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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 311/13
Verkündet am:
13. Februar 2014
Freitag
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GVG § 198 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 1; StVollzG § 109
a) Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff
GVG) ist auf das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar
anzuwenden.
b) Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist unter dem
Gesichtspunkt der Mitverursachung wesentlich, wie sich der Entschädigungskläger im Ausgangsverfahren verhalten hat. Dabei kommt es auf eine
Prozessverschleppungsabsicht oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Prozessverhaltens nicht an.
BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - OLG Frankfurt am Main
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Februar 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle
Nachteile wegen überlanger Dauer eines Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG in Anspruch.
2
Der Kläger verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B.
eine lebenslan-
ge Freiheitsstrafe. Ein im Jahre 2002 im Strafvollzug begonnenes Studium der
Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H.
betrieb er zunächst als
Freizeitmaßnahme und setzte es ab Juli 2007 als Vollzeitstudent fort.
- 3 -
3
Ende 2008 teilte die Fernuniversität H.
dem Kläger mit, dass die
ordnungsgemäße Weiterführung des Studiums künftig einen Personal Computer mit Internetanschluss voraussetze. Mit Schreiben vom 1. September 2009
beantragte der Kläger gegenüber der Justizvollzugsanstalt B.
die zeitna-
he Einrichtung eines eingeschränkten ("getunnelten") Onlinezugangs zu den
Internetseiten der Fernuniversität H.
. Daraufhin erhielt er vom pädagogi-
schen Dienst der Vollzugsanstalt die Zusage, dass er einen Laptop erhalten
werde, um einen eingeschränkten Internetzugang vom Haftraum aus nutzen zu
können. Die Installation des Internetzugangs sollte nach dem damaligen Planungsstand bis Ende Oktober 2009 erfolgen.
4
Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 widerrief die Justizvollzugsanstalt
B.
wegen ungenügender Leistungen sowohl die Genehmigung des Stu-
diums als Vollzeitmaßnahme als auch die Kostenübernahmeerklärung für das
Fernstudium. Seitdem setzt der Kläger, der den Rücknahmebescheid erfolglos
angegriffen hatte (Beschluss des Landgerichts G.
- 2. Strafvollstreckungs-
kammer - vom 4. Mai 2010), das Studium wieder als Freizeitmaßnahme fort.
5
Da er in der Folgezeit weder einen Internetzugang noch einen Laptop
erhielt, stellte er mit Schreiben vom 3. Februar 2010 beim Landgericht G.
-
2. Strafvollstreckungskammer - Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach
§§ 109 ff StVollzG mit dem Ziel, die Justizvollzugsanstalt B.
zu verpflich-
ten, ihm einen eingeschränkten Internetzugang zur Fernuniversität H.
ein-
zurichten sowie einen anstaltseigenen Laptop zur Verfügung zu stellen.
6
Nach mehrfachen wechselseitigen Stellungnahmen teilte die Justizvollzugsanstalt B.
schließlich mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 mit, dass
grundsätzlich nichts gegen die Einrichtung des beantragten Internetzugangs
- 4 -
und die Aushändigung eines Laptops spreche. Der Internetzugang könne jedoch aus technischen, außerhalb der Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Vollzugsanstalt liegenden Gründen derzeit nicht eingerichtet werden.
7
Mit Schreiben vom 24. März 2011 informierte der Kläger das Landgericht
darüber, dass er schwer erkrankt sei, und bat um "globale Fristverlängerung",
da er sich in allen offenen Verfahren noch äußern werde.
8
Den Antrag des Klägers vom 30. Mai 2011, eingegangen bei Gericht am
20. Juni 2011, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG,
mit dem er die sofortige Einrichtung eines getunnelten Online-Anschlusses begehrte, wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 8. November
2011 zurück, da der Kläger nicht gehindert sei, solche Klausuren zu schreiben,
für die er in der Vergangenheit bereits Klausurberechtigungen erworben habe,
und die Hauptsache durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen
werden dürfe.
9
In einem Telefonat vom 27. Juli 2011 bat der Kläger die Strafvollstreckungskammer um eine möglichst schnelle Entscheidung in den von ihm als
vorrangig angesehenen Verfahren, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
10
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 erhob er gegenüber dem Landgericht eine "Untätigkeitsrüge".
11
Mit Beschluss vom 17. Januar 2012 verpflichtete das Landgericht G.
die Justizvollzugsanstalt B.
, dem Kläger die Nutzung eines einge-
schränkten Internetzugangs zur Fernuniversität H.
zu ermöglichen und ihm
- 5 -
einen Laptop zur Nutzung in seinem Haftraum auszuhändigen. Auf Grund der
bereits im Jahre 2009 gegebenen Zusage sei das Ermessen der Vollzugsanstalt auf Null reduziert. Diese sei für die Einrichtung und Nutzung des Internetzugangs verantwortlich und habe etwaige technische Schwierigkeiten zu beseitigen.
12
Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG habe unangemessen lange gedauert und sei
spätestens im April 2011 entscheidungsreif gewesen.
13
Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile in Höhe von 2.300 € gerichtete Klage abgewiesen.
14
Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
15
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
16
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 6 -
17
Die Entschädigungsklage sei unbegründet, da das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nicht unangemessen lange im Sinne von § 198 Abs. 1
Satz 1 GVG gedauert habe.
18
Der prüfungsrelevante Zeitraum, innerhalb dessen das Ausgangsverfahren auf konkrete Phasen der Verzögerung untersucht werden müsse, beginne
mit dem Antrag des Klägers vom 3. Februar 2010 und ende mit der Rechtskraft
des Beschlusses vom 17. Januar 2012, die am 24. Februar 2012 eingetreten
sei (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Das Landgericht habe das Verfahren zunächst
zeitnah gefördert. Mit dem Schreiben der JVA B.
vom 5. Oktober 2010
sei eine gewisse Zäsur des Ausgangsverfahrens eingetreten. Nunmehr hätten
dem Landgericht alle entscheidungserheblichen Umstände vorgelegen. Auch
wenn zwischen diesem Zeitpunkt und dem Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung 15 Monate lägen, sei das Ausgangsverfahren nicht unangemessen verzögert worden, da dieser Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Prozessverhaltens des
Klägers als vertretbar anzusehen sei. Die aufgeworfenen Rechtsfragen seien
als schwierig einzustufen, zumal es dazu keine gesetzlichen Vorgaben und
bislang auch keine über allgemein zugängliche Datenbanken aufzufindende
Rechtsprechung gebe. Für die sorgfältige rechtliche Prüfung müsse daher
- trotz besonderer persönlicher Bedeutung des Rechtsstreits für die Wiedereingliederung des Klägers nach dem Strafvollzug - ein ganz erheblicher Zeitraum
angesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer müsse auch berücksichtigt werden, dass der Kläger durch sein Prozessverhalten die Verfahrensdauer erheblich verlängert habe.
- 7 -
II.
19
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand. Durch die Verfahrensführung des Landgerichts ist die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden.
20
1.
Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Ent-
schädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) auf das
gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG unmittelbar anzuwenden ist.
21
Nach § 2 EGGVG gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und damit auch die Entschädigungsregelung bei überlangen Gerichtsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit und deren Ausübung. Davon umfasst
sind nach § 13 GVG alle Zivil- und Strafsachen. Auf andere Gerichtsbarkeiten
ist das Gerichtsverfassungsgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, sondern nur
insoweit, als seine Geltung durch Verweisungsnormen ausdrücklich vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 173 VwGO, § 202 SGG, § 155 FGO; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198
GVG Rn. 9).
22
Das gerichtliche Verfahren ist in §§ 109 ff StVollzG nicht abschließend
geregelt und entzieht sich einer eindeutigen Einordnung. § 120 Abs. 1 StVollzG
verweist zwar ergänzend auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften
der Strafprozessordnung; dies ist jedoch nicht unproblematisch. Denn das Verfahren nach §§ 109 ff StVollzG ähnelt seiner Struktur nach dem Verwaltungsstreitverfahren und ist kein Strafprozess, so dass bei jeder Norm der Strafprozessordnung sorgfältig geprüft werden muss, ob sie für das Strafvollzugsgesetz
passt, das heißt mit dem materiellen Strafvollzugsrecht und dem verwaltungs-
- 8 -
prozessual ausgestalteten Antragsrecht nach §§ 109 ff StVollzG in Einklang
zu bringen ist (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol, 6. Aufl., § 120 Rn. 3; Arloth,
StVollzG, 3. Aufl., § 120 Rn. 1 f). Dies hat zu einer weitgehend richterrechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens geführt (Arloth aaO § 120 Rn. 1).
23
Die unmittelbare Geltung des Gerichtsverfassungsgesetzes ergibt sich
daraus, dass der Gesetzgeber die gemäß §§ 109 ff StVollzG zu treffenden Entscheidungen den ordentlichen Gerichten (§ 12 GVG) zugewiesen hat. Der zuständige erstinstanzliche Spruchkörper ist die Strafvollstreckungskammer des
Landgerichts (§ 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GVG), der auf Grund der Vollzugsnähe
im Rahmen der Entscheidungen nach §§ 462a, 463 StPO auch insoweit besondere Sachkunde zukommt (AK-StVollzG/Kamann/Spaniol aaO § 110 Rn. 1;
Arloth aaO § 110 Rn. 1). Über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Strafvollstreckungskammer ihren Sitz hat (§ 117 StVollzG). Für das Vorlageverfahren
nach § 121 Abs. 2 GVG ist der Bundesgerichtshof zuständig. Die vorgenannten
Gerichte werden bei Entscheidungen nach §§ 109 ff StVollzG als ordentliche
Gerichte tätig (§ 12 GVG) und üben ordentliche Gerichtsbarkeit aus (vgl. Ott
aaO § 198 GVG Rn. 9; nicht eindeutig insoweit Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl.,
§ 12 GVG Rn. 4 einerseits sowie Einleitung Rn. 2 und § 2 EGGVG Rn. 2 andererseits).
24
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass §§ 23 ff EGGVG, die im Bereich
des Strafvollzugsrechts subsidiär gelten (Arloth aaO Vorbemerkung zu § 108
Rn. 8), die Zuständigkeit der sachnäheren ordentlichen Gerichte für die Überprüfung der in § 23 Abs. 1 EGGVG bezeichneten Maßnahmen abweichend von
der Generalklausel des § 40 VwGO bestimmen (Meyer-Goßner, StPO,
56. Aufl., vor § 23 EGGVG Rn. 1).
- 9 -
25
2.
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht eine
unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens zu Recht verneint. Die Verfahrensförderung durch das Landgericht weist keine sachwidrigen Lücken auf.
26
a) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von
§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls,
insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach
dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG
benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders
bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden
Charakter (BT-Drucks. 17/3802 S. 18). Weitere gewichtige Beurteilungskriterien
sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter (Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen, Beachtung der richterlichen Unabhängigkeit und
des gesetzlichen Richters). Erforderlich ist eine umfassende Gesamtabwägung
aller Umstände (grundlegend Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR
376/12, NJW 2014, 220 Rn. 25, 28, 32 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13,
BeckRS 2013, 22861 Rn. 37, 40, 43 ff und vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13,
BeckRS 2014, 03167 Rn. 36, 39 f, jeweils zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
27
b) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1
Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1
Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der
Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen
Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3
GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung
- 10 -
des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (ausführlich Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28
ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff und vom 23. Januar 2014 aaO
Rn. 35 ff, jeweils mwN).
28
Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher Zeitraum die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte Gesamtverfahrensdauer
(vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 78). Dies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob eingetretene Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 30 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41 und vom
23. Januar 2014 aaO Rn. 37; Ott aaO § 198 GVG Rn. 79, 97, 100 f). Darüber
hinaus wird eine Entschädigung für abschnittsbezogene Verzögerungen, die
derart unbedeutend sind, dass sie gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht
ins Gewicht fallen, regelmäßig ausscheiden. Denn die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung muss einen gewissen Schweregrad erreichen. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung
aus (BSG, NJW 2014, 248 Rn. 26).
29
Die Verfahrensdauer muss vielmehr eine Grenze überschreiten, die sich
auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt
(Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 31; vom 5. Dezember 2013
aaO Rn. 42 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 38; vgl. BVerfG, NVwZ 2013,
789, 791 f; BVerwG, NJW 2014, 96 Rn. 39; siehe auch BFH, BeckRS 2013,
- 11 -
96642 Rn. 53; BSG aaO: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des
Angemessenen").
30
c) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungsund Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33; vom 5. Dezember 2013 aaO
Rn. 44 und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39). Demensprechend wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden Entschädigungsprozess nicht
auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf
nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich
ist (vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 - III ZR 32/10, BGHZ 187, 286
Rn. 14 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 45 f). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat (BVerfG, Beschluss vom
14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16), begründen eine vertretbare
Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung
vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch,
wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 46).
31
Erst wenn die Verfahrenslaufzeit, die durch die Verfahrensführung des
Gerichts bedingt ist, in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198
Abs. 1 Satz 2 GVG auch bei Berücksichtigung des weiten richterlichen Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemes-
- 12 -
sene Verfahrensdauer vor (Senatsurteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 33;
vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 44 ff und vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 40;
BVerwG aaO Rn. 42).
32
d) Bei Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hält die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die Dauer des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff StVollzG sei nicht als unangemessen zu bewerten,
den Angriffen der Revision stand.
33
Die Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt
grundsätzlich dem Tatrichter, der über die Entschädigungsklage entscheidet.
Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten
Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner
Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze
oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind
(vgl. Senatsurteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; vom 14. November
2013 aaO Rn. 34 und vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 47; Musielak/Ball, ZPO,
10. Aufl., § 546 Rn. 12).
34
Solche Rechtsfehler liegen nicht vor. Die vom Oberlandesgericht an den
nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG maßgeblichen Kriterien ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls belegt, dass
die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum
Abschluss zu bringen, nicht verletzt worden ist.
- 13 -
35
aa) Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigen die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Annahme, dass die in dem Ausgangsverfahren zu beurteilenden rechtlichen Fragen als schwierig einzustufen
sind.
36
Die Einrichtung und technische Ausgestaltung eines (eingeschränkten)
Internetzugangs für Strafgefangene betrifft unmittelbar die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt. Einschlägige Vorschriften finden sich weder im
Strafvollzugsgesetz noch in den Vollzugsgesetzen der Länder. § 36 Abs. 1
HStVollzG enthält lediglich die Regelung, dass den Gefangenen Telefongespräche gestattet werden können und aus wichtigen Gründen die Nutzung "anderer Kommunikationsmittel" durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt in
Betracht kommt. Im Zusammenhang mit der Internetnutzung durch Strafgefangene stellen sich somit viele neue Rechtsfragen, ohne dass auf gesetzliche
Vorgaben oder eine gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann.
In der Literatur wird deshalb de lege ferenda die Schaffung einer Norm für erforderlich gehalten, die die Kommunikation über das Internet explizit regelt (AKStVollzG/Joester/Wegner aaO § 32 Rn. 13).
37
Die Strafvollstreckungskammer musste darüber hinaus der Frage nachgehen, ob die Zusage der Vollzugsanstalt aus dem Jahre 2009 durch den zwischenzeitlich erfolgten Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als Vollzeitmaßnahme gegenstandslos geworden ist.
38
Abschließend war die Frage zu beurteilen, ob die Vollzugsanstalt dazu
verpflichtet werden konnte, technische Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines eingeschränkten Internetzugangs gegebenfalls unter Hinzuziehung externer Fachkräfte zu beseitigen (dazu AK-StVollzG/Däubler/Galli aaO § 37 Rn. 7).
- 14 -
39
Nach alledem ist die Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass die
Strafvollstreckungskammer über eine im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG
schwierige Rechtslage zu befinden hatte, nicht zu beanstanden (vgl. Ott aaO
§ 198 GVG Rn. 105).
40
bb) Das Oberlandesgericht hat auch berücksichtigt, dass die zeitnahe
Entscheidung des Ausgangsverfahrens für den Kläger von besonderer persönlicher Bedeutung war. Die erfolgreiche Absolvierung des Fernstudiums diente
seiner beruflichen Wiedereingliederung nach dem Strafvollzug. Ab Mitte Juni
2011 konnten die zum Erwerb von Klausurberechtigungen erforderlichen Einsendearbeiten nur noch online angefertigt werden. Aus dem vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Beschluss des Landgerichts vom 8. November
2011 ergibt sich allerdings auch, dass der Kläger nicht gehindert war, an Klausuren teilzunehmen, für die er bereits in der Vergangenheit Berechtigungen erworben hatte. Demgemäß konnte er eine Verzögerung seines Studiums dadurch vermeiden, dass er zunächst solche Klausuren schrieb. Im Übrigen darf
nicht übersehen werden, dass die Strafvollstreckungskammer in ihrem Beschluss vom 4. Mai 2010 den Widerruf der Genehmigung des Fernstudiums als
Ausbildungsmaßnahme nach § 37 StVollzG als ermessensfehlerfrei gewertet
hat, weil der Kläger nicht willens und in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Leistungsnachweise in angemessener Zeit zu erbringen, und deshalb die
Justizvollzugsanstalt den Kläger als ungeeignet für das Studium als Vollzeitmaßnahme ansehen durfte.
41
cc) Vergeblich wendet die Revision ein, die umfangreichen Stellungnahmen, die der Kläger auch nach Eingang des Schreibens der Vollzugsanstalt
vom 5. Oktober 2010 abgegeben habe, sowie das parallele Betreiben einer
- 15 -
Vielzahl weiterer Verfahren vor der nämlichen Strafvollstreckungskammer hätten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht berücksichtigt werden dürfen.
42
Die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Mitverursachung wesentlich für die Beurteilung der Verfahrensdauer (BT-Drucks. 17/3802
S. 18). Denn von ihm verursachte Verzögerungen können keine Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 116). Dabei
kommt es auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens nicht an. Auch durch zulässiges Prozessverhalten
herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in den Verantwortungsbereich
des Betroffenen. Dies gilt beispielsweise für häufige umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, Fristverlängerungsanträge und Anträge auf Ruhenlassen des Verfahrens (Ott aaO § 198 GVG Rn. 117 f). In allen diesen Fällen wird
die Zeit, die für das Gericht zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein Prozessverhalten erforderlich ist, nicht dem Staat zugerechnet (Althammer/Schäuble,
NJW 2012, 1, 2; Ott aaO § 198 GVG Rn. 118; Roderfeld in Marx/Roderfeld,
Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG
Rn. 12; Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 52;
Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG Rn. 3).
43
Dem Oberlandesgericht ist deshalb auch darin beizupflichten, dass im
Rahmen der zu treffenden Abwägungsentscheidung zu bedenken war, dass der
Kläger durch zahlreiche umfangreiche Stellungnahmen und Anfragen, die er
nach Eingang des Anstaltsschreibens vom 5. Oktober 2010 abgegeben hat,
einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand verursacht hat, der nicht in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Es kommt hinzu, dass er mit Schreiben
- 16 -
vom 24. März 2011 um "globale Fristverlängerung" nachgesucht und im Juli
2011 um eine vorrangige Bearbeitung derjenigen Verfahren gebeten hat, in denen er Vollzugspläne angefochten hatte.
44
Eine weitere Verfahrensverzögerung hat der Kläger dadurch herbeigeführt, dass er während des laufenden Hauptsacheverfahrens zusätzlich den
Erlass einer inhaltsgleichen - jedoch vorrangig zu bearbeitenden - einstweiligen
Anordnung beantragt hat.
45
dd) Die Wertung des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von rund 15
Monaten zwischen dem Eingang des Schreibens der Justizvollzugsanstalt
B.
vom 5. Oktober 2010 und dem das Verfahren beendenden Beschluss
vom 17. Januar 2012 noch angemessen war, ist revisionsgerichtlich nicht zu
beanstanden.
46
Wie bereits dargelegt, ist ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der
Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem
Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. Dabei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie
muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen
Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in
jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; vgl. BVerwG aaO Rn 41; Ott aaO § 198 GVG
Rn. 127).
- 17 -
47
Die Strafvollstreckungskammer hatte eine schwierige, bislang weitgehend ungeklärte Rechtslage zu beurteilen. Der Kläger hat den Prozessstoff
durch zahlreiche Eingaben, die das Gericht inhaltlich erfassen und gegebenfalls
zur Stellungnahme an die Justizvollzugsanstalt weiterleiten musste, beträchtlich
ausgeweitet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, die
weiteren Stellungnahmen des Klägers seien zur Begründung seines Antrags
nicht mehr erforderlich und die Sache seit Oktober 2010 entscheidungsreif gewesen, übersieht sie, dass es nicht darauf ankommt, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt. Entscheidend ist,
wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen
durfte (Senatsurteil vom 14. November 2013 aaO Rn. 32; BVerwG aaO Rn. 41;
Ott aaO § 198 GVG Rn. 81). Es war daher schon zur Wahrung des Anspruchs
des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erforderlich, seine zahlreichen Schreiben zu lesen und auszuwerten sowie den Eingang angekündigter
Begründungsergänzungen binnen angemessener Frist abzuwarten. Daneben
hatte das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig zu bearbeiten und musste die zahlreichen vom Kläger parallel betriebenen
Verfahren ebenfalls sachgerecht fördern.
48
Die vorgenannten Umstände tragen in der Gesamtschau die Annahme
des Oberlandesgerichts, dass der Zeitraum von Oktober 2010 bis Januar 2012
für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands
jedenfalls vertretbar war, um der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung zu tragen. Der dem Gericht eingeräumte Gestaltungsspielraum wurde nicht überschritten.
- 18 -
49
Die Revision irrt, wenn sie meint, das Gericht habe sämtliche bei ihm
anhängigen Verfahren in gleicher Weise fördern müssen, und zwar ohne Rücksicht darauf, dass es durch die weiteren Anträge und Verfahren des Klägers in
seiner Arbeit behindert wurde. Der den Gerichten zuzubilligende Gestaltungsspielraum gibt dem erkennenden Richter die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, wann er welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern
kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die besonders
intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht
schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser Zeit die Förderung anderer diesem Richter zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren ist aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und
wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG beziehungsweise Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK
nicht verlangt (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 39; BFH aaO
Rn. 54). Demgemäß konnte von der Strafvollstreckungskammer nicht erwartet
werden, alle vom Kläger betriebenen Verfahren überobligationsmäßig mit gleicher Intensität zu fördern.
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ee) Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den erheblichen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens in rechtlicher Hinsicht, seine Bedeutung für die spätere Resozialisierung des Klägers, dessen zu erheblichen Verzögerungen führendes Prozessverhalten sowie die jedenfalls vertretbare Verfahrensführung durch die Strafvollstreckungskammer, dann erweist sich die An-
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nahme des Oberlandesgerichts, dass der Rechtsstreit nicht unangemessen
verzögert wurde, als rechtsfehlerfrei.
Schlick
Herrmann
Seiters
Wöstmann
Reiter
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 05.06.2013 - 4 EntV 10/12 -