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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 268/02
Verkündet am:
4. April 2003
Kanik,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
MauerG §§ 2, 3; ZPO § 253 Abs. 2
a) Will der Bund das Mauergrundstück unter Ausschluß des Berechtigten an einen
Dritten veräußern, genügt es, daß die von dem Dritten beabsichtigte Nutzung im
öffentlichen Interesse liegt; eines Interesses des Bundes an der Veräußerung bedarf es nicht.
b) Die Veräußerung des Mauergrundstücks ist auch möglich, wenn das öffentliche
Interesse des Dritten durch Erwerb eines beschränkt dinglichen Rechts oder
durch Vertrag gesichert werden könnte.
c) Das Vorliegen eines öffentlichen Interesses am Erwerb des Mauergrundstücks
durch den Dritten ist gerichtlich voll überprüfbar; ein Beurteilungsspielraum verbleibt dem Bund nicht.
-2d) Die gegen den ablehnenden Bescheid des Bundes gerichtete Klage genügt dem
Bestimmtheitserfordernis (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), wenn der der Klageschrift
beigefügte Bescheid den Klagegrund enthält.
BGH, Urt. v. 4. April 2003 - V ZR 268/02 - Brandenburgisches OLG
LG Cottbus
-3-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. April 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke und Dr. Gaier
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Juni 2002 wird auf Kosten
des Klägers zurückgewiesen, der auch die durch die Streithilfe
verursachten Kosten trägt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Erbeserbe der früheren Eigentümerin der am Ufer der Havel auf der Gemarkung H.
-N.
N.
gelegenen Flurstücke
Flur 10, 85/1, 85/3 und 85/5. Die Flurstücke waren in den 60er Jahren in
Volkseigentum überführt und in den Grenzstreifen zwischen der ehemaligen
DDR und Berlin (West) einbezogen worden. Nach der Maueröffnung wurde die
über die Flurstücke verlaufende Asphaltstraße (Kolonnenweg) aufgrund einer
Vereinbarung der kommunalen Stellen mit den damaligen Grenztruppen zur
Nutzung durch die Öffentlichkeit als Rad- und Gehweg freigegeben. Im Juni
1990 entschied sich die Stadtverordnetenversammlung der Streithelferin dafür,
den Streifen zwischen Kolonnenweg und Seeufer zu begrünen und als parkähnliche Anlage mit Sitzelementen auszugestalten. Ein Bebauungsplan, der
die dauerhafte Nutzung als öffentliche Grünfläche sowie als öffentlichen Geh-
-4-
und Radweg vorsieht, wurde im Januar 1991 aufgestellt und öffentlich bekannt
gemacht. Im April 1995 bezog die Streithelferin die Flächen mit gleichem Nutzungszweck in einen städtebaulichen Entwicklungsbereich ein.
Im August 1996 beantragte der Kläger den Rückerwerb der Grundstücke
nach dem Mauergrundstücksgesetz. Die Beklagte und die Streithelferin einigten sich am 19./22. Oktober 1999 darauf, die Flächen der Beklagten zuzuordnen und anschließend an die Streithelferin zu veräußern. Ein entsprechender
Zuordnungsbescheid erging am 4. November 1999, der Rückerwerb durch den
Kläger wurde durch Bescheid vom 25. August 2000 abgelehnt.
Der Kläger hat beantragt, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids
seine Berechtigung zum Erwerb nach dem Mauergrundstücksgesetz festzustellen. Der Antrag ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der
Revision, der die Beklagte und die Streithelferin entgegentreten, verfolgt er ihn
weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Klage für zulässig. Sie sei insbesondere
fristgemäß erhoben, weil der Kläger den an die Klageschrift zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen durch deren Inhalt zusammen mit dem später eingereichten Bescheid genügt habe. Ein Anspruch des Klägers auf Rückerwerb der
Flächen sei ausgeschlossen, weil die Beklagte die Flurstücke im öffentlichen
Interesse an die Streithelferin zu veräußern beabsichtige. Die von der Streit-
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helferin geplante Nutzung für Zwecke des Gemeingebrauchs als Grün- und
Verkehrsfläche reiche zur Begründung des öffentlichen Interesses aus. Es sei
auch nicht verfassungsrechtlich geboten, die Streithelferin auf die vom Kläger
ersatzweise angebotene Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zu verweisen.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
II.
Zu Recht bejaht das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage.
1. Der Zivilrechtsweg ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 MauerG gegeben. Ein
der Klage vorangehendes Widerspruchsverfahren gegen den ablehnenden
Bescheid findet nach § 7 Abs. 1 Satz 2 MauerG nicht statt.
2. Die Klage ist ordnungsgemäß innerhalb der Frist des § 7 Abs. 2
MauerG erhoben.
a) Die Klage genügt, unter Berücksichtigung der Besonderheiten des
Rechtsschutzes gegen einen ablehnenden Verwaltungsakt, den Anforderungen, die der grundsätzlich auf Streitigkeiten aus dem Mauergrundstücksgesetz
anwendbare § 253 Abs. 2 ZPO (statt aller: Hellmann in Fieberg/Reichenbach/
Messerschmidt/Neuhaus, Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, § 7
MauerG, Rdn. 3) an die Bestimmtheit des Klagegrundes stellt. Zwar enthält die
am 4. Oktober 2000 eingereichte Klageschrift neben der Bezeichnung der
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Streitteile nur die Anträge auf Aufhebung des Bescheids vom 25. August 2000
und auf Feststellung der Berechtigung des Klägers zum Erwerb der umstrittenen Flächen. Dieser Mangel wurde aber durch die am 20. Oktober 2000 erfolgte Vorlage des Bescheides selbst behoben. Hierbei braucht der Senat nicht
zu entscheiden, inwieweit im allgemeinen die Bezugnahme auf Urkunden genügt, den in der Klageschrift nicht oder nur unzureichend wiedergegebenen
Klagegrund zu ersetzen (zur Bezugnahme auf ein PKH-Gesuch als Ersatz oder
als Ergänzung der Angaben zum Klagegrund: BGHZ 22, 254; Urt. v. 20. Mai
1976, III ZR 84/74, LM § 253 ZPO Nr. 56). Die Klage, mit der der ehemalige
Eigentümer (Berechtigter) seinen Erwerbsanspruch (§ 2 MauerG), entgegen
dem ablehnenden Bescheid (§ 3 MauerG), durchsetzen will, entspricht in ihrer
Rechtsschutzfunktion der Verpflichtungs- oder Feststellungsklage nach der
Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 42, 43 VwGO). Dort ist aber als zwingender
Inhalt der Klageschrift neben der Bezeichnung der Streitteile nur die Angabe
des Gegenstandes des Klagebegehrens vorgesehen (§ 82 VwGO). Hierfür
reicht es aus, daß ein Verwaltungsakt bestimmt bezeichnet oder in Abschrift
der Klage beigefügt wird (Eyermann/Fröhler/Geiger, VwGO, 11. Aufl., § 82
Rdn. 6; Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 82 Rdn. 7; Kopp/Schenke,
VwGO, 12. Aufl., § 82 Rdn. 7). Hiervon ist für die zivilrechtliche Klage nach
dem Mauergesetz jedenfalls dann auszugehen, wenn der Verwaltungsakt die
Substanz des Streitverhältnisses wiedergibt. Dies ist hier der Fall.
b) Auch die für Streitigkeiten nach dem Mauergesetz bestimmte Klagefrist von zwei Monaten ab Zustellung des (mit Rechtsmittelbelehrung versehenen) Bescheides (§ 7 Abs. 2 und 3 MauerG) ist gewahrt. Dies gilt selbst dann,
wenn man (das Zustellungsdatum ist unbekannt) zum Nachteil des Klägers davon ausgehen würde, daß die Zustellung bereits am Tage des Erlasses des
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Bescheides erfolgt war. Die Komplettierung der Klageschrift durch Schriftsatz
vom 20. Oktober 2000 wahrte die in diesem Falle am 25. Oktober 2000 endende Klagefrist, denn die Zustellung des Schriftsatzes ist alsbald im Sinne des
§ 270 Abs. 3 ZPO a.F. erfolgt. Die gerichtliche Kostenanforderung, die der Kläger abwarten durfte (BGHZ 69, 363; Urt. v. 15. Januar 1992, IV ZR 13/91
VersR 1992, 433), ist am 27. Oktober 2000 abgesandt worden, am
20. November 2000 hat der Kläger den Gerichtskostenvorschuß gezahlt. Auch
im Hinblick darauf, daß der 27. Oktober auf einen Freitag fiel und der
31. Oktober gesetzlicher Feiertag war, kann die bis zum Zahlungseingang verstrichene Zeit noch im Sinne des § 273 Abs. 3 ZPO a.F. als hinreichend angesehen werden (vgl. BGH, Urt. v. 25. November 1985, II ZR 236/84, NJW 1986,
1347 f.).
3. Für die Feststellungsklage ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Interesse gegeben. Für eine Feststellungsklage ist zwar im allgemeinen kein Raum, wenn eine Leistungsklage möglich ist, die das Rechtsschutzinteresse des Klägers wahrt (Senat, Urt. v. 17. Juni 1994, V ZR 34/92,
NJW-RR 1994, 1272 f.). Hier hätte der Kläger zur Verfolgung seines Ziels Klage auf Abschluß eines Kaufvertrags, gegebenenfalls auf Abgabe der für den
Erwerb erforderlichen Willenserklärung, erheben können (Wasmuth in RVJ, § 7
MauerG, Rdn. 21; Hellmann aaO, § 7 MauerG Rdn. 3; Horst in Rädler/
Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 7 MauerG
Rdn. 3). In dem Fall, daß der Gegner, wie hier, eine öffentliche Körperschaft
ist, wird jedoch trotz möglicher Leistungsklage ein Feststellungsinteresse bejaht, weil zu erwarten ist, daß der Beklagte sich einem Feststellungsurteil beugt
(BGH, Urt. v. 9. Juni 1983, III ZR 74/82, NJW 1984, 1118, 1119 m.w.N.).
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III.
Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Erwerb der streitigen Fläche nach dem Mauergrundstücksgesetz.
Nach § 2 Abs. 1 MauerG können ehemalige Eigentümer oder deren
Rechtsnachfolger ihre früheren, jetzt bundeseigenen Mauer- und Grenzgrundstücke zu 25 v.H. des Verkehrswertes zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erwerben, sofern der Bund sie nicht für dringende eigene öffentliche
Zwecke verwenden oder im öffentlichen Interesse an Dritte veräußern will. Die
Voraussetzungen des Erwerbs liegen in der Person des Klägers als Rechtsnachfolger der ehemaligen Eigentümerin und der Beklagten als gegenwärtiger
Eigentümerin der Flächen vor. Der Erwerbsanspruch scheitert jedoch an dem
geplanten, durch die Vereinbarung vom 19./22. Oktober 1999 rechtsverbindlich
festgelegten Verkauf der Flächen an die Streithelferin. Diese ist Dritte im Sinne
des § 2 Abs. 1 MauerG (für juristische Personen des öffentlichen Rechts vgl.
Wasmuth aaO, § 2 MauerG, Rdn. 45), der Verkauf an sie liegt im öffentlichen
Interesse.
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist zum Ausschluß des Erwerbsanspruchs bei der Veräußerung an Dritte nicht erforderlich, daß der Veräußerungsvorgang selbst im öffentlichen Interesse liegt. Es genügt, wenn die
von dem Dritten beabsichtigte Grundstücksnutzung diesem Interesse dient.
a) Aus dem Wortlaut des Gesetzes läßt sich dies zwar nicht unmittelbar
entnehmen, aber bereits der Gesetzeszusammenhang spricht dafür, auf die
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Nutzungszwecke des Erwerbers abzustellen. § 2 Abs. 1 MauerG stellt die Eigennutzung durch den Bund, wenn sie im dringenden öffentlichen Interesse
erfolgt, der durch das öffentliche Interesse gerechtfertigten Veräußerung
gleichwertig gegenüber. Daß eine vom öffentlichen Interesse nicht gedeckte
Verwendung durch den Dritten dem Erwerb des Berechtigten entgegenstehen
könnte, wäre kaum nachvollziehbar. Der Veräußerungsfall verlagert den maßgeblichen Verwendungszweck vom Bund auf den Erwerber. Das Abstellen auf
den Veräußerungsvorgang, also auf das Interesse des Bundes am Verkauf,
würde zudem die Gefahr begründen, daß die Vorschrift leer liefe. Je nach Betrachtungsweise fehlte dann nämlich das öffentliche Interesse in jedem Falle
oder es läge immer vor. Der Bund hat die Erlöse aus den Veräußerungen dem
nach § 5 Abs. 1 MauerG eingerichteten Fonds zur Förderung wirtschaftlicher,
sozialer und kultureller Zwecke im Beitrittsgebiet zuzuführen; dieser ist nach
§ 5 Abs. 2 MauerG der Kontrolle des Haushaltsausschusses des Bundestags
unterstellt, seine Mittel dürfen nicht zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen
eingesetzt werden. Sieht man, mit einem Teil der Literatur (Horst aaO, Vorbem.
zum Mauergesetz, Rdn. 36; Wassermann, NJW 1996, 3134), bereits durch die
Existenz des Fonds, also in der Entlastung des Bundeshaushalts durch die
vorgeschriebene Verwendung der Fondsmittel, den öffentlichen Zweck als erreicht an, käme es regelmäßig nicht zum Erwerb durch den Berechtigten, andernfalls käme es in der Regel zum Erwerb.
b) Die Gesetzesmaterialien bestätigen diese Sicht. Die Beschlußempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages führen zur Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates (BTDrucks. 13/120) im allgemeinen Teil aus: "Der Bund müsse ... die Möglichkeit
behalten, die Grundstücke zu öffentlichen Zwecken selbst zu nutzen oder ins-
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besondere im Einklang mit den geltenden Regelungen für den Vorrang von
Investitionen an Dritte zu veräußern" (BT-Drucks. 13/3734, S. 6). Zu § 2 des
Gesetzentwurfs wird ergänzend erläutert, eine Veräußerung im öffentlichen
Interesse an Dritte liege vor allem dann vor, "wenn die Veräußerung aus investiven Gründen oder im Rahmen des Flächenerwerbs nach § 3 Ausgleichsleistungsgesetz erfolgt" (BT-Drucks. 13/3734, S. 8). Nach Abschnitt V. der
Vorläufigen Richtlinien des Bundesministeriums der Finanzen über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken, die für Zwecke der Errichtung oder
des Ausbaus von Sperranlagen in Volkseigentum überführt wurden, vom 31.
Juli 1996 (BAnz. vom 14. August 1996, S. 9205) kommt eine "Veräußerung im
öffentlichen Interesse an Dritte" dann in Betracht, "wenn dies aus übergeordneten Gründen (z.B. Durchführung eines investiven Vorhabens) geboten erscheint." Dies weist auf die in § 3 Abs. 1 InVorG genannten besonderen Investitionszwecke hin, die auf die Verwendung der Grundstücke abstellen.
2. Die Nutzung der Grundstücke für Geh- und Radwege sowie als Grünfläche zum Ausbau einer parkähnlichen Uferlandschaft begründen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 2 Abs. 1 MauerG. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (vorstehend zu 1 b) ergibt, stellen die besonderen Investitionen
nach § 3 Abs. 1 InVorG, u.a. Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen,
Schaffung neuen Wohnraums oder Schaffung erforderlicher Infrastrukturmaßnahmen, einen Schwerpunkt des öffentlichen Interesses dar (vgl. auch Hellmann aaO § 3 MauerG Rdn. 9 ff; Horst aaO § 3 MauerG, Rdn. 4). Das öffentliche Interesse ist aber damit nicht erschöpft. Es erlaubt die Berücksichtigung
weiterer öffentlicher Zwecke (Hellmann aaO, § 3 MauerG Rdn. 10; Wasmuth
aaO § 2 MauerG Rdn. 50; Blumenwitz, NJW 1996, 3118 f., Hellmann, VIZ
1996, 425, 428; Wassermann, NJW 1996, 3134 f.). Mit der Veräußerung kön-
- 11 -
nen daher auch Aufgaben der Landes- oder Kommunalverwaltung oder anderer nicht bundeseigener Körperschaften verfolgt werden. Darüber hinaus erfaßt
der Begriff des öffentlichen Interesses auch rechtlich nicht geschützte Belange,
die das Wohl der Allgemeinheit befördern (Wasmuth, § 2 MauerG, Rdn. 24).
Es kann mithin dahinstehen, ob die geplante Nutzung der streitigen Grundstücke als eine zu Investitionszwecken erforderliche Infrastrukturmaßnahme im
Sinne des § 3 Abs. 1 InVorG angesehen werden könnte. Jedenfalls dient sie
den öffentlichen Zwecken der Naherholung (§ 1 Abs. 5 Nr. 3 BauGB), des Verkehrs (§ 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB) und der Erfüllung der städtebaulichen Planung
im aufgestellten Bebauungsplan und in der Entwicklungssatzung (§ 1 Abs. 5
Nr. 10 BauGB). Eine weitere Förderung der Infrastruktur, insbesondere des
Fremdenverkehrs (§ 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB), bewirkt der ebenfalls geplante
Anschluß an den öffentlichen Radfernweg "Spree-Havel-Müritz".
3. Der Ausschluß des Anspruchs des Berechtigten auf Flächenerwerb
durch das öffentliche Interesse verstößt nicht gegen Art. 14 GG (nachfolgend
zu a). Der Umstand, daß, anders als bei der Eigennutzung durch den Bund,
dieses Interesse kein dringliches sein muß, ist unter dem Gesichtspunkt des
Art. 3 Abs. 1 GG unbedenklich (zu b).
a) Den Eigentümern der Mauer- und Grenzgrundstücke war nach der
Enteignung in der ehemaligen DDR keine Rechtsposition verblieben, die nach
dem Beitritt in den Schutzbereich des Art. 14 GG hätte einrücken können. Für
Enteignungen, die in der DDR durchgeführt worden waren, gelten die Gemeinwohlanforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht; denn der Geltungsbereich des
Grundgesetzes erstreckte sich nicht auf das Gebiet der DDR und ist hierauf
auch nach dem Beitritt nicht rückwirkend ausgedehnt worden (BVerfG 84, 90,
- 12 -
122; 97, 89, 98; BGH, Beschl. v. 25. Februar 1995, III ZR 58/94, NJW 1995,
1280). Der Gesetzgeber war daher in seiner Entscheidung frei, ob und unter
welchen Voraussetzungen er eine Rückgewähr des Eigentums vornehmen
wollte. Danach ist es nicht zu beanstanden, daß er bei Vorliegen öffentlicher
Interessen, gleich welcher Intensität, einen Ausschlußtatbestand vorgesehen
hat. Dem Interesse der Berechtigten hat er bei Ausschluß des Rückerwerbs
dadurch Rechnung getragen, daß er die Auskehrung von 75 v.H. des Verkehrswertes an diese angeordnet hat (§ 3 Abs. 1 MauerG). So gesehen werden
sie wirtschaftlich nicht schlechter gestellt als beim Ankauf, der nach § 2 Abs. 1
MauerG gegen ein Entgelt in Höhe von 25 v.H. des Verkehrswertes erfolgt.
Dabei sind neben dem gegenüber DDR-Verhältnissen erheblich gestiegenen
Verkehrswert auch die weiteren, nicht unbeträchtlichen Vergünstigungen des
Mauergrundstücksgesetzes zu berücksichtigen (Kittke, NJW 1996, 464, 466;
Wittmer, IFLA, 1996, 109, 113; vgl. auch Hellmann, VIZ 1996, 428). Im Gegensatz zu der Regelung des Vermögensgesetzes müssen die Berechtigten nach
dem Mauergrundstücksgesetz Gegenleistungen für den Eigentumsverlust, wie
z. B. einen Kaufpreis, eine Entschädigung oder erhaltene Lastenausgleichsleistungen weder zurückzahlen noch sich auf den auszukehrenden Betrag anrechnen lassen. Hinzu kommen eine Stundungsmöglichkeit des zu zahlenden
Kaufpreises (§ 2 Abs. 1 MauerG), die Befreiung von der Grunderwerbsteuer
und weitere einkommensteuerliche Vorteile (§ 2 Abs. 3 MauerG).
b) Die Differenzierung zwischen den dringenden eigenen öffentlichen
Zwecken des Bundes und der Veräußerung im (schlichten) öffentlichen Interesse an Dritte geht auf eine Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses zurück (BT-Drucks. 13/4589, S. 2). Sie ist dadurch gerechtfertigt, daß der
Bund bei eigener Verwendung der Grundstücke keine Zahlungen an den
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Fonds leisten muß, während im zweiten Fall der Veräußerungserlös dem
Fonds zugute kommt. Das Dringlichkeitserfordernis soll gewährleisten, daß der
Bund nur dann die Grundstücke behalten und sich trotz des Unrechtscharakters von Mauer und Todesstreifen an den davon betroffenen Flächen bereichern kann, wenn das öffentliche Interesse zwingend ist. Denn ein Hauptanliegen des Mauergrundstücksgesetzes lag in der Vermeidung einer Bereicherung
des Staates an diesem Unrechtsgut (Gesetzentwurf des Bundesrates, BTDrucks. 13/120, S. 1 u. 5).
4. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Streithelferin nicht
gehalten, sich mit der Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit oder dem Abschluß eines langfristigen Nutzungsvertrages zu begnügen.
Dies sieht das Mauergrundstücksgesetz nicht vor. Die in § 3 Abs. 3 VerkFlBerG
unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit getroffene Entscheidung,
unter bestimmten Voraussetzungen statt des Erwerbs des Grundstücks für den
öffentlichen Nutzer die Bestellung einer Dienstbarkeit zuzulassen, ist auf den
Bereich des Mauergrundstücksgesetzes nicht übertragbar. Das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz erfaßt Privatgrundstücke, die in der DDR ohne Überführung in Volkseigentum und ohne sonstige Rechtsgrundlage für öffentliche
Zwecke in Anspruch genommen worden waren. Hier war das Gestaltungsermessen des Gesetzgebers zugunsten privaten Eigentums begrenzt.
Auch eine Abwägung des Erwerbsinteresses des Berechtigten gegen
das öffentliche Interesse an einer anderweiten Verwendung des Grundstücks,
insbesondere der Rechtsgedanke des Mindesteingriffs, führt nicht zu der vom
Kläger gewünschten Beschränkung des Erwerbsrechts. Eine solche Abwägung
findet nach § 2 MauerG nicht statt. Ist das öffentliche Interesse zu bejahen,
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verdrängt es den Erwerbsanspruch des Berechtigten insgesamt. Der Entzug
der vermögensrechtlichen Position, die dem Berechtigten aus § 2 MauerG zunächst erwächst, erfordert es allerdings, daß nicht nur die zur Begründung des
öffentlichen Interesses vorgebrachten Tatsachen, sondern auch die Abwägungen, die dem ablehnenden Bescheid (§ 3 MauerG) zugrunde liegen, voll der
gerichtlichen Überprüfung unterliegen; ein Beurteilungs- oder gar ein Ermessensspielraum verbleibt dem Bund nicht. Ob dem Berechtigten bei nachträglichem Wegfall des öffentlichen Interesses ein Anspruch auf Rückerwerb entsprechend dem Rechtsgedanken des § 102 BauGB erwachsen könnte, was
wirtschaftlich dem Erwerb lediglich eines beschränkt dinglichen Rechts durch
die öffentliche Hand nahe käme (ablehnend für verschiedene Fälle des Eigentumsentzugs durch Stellen der DDR: BGH, Urt. v. 23. Februar 1995,
III ZR 58/94, NJW 1995, 1280; v. 16. Oktober 1997, III ZR 176/96, NJW 1998,
222), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Dafür, daß das öffentliche
Interesse kein ernstliches ist und lediglich fiskalische Zwecke verdeckt, sind
keine Anhaltspunkte hervorgetreten.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Wenzel
Tropf
Lemke
Krüger
Gaier