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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 59/09
vom
29. Oktober 2009
in dem Rechtsstreit
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Oktober 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das
Schlussurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz
vom 26. Februar 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als die Beklagten zur Zahlung eines über 35.479,70 € nebst Zinsen hinausgehenden Betrags verurteilt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
1
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Minderung wegen arglistig verschwiegener Mängel eines verkauften Einfamilienhauses in Höhe von
76.693,78 €. Die Klage hat das Oberlandesgericht in einem rechtskräftigen
Grundurteil für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Mit dem angegriffenen
Schlussurteil hat es die Beklagten unter Zurückweisung der weitergehenden
Berufung der Klägerin zur Zahlung von 56.700 € nebst Zinsen verurteilt. Die
Revision hat es nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wenden
sich die Beklagten gegen eine Verurteilung zur Zahlung von mehr als
-3-
35.479,70 € nebst Zinsen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
II.
2
1. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der Kaufpreis des Einfamilienhauses seinem Wert in mangelfreiem Zustand entspricht. Es hat die Minderung deshalb nicht entsprechend § 472 BGB a. F. nach der Proportionalmethode, sondern auf der Grundlage der Mängelbeseitigungskosten berechnet.
Den von dem Sachverständigen errechneten Betrag hat es als Nettobetrag angesehen und diesem die Umsatzsteuer hinzugerechnet.
3
2. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil
das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103
Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, indem es den Minderungsbetrag abweichend von § 472 BGB a. F. berechnet und den von dem
Sachverständigen errechneten Beträgen die Umsatzsteuer hinzugerechnet hat.
4
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der
Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen
(BVerfGE 42, 364, 367; 50, 32, 35; 60, 247, 249). Außerdem darf ein Gericht
ohne vorherigen Hinweis nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen,
mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem
bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte (BVerfGE 84, 188, 190; 86,
133, 144 f.; 96, 189, 204; 108, 341, 345 f.). Es hat in einem solchen Fall auf den
Gesichtspunkt hinzuweisen und den Prozessbeteiligten eine Möglichkeit zur
Stellungnahme zu eröffnen (BVerfGE 84, 188, 191; 86, 133, 144; 98, 218, 263;
-4-
BVerfG NVwZ 2006, 586, 587). Diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht
nicht gerecht geworden.
b) Nach der Rechtsprechung des Senats darf von der in § 472 BGB a. F.
5
vorgegebenen Proportionalmethode zur Berechnung der Minderung nur abgewichen werden, wenn der Kaufpreis dem Wert der Kaufsache in mangelfreiem
Zustand entspricht (Urt. v. 28. Juni 1961, V ZR 201/60, LM Nr. 1 zu § 472 BGB;
Urt. v. 17. September 1971, V ZR 143/68, WM 1971, 1382, 1383). Diese Voraussetzung nimmt das Berufungsgericht mit der Begründung an, Umstände, die
Zweifel an der Angemessenheit des vereinbarten Kaufpreises von 660.000 DM
(= 337.452,64 €) begründeten, seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Dabei berücksichtigt es indessen nicht, dass die Beklagten im Schriftsatz
vom 12. Januar 2009 (GA 925 ff.) ihre Vorstellungen von der Berechnung der
Minderung nach dem Sachverständigengutachten vorgetragen und dabei dargelegt haben, dass der Gebäudewert nach dem Sachverständigengutachten
A.
345.000 € betrage. Demgegenüber betrage der Einsatzkaufpreis für das
Gebäude nach Abzug von Einsatzbeträgen für das Grundstück und für Aufbauten nur 217.000 €. Das schließt ein Abgehen von der Proportionalmethode nach
der Rechtsprechung des Senats aus. Daran änderte es nichts, wenn man mit
der Beschwerdeerwiderung annähme, der Sachverständige habe den Betrag
von 345.000 € als Wert des gesamten Anwesens verstanden. Denn dieser läge
ebenfalls über dem Kaufpreis; ein Abgehen von § 472 BGB a. F. wäre deshalb
auch bei dieser Sichtweise nicht möglich.
6
c) Mit dem Hinzurechnen der Umsatzsteuer hat das Berufungsgericht die
Beklagten überrascht. Der Sachverständige A.
hat in seinem Gutachten,
auf das sich das Berufungsgericht stützt, die Umsatzsteuer nicht angesprochen.
Deshalb durften die Beklagten die darin genannten Beträge als Bruttobeträge
verstehen. Das ist auch deshalb der Fall, weil der Sachverständige den Min-
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derwert nicht auf der Grundlage konkret erforderlicher handwerklicher Leistungen, sondern abstrakt auf der Grundlage von Normalherstellungskosten berechnet hat. Diese sind im Zweifel als Bruttobeträge zu verstehen. Daran ändert
es nichts, dass sich der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor
dem Berufungsgericht am 5. Februar 2009 mit dem Gutachten des Sachverständigen K.
auseinandergesetzt hat, der seinerseits ausdrücklich von
Nettopreisen ausgeht. Denn in der mündlichen Verhandlung haben alle Beteiligten übersehen, dass beide Gutachten wegen der unterschiedlichen Berechnungsansätze in der Frage der Umsatzsteuer nicht vergleichbar waren. Das
Berufungsgericht hätte die Parteien deshalb auf diesen Punkt hinweisen und
ihnen Gelegenheit geben müssen, dazu Stellung zu nehmen.
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3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
8
a) Die Minderung wird nach § 472 BGB a. F. zu berechnen sein. Ein Abgehen von der darin vorgegebenen Proportionalmethode scheidet hier schon
nach dem Gutachten des Sachverständigen A.
aus. Denn danach liegt
der Kaufpreis in jedem Fall unter dem Wert des Objekts in mangelfreiem Zustand.
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b) Die Frage, ob Umsatzsteuer hinzuzurechnen ist, wird sich nicht ohne
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Rückfrage bei dem Sachverständigen klären lassen, ob die in seinem Gutachten genannten Beträge die Umsatzsteuer einschließen.
Krüger
Lemke
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 07.04.2006 - 5 O 479/01 OLG Koblenz, Entscheidung vom 26.02.2009 - 5 U 684/06 -