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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 122/03
Verkündet am:
22. Dezember 2003
Potsch,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
Ein Berufungsurteil, das keine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen enthält, unterliegt im Revisionsverfahren grundsätzlich von Amts wegen der Aufhebung
und Zurückverweisung.
BGH, Urteil vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 122/03 - LG Wiesbaden
AG Idstein
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 26. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer
des Landgerichts Wiesbaden vom 3. April 2003 aufgehoben.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts Idstein vom 5. Dezember 2002 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Zugleich hat es die Revision zugelassen. Das Berufungsurteil enthält weder
eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen
Urteil noch eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen; auch die
Berufungsanträge gibt es nicht wieder. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin,
unter Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils nach ihren Schlußanträgen in der Berufungsinstanz zu erkennen; hilfsweise beantragt sie, die Sache
-3-
zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagten hätten die mit der
Klägerin geschlossenen Vereinbarungen wirksam nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWiG
widerrufen. Bei der Rheinland-Pfalz-Ausstellung 2001 habe es sich ausweislich
des von den Beklagten vorgelegten Veranstaltungsprogramms um eine Freizeitveranstaltung im Sinne dieser Regelung gehandelt.
II.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es mangels jeder tatbestandlichen Darstellung und mangels Wiedergabe der Berufungsanträge eine revisionsrechtliche Nachprüfung nicht zuläßt.
1. Auf das Berufungsverfahren ist die Zivilprozeßordnung in der seit dem
1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht am 21. November 2002 geschlossen worden ist (§ 26
Nr. 5 EGZPO). Demgemäß gilt für den Inhalt des Berufungsurteils § 540 ZPO.
Danach bedarf dieses zwar keines Tatbestandes. An dessen Stelle muß das
Berufungsurteil jedoch die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen
enthalten (§ 540 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Mangelt es daran, fehlt dem Berufungsurteil
-4-
die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach § 545, § 559 ZPO erforderliche
tatsächliche Beurteilungsgrundlage. In einem solchen Fall ist das Berufungsurteil grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (BGH, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02,
NJW-RR 2003, 1290, unter II 1 b m.w.Nachw.; ferner Zöller/Gummer/Heßler,
ZPO, 24. Aufl., § 540 Rdnr. 6; Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 540
Rdnr. 8). Von der Aufhebung und Zurückverweisung kann ausnahmsweise nur
dann abgesehen werden, wenn sich die notwendigen tatsächlichen Grundlagen
der Entscheidung hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen ergeben. Damit
gilt bei einer Verletzung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nichts anderes als nach
bisherigem Zivilprozeßrecht in dem Fall, daß das Berufungsurteil entgegen
§ 543 ZPO a.F. keinen Tatbestand aufwies (vgl. dazu BGHZ 73, 248; BGH,
Urteil vom 1. Februar 1999 - II ZR 176/97, WM 1999, 871 unter I 1 m.w.Nachw.;
ferner Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - VIII ZR 205/02, NJW-RR 2003,
1006, Senatsurteil vom 1. Oktober 2003 - VIII ZR 326/02, zur Veröffentlichung
bestimmt, unter II 2; Senatsurteil vom 12. November 2003 - VIII ZR 360/02,
jew.m.w.Nachw.).
Hier enthält das Berufungsurteil weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil noch eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen. Die tatsächliche Grundlage der Entscheidung ergibt sich auch nicht hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen.
Diesen läßt sich bereits nicht entnehmen, was die Klägerin mit ihrer Klage begehrt und was Inhalt der nicht näher bezeichneten Vereinbarungen der Parteien
ist. Eine revisionsrechtliche Nachprüfung des Berufungsurteils ist daher mangels tatbestandlicher Beurteilungsgrundlage nicht möglich. Letztlich bleibt auch
unklar, was Gegenstand der Klageabweisung ist.
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2. Nichts anderes gilt, wenn das Berufungsurteil die Berufungsanträge
nicht wiedergibt. § 540 ZPO macht dies nicht entbehrlich. Das trifft selbst dann
zu, wenn das Berufungsurteil ordnungsgemäß auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug nimmt. Diese Verweisung kann sich nicht auf die in der
zweiten Instanz gestellten Anträge erstrecken. Daher sind auch die Berufungsanträge wörtlich oder zumindest sinngemäß in das Berufungsurteil aufzunehmen (BGH, Senatsurteil vom 26. Februar 2002 - VIII ZR 262/02, NJW 2003,
1743, zur Aufnahme in BGHZ bestimmt; Senatsurteil vom 7. Mai 2003 - VIII ZR
340/02, nicht veröffentlicht, jew.m.w.Nachw.; Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR
392/02, NJW-RR 2003, 1290 unter II 1 a).
Auch daran fehlt es hier. Das angefochtene Berufungsurteil gibt die Berufungsanträge der Parteien weder ausdrücklich noch sinngemäß wieder. Daher könnte über den Hauptantrag der Revision, unter Aufhebung des Berufungsurteils nach den Schlußanträgen der Klägerin in der Berufungsinstanz zu
erkennen, selbst dann nicht entschieden werden, wenn das Berufungsurteil im
übrigen eine ausreichende tatbestandliche Beurteilungsgrundlage bieten würde,
was nach den vorstehenden Ausführungen (unter II 1) jedoch nicht der Fall ist.
Dr. Deppert
Dr. Hübsch
Wiechers
Dr. Leimert
Dr. Wolst