259 lines
No EOL
9.3 KiB
Text
259 lines
No EOL
9.3 KiB
Text
BUNDESGERICHTSHOF
|
||
BESCHLUSS
|
||
IX ZR 237/07
|
||
vom
|
||
15. Januar 2009
|
||
in dem Rechtsstreit
|
||
Nachschlagewerk:
|
||
|
||
ja
|
||
|
||
BGHZ:
|
||
|
||
nein
|
||
|
||
BGHR:
|
||
|
||
ja
|
||
|
||
InsO § 91 Abs. 1, BGB § 816 Abs. 2
|
||
Eine vor Insolvenzeröffnung von dem Schuldner an einen Nichtberechtigten
|
||
erbrachte Leistung kann nach Insolvenzeröffnung von dem Berechtigten genehmigt werden, um bei dem Nichtberechtigten Rückgriff zu nehmen.
|
||
BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 - IX ZR 237/07 - OLG Frankfurt am Main
|
||
LG Frankfurt am Main
|
||
|
||
-2-
|
||
|
||
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
|
||
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
|
||
Grupp
|
||
am 15. Januar 2009
|
||
beschlossen:
|
||
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil
|
||
des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
|
||
vom 24. Oktober 2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
|
||
Der Streitwert wird auf 72.207,56 € festgesetzt.
|
||
|
||
Gründe:
|
||
I.
|
||
Der Kläger ist Verwalter in dem am 29. Juni 2001 über das Vermögen
|
||
|
||
1
|
||
|
||
der Firma F.
|
||
|
||
GmbH (nachfolgend: Schuldnerin)
|
||
|
||
eröffneten Insolvenzverfahren.
|
||
Die Schuldnerin stellte der D.
|
||
|
||
2
|
||
D.
|
||
|
||
GmbH (nachfolgend:
|
||
|
||
GmbH), einem Konzernunternehmen der Beklagten, am 31. August
|
||
|
||
2000 für erbrachte Telekommunikationsdienstleistungen den Betrag von
|
||
141.225,72 DM in Rechnung. Die D.
|
||
|
||
GmbH, die nach einer späteren Ver-
|
||
|
||
- 3 -
|
||
|
||
äußerung aus dem Konzernverband der Beklagten von der T.
|
||
GmbH (nachfolgend: T.
|
||
|
||
GmbH) übernommen wurde, veranlasste am
|
||
|
||
10. Oktober 2000 und am 30. Oktober 2000 jeweils eine Zahlung von etwa
|
||
141.000 DM an die Schuldnerin. Nach Feststellung der Doppelzahlung überwies die Schuldnerin am 26. November 2000 einen Betrag von 141.225,72 DM
|
||
(72.207,56 €) statt an die D.
|
||
|
||
GmbH versehentlich an die Beklagte. In dem
|
||
|
||
Überweisungsbeleg wurde die Beklagte ausdrücklich als Empfänger der Zahlung bezeichnet, unter dem Verwendungszweck neben der Rechnungsnummer
|
||
770430 die Kundennummer der D.
|
||
|
||
GmbH sowie der Zusatz "Ihre Doppel-
|
||
|
||
zahlung" angegeben.
|
||
3
|
||
|
||
Die T.
|
||
|
||
GmbH beantragte am 31. August 2004 gegen die Beklagte
|
||
|
||
unter Angabe des dem Anspruchsgrunds "ungerechtfertigte Bereicherung" den
|
||
Erlass eines Mahnbescheids über 75.902,17 €. Im Rahmen eines anderen
|
||
Rechtsstreits schlossen die T.
|
||
|
||
GmbH und die Beklagte am 22. Septem-
|
||
|
||
ber 2005 einen Vergleich, durch den sich die Beklagte zur Zahlung von
|
||
100.000 € an die T.
|
||
|
||
GmbH verpflichtete. Mit dieser Zahlung sollte nach
|
||
|
||
dem Inhalt des Vergleichs auch die Forderung aus dem Mahnverfahren abgegolten werden.
|
||
4
|
||
|
||
Außerdem leitete die T.
|
||
|
||
GmbH am 23. Dezember 2004 gegen die
|
||
|
||
Schuldnerin ein Mahnverfahren zwecks Erstattung der Überzahlung in Höhe
|
||
von 72.207,56 € ein. Diese Forderung wurde am 14. April 2005 zur Insolvenztabelle festgestellt.
|
||
|
||
- 4 -
|
||
|
||
5
|
||
|
||
Mit vorliegender Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Erstattung
|
||
der Überweisung vom 26. November 2000 über 72.207,56 €. Landgericht und
|
||
Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt sein Zahlungsbegehren mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiter.
|
||
|
||
II.
|
||
6
|
||
|
||
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.
|
||
|
||
7
|
||
|
||
1. Soweit das Oberlandesgericht von einer Genehmigung der am
|
||
26. November 2000 von der Schuldnerin an die Beklagte bewirkten Überweisung durch die T.
|
||
|
||
GmbH im Zuge des gegen die Beklagte am 31. August
|
||
|
||
2004 eingeleiteten Mahnverfahrens ausgeht (§ 816 Abs. 2 BGB), handelt es
|
||
sich um eine revisionsrechtlich unangreifbare tatrichterliche Würdigung.
|
||
8
|
||
|
||
In der Klageerhebung kann regelmäßig die Genehmigung der Leistung
|
||
an den Nichtberechtigten gesehen werden, auch wenn dies nicht ausdrücklich
|
||
erklärt wird (BGH, Urt. v. 20. Juni 1990 - XII ZR 93/89, ZIP 1990, 1126, 1127).
|
||
Eine solche Annahme ist jedenfalls gerechtfertigt, wenn die Klagebegründung
|
||
die Voraussetzungen eines den Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB ausfüllenden
|
||
Tatsachenvortrags enthält (BGH, Beschl. v. 16. September 2008 - IX ZR
|
||
172/07, ZIP 2008, 1991, 1992 Rn. 11). Diesen Anforderungen ist im Blick auf
|
||
den in dem Mahnbescheid vom 31. August 2004 angebrachten Vermerk "ungerechtfertigte Bereicherung" genügt, der den Willen der T.
|
||
|
||
GmbH zum
|
||
|
||
Ausdruck bringt, die Überweisung der Schuldnerin an die Beklagte als Voraussetzung für die Begründetheit des mit dem Mahnbescheid verfolgten Anspruchs
|
||
|
||
- 5 -
|
||
|
||
zu genehmigen. Da eine Genehmigung bereits konkludent erklärt werden kann
|
||
(BGH, Urt. v. 20. Juni 1990, aaO; Staudinger/Gursky, BGB 2003 § 182 Rn. 9),
|
||
bedarf es keiner Entscheidung, ob auch den für die Konkretisierung eines
|
||
Mahnbescheids zu beachtenden Anforderungen (BGHZ 172, 42, 55; vgl. auch
|
||
BGH, Urt. v. 10. Juli 2008 - IX ZR 160/07, WM 2008, 1935) genügt ist. Die
|
||
Wirksamkeit der Genehmigung wird durch den von der T.
|
||
|
||
GmbH im spä-
|
||
|
||
teren Insolvenzverfahren der Schuldnerin erhobenen Anspruch nicht berührt,
|
||
weil die Erteilung einer Genehmigung ebenso wie ihre Verweigerung unwiderruflich ist (BGHZ 13, 179, 187).
|
||
9
|
||
|
||
2. Die Überweisung der Schuldnerin an die Beklagte stellt eine Leistung
|
||
im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 und des § 816 Abs. 2 BGB dar.
|
||
|
||
10
|
||
|
||
Unter einer Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen
|
||
(BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003 - IX ZR 270/02, NJW 2004, 1169). Die lediglich
|
||
das Motiv der Zahlung betreffende fehlerhafte Adressierung der Überweisung
|
||
durch die Schuldnerin lässt deren Leistungswillen im Verhältnis zur Beklagten
|
||
nicht entfallen, so dass die rechtsgrundlose Überweisung im Valutaverhältnis
|
||
rückabzuwickeln ist (BGH, Urt. v. 9. März 1987 - II ZR 238/86, NJW 1987, 1825,
|
||
1826; Urt. v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 192/07 z.V.b.; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 3. Aufl. § 50 Rn. 24; Bamberger/Roth/Wendehorst, BGB 2. Aufl. § 812 Rn. 45). Davon abgesehen kann - wie
|
||
für den Fall einer gefälschten Überweisung entschieden wurde - auch eine Zuwendung genehmigt werden, die nicht auf einer Leistung des Genehmigenden
|
||
beruht (BGH, Urt. v. 20. Juni 1990, aaO).
|
||
|
||
- 6 -
|
||
|
||
3. Die Genehmigung der Überweisung an die Beklagte durch die
|
||
|
||
11
|
||
T.
|
||
12
|
||
|
||
GmbH ist wirksam und steht in Einklang mit § 91 Abs. 1 InsO.
|
||
a) Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung können Rechte an Gegen-
|
||
|
||
ständen der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht
|
||
wirksam erworben werden. Die Norm schützt die Masse vor dem Verlust von
|
||
Vermögensgegenständen, indem sie jeden Rechtserwerb für unwirksam erklärt,
|
||
gleich auf welcher Rechtsgrundlage er beruht. Damit wird die haftungsrechtliche
|
||
Zuweisung der Masse an die Gläubiger gegen Eingriffe gesichert, die in anderer
|
||
Weise als durch Rechtshandlungen des Schuldners und Vollstreckungsmaßnahmen bewirkt werden (MünchKomm-InsO/Breuer, 2. Aufl. § 91 Rn. 3).
|
||
13
|
||
|
||
b) Bedarf eine vor Verfahrenseröffnung erfolgte Verfügung des Schuldners zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung eines Dritten, so kann diese Genehmigung noch nach Verfahrenseröffnung erteilt werden, weil die Genehmigung
|
||
gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Verfügung zurückwirkt. Die Insolvenzeröffnung beseitigt die Verfügungsbefugnis des Schuldners, lässt aber
|
||
die Genehmigungsbefugnis außenstehender Dritter unangetastet. Die Wirksamkeit einer Genehmigung wird also nach einhelliger Auffassung nur durch
|
||
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Genehmigenden und nicht durch ein nach Bewirkung der Leistung über das Vermögen des
|
||
Verfügenden eröffnetes Insolvenzverfahren eingeschränkt (RGZ 134, 73, 78;
|
||
BGH, Urt. v. 9. Oktober 1958 - II ZR 229/57, WM 1958, 1417, 1418 f; HKInsO/Kayser, 5. Aufl. § 91 Rn. 34; MünchKomm-InsO/Breuer, aaO § 91 Rn. 45;
|
||
Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 91 Rn. 52; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 91
|
||
Rn. 28; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 2. Aufl. § 91 Rn. 21; im Ergebnis ebenso
|
||
Jaeger/Windel, InsO § 91 Rn. 106). Infolge der fingierten Rückwirkung der seitens der T.
|
||
|
||
GmbH erteilten Genehmigung gilt die Leistung der Schuldne-
|
||
|
||
- 7 -
|
||
|
||
rin - anders als in dem einen Zwischenerwerb der Masse voraussetzenden Fall
|
||
der Konvaleszenz (§ 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB; BGH, Beschl. v.
|
||
25. September 2003 - IX ZR 213/03, NJW-RR 2004, 259) - als noch vor Verfahrenseröffnung rechtsgültig an die Beklagte erbracht.
|
||
c) Zwar wird im bereicherungsrechtlichen Schrifttum die Möglichkeit der
|
||
|
||
14
|
||
|
||
Genehmigung einer Leistung des in Insolvenz gefallenen Schuldners an einen
|
||
Nichtberechtigten in Zweifel gezogen (Staudinger/Stephan Lorenz, BGB § 816
|
||
Rn. 32 m.w.N; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung 1983 § 8 III,
|
||
S. 354 f). Zutreffend wird jedoch auf den Vorrang des Insolvenzrechts hingewiesen, der nicht mit Hilfe des Bereicherungsrechts korrigiert werden kann:
|
||
Gestattet das Insolvenzrecht - wie unter b) dargelegt - die Genehmigung der
|
||
Leistung des Schuldners an einen Nichtberechtigten durch den Berechtigten
|
||
noch nach Insolvenzeröffnung, kann dieser unter Verzicht auf seinen Anspruch
|
||
gegen
|
||
|
||
den
|
||
|
||
Schuldner
|
||
|
||
bei
|
||
|
||
dem
|
||
|
||
Nichtberechtigten
|
||
|
||
Rückgriff
|
||
|
||
nehmen
|
||
|
||
(Schlechtriem in: Ungerechtfertigte Bereicherung, Symposium für Detlef König,
|
||
|
||
- 8 -
|
||
|
||
1984 S. 57, 76 Fn. 78; Erman/Westermann/Buck-Heeb, BGB 12. Aufl. § 816
|
||
Rn. 17;
|
||
|
||
MünchKomm-BGB/Lieb, 4. Aufl. § 816 Rn. 60; Bamberger/Roth/
|
||
|
||
Wendehorst, aaO § 816 Rn. 30).
|
||
Ganter
|
||
|
||
Raebel
|
||
Gehrlein
|
||
|
||
Kayser
|
||
Grupp
|
||
|
||
Vorinstanzen:
|
||
LG Hanau, Entscheidung vom 30.01.2007 - 6 O 116/06 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 24.10.2007 - 21 U 20/07 -
|
||
|
||
|