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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 8/03
vom
24. Juli 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 520 Abs. 2 n.F.
a) Maßgeblich für die Zeitbestimmung, die erforderlich ist, um die Einhaltung von
prozessualen Fristen zu beurteilen, ist die gesetzliche Zeit im Sinne von §§ 1
und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung vom 25. Juli 1978 (BGBl. I 1110,
ber. 1262).
b) Zur Bedeutung des Zeitnachweises in Abrechnungen von Telekommunikationsverbindungen der Telekom für die Ermittlung der gesetzlichen Zeit, wenn die
Zeitangabe der Abrechnung von der Zeitangabe eines gerichtlichen Telefaxgerätes abweicht.
BGH, Beschluß vom 24. Juli 2003 - VII ZB 8/03 - OLG München
LG München I
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des
13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. Februar
2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
1. Die Beklagte hat gegen ein Endurteil des Landgerichts M.
Be-
rufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist bis zum 9. Dezember 2002 verlängert worden. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat
die Berufung mit Telefax begründet. Nach seiner Behauptung ist das Fax am
9. Dezember 2002 um 23.58 Uhr beim Oberlandesgericht M.
vollständig
eingegangen. Zum Beleg hat er eine Abrechnung der Telekom übergeben, wonach mit der Sendung um 23:46:49 Uhr begonnen wurde und die Sendung
11:14 Minuten dauerte. Das Empfangsjournal des Oberlandesgerichts weist als
Empfangsbeginn 23:53 Uhr, eine Sendedauer von 11:15 Minuten und als Ende
des Ausdrucks 00:04 Uhr aus. Der Aufdruck auf der Kennung des Telefaxge-
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rätes des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten weist als Sendebeginn 00:52
und als Sendeende 01:02 auf. Auf diesem Gerät war noch die Sommerzeit eingestellt.
2. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Berufung sei rechtzeitig
eingegangen. Hilfsweise hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Bürokraft ihres Prozeßbevollmächtigten habe das Faxgerät ohne seine Kenntnis auf eine langsamere Datenübertragung umgestellt. Dieser habe
das beim ersten Versuch, die Berufungsbegründung per Telefax zu übersenden, alsbald gemerkt, den Vorgang abgebrochen, das Gerät zurückgestellt und
sodann die Berufungsbegründung vollständig übersandt. Eine eventuelle Überschreitung der Begründungsfrist sei auf das nicht autorisierte Verhalten der Bürokraft zurückzuführen und von der Beklagten bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten nicht zu vertreten.
II.
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen.
Die Berufung sei erst am 10. Dezember 2002 eingegangen. Das ergebe
sich aus den Journalen sowohl des Faxgerätes des Oberlandesgerichts als
auch des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten. Die Abrechnung der Telekom
könne nicht überzeugen, weil es insoweit nur auf die Sendedauer, nicht aber
auf die genaue Zeiterfassung des Vorgangs ankomme. Die Zeiten der Telekom
stimmten auch nicht mit der Zeitangabe eines anderen Faxgerätes des Oberlandesgerichts überein.
2. Das Berufungsgericht hat auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand zurückgewiesen. Der Prozeßbevollmächtigte, der die Beru-
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fungsbegründung in letzter Minute abgesendet habe, hätte sich von dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Telefaxgerätes überzeugen müssen. Er
hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, daß Einstellungen noch vorhanden
gewesen seien, die ca. 4 bis 5 Tage zuvor vorhanden waren.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Denn es ist zu klären, welche Anforderungen an die Ermittlung der
Zeit zu stellen sind, die für die Einhaltung von Fristen maßgeblich ist.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß es darauf ankommt, ob der vollständige Schriftsatz am 9. Dezember 2002 eingegangen ist.
Eine Übermittlung ist durch Telefax möglich. Vorausgesetzt wird allerdings, daß
das Fernschreiben unmittelbar von der Fernschreibestelle des Gerichts aufgenommen wird, daß es seinem Inhalt nach den Anforderungen entspricht, die die
Prozeßordnung an bestimmende Schriftsätze stellt und daß es abschließend
- als Ersatz der an sich erforderlichen, technisch aber nicht möglichen Unterschrift - den Namen des Erklärenden anführt (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 5. April 2000 - GmS-OBG 1/98,
BGHZ 144, 160, 164).
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b) Maßgebend ist dabei, ob der Inhalt des Telefaxes vollständig bis zur
abschließenden Namenskennzeichnung am 9. Dezember 2002 eingegangen
ist. Auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die abschließende
Namenskennzeichnung durch eine Unterschrift zu erfolgen hat, kommt es nicht
an. Denn die Begründung ist unterschrieben. Die vom Berufungsgericht offen
gelassene Frage, ob es auf den Eingang der elektronischen Signale oder den
Ausdruck ankommt, stellt sich nach der Auskunft der Einlaufstelle des Oberlandesgerichts M.
nicht. Danach erfolgt der Empfang der Sendung zeitgleich
mit dem Ausdruck.
c) Ob ein Schriftsatz binnen einer bestimmten Frist eingegangen ist,
richtet sich danach, ob er vor Beginn desjenigen Tages eingeht, der dem Fristende folgt. Dieser Tag beginnt um 00:00 Uhr. Maßgeblich ist die gesetzliche
Zeit, denn im amtlichen und geschäftlichen Verkehr werden Datum und Uhrzeit
nach der gesetzlichen Zeit verwendet. Die gesetzliche Zeit ist die mitteleuropäische Zeit. Diese wird von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt dargestellt und verwaltet, vgl. §§ 1 und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung
(ZeitG) vom 25. Juli 1978 (BGBl I S. 1110, ber. S. 1262).
d) Die Beklagte hat zu beweisen, daß die Berufung rechtzeitig begründet
worden ist. Das Berufungsgericht hat von Amts wegen alle entscheidungserheblichen Umstände, wie sie sich aus dem Akteninhalt ergeben, zu prüfen
(BGH, Urteil vom 14. März 2001 - XII ZR 51/99, ZIP 2001, 718, 719). Dem genügt die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts nicht. Es würdigt den Umstand, daß die Telekom in ihrer Abrechnung das Ende des Sendevorgangs mit
23:58 Uhr angegeben hat, nur unvollständig.
Mangels entgegenstehender Feststellungen ist davon auszugehen, daß
die Zeitangabe der Telekom auf ihrer Kundenabrechnung sich aus einer Zeit-
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ermittlung ergibt, die unter regelmäßiger Abgleichung mit einem amtlichen Zeitnormal erfolgt. Die Telekom ist nach § 5 Nr. 1 der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) vom 11. Dezember 1997 (BGBl. I 2910), geändert
durch die Erste Verordnung zur Änderung der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung vom 14. April 1999 (BGBl. I 705), verpflichtet, bei der Abrechnung die Dauer zeitabhängig tarifierter Verbindungen von Telekommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit unter regelmäßiger Abgleichung mit einem
amtlichen Zeitnormal zu ermitteln. Diese Voraussetzungen für die Abrechnung
sind durch ein Qualitätssicherungssystem sicherzustellen oder einmal jährlich
durch vereidigte, öffentliche bestellte Sachverständige oder vergleichbare Stellen überprüfen zu lassen, § 5 Nr. 3 TKV. Diese Regelungen gewährleisten eine
möglichst genaue Zeiterfassung. Es spricht deshalb alles dafür, daß eine nach
diesen Grundsätzen ermittelte Sendezeit dem amtlichen Zeitnormal entspricht.
Anderweitig ermittelte Uhrzeiten haben demgegenüber geringeren Beweiswert,
wenn nicht dargelegt wird, daß sie sich ebenfalls vom amtlichen Zeitnormal ableiten. Es fehlen jegliche Feststellungen dazu, daß die Uhrzeiten, auf die das
Berufungsgericht zurückgreift, sich vom amtlichen Zeitnormal ableiten. Insbesondere ist nicht festgestellt, daß die Uhren des Oberlandesgerichts M.
in
einer Weise mit dem amtlichen Zeitnormal verglichen werden, daß die von der
Telekom angegebene Zeit dadurch erschüttert würde. Auch der Umstand, daß
nicht nur die Uhr des Empfangsgerätes, sondern auch die eines anderen Gerätes und die Uhr des Sendegerätes andere Zeiten auswiesen als die von der
Telekom angegebene Zeit, vermögen den Beweiswert der Telekomangaben
nicht ohne weiteres zu erschüttern. Uhren, die sich nicht an dem amtlichen
Zeitnormal orientieren, sind unzuverlässig. Das ist eine allgemeine Lebenserfahrung und zeigt sich auch daran, daß die Zeitangaben aller drei Uhren nicht
übereinstimmen.
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Die Überlegungen, mit denen das Berufungsgericht eine Heranziehung
der in der Abrechnung der Telekom genannten Zeit zurückweist, sind nicht
tragfähig. Sie setzen voraus, daß die Telekom trotz der ihr auferlegten Verpflichtung in der Abrechnung eine Zeitangabe aufnimmt, die der von ihr unter
Abgleichung am amtlichen Zeitnormal ermittelten Zeit nicht entspricht. Dafür
gibt es keine Anhaltspunkte. Dagegen spricht die Verfügung 168/199 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 1999, 4101). Soweit das Berufungsgericht meint, für die Abrechnung komme es nur auf die Sendedauer, nicht aber
auf die genaue Zeiterfassung an, kann ihm schon deshalb nicht gefolgt werden,
weil es vom Zeitpunkt der Telekommunikationsdienstleistungen abhängige Tarife gibt, so daß auch der genaue Sendebeginn wichtig ist. Im übrigen hätte die
Auffassung des Berufungsgerichts nur dann Überzeugungskraft, wenn die Telekom zwar die Zeitdauer nach dem vorgeschriebenen System erfassen würde,
nicht aber den Sendeanfang oder das Sendeende oder wenn die Telekom zwar
die Zeit der Verordnung entsprechend erfassen würde, diese Erfassung jedoch
auf der Abrechnung nicht erschiene. Beides ist so fernliegend, daß es ohne eine weitere Aufklärung nicht unterstellt werden konnte.
Nach dem augenblicklichen Stand des Verfahrens besteht eine hinreichende Sicherheit, daß die Berufungsbegründung um 23:58 Uhr beim Berufungsgericht eingegangen ist. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, so daß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird.
Soweit das Berufungsgericht seine Zweifel hinsichtlich der Zeitangaben in der
Abrechnung trotz der im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegten Auskunft aufrecht erhält, wird es eine weitere Auskunft der Telekom einzuholen haben. Außerdem erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, amtliche Auskünfte darüber
einzuholen, wie die Zeitangaben auf den Telefaxgeräten des Gerichts zustande
gekommen sind und ob gewährleistet ist, daß sie mit dem amtlichen Zeitnormal
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übereinstimmen. Schließlich wird das Berufungsgericht den weiteren Einwendungen der Klägerin nachgehen können.
IV.
Soweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt worden ist, ist der
Beschluß ebenfalls aufzuheben. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist hilfsweise gestellt worden. Eine Entscheidung ergeht nur, wenn
die Berufung als unzulässig verworfen wird. Der Senat weist vorsorglich darauf
hin, daß er die Auffassung des Berufungsgerichts zum Wiedereinsetzungsantrag teilt.
Dressler
Thode
Kniffka
Kuffer
Bauner