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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 52/04
vom
4. November 2004
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsVV § 3 Abs. 1, §§ 10, 11 Abs. 1 Satz 2 und 3
Belasten erschwerende Umstände den vorläufigen Insolvenzverwalter in gleicher
Weise wie den endgültigen Insolvenzverwalter, sind die deswegen zu gewährenden
Zuschläge zum Regelsatz der Vergütung grundsätzlich für beide mit dem gleichen
Hundertsatz zu bemessen.
BGH, Beschluß vom 4. November 2004 - IX ZB 52/04 - LG Chemnitz
AG Chemnitz
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter,
Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 4. November 2004
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 26. Januar
2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
295.285,87 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wurde mit Beschluß des Amtsgerichts - Insolvenzgerichts - vom 3. April 2002 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) bestellt. Die Bestellung endete
am 2. Juni 2002 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung
des Antragstellers zum endgültigen Insolvenzverwalter.
- 3 -
Der Antragsteller hat beantragt, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 501.282,10 € festzusetzen. Er hat hierbei einen 25 %-igen
Regelsatz und Zuschläge von insgesamt 170 % - unter anderem 75 % für die
Betriebsfortführung und 50 % für die Vermietung und Verwaltung von Immobilien - zugrunde gelegt. Mit Beschluß vom 1. April 2003 hat das Amtsgericht die
Vergütung auf 205.996,23 € festgesetzt. Es hat - unter anderem wegen der
Betriebsfortführung und des Vorhandenseins von teils fertigzustellenden, teils
vermieteten Objekten - lediglich Zuschläge von insgesamt 55 % anerkannt,
ohne diesen Prozentsatz aufzuschlüsseln. Das Landgericht hat die sofortige
Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen, allerdings den Prozentsatz
der gewährten Zuschläge nunmehr auf einzelne Zuschlagsfaktoren verteilt.
Hierbei sind jeweils 15 % auf die Betriebsfortführung und die Vermietung/Verwaltung von Immobilien entfallen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 7 InsO) und
zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO); es führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Der Antragsteller macht geltend, das Landgericht habe zwar die in
dem Vergütungsantrag dargelegten Erhöhungstatbestände einzeln bewertet,
jedoch weit weniger als beantragt zugebilligt, weil es zu Unrecht angenommen
habe, die Zuschläge auf die Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwal-
- 4 -
ters seien regelmäßig nur mit einem Bruchteil der für den endgültigen Verwalter in vergleichbaren Fällen anerkannten Zuschläge zu bemessen.
2. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob für die Tätigkeit
des vorläufigen Verwalters, die Zuschläge nach § 3 Abs. 1 InsVV rechtfertigt,
regelmäßig nur ein Bruchteil der für den endgültigen Verwalter anerkannten
Zuschläge anzusetzen ist (so LG Braunschweig ZInsO 2001, 552, 553; LG Berlin ZInsO 2001, 608, 611; LG Neubrandenburg ZInsO 2003, 26, 27; Haarmeyer/
Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. § 3 Rn. 72 und § 11 Rn. 74; Keller, Vergütung
und Kosten im Insolvenzverfahren 2000 Rn. 189; ebenso zur Konkursordnung
LG Göttingen ZInsO 1998, 189, 190) oder ob die Zuschläge - unter der Voraussetzung, daß sich die Tätigkeiten qualitativ und quantitativ nicht unterscheiden - ebenso hoch wie bei dem endgültigen Verwalter zu bemessen sind (OLG
Frankfurt/Main ZIP 2001, 1016, 1018; MünchKomm-InsO/Nowak, § 11 InsVV
Rn. 16; Eickmann, Vergütungsrecht 2. Aufl. § 11 InsVV Rn. 22; Graeber, Die
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § 11 InsVV 2003 S. 74 f).
3. Im vorliegenden Fall wird diese Frage erheblich, weil das Landgericht
sich wegen des Zuschlags für die Betriebsfortführung unter Berufung auf
Haarmeyer/Wutzke/Förster (aaO) an der von diesen Autoren für den vorläufigen Insolvenzverwalter genannten "Untergrenze" von 15 % orientiert hat. Da
die genannten Autoren unter sonst gleichen Voraussetzungen für den endgültigen Insolvenzverwalter einen Zuschlag von 0,5 auf den Regelsatz befürworten,
ist davon auszugehen, daß das Landgericht die Betriebsfortführung unterschiedlich bewertet hat je nachdem, ob sie durch den vorläufigen oder den
endgültigen Insolvenzverwalter vorgenommen wird.
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4. Der Senat schließt sich im Grundsatz der Auffassung an, daß die Zuschläge für Umstände, welche die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters erschweren, mit dem gleichen Hundertsatz wie bei dem endgültigen Insolvenzverwalter zu bemessen sind, falls diese Umstände sich nicht von denen
unterscheiden, die bei dem endgültigen Insolvenzverwalter zu einem Zuschlag
führen würden.
a) Zwar ist die Gesamttätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig geringer zu vergüten als die des endgültigen Insolvenzverwalters,
weil ihre Aufgaben unterschiedlich sind. Dementsprechend sieht § 11 Abs. 1
Satz 2 InsVV vor, daß die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in der
Regel einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters
nicht überschreiten soll (zur Berechnung vgl. BGH, Beschl. v. 18. Dezember
2003 - IX ZB 50/03, NZI 2004, 251, 252). Dies gilt insbesondere für den einen
Normalfall abgeltenden Regelsatz, der bei dem vorläufigen Insolvenzverwalter
regelmäßig 25 % der Vergütung des Insolvenzverwalters beträgt (BGH, Beschl.
v. 24. Juni 2003 - IX ZB 453/02, NZI 2003, 547, 548; vgl. nunmehr auch Art. 1
Ziff. 4 der Verordnung zur Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung vom 4. Oktober 2004, BGBl. I, 2569) und den das Landgericht antragsgemäß auch in dieser Höhe festgesetzt hat.
b) Anders kann es sich indessen mit den erschwerenden Umständen im
Sinne von § 3 Abs. 1 InsVV verhalten, die nach den §§ 10, 11 Abs. 1 Satz 3
InsVV für den vorläufigen Insolvenzverwalter entsprechend zu berücksichtigen
sind und denen durch Veränderung des Regelsatzes Rechnung zu tragen ist
(BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 - IX ZB 50/03, NZI 2004, 251, 253). Der-
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artige Umstände können sowohl vor als auch nach Insolvenzeröffnung vorliegen. Je nach Lage des Einzelfalles können sie sich für den vorläufigen Insolvenzverwalter in gleicher Weise belastend auswirken wie für den endgültigen
Insolvenzverwalter. Gegebenenfalls wäre es nicht zu rechtfertigen, sie bei der
Vergütung unterschiedlich zu berücksichtigen.
c) Führt der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb des
Schuldners fort und wird hierdurch nicht die Masse entsprechend größer, rechtfertigen die durch die Fortführung verursachten Erschwernisse in analoger Anwendung des § 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 1 InsVV eine den Regelsatz übersteigende Vergütung (vgl. BGHZ 146, 165, 178; Haarmeyer/Wutzke/Förster, aaO).
In diesem Stadium sind die auf die Betriebsfortführung zurückgehenden Erschwernisse häufig nicht weniger belastend als nach Insolvenzeröffnung für
den Insolvenzverwalter, weil der vorläufige Insolvenzverwalter es oft mit einer
wirtschaftlich noch ungeklärten Situation zu tun bekommt und erst die Grundlagen für die Fortführung des Geschäftsbetriebes schaffen muß. Beispielsweise
muß er mit den Lieferanten wegen einer Wiederaufnahme oder Fortführung der
Lieferungen und mit den Banken wegen neuer Kredite verhandeln, um die Liquidität wiederherzustellen. Hier werden die Weichen für die Zukunft gestellt.
Das dabei zu Leistende kann - was den Arbeitsaufwand sowie die Bereitstellung der erforderlichen sachlichen und persönlichen Mittel angeht - nicht weniger bedeutsam sein als die Betriebsfortführung durch den späteren Insolvenzverwalter. Auch ist, solange die wirtschaftliche Situation, insbesondere der Bestand der Masse, nicht geklärt ist, das Haftungsrisiko für den vorläufigen Insolvenzverwalter eher höher als für den Insolvenzverwalter.
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Das Argument, Betriebsfortführungen durch den vorläufigen Insolvenzverwalter seien von kürzerer Dauer, trifft nicht in jedem Einzelfall zu. Der Zuschlag ist - unabhängig davon, ob er einen vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalter betrifft - stets nach der konkreten Dauer zu bemessen. Bei gleicher Dauer ist, falls auch sonst keine wesentlichen Unterschiede bestehen, der
gleiche Zuschlag veranlaßt.
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller, wie vom Landgericht festgestellt, das Unternehmen der Schuldnerin für ca. acht Wochen mit 19 Arbeitnehmern fortgeführt. Nach Ansicht des Landgerichts ist er dabei "wie ein endgültiger Verwalter tätig geworden". Es ging um die Bauleitung für die Fertigstellung von sieben Wohn- und Geschäftshäusern mit Tiefgaragenstellplätzen. Die
noch ausstehende Bauleistung hatte einen Wert von etwa 2,5 Mio. €. Dabei
war in Abstimmung mit der Gläubigerbank der Generalunternehmer zur Aufholung einer Bauverzögerung anzuhalten. Da das Landgericht möglicherweise
auf Grund der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung einem endgültigen
Verwalter für eine entsprechende achtwöchige Betriebsfortführung einen höheren Zuschlag als 15 % zugebilligt hätte, kann die angefochtene Entscheidung
insofern keinen Bestand haben.
d) Dasselbe gilt hinsichtlich des Zuschlags für die Vermietung und Verwaltung von Immobilienvermögen der Schuldnerin (§ 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2;
§§ 10, 11 Abs. 1 Satz 3 InsVV). Die Schuldnerin verfügte über 103 Objekte im
Inland und ein Objekt in Italien. Auch insoweit sind die Erschwernisse, die den
Zuschlag rechtfertigen, für den Antragsteller als vorläufigen Insolvenzverwalter
nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht von vornherein
geringer als für den endgültigen. Es hat auf die von dem Antragsteller ange-
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führten "zahlreichen Verhandlungen mit Mietern und insbesondere Versorgungsunternehmen" abgestellt sowie darauf, daß "die Zuordnung der einzelnen
Dauerschuldverhältnisse überaus schwierig" gewesen sei. Auch seien zunächst "umfangreiche Nachforschungen" erforderlich gewesen. Nach den Angaben in der Antragsschrift hat der Antragsteller überdies persönliche Zahlungszusagen erteilt, um die Weiterbelieferung mit elektrischer Energie, Gas,
Wärme und Wasser sicherzustellen.
Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht kann nicht ausschließen, daß
das Landgericht hierfür einen Zuschlag von mehr als 15 % gewährt hätte, wenn
es von der vorstehend unter b) dargelegten Rechtsauffassung ausgegangen
wäre.
III.
Hinsichtlich der übrigen Zuschlagsfaktoren - jeweils 5 % für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, die Prüfung des Vertrages mit dem
Generalunternehmer,
Verhandlungen
mit
Immobilienvermögens,
die
Prüfung
und
Abwicklung
Gläubigerbanken
über
die
insgesamt
(4 x 5
=)
also
von
Kaufverträgen,
Verwertung
20 % -
zeigt
des
die
Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler auf; ein solcher ist auch nicht
ersichtlich. Dennoch ist der angefochtene Beschluß insgesamt aufzuheben,
weil die Festsetzung der Vergütung nur einheitlich erfolgen kann (BGH, Beschl.
v. 18. Dezember 2003 aaO). Daran ändert auch der dem Landgericht
unterlaufene Additionsfehler nichts. Die von ihm ermittelten Zuschläge hätten
insgesamt nur 50 % und nicht, wie dem Antragsteller zugebilligt, 55 % ergeben.
Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß dem Antragsteller wegen
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Antragsteller wegen der Betriebsfortführung und der Verwaltung des Immobilienvermögens Zuschläge von insgesamt mehr als (55 ./. 20 =) 35 % gebühren.
Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Bemessung der Zuschläge unter Berücksichtigung der Art und
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des Umfangs der jeweils entfalteten Tätigkeit ist eine Frage der tatrichterlichen
Würdigung im Einzelfall (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003 aaO).
Ganter
Raebel
Cierniak
Kayser
Lohmann