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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 176/09
Verkündet am:
22. Juli 2010
Boppel,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1
Ein vor der Mängelbeseitigung geltend gemachter Anspruch auf Schadensersatz
statt der Leistung wegen der Mängel an einem Bauwerk umfasst nicht die auf die
voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten entfallende Umsatzsteuer.
BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09 - OLG München
LG München II
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter Bauner, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Halfmeier und den
Richter Leupertz
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 28. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 29. September 2009 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts
München II vom 20. April 2009 teilweise abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Beklagten 1.186,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 3. Juli 2008 zu zahlen. Die
weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Beklagte 82 % und die Kläger als Gesamtschuldner 18 %.
Der Beklagte trägt die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens des Landgerichts München II -
.
Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
-3-
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten darüber, ob ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten einen Betrag für Umsatzsteuer umfasst.
2
Die Kläger erwarben von dem Beklagten ein von diesem zu errichtendes
Einfamilienhaus. Abnahme und Übergabe erfolgten am 14. Dezember 2002.
Zuletzt stand ein Restwerklohnanspruch des Beklagten in Höhe von 10.591 €
offen. Die Kläger erklärten gegenüber diesem Anspruch die Aufrechnung mit
einem Schadensersatzanspruch wegen baulicher Mängel des Hauses. Diese
sind im Verlauf des Rechtsstreits unstreitig geworden; ihre bisher nicht erfolgte
Beseitigung erfordert einen Betrag von 9.405 € netto.
3
Die Kläger sind der Auffassung, ihr Schadensersatzanspruch betrage
insgesamt unter Berücksichtigung der auf die für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten zu zahlenden Umsatzsteuer von 19 % 11.191,95 € (9.405 € +
1.786,95 €), so dass der Restwerklohnanspruch insgesamt, also nicht nur in
Höhe von 9.405 €, durch die Aufrechnung erloschen sei.
4
Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass dem Beklagten gegen die Kläger keine einredefreien "Kaufpreisansprüche aus dem Kaufvertrag"
der Parteien mehr zustehen. Die Widerklage des Beklagten auf Zahlung eines
Restwerklohns in Höhe von 6.686 € nebst Zinsen hat es abgewiesen. Die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der Feststellungsklage und die
Verurteilung der Kläger zur Zahlung von noch 1.186 € nebst Zinsen begehrt hat,
ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte dieses Begehren weiter.
-4-
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision ist begründet.
I.
6
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Kläger zu dem Nettobetrag der Mängelbeseitigungskosten vom Beklagten als Schadensersatz auch
die gesetzliche Umsatzsteuer in Höhe von 19 % verlangen könnten, auch wenn
sie die Nachbesserungsarbeiten bisher nicht durchgeführt hätten. § 249 Abs. 2
Satz 2 BGB sei im Werkvertragsrecht für Schadensersatzansprüche gemäß
§ 634 Nr. 4 BGB nicht anwendbar. Der Gesetzgeber habe mit der Reform des
§ 249 BGB mit Wirkung ab 1. August 2002 durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften eine Einschränkung der Sachschadensabrechnung durch einen Ausschluss fiktiver Umsatzsteuer nur für die Restitutionsfälle des § 249 BGB einführen wollen. Demgegenüber handele es sich bei
dem werkvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz nicht um den Ausgleich
eines Integritätsschadens wegen Beschädigung einer Sache, sondern um den
Ausgleich eines Vermögensschadens aufgrund der Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung. Dieser Anspruch sei auf eine Geldzahlung gerichtet und
die Umsatzsteuer gehöre dabei zu den erforderlichen Kosten, die der Geschädigte für die Schadensbeseitigung aufwenden müsse.
-5-
II.
7
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Senat hat in der
Sache selbst zu entscheiden, da sie zur Endentscheidung reif ist, § 563
Abs. 3 ZPO.
8
1. Dem Restwerklohnanspruch des Beklagten in Höhe von 10.591 € gemäß § 631 Abs. 1 BGB steht ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch der
Kläger wegen der Mängel an dem Bauwerk gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 3,
§ 281 Abs. 1 Satz 1 BGB nur in Höhe von 9.405 € gegenüber, so dass ein Zahlungsanspruch des Beklagten in Höhe von noch 1.186 € verbleibt und die
Hauptforderung der Widerklage in der zuletzt verfolgten Höhe begründet ist.
9
Bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruches der Kläger ist die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen, die die Kläger aufwenden
müssten, wenn sie die Mängel durch Dritte beseitigen ließen.
10
a) Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Mängeln
eines Werkes ist abweichend von § 249 Satz 1 BGB nicht auf Naturalrestitution
in Form der Mängelbeseitigung, sondern auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet. Das folgt daraus, dass nach § 281 Abs. 4 BGB der Anspruch auf die
Leistung, der hier in der Herstellung der Mangelfreiheit besteht, ausgeschlossen
ist. Die Rechtslage unterscheidet sich insofern nicht von derjenigen, die bis zum
31. Dezember 2001
galt
(vgl.
hierzu
BGH,
Urteil
vom
28. Juni 2007
- VII ZR 8/06 Tz. 10 ff., BauR 2007, 1567 = NZBau 2007, 580 = ZfBR 2007, 677
m.w.N.).
11
b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann dieser auf Zahlung eines
Geldbetrages gerichtete Schadensersatzanspruch nach Wahl des Bestellers
entweder nach dem mangelbedingten Minderwert des Werkes oder nach den
-6-
Kosten berechnet werden, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung
erforderlich sind (BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 - VII ZR 301/90, BauR 1991,
744 = ZfBR 1991, 265 m.w.N.). Letzteres gilt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Besteller den Mangel tatsächlich beseitigen lässt (vgl. BGH,
Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 8/06 Tz. 10, 13 aaO zur bis zum
31. Dezember 2001 geltenden Rechtslage). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats, von der das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, gehört zu
den Kosten, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung in diesem Sinne
erforderlich sind, auch die von einem nicht vorsteuerabzugsberechtigten Besteller an dritte Unternehmer zu zahlende Umsatzsteuer (vgl. BGH, Urteil vom
18. Januar 1990 - VII ZR 171/88, BauR 1990, 360, 361 = ZfBR 1990, 171, 172
unter II. 3. b). Hieran hält der Senat nicht mehr uneingeschränkt fest.
12
aa) Zwar ist, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend annimmt, die
Berücksichtigung der Umsatzsteuer nicht nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn und soweit sie tatsächlich (noch) nicht angefallen ist. Diese
Vorschrift findet auf den werkvertraglichen Schadensersatzanspruch keine Anwendung. Sie gilt nach Wortlaut und systematischer Stellung nur in den Fällen,
in denen wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist. Dies
ist bei dem Schadensersatzanspruch, der wegen Mängeln und damit wegen
nicht ordnungsgemäßer Herstellung des geschuldeten Werkes besteht, nicht
der Fall. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB bezieht sich zudem ausdrücklich nur auf den
nach Satz 1 erforderlichen Geldbetrag. Dieser kann statt der nach § 249
Abs. 1 BGB auch geschuldeten Herstellung verlangt werden. Bei dem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln eines Werkes schuldet der Unternehmer
den Schadensersatz jedoch nicht wegen der Vorschrift des § 249 Abs. 2
Satz 1 BGB in Geld, sondern ausschließlich deshalb, weil er an die Stelle des
Erfüllungsanspruches tritt (vgl. oben unter a).
-7-
13
bb) Nach Auffassung des Senats ist die Bemessung des Vermögensschadens des Bestellers in Fällen, in denen er den Mangel nicht hat beseitigen
lassen, nach den erforderlichen Mängelbeseitigungskosten unter Einschluss
einer zu zahlenden Umsatzsteuer jedoch nicht gerechtfertigt.
14
Im Lichte der Erwägungen, die den Gesetzgeber bei Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung einer Sache bewogen haben, die Umsatzsteuer
aus der Berechnung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrages herauszunehmen, sofern sie nicht tatsächlich angefallen ist (vgl. BT-Drucks. 14/7752
S. 13), hält es der Senat auch bei einem werkvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, Abs. 3,
§ 281 BGB für eine Überkompensation des Schadens des Bestellers, wenn die
nicht angefallene Umsatzsteuer berücksichtigt wird.
15
(1) Die Bemessung eines bereits durch den Mangel des Werkes und
nicht erst durch dessen Beseitigung entstandenen Schadens kann nicht ohne
eine Wertung vorgenommen werden. Diese muss zum einen die berechtigte
Erwartung des Bestellers berücksichtigen, den Schaden - nach seiner Wahl - an
den Kosten bemessen zu können, die eine Mängelbeseitigung erfordern, weil
der Anspruch an die Stelle des geschuldeten Erfüllungsanspruchs tritt. Gerade
die Erfahrungen im Bauvertragsrecht zeigen jedoch, dass die Schadensberechnung nach geschätzten Mängelbeseitigungskosten häufig insoweit zu einer
Überkompensation führt, als dem Geschädigten rechnerische Schadensposten
ersetzt werden, die nach dem von ihm selbst gewählten Weg zur Schadensbeseitigung gar nicht anfallen. Der Senat hält es deshalb für gerechtfertigt, den
Umfang des Schadensersatzes stärker als bisher auch daran auszurichten,
welche Dispositionen der Geschädigte tatsächlich zur Schadensbeseitigung
trifft. Dies gilt jedenfalls für den Anteil, der wie die Umsatzsteuer einen durchlaufenden Posten darstellt, der keinem der an einer Mängelbeseitigung Beteilig-
-8-
ten zugutekommt und der in seiner Entstehung von steuerrechtlichen Vorgaben
abhängt. Es ist gerechtfertigt, gerade bei der Umsatzsteuer eine derartige Einschränkung zu machen, weil dieser Anteil eindeutig und leicht feststellbar und
abgrenzbar ist und den größten preisbildenden Faktor unter den durchlaufenden Posten der Mängelbeseitigungskosten darstellt (vgl. BT-Drucks. 14/7752
S. 13).
16
(2) Schutzwürdige Interessen des Bestellers werden durch diese Einschränkung nicht beeinträchtigt. Unbeschadet bleibt die Ersatzfähigkeit eines
Betrages in Höhe der Umsatzsteuer, wenn der Besteller diese tatsächlich aufgewendet hat und nicht im Rahmen eines Vorsteuerabzugs erstattet bekommt.
Einer Vorleistungspflicht in dieser Höhe kann der Besteller entgehen, indem er
einen Vorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB geltend macht. Beabsichtigt
er zunächst keine Mängelbeseitigung, ist es ihm zumutbar, einer drohenden
Verjährung durch Erhebung einer Feststellungsklage zu begegnen, falls er sich
die Möglichkeit einer späteren Mängelbeseitigung auf Kosten des Unternehmers erhalten will.
17
2. Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
18
3. Die Klage ist bereits unzulässig. Eine Leistungsklage lässt, soweit sich
die Streitgegenstände decken, die Sachurteilsvoraussetzung des Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) grundsätzlich entfallen, sobald die Leistungsklage nicht
mehr einseitig zurückgenommen werden kann (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil
vom 21. Dezember 2005 - X ZR 17/03, BGHZ 165, 305, Tz. 12 m.w.N.). So liegt
der Fall hier seit der Erhebung der Widerklage und der Verhandlung über sie.
Aus den unter 1. erläuterten Gründen war die Klage darüber hinaus von Anfang
an unbegründet. Dem Beklagten steht noch ein Restwerklohnanspruch zu.
-9-
III.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 96 ZPO.
Kniffka
Bauner
Halfmeier
Safari Chabestari
Leupertz
Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 20.04.2009 - 11 O 6481/08 OLG München, Entscheidung vom 29.09.2009 - 28 U 3123/09 -