222 lines
No EOL
7.5 KiB
Text
222 lines
No EOL
7.5 KiB
Text
BUNDESGERICHTSHOF
|
||
IM NAMEN DES VOLKES
|
||
URTEIL
|
||
IV ZR 334/14
|
||
|
||
Verkündet am:
|
||
7. Januar 2015
|
||
Heinekamp
|
||
Amtsinspektor
|
||
als Urkundsbeamter
|
||
der Geschäftsstelle
|
||
in dem Rechtsstreit
|
||
|
||
-2-
|
||
|
||
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
|
||
Richterin
|
||
|
||
Mayen,
|
||
|
||
die
|
||
|
||
Richterin
|
||
|
||
Harsdorf-Gebhardt,
|
||
|
||
die
|
||
|
||
Richter
|
||
|
||
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmüller im schriftl ichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum
|
||
17. Dezember 2014
|
||
|
||
für Recht erkannt:
|
||
|
||
Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des
|
||
20. Zivilsenats
|
||
|
||
des
|
||
|
||
Oberlandesgerichts
|
||
|
||
Köln
|
||
|
||
vom
|
||
|
||
3. Februar 2012 wird als unzulässig verworfen, soweit
|
||
sie sich gegen die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs richtet.
|
||
|
||
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
|
||
des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
|
||
Der Streitwert wird auf 2.737,56 € festgesetzt.
|
||
|
||
Von Rechts wegen
|
||
|
||
Tatbestand:
|
||
1
|
||
|
||
Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) b egehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rüc k-
|
||
|
||
-3-
|
||
|
||
zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
|
||
|
||
2
|
||
|
||
Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Vertragsbeginn zum
|
||
1. Oktober 1997 abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN bei Antragstellung nicht sämtliche relevanten
|
||
Vertragsunterlagen, insbesondere nicht die Verbraucherinformation, und
|
||
wurde auch nicht über das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. in der
|
||
bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) belehrt. Im Juli 2009 kündigte d. VN den Vertrag und der Versicherer zahlte
|
||
den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 31. März 2010 erklärte d. VN
|
||
schließlich den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
|
||
|
||
3
|
||
|
||
Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag g eleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rüc kkaufswerts (insgesamt 2.737,56 €).
|
||
|
||
4
|
||
|
||
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam
|
||
zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
|
||
|
||
5
|
||
|
||
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht
|
||
die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ve rfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
|
||
|
||
-4-
|
||
|
||
Entscheidungsgründe:
|
||
|
||
6
|
||
|
||
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Z urückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
|
||
|
||
7
|
||
|
||
I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht
|
||
über das Widerspruchsrecht belehrt. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a
|
||
Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rüc kwirkend endgültig wirksam geworden. D. VN stehe auch kein Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung zu.
|
||
|
||
8
|
||
|
||
II. Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend
|
||
gemachten Schadensersatzanspruchs unzulässig.
|
||
|
||
9
|
||
|
||
Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch
|
||
nach § 5a VVG a.F. für unwirksam erachtet hat. Es hat die Revision zugelassen, da die Frage, ob § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. europarechtskonform sei, von grundsätzlicher Bedeutung sei. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum
|
||
Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung auf den aus
|
||
dem Widerspruch abgeleiteten Bereicherungsanspruch ist wirksam. Der
|
||
diesem zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtl icher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung
|
||
maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai
|
||
2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101). Die gegen die Nichtzulassung der
|
||
Revision eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom
|
||
26. Juni 2013 zurückgewiesen.
|
||
|
||
-5-
|
||
|
||
10
|
||
|
||
III. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.
|
||
|
||
11
|
||
|
||
1. Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nac h
|
||
aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
|
||
|
||
12
|
||
|
||
a) Der nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts
|
||
zwischen den Parteien im Wege des sogenannten Policenmodells gemäß
|
||
§ 5a
|
||
|
||
VVG
|
||
|
||
a.F.
|
||
|
||
geschlossene
|
||
|
||
Versicherungsvertrag
|
||
|
||
schafft
|
||
|
||
keinen
|
||
|
||
Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d.
|
||
VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
|
||
|
||
13
|
||
|
||
aa) Wie das Berufungsgericht ebenfalls mit bindender Wirkung
|
||
festgestellt hat, belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß i.S.
|
||
von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Für einen
|
||
solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das W iderspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
|
||
|
||
14
|
||
|
||
Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahre sfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
|
||
|
||
15
|
||
|
||
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2
|
||
Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR
|
||
2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11,
|
||
BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die
|
||
Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert
|
||
|
||
-6-
|
||
|
||
werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten
|
||
Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon e rfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen
|
||
zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht,
|
||
wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum W iderspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder
|
||
die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
|
||
|
||
16
|
||
|
||
bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren
|
||
Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO
|
||
Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits
|
||
vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl.
|
||
Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
|
||
|
||
17
|
||
|
||
b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarecht swidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung
|
||
ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen
|
||
Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
|
||
|
||
18
|
||
|
||
2. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812
|
||
Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien.
|
||
Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwic klung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Vers icherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes
|
||
kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden;
|
||
bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
|
||
|
||
-7-
|
||
|
||
19
|
||
|
||
Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen
|
||
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuve rweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu
|
||
geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).
|
||
|
||
Mayen
|
||
|
||
Harsdorf-Gebhardt
|
||
|
||
Lehmann
|
||
|
||
Dr. Karczewski
|
||
|
||
Dr. Brockmöller
|
||
|
||
Vorinstanzen:
|
||
LG Aachen, Entscheidung vom 17.06.2011 - 9 O 585/10 OLG Köln, Entscheidung vom 03.02.2012 - 20 U 140/11 -
|
||
|
||
|