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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IXa ZB 32/04
vom
5. November 2004
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
ZPO § 887 Abs. 1, § 767 Abs. 1
Der Schuldner ist nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage, sondern
auch im Zwangsvollstreckungsverfahren mit seinem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt.
BGH, Beschluß vom 5. November 2004 IXa ZB 32/04 LG Stade
AG Cuxhaven
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Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Raebel,
von Lienen, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf, Roggenbuck und den Richter
Zoll
am 5. November 2004
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluß der
7. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 2. Februar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über
die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Beschwerdegericht
zurückverwiesen.
Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 1.350 €.
Gründe:
I.
Die Schuldnerin ist rechtskräftig verurteilt worden, im südöstlichen Bereich ihres Grundstücks eine Fläche von zwei Metern entlang der Straße und
fünf Metern entlang der Grenze zum Nachbargrundstück der Gläubiger fachgerecht mit vorhandenen Waschbetonplatten der Gläubiger zu befestigen, damit
dieses Teilstück von den Gläubigern mit dem Pkw zum Erreichen ihres Grundstücks befahren werden kann. Die Gläubiger haben beantragt, sie zur Ersatzvornahme auf Kosten der Schuldnerin zu ermächtigen und diese zu verurteilen,
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eine Kostenvorauszahlung in Höhe von 2.700 € zu leisten. Die Gläubiger behaupten, daß die Schuldnerin die streitgegenständliche Fläche nicht fachgerecht mit Waschbetonplatten versehen habe.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil die von der
Schuldnerin unstreitig vorgenommene Befestigung der Fläche mit Waschbetonplatten den Zweck, den Gläubigern das Befahren derselben mit einem Pkw
zu ermöglichen, erfülle. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubiger hat das
Landgericht diese ermächtigt, die der Schuldnerin auferlegte Handlung auf deren Kosten vornehmen zu lassen und hat die Schuldnerin gemäß § 887 Abs. 2
ZPO verurteilt, auf die durch die Vornahme der Handlung durch die Gläubiger
entstehenden Kosten einen Vorschuß von 1.350 € zu zahlen. Dagegen wendet
sich die Schuldnerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im
übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Schuldnerin ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, daß die Schuldnerin mit
ihrem Erfüllungseinwand nicht gehört werden könne, sondern auf die Vollstrekkungsgegenklage gemäß § 767 ZPO zu verweisen sei. Erfordere die Entscheidung über den Erfüllungseinwand eine Beweisaufnahme, verzögere der Einwand die gebotene zügige Zwangsvollstreckung über Gebühr und sei deshalb
im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Das sei hier der
Fall, weil zu der Frage, ob die Verlegung der Waschbetonplatten fachgerecht
erfolgt sei, ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müßte.
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2. Dem hält die Rechtsbeschwerde entgegen, daß nach dem Wortlaut
des § 887 Abs. 1 ZPO die Nichterfüllung der Verpflichtung durch den Schuldner Voraussetzung für eine Ermächtigung nach § 887 Abs. 1 ZPO sei, was dafür spreche, daß die Frage der Erfüllung in diesem Verfahren zu prüfen sei. Die
Prüfung im Verfahren nach § 887 ZPO sei auch prozeßökonomisch, zumal für
dafür ebenfalls das Prozeßgericht zuständig sei. Eine Verzögerung der
Zwangsvollstreckung könne der Schuldner auch mit der Vollstreckungsgegenklage erreichen, denn bei einer substantiierten Behauptung des Erfüllungseinwandes müsse das Gericht die Zwangsvollstreckung einstweilen einstellen.
3. Die Frage, ob der Einwand der Erfüllung seitens des Schuldners im
Vollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO zu beachten ist, ist seit langer Zeit in
Literatur und Rechtsprechung umstritten.
a) Nach der ablehnenden Auffassung, der sich das Beschwerdegericht
angeschlossen hat, muß der Schuldner den Erfüllungseinwand stets im Wege
der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verfolgen (u.a. RGZ 21, 377,
379; KG InVo 2002, 435; OLG Celle OLG-Report 1994, 297; OLG Düsseldorf
BauR 1982, 196; OLG Hamm MDR 1977, 411; OLG Koblenz MDR 1991, 547;
OLG München InVo 2001, 33; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 887 Rn. 17;
Baur/Stürner,
Zwangsvollstreckungsrecht
1996
S. 509 f;
Bruns/Peters,
Zwangsvollstreckungsrecht 3. Aufl. S. 290 f; Huber, Festschrift für Franz Merz
S. 229, 232 ff; Paulus, Zivilprozeßrecht 3. Aufl. Rn. 648). Zur Begründung wird
darauf abgestellt, daß § 767 ZPO der vom Gesetzgeber vorgesehene Weg sei,
materielle Einwendungen wie die Erfüllung im Zwangsvollstreckungsverfahren
geltend zu machen. Der Wortlaut des § 767 Abs. 1 ZPO ("sind") lasse keine
Wahl zu. Das Zwangsvollstreckungsverfahren sei stark formalisiert, der Erfüllungseinwand darin systemwidrig. Die Erfüllung gehöre, wie § 775 Nr. 4 und
Nr. 5 ZPO zeige, nur eingeschränkt in die Prüfungskompetenz des Vollstrek-
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kungsorgans. Die Entscheidung über den Erfüllungseinwand im Vollstrekkungsverfahren erwachse nicht in Rechtskraft. Ließe man den Einwand der
Erfüllung im Vollstreckungsverfahren zu, könnte der Schuldner mit immer wieder neuen Behauptungen das Vollstreckungsverfahren ohne eine Vorschußleistung in die Länge ziehen und so die berechtigten Interessen des Gläubigers
auf Durchsetzung seines rechtskräftigen Titels unterlaufen. Schließlich bestünde auch die Gefahr widersprechender Entscheidungen, wenn der Schuldner im
Vollstreckungsverfahren unterliege und danach die Vollstreckungsgegenklage
erhebe. Der Schuldner erleide durch die Verweisung auf die Vollstreckungsgegenklage hingegen keinen Nachteil, angesichts der Einstellungsmöglichkeit
nach § 769 ZPO seien die Verfahren letztlich gleichwertig.
b) Nach einer "vermittelnden" Ansicht ist der Erfüllungseinwand dann im
Vollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO zu berücksichtigen, wenn die Tatsachen unstreitig oder mit liquiden Beweismitteln festzustellen oder offenkundig
sind (so OLG Bamberg Rpfl. 1983, 79; KG InVo 2003, 249; NJW-RR 1987,
840, 841; OLG Düsseldorf InVo 2002, 32; MDR 1996, 309, 310; OLG Hamm
BauR 1996, 900, 902; OLG Köln InVo 2002, 379, 380; OLG-Report 1993, 30;
NJW-RR 1988, 1212; OLG München InVo 2002, 381, 382; NJW-RR 1988, 22 f;
OLG Naumburg InVo 2003, 204, 205; OLG Rostock InVo 2004, 122, 123; OLG
Schleswig SchlHA 1996, 277; Musielak/Lackmann, ZPO 3. Aufl. § 887 Rn. 19;
Wieczorek/Schütze/Storz, ZPO 3. Aufl. § 887 Rn. 46, 70; Schuschke/Walker,
Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 3. Aufl. § 887 ZPO Rn. 15; Gottwald, Zwangsvollstreckungsrecht 4. Aufl. § 887 ZPO Rn. 13; Büttner, FamRZ
1992, 629, 632; Guntau, JuS 1983, 687, 689). Daß bestimmte Beweismittel im
Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen seien, zeige der Rechtsgedanke des § 775 Nr. 4 und 5 ZPO. Sei die Erfüllung unstreitig, fehle dem Gläubiger das Rechtsschutzinteresse. Ergäbe sich aber die Notwendigkeit einer
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Beweisaufnahme, nähme man dem Gläubiger den Vorteil des vollstreckbaren
Titels.
c) Eine weitere vermittelnde Ansicht will den Einwand dann beachten,
wenn es um die Prüfung geht, ob eine unstreitig vom Schuldner vorgenommene Handlung dem Vollstreckungstitel genügt (RGZ 167, 328, 334 zu § 888
ZPO; OLG Hamm InVo 2001, 343, 344; OLG Karlsruhe Justiz 1973, 320; OLG
Köln OLG-Report 1993, 95; OLG Stuttgart Justiz 1994, 241; Schneider, MDR
1975, 279, 281; Schuschke, EWiR 1994, 935). In diesen Fällen sei der Antrag
des Gläubigers dahin zu verstehen, der Schuldner solle im Wege der Zwangsvollstreckung angehalten werden, über das hinaus, was bereits geschehen sei,
etwas zu leisten. Gegenüber einem solchen Antrage habe das Vollstreckungsgericht zu prüfen, ob der Gläubiger nach dem Schuldtitel berechtigt sei, dasjenige, was er über das bisherige hinaus mehr verlange, vom Schuldner zu erzwingen.
d) Nach anderer Auffassung ist der Einwand der Erfüllung grundsätzlich
im Verfahren nach § 887 ZPO zu berücksichtigen (OLG Karlsruhe InVo 2002,
300; OLG Köln NJW-RR 1996, 100; JMBlNW 1982, 153; OLG München MDR
1978, 1029; OLG Nürnberg NJW-RR 1995, 63 = WiB 1995, 129 m. zust. Anm.
Pape; OLG Schleswig SchlHA 1968, 73; OLG Thüringen InVo 2001, 341; OLG
Zweibrücken InVo 2001, 70; JurBüro 1986, 1740, 1741; AlternativkommentarZPO/Schmidt-von Rhein, § 887 Rn. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO 62. Aufl. § 887 Rn. 5; Zöller/Stöber, ZPO 24. Aufl. § 887 Rn. 7; MünchKomm/Schilken, ZPO 2. Aufl. § 887 Rn. 8; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 21. Aufl.
§ 887 Rn. 25; Bischoff, NJW 1988, 1957, 1958; Gerhardt, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe der Wissenschaft Band III S. 463, 470 f; ders., Vollstrekkungsrecht 2. Aufl. S. 185 f; Schilken, Festschrift für H. F. Gaul S. 667, 672 ff).
Schon der Wortlaut des § 887 ZPO spreche dafür, den Erfüllungseinwand im
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Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Nichterfüllung sei danach tatbestandliche Voraussetzung dafür, den Gläubiger zur Ersatzvornahme zu ermächtigen. Es sei nicht Sinn und Zweck des § 887 ZPO, dem Gläubiger
Rechtsschutz zu gewähren, wenn er ihn wegen Erfüllung durch den Schuldner
nicht mehr brauche. Der Schuldner habe ein schutzwürdiges Interesse daran,
daß die Erfüllungswirkung seiner Handlungen geprüft werde, bevor der Gläubiger zu möglicherweise unsinnigen und kostspieligen Ersatzvornahmen ermächtigt werde oder durch (erneute) Vornahme der Handlung für den Schuldner den
Beweis der Erfüllung vereitele. Es sei auch prozeßökonomisch, den Einwand
im Verfahren nach § 887 ZPO zu prüfen, denn zuständig sei in beiden Fällen
das Prozeßgericht, vor dem anderenfalls ein neues Verfahren mit demselben
Prozeßstoff notwendig würde. Das Prozeßgericht habe im Verfahren nach
§ 887 ZPO alle zivilprozessualen Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung.
Die Vollstreckungsgegenklage verursache hingegen neue Kosten, sei gegenüber dem Verfahren nach § 887 ZPO schwerfälliger und bei einer einstweiligen
Anordnung nach § 769 ZPO, die der Schuldner - ggf. mit seiner eigenen eidesstattlichen Versicherung - unschwer erreichen könne, sei angesichts des
grundsätzlich dreistufigen Instanzenzuges mit weiterer Verzögerung zu rechnen.
4. Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen. Der Schuldner ist nicht
nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage, sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren mit seinem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt. Schon der Wortlaut des § 887 ZPO spricht dafür, daß die
Nichterfüllung der geschuldeten Handlung eine tatbestandliche Voraussetzung
für den Erlaß des Ermächtigungsbeschlusses ist. Die anders lautende Formulierung des § 888 ZPO steht dem nicht entgegen. Im Zusammenhang mit § 887
ZPO gelesen, läßt sich ihr Wortlaut unschwer dahin verstehen, daß an das
Merkmal der Nichterfüllung in § 887 ZPO angeknüpft und nur der unterschiedli-
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che Anwendungsbereich deutlich hervorgehoben wird. Die Erheblichkeit des
Erfüllungseinwands im Verfahren nach § 887 ZPO entspricht auch der Annahme des Gesetzgebers, der die Kostenvorschrift des § 891 Satz 3 ZPO mit der
2. Zwangsvollstreckungsnovelle vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3039) neu
gefaßt hat, "um der Möglichkeit Rechnung zu tragen, daß Vollstreckungsanträge des Gläubigers nur teilweise erfolgreich sind, z.B. wenn der Schuldner
nachweist, daß er die vertretbare oder unvertretbare Handlung teilweise erfüllt
hat..." (vgl. insoweit die Entwurfsbegründung BT-Drucks. 13/341 S. 41).
Die Prüfung des Erfüllungseinwands im Ermächtigungsverfahren nach
§ 887 ZPO statt erst bei der Vollstreckungsgegenklage kann prozeßökonomisch sinnvoll sein. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist, soweit nötig, in beiden Verfahren möglich und liegt stets in den Händen des Prozeßgerichts. Das Vollstreckungsgericht ist im Verfahren nach § 887
ZPO ohnehin grundsätzlich verpflichtet, Beweis zu erheben, beispielsweise
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Höhe des notwendigen Kostenvorschusses nach § 887 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 8. Oktober
1992 - VII ZR 272/90, NJW 1993, 1394, 1395). Das Vollstreckungsverfahren
würde auch nicht beschleunigt, wenn man den Schuldner auf den Weg der
Vollstreckungsgegenklage verweisen würde. Nähmen die Gläubiger im vorliegenden Fall mit dem von der Schuldnerin zu leistenden Kostenvorschuß eine
(erneute) Verlegung der Waschbetonplatten vor, wäre die Arbeit der Schuldnerin beseitigt und sie verlöre die Möglichkeit, für die Erfüllung Beweis zu erbringen. Bei Erhebung der Vollstreckungsgegenklage müßte der Schuldnerin mithin Vollstreckungsaufschub nach § 769 ZPO gewährt werden. Durch die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage würde das Verfahren angesichts der im
Verfahren einzuhaltenden Fristen somit letztlich verzögert. Im übrigen wäre im
vorliegenden Fall auch nach der vom Reichsgericht (RGZ 167, 328, 334) vertretenen Meinung das Vollstreckungsgericht zur Entscheidung über den Ein-
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wand zuständig, weil es darum geht, ob die von der Schuldnerin unstreitig vorgenommenen Handlungen das sind, was der Titel ihr gebietet. Diese Frage
kann das Prozeßgericht als Vollstreckungsgericht aufgrund seiner Kenntnis
vom Inhalt des Rechtsstreits am ehesten entscheiden.
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5. Das Verfahren ist danach an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, um die notwendigen Feststellungen zu treffen.
Raebel
von Lienen
Roggenbuck
Kessal-Wulf
Zoll