Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/iii_zr__72-06.pdf.txt
2023-03-06 15:36:57 +01:00

202 lines
No EOL
9.7 KiB
Text
Raw Blame History

This file contains invisible Unicode characters

This file contains invisible Unicode characters that are indistinguishable to humans but may be processed differently by a computer. If you think that this is intentional, you can safely ignore this warning. Use the Escape button to reveal them.

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 72/06
Verkündet am:
11. Januar 2007
Kiefer
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BKleingG § 12 Abs. 2; § 18 Abs. 2
§ 12 Abs. 2 BKleingG ist zugunsten eines Kindes des verstorbenen Pächters
auch dann nicht entsprechend anzuwenden, wenn die auf der Kleingartenparzelle befindliche Laube gemäß § 18 Abs. 2 BKleingG berechtigt zu Wohnzwecken genutzt wurde und das Kind des Nutzers mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt lebte.
BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 72/06 - LG Hamburg
AG Hamburg
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum 6. Dezember 2006 eingegangenen Schriftsätze durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und
Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Hamburg, Zivilkammer 34, vom 23. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs haben die Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, ein Kleingartenverein, verlangt von den Beklagten die Her-
1
ausgabe und Räumung einer auf seinem Gelände befindlichen Parzelle. Die
Beklagten sind Söhne und Erben des am 17. Januar 2003 verstorbenen G.
L.
. Dieser war seit 1963 Mitglied des Klägers. Er hatte die Klein-
gartenparzelle gepachtet und dort ein Behelfsheim errichtet, das er bis zu seinem Tode bewohnte. Die Beklagten wuchsen dort auf. Der Beklagte zu 1 zog
2002 zur Pflege seines Vaters erneut in das Behelfsheim. Seither ist er auch
förderndes Vereinsmitglied. Der Beklagte zu 2 gehört dem Kläger seit etwa 20
Jahren an.
- 3 -
2
Der Kläger ist der Auffassung, das Pachtverhältnis über den betroffenen
Grundstücksteil sei mit dem Ableben des Vaters der Beklagten beendet und
bestehe mit den Beklagten nicht fort. Diese haben die Ansicht vertreten, zwischen ihnen und dem Kläger sei ein Kleingartenpachtvertrag schlüssig zustande gekommen. Jedenfalls hätten sie einen Anspruch auf Abschluss eines solchen Vertrags.
3
Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Herausgabe der von allen Baulichkeiten, Unrat und Müll geräumten Parzelle an den Kläger verurteilt. Auf die
Berufung hat das Landgericht die Klage insoweit abgewiesen, als der Kläger die
Beseitigung der auf der Parzelle befindlichen Baulichkeiten verlangt hat. Im Übrigen hat es das Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
4
Die Revision ist unbegründet.
I.
5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, mit dem Tod des Vaters der
Beklagten sei der bis dahin bestehende Pachtvertrag gemäß § 12 Abs. 1
BKleingG beendet. Das Pachtverhältnis sei auch nicht einvernehmlich mit den
Beklagten fortgesetzt und monatelang erfüllt worden. Vielmehr habe der Kläger
die Weiternutzung der Parzelle durch die Beklagten nicht widerspruchslos hin-
- 4 -
genommen. Diese hätten aufgrund der zwischen den Parteien geführten Verhandlungen deutlich erkennen müssen, dass der Kläger den Abschluss eines
neuen Pachtvertrages von bestimmten, noch zu erfüllenden Voraussetzungen
abhängig gemacht habe.
Der Kläger verhalte sich auch nicht dadurch treuwidrig und rechtsmiss-
6
bräuchlich, dass er den Abschluss eines neuen Pachtvertrages mit den Beklagten verweigere. Ein Kontrahierungszwang bestehe insbesondere nach der Satzung des Klägers nicht. Die Beklagten könnten sich weiter nicht darauf berufen,
dass es bei dem Kläger üblich sei, auch Familienangehörigen die Fortsetzung
des Pachtvertrages eines verstorbenen Mitglieds zu ermöglichen.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Beklagten sind gemäß
7
§ 546 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 BKleingG, § 581 Abs. 2 und
§ 1922 Abs. 1 BGB zur Herausgabe und im erkannten Umfang zur Räumung
der vormals von ihrem Vater gepachteten Kleingartenparzelle verpflichtet.
8
1.
Das bestehende Kleingartenpachtverhältnis endete gemäß § 12 Abs. 1
BKleingG mit dem Ableben des Vaters der Beklagten. Das Berufungsgericht hat
in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass aus dem anschließenden Verhalten der Parteien keine Umstände
folgen, aus denen auf den konkludenten Abschluss eines neuen Pachtvertrages
zu schließen ist. Insoweit erhebt die Revision auch keine Rügen.
- 5 -
9
2.
Die Beklagten haben gegen den Kläger weiter keinen Anspruch auf Be-
gründung eines Kleingartenpachtverhältnisses, der dem Herausgabe- und Räumungsanspruch des Klägers gemäß § 242 BGB entgegengesetzt werden kann.
10
Von Ausnahmen abgesehen kann jedes Privatrechtssubjekt, zu denen
auch der Kläger gehört, frei entscheiden, ob, mit wem und zu welchen Bedingungen es Verträge mit Dritten schließt. Diese Abschlussfreiheit ist Bestandteil
der Vertragsfreiheit und als Teil des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich gewährleistet (z.B.: BVerfGE 8,
274, 328; Bamberger/Roth/H.-W. Eckert, BGB, § 145, Rn. 8. 12). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht zugunsten der Beklagten nicht.
11
a) § 12 Abs. 2 BKleingG ist auf Sachverhalte wie den vorliegenden nicht
entsprechend anwendbar. Dies scheitert zum einen daran, dass die Beklagten
nicht zusammen mit ihrem Vater den Kleingartenpachtvertrag geschlossen haben, wie dies § 12 Abs. 2 BKleingG für das Fortsetzungsrecht des überlebenden Ehegattens oder Lebenspartners vorsieht. Zum anderen liegt keine planwidrige Regelungslücke vor (vgl. zu diesem Erfordernis einer Analogie z.B.
BGHZ 149, 165, 174; BGH, Urteil vom 13. März 2003 - I ZR 290/00 - NJW
2003, 1932, 1933 jeweils m.w.N.). Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise kann nur bei einer Ehe oder Lebenspartnerschaft davon ausgegangen werden, dass der überlebende Teil aufgrund der gemeinsamen Lebensgestaltung eine ebenso enge und schutzwürdige Beziehung zu der Gartenparzelle
hat wie der verstorbene Kleingärtner. Dass das Bundeskleingartengesetz im
Gegensatz zu dem Wohnungsmietrecht (siehe § 563 Abs. 2 Satz 1 BGB) ein
Eintrittsrecht der Kinder des verstorbenen Kleingärtners nicht vorsieht, beruht
darauf, dass es bei der Fortsetzung eines Kleingartenpachtverhältnisses grundsätzlich nicht um den Schutz des Lebensmittelpunkts der in dem Haushalt des
- 6 -
verstorbenen Mieters wohnenden Angehörigen geht, den § 563 BGB bezweckt
(vgl. hierzu Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Mietrechtsreformgesetzes BT-Drucks. 14/4553, S. 60; MünchKommBGB/Häublein, 4. Aufl.,
§ 563, Rn. 1; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 563 Rn. 1). Dies ist auch
dann nicht anders zu beurteilen, wenn - wie es hier hinsichtlich des Beklagten
zu 1 in Betracht kommt - die Laube gemäß § 18 Abs. 2 BKleingG zu Wohnzwecken genutzt wurde und das Kind des verstorbenen Nutzers mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Da der Gebrauch einer Laube zum Wohnen
mit einer kleingärtnerischen Nutzung an sich unvereinbar ist, ist das bestandsgeschützte Recht zur Wohnnutzung nach § 18 Abs. 2 BKleingG an die Person
des Altnutzers gebunden (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2004 - III ZR 163/03 VIZ 2004, 371, 372). Diese enge Bestandsschutzregel darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass § 12 Abs. 2 BKleingG erweiternd ausgelegt und dadurch
die gesetzlich unerwünschte Wohnnutzung durch die Angehörigen des verstorbenen Pächters perpetuiert wird.
12
b) Aufgrund der Satzung des Klägers können die Beklagten den Abschluss eines Kleingartenpachtvertrags über die betroffene Parzelle nicht verlangen, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet ausgeführt hat.
13
c) Auch auf § 242 BGB können die Beklagten einen Anspruch auf Abschluss eines Kleingartenpachtvertrages nicht stützen. Dies gilt selbst dann,
wenn es, wie sie geltend machen, bei dem Kläger üblich sein sollte, dass die
interessierten Erben eines Kleingärtners das Pachtverhältnis fortsetzen und
ohne weiteres einen Pachtvertrag erhalten.
- 7 -
14
Dem Berufungsgericht ist insoweit darin beizupflichten, dass einem etwaigen Anspruch der Beklagten auf Abschluss eines Kleingartenpachtvertrags
jedenfalls entgegensteht, dass der Beklagte zu 1, wie er zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingeräumt hat, ungeachtet der
zwischenzeitlich vorgenommenen Rückbauten weiterhin in dem Behelfsheim
wohnt und er diesen Zustand auch melderechtlich verfestigt hat. Dies widerspricht den Erklärungen der Beklagten über ihre Nutzungsabsichten und dem
Inhalt des von ihnen verlangten Vertrags. Nutzt eine der Parteien eine Kleingartenparzelle bereits vor Abschluss des Pachtvertrages in einer Weise, die im Fall
seines Bestehens zur Abmahnung und gegebenenfalls zur Kündigung (§ 9
Abs. 1 Nr. 1 BKleingG) berechtigen würde, ist es nicht sachwidrig, wenn der
Verpächter den Vertragsschluss verweigert, selbst wenn nach den üblichen
Gepflogenheiten ein solcher zu erwarten war. Das Verhalten des Beklagten
zu 1 begründet, wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem außergerichtlichen Schreiben vom 15. Dezember 2005 zutreffend zum Ausdruck gebracht hat, berechtigte Zweifel an der künftigen Vertragstreue der Beklagten.
15
d) Damit kommt es nicht mehr auf die von der Revision erörterte Frage
an, ob die Erwägung des Berufungsgerichts zutrifft, dass der Kläger zum Ab-
- 8 -
schluss eines Pachtvertrages mit dem Beklagten auch deshalb nicht verpflichtet
ist, weil er ansonsten entgegen § 3 Abs. 2 BKleingG die Nutzung einer übergroßen Laube ermöglichen würde.
Schlick
Wurm
Dörr
Streck
Herrmann
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 31.05.2005 - 48 C 254/04 LG Hamburg, Entscheidung vom 23.02.2006 - 334 S 61/05 -