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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 67/08
Verkündet am:
1. Juli 2008
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GG Art. 5 Abs. 1, 2 Abs. 1; EMRK Art. 8, 10; KunstUrhG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1,
Abs. 2
Kann ein Bericht über die Vermietung der Ferienvilla einer Person des öffentlichen Interesses Anlass für sozialkritische Überlegungen der Leser geben,
kann die Bebilderung dieses Berichts mit einem Foto des Eigentümers und seiner Ehefrau auch ohne deren Einwilligung zulässig sein.
BGH, Urteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - Hanseatisches OLG Hamburg
LG Hamburg
-2-
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Juli 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des
Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 31. Januar
2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revisionsverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist eine Schwester des regierenden Fürsten von Monaco.
Die Beklagte verlegt die Zeitschrift "7 Tage". In der Ausgabe Nr.13/02 dieser
Zeitschrift vom 20. März 2002 wurde berichtet, dass die Klägerin und ihr Ehemann ihre auf der Insel Lamu/Kenia gelegene Villa vermieten. Der Artikel ist
unter der farblich hervorgehobenen Doppelzeile
"In Prinzessin Carolines Bett schlafen
Kein unerfüllbarer Wunsch!"
überschrieben mit
"Caroline und Ernst August vermieten ihre Traum-Villa".
-3-
2
Im Text, der um den als Block hervorgehobenen Satz "Auch die Reichen
und Schönen sind sparsam. Viele vermieten ihre Villen an zahlende Gäste"
platziert ist, wird u.a. ausgeführt:
3
"Längst haben auch die Reichen einen Hang zu ökonomischem Denken
entwickelt. Warum ein Schloss, ein Haus einfach leer stehen lassen, wenn man
selbst nicht anwesend ist? Besser, es an zahlende Gäste zu vermieten. Hollywood-Star Robert Redford, Lord Mountbatten, Cousin von Prinz Charles, Prinzgemahl Henrik von Dänemark tun es und - ja, auch Prinzessin Caroline und ihr
Mann Prinz Ernst August.
4
Nur einmal im Jahr steuert das Ehepaar die Insel Lamu in Kenia an, ein
Besitz, der seit mehr als zwanzig Jahren dem Welfen-Chef gehört."
5
Es folgt eine Beschreibung des Anwesens, seiner Lage und seiner Inneneinrichtung. Der Artikel fährt dann fort:
6
"Allerdings gibt es bei diesem 'privaten Gästehaus' einen 'kleinen' Haken:
Trotz seiner Schlichtheit hat es einen stolzen Preis: Ein Tag in der Villa ... kostet
1.000 Dollar", wobei das Personal im Preis inbegriffen sei.
7
Illustriert ist der Bericht u.a. mit der beanstandeten Aufnahme, welche die
Klägerin und ihren Ehemann in Urlaubskleidung auf einer öffentlichen Straße
zusammen mit anderen Menschen zeigt.
8
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, es zu unterlassen, diese Aufnahme erneut zu veröffentlichen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision begehrt die Klägerin, die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom
-4-
6. März 2007 das Berufungsurteil aufgehoben und die Berufung zurückgewiesen. Auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 26. Februar 2008 ausgesprochen, dass das Urteil des Landgerichts und die Entscheidung des erkennenden
Senats die Beklagte in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzen,
und unter Aufhebung des Urteils des erkennenden Senats die Sache zur erneuten Entscheidung an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
9
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht rechtswidrig in das Recht der Klägerin am eigenen Bild eingegriffen. Die Klägerin
müsse als Person des öffentlichen Lebens hinnehmen, dass Aufnahmen, die
sie im Rahmen eines Auftretens in der Öffentlichkeit abbildeten, auch ohne ihre
Einwilligung verbreitet würden. Eine Person des öffentlichen Lebens, die sich
- wie die Klägerin - im Urlaub auf offener Straße aufhalte, müsse mit einer gewissen Aufmerksamkeit rechnen und könne nicht davon ausgehen, von den
Medien unbeobachtet zu bleiben. Dem öffentlichen Informationsinteresse sei
deshalb der Vorrang einzuräumen. Die Bildveröffentlichung sei nicht zu beanstanden.
-5-
II.
10
Das Berufungsurteil hält nach den Grundsätzen der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2008 (- 1 BvR 1606/07 u.a. - NJW
2008, 1793 ff.) revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Der Text
des von den Parteien nicht beanstandeten Artikels, den die angegriffene Aufnahme bebildert hat, gestattete die Veröffentlichung des Bildnisses der Klägerin
auch ohne deren Einwilligung.
11
1. Allerdings kann der Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe
auch ohne Einwilligung hinzunehmen, dass die streitgegenständliche Aufnahme
verbreitet werde, in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Diese Auffassung
wird nicht in jeder Hinsicht dem abgestuften Schutzkonzept gerecht, das die
Rechtsprechung aus §§ 22, 23 KUG entwickelt hat. Der erkennende Senat hat
dieses Schutzkonzept in mehreren neuen Entscheidungen erläutert (vgl. etwa
Urteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 ff.; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274 ff.; vom 6. März 2007 - VI ZR
51/06 - VersR 2007, 957 ff.; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007,
1283 ff.). Verfassungsrechtliche Beanstandungen haben sich insoweit nicht ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. NJW 2008, 1793 ff.).
12
Nach diesem abgestuften Schutzkonzept dürfen Bildnisse einer Person
grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden (§ 22
KUG); hiervon macht § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Auch bei Personen, die unter dem Blickwinkel des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1
Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, ist eine Verbreitung der Abbildung unabhängig davon, ob sie sich
-6-
an Orten der Abgeschiedenheit aufgehalten haben, aber dann nicht zulässig,
wenn hierdurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23
Abs. 2 KUG).
13
Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der
Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser Begriff darf
nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der
Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Auch durch unterhaltende Beiträge kann Meinungsbildung
stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen
(vgl. Senat, Urteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522,
523 - mit Anmerkung v. Gerlach JZ 2004, 625 - und vom 6. März 2007 - VI ZR
51/06 - aaO S. 957, 958; BVerfG, BVerfGE 101, 361, 389 f.; NJW 2006, 2836,
2837). Das Informationsinteresse besteht indes nicht schrankenlos. Vielmehr
wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung
keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles entscheiden.
14
Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört, dass die
Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt,
innerhalb dessen sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was
sie des öffentlichen Interesses für wert hält, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse
-7-
ist (Senat, Urteile vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - aaO, 275; vom
6. März 2007 - VI ZR 51/06 - aaO, 957 f.; BVerfG, BVerfGE 101, 361, 392; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (künftig: EGMR), Urteil vom
16. November 2004, Beschwerde-Nr. 53678/00, Karhuvaara und Iltalehti gegen
Finnland, NJW 2006, 591, 592 f., §§ 38 ff.). Der EGMR hat in seinem Urteil vom
24. Juni 2004 (Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Deutschland,
NJW 2004, 2647, 2649 f., §§ 58, 60, 63) die Bedeutung der Pressefreiheit unter
Hinweis auf Art. 10 EMRK hervorgehoben und ausgeführt, dass die Presse in
einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spiele und es ihre
Aufgabe sei, Informationen und Ideen zu allen Fragen von Allgemeininteresse
weiterzugeben. Das steht auch mit dem oben dargelegten Begriff der Zeitgeschichte in Einklang.
15
a) Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG nimmt nach Sinn und Zweck der
Regelung und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem
Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das Informationsinteresse
der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit. Die Anwendung des § 23 Abs. 1
KUG erfordert hiernach eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG einerseits und den
Rechten der Presse aus Art. 10 Abs. 1 EMRK und Art. 5 Abs. 1 GG andererseits. Die Grundrechte der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und des Schutzes
der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) sind ihrerseits nicht vorbehaltlos
gewährleistet.
16
Die Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den
allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen u.a. die §§ 22 f. KUG und auch Art. 8
EMRK. Die in §§ 22 ff. KUG enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10
EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteile der
verfassungsmäßigen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG den Persönlichkeits-
-8-
schutz. Die Auslegung und Anwendung solcher Schrankenregelungen und ihre
abwägende Zuordnung zueinander durch die Gerichte hat der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung bestimmten Grundrechtsposition Rechnung zu tragen sowie die entsprechenden Gewährleistungen der
europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Reichweite des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK
dem privaten Leben des Einzelnen gewährten Schutzes der situationsbezogene
Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. August 2006 - 1 BvR 2606/04 u.a. NJW 2006, 3406, 3408); auch kann die Gewährleistung des Art. 8 Abs. 1 EMRK
einen Anspruch auf Schutz durch die staatlichen Gerichte vor Veröffentlichung
von Bildnissen des Einzelnen aus seinem Alltagsleben einschließen (vgl.
EGMR, Urteil vom 24. Juni 2004, Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Deutschland, §§ 50 ff., aaO, 2648). Über die Reichweite dieses Schutzes
ist im konkreten Fall durch Berücksichtigung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
und Art. 10 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Äußerungsfreiheit und ihrer in Art. 10
Abs. 2 EMRK geregelten Schranken ebenfalls im Wege der Abwägung zu entscheiden
(vgl.
EGMR,
Beschluss
vom
14. Juni
2005,
Beschwerde-
Nr. 14991/02, Minelli gegen Schweiz; Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, §§ 38 ff.).
17
Das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit unterliegt der Schrankenregelung des Art. 2 Abs. 1 Halbs. 2 GG. Schranken sind neben den Grundrechten wie Art. 5 Abs. 1 GG insbesondere die Vorschriften über die Veröffentlichung fotografischer Abbildungen von Personen in §§ 22 ff. KUG mit dem erwähnten abgestuften Schutzkonzept, das sowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person wie den von den Medien wahrgenommenen Informationsinteressen der Allgemeinheit Rechnung trägt (vgl. BVerfG, BVerfGE 35, 202,
224 f.; 101, 361, 387; Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. -
-9-
aaO, 1795). Daneben beschränkt die in Art. 10 EMRK verbürgte Freiheit der
Äußerung und Verbreitung sowie des Empfangs von Meinungen unter Einschluss von Informationen den Schutz der Persönlichkeit. Der Schutz des
Art. 10 Abs. 1 EMRK schließt insbesondere auch die Veröffentlichung von Fotoaufnahmen zur Bebilderung der Medienberichterstattung ein (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1795; EGMR, Urteile vom 14. Dezember 2006, Beschwerde-Nr. 10520/02, Verlagsgruppe News
GmbH gegen Österreich Nr. 2, § 29; vom 24. Juni 2004, Beschwerde-Nr.
59320/00, von Hannover gegen Deutschland, § 59, aaO, 2649). Über die Zulässigkeit von Beschränkungen dieses Rechts durch Maßnahmen der staatlichen Gerichte zum Schutz des Privatlebens des Abgebildeten ist nach der
Rechtsprechung des EGMR gleichfalls im Wege einer Abwägung mit dem in
Art. 8 EMRK verbürgten Anspruch auf Achtung des Privatlebens zu entscheiden
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO,
1795; EGMR, Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, § 37 f. m.w.N.). Bei der Abwägung mit kollidierenden
Rechtsgütern unter Berücksichtigung der von Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Vermutung für die Zulässigkeit einer Berichterstattung der Presse, die zur Bildung
der öffentlichen Meinung beitragen soll (vgl. BVerfGE 20, 162, 177; Beschluss
vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796), ist der von Art. 10
Abs. 1 EMRK verbürgten Äußerungsfreiheit ein besonderes Gewicht dort
beizumessen, wo die Berichterstattung der Presse einen Beitrag zu Fragen von
allgemeinem Interesse leistet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008
- 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796; EGMR, Urteil vom 16. November 2004, Beschwerde-Nr. 53678/00, Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland, § 40; Urteil
vom 1. März 2007, Beschwerde-Nr. 510/04, Tønsbergs Blad u.a. gegen Norwegen, § 82).
- 10 -
Die Garantie der Pressefreiheit dient nicht allein den subjektiven Rechten
18
der Presse, sondern in gleicher Weise auch dem Schutz des Prozesses öffentlicher Meinungsbildung und damit der Meinungsbildungsfreiheit der Bürger. Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen und haben daher zunächst die Vermutung der
Zulässigkeit für sich, auch wenn sie die Rechtssphäre anderer berühren (vgl.
BVerfG, BVerfGE 20, 162, 177; 66, 116, 133; 77, 346, 354). Nach der Rechtsprechung des EGMR besteht nur wenig Spielraum, die Gewährleistung des
Art. 10 Abs. 1 EMRK zurücktreten zu lassen, falls eine Medienberichterstattung
einen Bezug zu einer Sachdebatte von allgemeinem Interesse aufweist (vgl.
EGMR, Urteile vom 22. Oktober 2007, Beschwerde-Nr. 21279/02 u.a., Lindon
u.a.
gegen
Frankreich,
§ 45;
vom
17. Dezember
2004,
Beschwerde-
Nr. 49017/99, Pedersen und Baadsgaard gegen Dänemark, § 68 f.). Art. 5
Abs. 1 GG gebietet allerdings nicht, generell zu unterstellen, dass mit jeder visuellen Darstellung aus dem Privat- und Alltagsleben prominenter Personen ein
Beitrag zur Meinungsbildung verbunden sei, der es für sich allein rechtfertigte,
die Belange des Persönlichkeitsschutzes zurückzustellen.
19
b) Nach diesen Grundsätzen wird die Reichweite des Schutzes des
Rechts am eigenen Bild davon beeinflusst, ob eine Information in die breite Öffentlichkeit der Massenmedien überführt wird und damit nicht auf einen engen
Personenkreis begrenzt bleibt. Andererseits wird das Gewicht der das Persönlichkeitsrecht gegebenenfalls beschränkenden Pressefreiheit davon beeinflusst,
ob die Berichterstattung eine Angelegenheit betrifft, welche die Öffentlichkeit
wesentlich berührt (vgl. BVerfG, BVerfGE 7, 198, 212; Beschluss vom 24. Januar 2006 - 1 BvR 2602/05 - NJW 2006, 1865; EGMR, Urteil vom 17. Oktober
2006, Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, § 55). Mit der
Entscheidung, ein Bild einer Person abzudrucken und in den Kontext eines bestimmten Berichts zu rücken, nutzen die Medien ihre grundrechtlich geschützte
- 11 -
Befugnis, selbst zu entscheiden, was sie für berichtenswert halten. Dabei haben
sie jedoch den Persönlichkeitsschutz Betroffener zu berücksichtigen.
20
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 26. Februar 2008 (- 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796) dargelegt hat, können prominente Personen der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- oder Kontrastfunktionen erfüllen. Auch die
Normalität ihres Alltagslebens kann der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen (so bereits BVerfGE 101, 361, 391). Das gilt auch für
unterhaltende Beiträge als einen wesentlichen Bestandteil der Medienbetätigung, der durch die Pressefreiheit geschützt wird, zumal der publizistische und
wirtschaftliche Erfolg der Presse auf unterhaltende Inhalte und entsprechende
Abbildungen angewiesen sein kann und die Bedeutung visueller Darstellungen
beträchtlich zugenommen hat. Hiernach gilt die Pressefreiheit auch für unterhaltende Beiträge über das Privat- oder Alltagsleben von Prominenten und ihres
sozialen Umfelds einschließlich ihnen nahestehender Personen. Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß der abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen der Betroffenen.
21
Für die Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur
Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt oder ob sie lediglich die Neugier der
Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigt (vgl.
BVerfG, BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391).
- 12 -
22
Insoweit hat das BVerfG (Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR
1606/07 u.a. - aaO, 1796) hervorgehoben, dass das Selbstbestimmungsrecht
der Presse nicht auch die Entscheidung erfasst, wie das Informationsinteresse
zu gewichten ist, sondern diese Gewichtung zum Zweck der Abwägung mit gegenläufigen Interessen der Betroffenen vielmehr im Fall eines Rechtsstreits den
Gerichten obliegt. Diese haben allerdings im Hinblick auf das Zensurverbot des
Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG von einer inhaltlichen Bewertung - etwa als wertvoll
oder wertlos, seriös oder unseriös o.ä. - abzusehen und sind auf die Prüfung
beschränkt, in welchem Ausmaß der Bericht einen Beitrag für die öffentliche
Meinungsbildung erbringen kann.
23
c) Der Informationswert einer Bildberichterstattung ist, soweit das Bild
nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame
Aussage enthält, im Kontext der dazugehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Bilder können Wortberichte ergänzen und dabei der Erweiterung des
Aussagegehalts dienen, etwa die Authentizität des Geschilderten unterstreichen. Auch können beigefügte Bilder der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht wecken
(vgl. Senat, BGHZ 158, 218, 223; Urteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 NJW 2005, 594, 595 f.). Beschränkt sich der begleitende Bericht allerdings darauf, lediglich einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen,
ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung
erkennen lässt (vgl. hierzu das Urteil des erkennenden Senats vom heutigen
Tag - VI ZR 243/06), ist es nicht angezeigt, dem Veröffentlichungsinteresse den
Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz einzuräumen.
24
d) Daneben sind bei einer Bildberichterstattung für die Gewichtung der
Belange des Persönlichkeitsschutzes auch der Anlass und die Umstände zu
berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist, etwa unter Ausnut-
- 13 -
zung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung. Auch ist bedeutsam, in
welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder
wenn der Betroffene nach den Umständen typischer Weise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Das kann
nicht nur bei einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, sondern außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit auch in Momenten der Entspannung oder
des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs
und des Alltags der Fall sein.
25
2. a) Diese Grundsätze sind auf die Klägerin anzuwenden, da sie, wie
das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 26. Februar 2008
(- 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1800) ausgeführt hat, auch nach der Einschätzung
des EGMR als Person des öffentlichen Interesses anzusehen ist ("personnage
public / public figure" in Abgrenzung zur "personnalité politique / politician" einerseits und "personne ordinaire / ordinary person" andererseits, vgl. EGMR,
Urteile vom 11. Januar 2005, Beschwerde-Nr. 50774/99, Sciacca gegen Italien,
§§ 27 ff.; vom 17. Oktober 2006 - Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze
gegen Georgien, § 55). Diese Einstufung hat nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Folge, dass über eine solche Person in größerem
Umfang berichtet werden darf als über andere Personen, wenn die Information
einen hinreichenden Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf
eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte hat und die Abwägung keine schwerwiegenden Interessen des Betroffenen ergibt, die einer Veröffentlichung entgegenstehen.
- 14 -
26
b) Für den Streitfall führt das zu folgender Abwägung:
27
Die beanstandete Aufnahme ist ohne Einwilligung der Klägerin veröffentlicht worden. Die Bildberichterstattung als solche betrifft keine Angelegenheit,
welche die Öffentlichkeit wesentlich berührt (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Oktober
2006 - Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, § 55). Die
Aufnahme zeigt nach ihrer Überschrift die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann in der Öffentlichkeit "in Urlaubslaune", ohne dass der Abbildung allein ein
weitergehender Inhalt oder Anhaltspunkte für einen erhöhten Schutzbedarf der
Klägerin zu entnehmen wären. Es ist auch von der Beklagten nicht geltend gemacht oder sonst ersichtlich, dass die Aufnahme, welche nicht über die Abbildung eines Ausschnitts aus der Normalität des Alltagslebens im Urlaub der
prominenten Klägerin hinausgeht, aus sich heraus der Meinungsbildung zu
Fragen von allgemeinem Interesse dienen könnte.
c) Gleichwohl führt der in der beanstandeten Veröffentlichung einer Auf-
28
nahme der Klägerin "in Urlaubslaune" enthaltene Eingriff der Beklagten in die
Privatsphäre unter den Umständen des Streitfalls nicht dazu, dass das Recht
des beklagten Presseverlags auf Meinungsäußerung und Meinungsbildung zurücktreten müsste.
Die Aufnahme der Klägerin und ihres Ehemannes bebildert eine Wortbe-
29
richterstattung, welche sich hauptsächlich damit befasst, dass dem Ehemann
eine Ferienvilla in Lamu/Kenia gehört, wie diese gelegen und wie sie ausgestattet ist. Der - von der Klägerin nicht angegriffene - Artikel teilt mit, dass die Villa,
in welcher die Klägerin und ihr Ehemann lediglich einmal im Jahr Urlaub machten, für 1.000 Dollar/Tag gemietet werden könne, Bedienungspersonal inbegriffen.
- 15 -
30
Neben weiteren Einzelheiten enthält der Bericht den hervorgehobenen
Hinweis, "Auch die Reichen und Schönen sind sparsam. Viele vermieten ihre
Villen an zahlende Gäste". Zusätzlich werden einige Hollywoodstars und Angehörige von Adelshäusern genannt, die "einen Hang zu ökonomischem Denken
entwickelt" hätten und ebenfalls ihre Feriendomizile vermieteten, wenn sie diese
nicht selbst nutzten. Hierdurch werden den Lesern der Zeitschrift Informationen
über veränderte Verhaltensweisen einer kleinen Schicht von reichen Prominenten gegeben, die im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit stehen und von daher
Leitbild- oder Kontrastfunktionen für große Teile der Bevölkerung haben können. Wie das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 26. Februar 2008
- 1 BvR 1606/07 - aaO, 1800 f.) dargelegt hat, kann die geschilderte Verhaltensweise in einer demokratischen Gesellschaft Anlass zu einer die Allgemeinheit interessierenden Sachdebatte geben und es grundsätzlich auch rechtfertigen, den in dem Beitrag erwähnten prominenten Vermieter des Anwesens und
die Klägerin als seine Ehefrau in einem kontextgerechten Bild darzustellen. Eine solche Bedeutung des Beitrags liegt schon deshalb nahe, weil die entsprechende Stoßrichtung des Berichts mit Fettdruck und durch die zentrale Anordnung der beiden Kernsätze ("Auch die Reichen und Schönen sind sparsam.
Viele vermieten ihre Villen an zahlende Gäste") im Druck besonders herausgestellt und im Fließtext wiederholt wird. Wie das Bundesverfassungsgericht aaO
ausgeführt hat, kann ein derartiger Bericht Anlass für sozialkritische Überlegungen der Leser auch einer solchen Zeitschrift sein und damit eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte über das ökonomische Denken derjenigen
"Reichen und Schönen" anstoßen, die eine Ferienvilla für 1.000 Dollar/Tag einschließlich Personal vermieten oder mieten können, wobei auch die Möglichkeit
besteht, dass die Leser über den Sinn einer solchen Mitteilung in dieser Zeitschrift nachdenken sowie als mündige Bürger ihr eigenes Konsumverhalten
überdenken. Insoweit reicht bereits die Möglichkeit aus, dass der Beitrag der
- 16 -
Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008, aaO; EGMR, Urteile vom 16. November 2004, Beschwerde-Nr. 53678/00, Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland, § 40; vom 1. März 2007, Beschwerde-Nr. 510/04, Tønsbergs Blad u.a.
gegen Norwegen, § 82). Da mithin durch die Wortberichterstattung Anlass für
eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte geschaffen werden kann,
ist ihre Bebilderung durch die (einzige) Aufnahme der Klägerin nicht zu beanstanden. Diese Abbildung ist für sich genommen nicht beeinträchtigend. Die
Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, dass sie etwa heimlich oder in belästigender Weise zustande gekommen sei, und auch keine anderen Gesichtspunkte vorgetragen, die im Rahmen des abgestuften Schutzkonzepts einer
Veröffentlichung entgegenstehen könnten, auch wenn diese ohne ihre Einwilligung erfolgt ist. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. aaO, 1796 f.), auch dann, wenn die Aufnahme aus anderem Anlass entstanden
ist.
- 17 -
Die Revision der Klägerin ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1
31
ZPO zurückzuweisen.
Müller
Greiner
Pauge
Wellner
Stöhr
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 01.07.2005 - 324 O 869/04 OLG Hamburg, Entscheidung vom 31.01.2006 - 7 U 82/05 -