter einer Wohnung
in B.
, die zu einer Wohnanlage mit 21 Wohneinheiten gehört. Die Klägerin ist
durch Eigentumserwerb am 30. April 2004 in das Mietverhältnis eingetreten.
2
Bis zum Ende des Jahres 2012 betrug die monatliche Kaltmiete für die
52,72 qm große Wohnung 296,56 € zuzüglich einer monatlichen Vorauszahlung
für Betriebskosten in Höhe von 65,93 €. Die Wohnung verfügte damals nur über
eine Gasetagenheizung. Der Beklagte rechnete seinen Warmwasser- und Heizungsverbrauch in dieser Zeit unmittelbar mit dem privaten Versorger ab.
-4-
3
In den Jahren 2011 und 2012 führte die Klägerin umfangreiche energetische Sanierungsmaßnahmen durch, wobei unter anderem eine zentrale
Heizungsanlage eingebaut und die Fenster erneuert wurden. Nach Abschluss
der Arbeiten begehrte sie eine Erhöhung der Grundmiete um 125,36 € auf
421,92 € sowie (neben den bisherigen monatlichen Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 56,93 €) zusätzlich monatliche Heiz- und Warmwasserkostenvorauszahlungen in Höhe von 70,68 €. Für die Zeit ab 1. Januar 2015 ermäßigte die Klägerin nach einer Abrechnung den monatlichen Betriebskostenvorschuss auf 37 € und den Heiz- und Warmwasserkostenvorschuss auf 45 €.
4
Der Beklagte hielt die Mieterhöhung nicht für gerechtfertigt und zahlte in
der Folgezeit nur einen Teil der nunmehr geforderten Miete.
5
Mit Schreiben vom 16. Juli 2014 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis
wegen Zahlungsverzugs fristlos und hilfsweise ordentlich. Sie bezifferte die
Rückstände darin auf 1.782,04 €, wobei ein Betrag von 220,11 € auf eine (restliche) Nachforderung aus der Heiz- und Wasserkostenabrechnung 2012/2013
entfiel. Bereits mit Schreiben vom 10. Juli 2014 hatte die Klägerin eine Verrechnung der Guthaben und Forderungen aus verschiedenen Nebenkostenabrechnungen vorgenommen und dabei zu Lasten des Beklagten eine Nachforderung
in Höhe von 588,80 € aus der Heizkostenabrechnung 2011/2012 sowie in Höhe
von 432,78 € aus der Heizkostenabrechnung 2012/2013 eingestellt sowie zu
seinen Gunsten eine Abschlagszahlung vom 21. Oktober 2013 in Höhe von
300 €, Gutschriften in Höhe von 83,95 € und 131,40 € sowie ein Guthaben aus
der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2012 in Höhe von 286,12 € berücksichtigt. Nach Verrechnung der vorgenannten Forderungen verblieb die genannte Restforderung in Höhe von 220,11 €.
-5-
6
Mit Schreiben vom 27. Januar 2015 erklärte die Klägerin erneut die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs und stützte
die Klage mit Schriftsatz vom 29. Januar 2015 auch auf diese Kündigung, die
mit einem von der Klägerin errechneten Zahlungsrückstand in Höhe von
1.381,37 € aus der Zeit von Januar 2013 bis Dezember 2014 begründet war.
7
Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht
hat sie unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
8
Die Revision hat Erfolg.
I.
9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die Räumungsklage sei unbegründet, weil die von der Klägerin erklärten
Kündigungen das Mietverhältnis nicht beendet hätten. Die fristlose Kündigung
vom 16. Juli 2014 sei unwirksam. Zwar habe ein Mietrückstand in Höhe von
1.561,93 €, mithin von (mehr als) zwei Bruttomonatsmieten (2 x 558,53 € =
1.117,06 €), bestanden beziehungsweise von 1.424,73 €, wenn berücksichtigt
werde, dass die Heizkostenvorauszahlung ab Dezember 2013 durch ein wirksames Anpassungsverlangen des Beklagten nach § 560 Abs. 4 BGB von
70,68 € auf 53,53 € verringert worden sei.
-6-
11
Der Beklagte habe aber seinerseits Gegenforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2011 und 2012 in Höhe von insgesamt
501,47 € gehabt, nämlich eine Gutschrift in Höhe von 83,95 € aus der Betriebskostenabrechnung 2011 sowie weitere Guthaben beziehungsweise Gutschriften
in Höhe von 131,40 € und 286,12 € aus der Betriebskostenabrechnung für das
Jahr 2012.
12
Mit dem Betrag von 83,95 € habe er schon in dem vorangegangenen
Rechtsstreit die Aufrechnung erklärt und mit den Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung 2012 in der Klageerwiderung vom 10. September 2014. Diese Guthaben hätten dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt auch als aufrechenbare Gegenforderungen zugestanden.
13
Zwar habe die Klägerin ihrerseits schon zuvor, nämlich am 10. Juli 2014,
gegen diese Guthaben die Aufrechnung mit Nachforderungen aus den Heizkostenabrechnungen 2011/2012 (588,80 €) und 2012/2013 (432,78 €) erklärt. Die
Aufrechnung der Klägerin sei indes ins Leere gegangen, weil ihr die Nachforderungen mangels formeller Ordnungsgemäßheit der genannten Heizkostenabrechnungen nicht zugestanden hätten. Denn die Klägerin habe in der Abrechnung lediglich mitgeteilt, dass sie auf einer "Schätzung am Durchschnitt der
Liegenschaft" beruhe. Die Klägerin hätte aber zumindest angeben müssen,
dass sowohl der Gesamtverbrauch des Mehrparteienhauses als auch der Verbrauch in der Wohnung des Beklagten anhand der in einem Teil der Wohneinheiten durchgeführten Messungen geschätzt worden seien.
14
Angesichts der wirksamen Aufrechnung des Beklagten mit Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 501,47 € habe der Mietrückstand nur noch
1.060,46 € betragen und somit die Höhe von zwei Monatsmieten gemäß § 543
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB nicht erreicht.
-7-
15
Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 16. Juli 2014 sei
unwirksam. Zwar sei ein Mietrückstand zunächst in Höhe von 1.424,73 € zugrunde zu legen; hiervon seien jedoch wiederum die Aufrechnungsbeträge von
insgesamt 501,47 € abzuziehen. Außerdem habe der Beklagte wegen der formell nicht ordnungsgemäßen Heizkostenabrechnung keine Kosten für Heizung
und Warmwasser geschuldet, so dass ihm angesichts geleisteter Vorauszahlungen und einer erbrachten Abschlagszahlung für die Jahre 2011/2012 und
2012/2013 Guthaben in Höhe von 226,49 € und 154,48 € zugestanden hätten.
Diese seien bei der Beurteilung einer erheblichen Pflichtverletzung des Beklagten zu berücksichtigen, auch wenn er insoweit keine Aufrechnung erklärt habe.
16
Die fristlose Kündigung der Klägerin vom 27. Januar 2015 habe das
Mietverhältnis gleichfalls nicht beendet. Der Rückstand von zunächst
1.510,90 € sei wiederum um die Aufrechnungsbeträge von insgesamt 501,47 €
sowie um das Guthaben von 378,89 € aus der Betriebskostenabrechnung 2012
zu vermindern, das die Klägerin bei der Kündigung selbst verrechnet habe.
Damit sei der relevante Kündigungsrückstand von zwei Monatsmieten nicht
mehr erreicht. Bei der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung seien erneut
die bereits genannten Gegenforderungen des Beklagten in Höhe von 226,49 €
und 154,48 € bei der Abwägung zu berücksichtigen. Der verbleibende Rückstand genüge nicht für eine erhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 573
Abs. 1 Nr. 1 BGB.
17
Da die von der Klägerin erklärten Kündigungen somit ohnehin unwirksam
seien, komme es auf die Frage einer berechtigten Mietminderung des Beklagten nicht mehr an.
-8-
II.
18
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Wirksamkeit der von der
Klägerin mit Schreiben vom 16. Juli 2014 und 27. Januar 2015 erklärten Kündigungen und dementsprechend auch die Begründetheit des auf diese Kündigungen gestützten Räumungs- und Herausgabeanspruchs (§ 546 Abs. 1 BGB)
nicht verneint werden.
19
1. Das Berufungsgericht legt für den Zeitpunkt der Kündigung vom
16. Juli 2014 zunächst - bei Berücksichtigung einer wirksamen Herabsetzung
der Heizkostenvorauszahlungen ab Dezember 2013 - einen Mietrückstand in
Höhe von 1.424,73 € zugrunde; dies lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen
und wird von der Revision auch nicht beanstandet. Hiervon ist noch der Betrag
von 83,95 € (unstreitiges Guthaben/Gutschrift aus der Betriebskostenabrechnung 2011) abzuziehen, mit dem der Beklagte nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts bereits im Vorprozess die Aufrechnung erklärt hat. Es verbleibt dann im Zeitpunkt der Erklärung der Kündigung vom 16. Juli 2014 ein
Mietrückstand in Höhe von 1.340,78 €, der den Betrag von zwei Monatsmieten
übersteigt und die Klägerin somit gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b
BGB zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigte. Anders als das
Berufungsgericht offenbar meint, kommt es nicht darauf an, ob ein Rückstand in
der nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB vorausgesetzten Höhe auch
noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Räumungsklage besteht.
20
2. Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB liegt ein wichtiger
Grund für die Kündigung des Mietverhältnisses insbesondere dann vor, wenn
der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt,
-9-
mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Dies ist hier angesichts einer monatlichen Miete von
558,53 € und eines über einen längeren Zeitraum aufgelaufenen Mietrückstands von 1.340,78 € der Fall, wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht
verkannt hat.
21
Das Berufungsgericht hat allerdings nicht berücksichtigt, dass eine nach
§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB grundsätzlich gerechtfertigte Kündigung nur unter bestimmten, vom Gesetz im Einzelnen aufgeführten Voraussetzungen ausgeschlossen ist oder unwirksam wird.
22
a) Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine Kündigung nach Satz 1 Nr. 3
ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher - das heißt vor dem Zugang der
Kündigung - befriedigt wird. Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB wird die Kündigung unwirksam, wenn sich der Schuldner von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung
erklärt. Schließlich wird die Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch dann
unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten
nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der
fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (sogenannte Schonfristzahlung).
23
b) Sämtliche genannten Vorschriften setzen allerdings, was das Berufungsgericht verkannt hat, eine vollständige Befriedigung des Vermieters voraus
(vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1970 - VIII ZR 12/69, ZMR 1971, 27 unter II 4 [zu
§ 554 BGB aF als der wortgleichen Vorgängervorschrift des § 543 Abs. 2 Satz 2
und 3 BGB]; Senatsbeschluss vom 26. Juli 2004 - VIII ZB 44/03, WuM 2004,
547 unter II. 3 [zur Schonfristzahlung]; OLG Köln, ZMR 1998, 763, 766 [zu
- 10 -
§ 554 Abs. 1 Satz 3 BGB aF]; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2014,
§ 543 Rn. 63, 66 sowie § 569 Rn. 42), an der es vorliegend fehlt.
Denn durch die Aufrechnung mit den Beträgen von 131,40 € und
24
288,12 € (ihre Wirksamkeit vorausgesetzt) verminderte sich der oben genannte
Mietrückstand von 1.340,78 € nur auf einen Betrag in Höhe von 921,26 €, so
dass von einer auch nur annähernd vollständigen Befriedigung des Vermieters
nach § 543 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB oder gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht
die Rede sein kann. Davon abgesehen hat der Beklagte die Aufrechnung gegenüber den mit der Kündigung vom 16. Juli 2014 bezeichneten Mietrückständen erst in der Klageerwiderung vom 20. September 2014 und deshalb nicht,
wie in § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB verlangt, unverzüglich erklärt.
25
c) Auch die Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten hätten die
aufgerechneten Gegenforderungen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung
noch zugestanden, weil die zuvor erklärte Aufrechnung der Klägerin mit Heizkostennachforderungen ins Leere gegangen sei, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
26
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheiterten die von der
Klägerin zur Aufrechnung gestellten Nachforderungen aus den Heizkostenabrechnungen der Klägerin für die Jahre 2011/2012 und 2012/2013 nicht daran,
dass die Abrechnungen mangels näherer Angaben zu dem durchgeführten
Schätzverfahren aus formellen Gründen unwirksam gewesen wären.
27
Wie der Senat bereits entschieden und auch das Berufungsgericht - zumindest im Ansatz - nicht verkannt hat, muss der Vermieter nicht bereits auf der
Ebene der formellen Ordnungsgemäßheit darlegen und erläutern, auf welche
Weise er bei unterbliebener Verbrauchsablesung die als Verbrauchswerte dieser Wohnung angesetzten Werte im Einzelnen ermittelt beziehungsweise wel-
- 11 -
ches Verfahren er gemäß § 9a HeizkostenV angewendet hat. Für die formelle
Ordnungsgemäßheit einer Heizkostenabrechnung ist es ohne Bedeutung, ob
die dort für den jeweiligen Mieter angesetzten Kosten auf abgelesenen Messwerten oder einer Schätzung beruhen und ob eine eventuell vom Vermieter
vorgenommene Schätzung den Anforderungen des § 9a HeizkostenV entspricht
(Senatsurteil vom 12. November 2014 - VIII ZR 112/14, NJW 2015, 406
Rn. 18).
28
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dann allerdings die genannten
Grundsätze dieser Senatsrechtsprechung nicht angewendet und gemeint, die
von der Klägerin im Wege der Schätzung auf der Grundlage des Durchschnittsverbrauchs des Gebäudes vorgenommene Abrechnung sei aus formellen
Gründen unwirksam, weil in ihr nicht angegeben sei, dass der Durchschnittsverbrauch des Gebäudes und der Wohnung des Beklagten geschätzt worden
seien. Es hätte einer Erläuterung bedurft, dass es sich bei dem als Gesamtverbrauch angegebenen Wert um den durchschnittlichen Verbrauch gehandelt habe, der auf der Grundlage des erfassten Verbrauchs von acht der zehn
Wohneinheiten ermittelt worden sei. Damit hat das Berufungsgericht zu weitgehende Anforderungen an die formelle Ordnungsgemäßheit einer Heizkostenabrechnung gestellt.
29
2.
Die
unzutreffende
Beurteilung
der
Heizkostenabrechnungen
2011/2012 und 2012/2013 betrifft sämtliche Kündigungen der Klägerin. Denn
das Berufungsgericht hat jeweils angenommen, dass der Klägerin die Nachforderungen aus diesen Abrechnungen schon wegen formeller Mängel nicht zugestanden habe, so dass ihre Aufrechnung ins Leere gegangen und die später
vom Beklagten mit den Betriebskostenguthaben erklärte Aufrechnung wirksam
gewesen sei und den kündigungsrelevanten Mietrückstand reduziert habe.
- 12 -
30
Bei der Beurteilung der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen
hat das Berufungsgericht zudem zu Unrecht weitere Guthaben des Beklagten
zugrunde gelegt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt aus den
(vermeintlich) unwirksamen Heizkostenabrechnungen 2011/2012 und 2012/
2013 nicht, dass der Beklagte nunmehr seine für diese Jahre erbrachten
Vorauszahlungen insoweit zurückfordern könne. Zum einen liegen die vom Berufungsgericht bejahten formellen Abrechnungsmängel, wie bereits ausgeführt,
nicht vor. Zum anderen kann der Mieter, dem innerhalb der Abrechnungsfrist
keine oder nur eine aus formellen Gründen unwirksame Abrechnung erteilt
worden ist, im fortbestehenden Mietverhältnis nach der Rechtsprechung des
Senats (vgl. Senatsurteile vom 29. März 2006 - VIII ZR 191/05, NJW 2006,
2552, Rn. 12 ff.; vom 26. September 2012 - VIII ZR 315/11, NJW 2012, 3508
Rn. 9; Senatsbeschluss vom 22. Juni 2010 - VIII ZR 288/09, NZM 2010, 857
Rn. 3 f.) nicht die erbrachten Vorauszahlungen zurückfordern, sondern nur die
laufenden Vorauszahlungen einbehalten (§ 273 BGB), um auf den Vermieter
Druck zur Vorlage einer wirksamen Abrechnung auszuüben.
III.
31
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund seiner
Rechtsauffassung folgerichtig - offen gelassen hat, ob die Miete wegen Mängeln gemindert war und der Mietrückstand sich dadurch weiter reduziert hat;
dem Berufungsurteil lässt sich insoweit schon nicht entnehmen, welche Mängel
der Beklagte geltend gemacht und welche Minderung er beansprucht hat. Für
die Beurteilung der Kündigung vom 27. Januar 2015 dürfte es zudem auf die
- 13 -
materielle Berechtigung der Heizkostennachforderungen der Klägerin ankommen, zu der das Berufungsgericht gleichfalls keine Feststellungen getroffen hat.
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Bünger
Dr. Schneider
Kosziol
Vorinstanzen:
AG Bonn, Entscheidung vom 23.03.2015 - 201 C 324/14 LG Bonn, Entscheidung vom 12.11.2015 - 6 S 79/15 -