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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 29/13
vom
30. Oktober 2013
in der Abschiebungshaftsache
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die
Vorsitzende
Richterin
Dr. Stresemann,
die
Richter
Dr. Lemke
und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss
der
4.
Zivilkammer
des
Landgerichts
Lüneburg
vom
26. Februar 2013 aufgehoben und festgestellt, dass der Beschluss
des Amtsgerichts Lüneburg vom 25. November 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen
des Betroffenen in allen Instanzen werden der Hansestadt Lüneburg auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
3.000 €.
Gründe:
I.
1
Der Betroffene ist ukrainischer Staatsangehöriger. Nach einer Abschiebung in die Ukraine am 2. März 2000 reiste er vor dem 25. November 2012 erneut nach Deutschland ein, ohne über den erforderlichen Aufenthaltstitel zu
verfügen. Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss
vom 25. November 2012 Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen
für die Dauer von acht Wochen angeordnet. Mit Schreiben vom 26. November
-3-
2012 drohte die beteiligte Behörde dem Betroffenen die Abschiebung an. Am
13. Dezember 2012 wurde er abgeschoben. Seinen Antrag auf Feststellung der
Rechtswidrigkeit der Haft hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Feststellungsantrag weiter.
II.
2
Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung
von Zurückschiebungshaft gemäß § 57 Abs. 3, § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG hätten vorgelegen.
III.
3
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Haft hätte nicht angeordnet werden dürfen, da der Haftantrag nicht den Anforderungen des § 417
Abs. 2 FamFG entsprach.
4
1. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des
Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags
(st. Rspr., siehe näher Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09,
FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 12; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10,
NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7). Bei einer beabsichtigten Abschiebung muss die
Behörde in dem Haftantrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG unter anderem die Vollstreckungsvoraussetzungen darlegen, zu denen auch die Abschiebungsandrohung nach § 59 Abs. 1 AufenthG gehört; fehlt es an einer für die
Vollstreckung erforderlichen Voraussetzung, darf auch eine kraft Gesetzes voll-
-4-
ziehbare Ausreisepflicht nicht durch eine Abschiebung durchgesetzt werden
(Senat, Beschluss vom 27. September 2012 - V ZB 31/12, InfAuslR 2013, 38).
5
2. Dem genügte der Haftantrag nicht. Die beteiligte Behörde hat darin
nicht dargelegt, dass die Abschiebung angedroht worden ist oder dass die Voraussetzungen für das Absehen von einer Abschiebungsandrohung (§ 59
Abs. 1 Satz 3 AufenthG) vorgelegen haben. Das Fehlen entsprechender Ausführungen im Haftantrag ist nicht etwa deshalb unschädlich, weil das Beschwerdegericht die vom Amtsgericht angeordnete Abschiebungshaft an den
für die Haft zur Sicherung einer Zurückschiebung geltenden Maßstäben gemessen hat, die eine Rückkehrentscheidung nicht voraussetzen. Beantragt die
beteiligte Behörde - wie hier - Abschiebungshaft, ist sie selbst dann an die damit einhergehenden strengeren Verfahrenserfordernisse gebunden, wenn eine
Zurückschiebung möglich gewesen wäre (Senat, Beschluss vom 13. März 2013
- V ZB 135/12, NVwZ 2013, 1027 Rn. 9). Daher kommt es auch nicht darauf an,
dass die Voraussetzungen des § 57 AufenthG für eine Zurückschiebung des
Betroffenen, der sich nach den Angaben der beteiligten Behörde im Haftantrag
vor seiner Festnahme vermutlich bereits über ein halbes Jahr in Deutschland
aufgehalten hat, hier nicht vorlagen.
6
3. Der Mangel der Antragsbegründung ist nicht für die Zukunft geheilt
worden. Selbst wenn die Behörde den Haftantrag nachträglich ergänzt haben
sollte, wofür aus den Gerichtsakten nichts ersichtlich ist, hätte der Betroffene
Gelegenheit erhalten müssen, in einer erneuten persönlichen Anhörung hierzu
Stellung zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09,
FGPrax 2010, 210, 211 f. Rn. 25; Beschluss vom 18. August 2010
- V ZB 119/10, juris Rn. 14). Entgegen der Ansicht der beteiligten Behörde lässt
der Umstand, dass der Betroffene in seiner Beschwerde zum Landgericht den
-5-
Mangel der Antragsbegründung nicht gerügt hatte, das Erfordernis einer Anhörung zu einer nachträglichen Ergänzung des Haftantrags nicht entfallen.
IV.
7
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430
FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in
Art. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, die Hansestadt Lüneburg zur Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten.
8
Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO
i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Stresemann
Lemke
Brückner
Schmidt-Räntsch
Weinland
Vorinstanzen:
AG Lüneburg, Entscheidung vom 25.11.2012 - 101 XIV 187 B LG Lüneburg, Entscheidung vom 26.02.2013 - 4 T 7/13 -