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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 27/02
vom
20. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
ZPO §§ 568, 349 Abs. 2, 3 ZPO
Der nach § 349 Abs. 2, 3 ZPO an Stelle der Kammer entscheidende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ist nicht Einzelrichter i.S. von § 568 Satz 1
ZPO. Über eine sofortige Beschwerde gegen dessen Entscheidung hat das Beschwerdegericht nicht durch eines seiner Mitglieder als (originärer) Einzelrichter
(§ 568 Satz 1 ZPO), sondern in der gemäß § 122 GVG vorgeschriebenen Besetzung als Senatskollegium zu entscheiden.
BGH, Beschluß vom 20. Oktober 2003 - II ZB 27/02 - Kammergericht Berlin
LG Berlin
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. Oktober 2003
durch die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer, Münke und
Dr. Gehrlein
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des
Einzelrichters des 14. Zivilsenats des Kammergerichts vom
13. September 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht
(Senat) zurückverwiesen.
Rechtsbeschwerdewert: bis 2.500,00
Gründe:
I. Der
Kläger
und
R. S.
waren
Geschäftsführer
und
- mit
Stimmrechtsanteilen von je 50 % - Gesellschafter der beklagten GmbH. Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob auf den Gesellschafterversammlungen der Beklagten vom 2. und 22. Oktober 2001 der Kläger als Geschäftsführer wirksam aus wichtigem Grund abberufen worden ist. Nachdem der Klä-
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ger Klage auf Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Nichtigerklärung der auf
den Versammlungen (möglicherweise) gefaßten Beschlüsse eingereicht hatte,
haben er und S. einverständlich ihre Ämter als Geschäftsführer zum
30. November 2001 niedergelegt und neue Geschäftsführer bestellt. Nach Einzahlung des Gebührenvorschusses durch den Kläger und Zustellung der Klage
haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für
erledigt erklärt.
Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des Landgerichts hat
durch Beschluß vom 24. April 2002 die Kosten des Rechtsstreits den Parteien
je zur Hälfte auferlegt. Dagegen haben beide Parteien sofortige Beschwerde
eingelegt. Der Einzelrichter des Beschwerdegerichts hat die gesamten Kosten
des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und im übrigen die Rechtsbeschwerde zugelassen, "weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO insoweit vorliegen, als es um die Grundsatzfrage der Entscheidungszuständigkeit des originären Einzelrichters geht und die vorliegende Entscheidung dazu von den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Zweibrücken (NJW 2002,
S. 1962 bzw. S. 2722) abweicht". Mit der Rechtsbeschwerde rügt die Beklagte
eine fehlerhafte Besetzung des Beschwerdegerichts und erstrebt in der Sache
eine Änderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft.
Ihre Zulassung ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, obwohl er bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorge-
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schriebenen Besetzung hätte übertragen müssen; an eine unter Verstoß gegen
§ 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO erfolgte Zulassung ist das Rechtsbeschwerdegericht
gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO gleichwohl gebunden (vgl. BGH, Beschl. v.
13. März 2003 - IX ZB 134/02, WM 2003, 701; Beschl. v. 10. April 2003
- VII ZB 17/02, BB 2003, 1200; Beschl. v. 11. September 2003 - XII ZB 188/02,
BB 2003, 2372; Beschl. v. 18. September 2003 - V ZB 53/02, Umdr. S. 3
- veröffentl. in juris).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Die angefochtene Entscheidung des Einzelrichters unterliegt allerdings
nicht schon der Aufhebung von Amts wegen, weil dieser sich die Entscheidungszuständigkeit des Kollegiums in der Zulassungsfrage willkürlich angemaßt
hätte (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Zwar hat der originäre Einzelrichter i.S. des
§ 568 Satz 1 ZPO nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - der sich der erkennende Senat anschließt - bei Rechtssachen, denen er grundsätzliche Bedeutung beimißt, von Gesetzes wegen das Verfahren
an das Kollegium zu übertragen; bejaht er gleichwohl mit der eigenen Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, so
ist seine Entscheidung im Regelfall als objektiv willkürlicher Verstoß gegen das
Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters anzusehen.
Die Nichtübertragung des Verfahrens auf das Senatskollegium stellt sich
jedoch in der hier gegebenen besonderen Fallkonstellation nicht als objektiv
willkürlich dar. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß das Grundsatzproblem
der Rechtssache gerade die - vorgelagerte - Frage der (eigenen) Entscheidungszuständigkeit des originären Einzelrichters als Beschwerderichter i.S. des
§ 568 Satz 1 ZPO gegen Entscheidungen des Vorsitzenden der Kammer für
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Handelssachen betraf. In dieser - vom Gesetzgeber nicht bedachten - besonderen Situation erweist sich das Vorgehen des Einzelrichters bei objektiver Betrachtung nicht als unverständlich und offensichtlich unhaltbar (vgl. BGHZ 85,
116).
Der Einzelrichter des Oberlandesgerichts hat die Frage seiner originären
Zuständigkeit i.S. des § 568 Satz 1 ZPO im Verfahren über eine Beschwerde
gegen einen Beschluß des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen objektiv mit Recht als höchstrichterlich klärungsbedürftig angesehen, weil ein Zulassungsgrund i.S. des § 574 Abs. 2, 3 Satz 1 ZPO vorlag (zum weiten Begriff
der "grundsätzlichen Bedeutung" i.S. von § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO: BGH, Beschl.
v. 13. März 2003 aaO). Die seit Inkrafttreten der neuen Zivilprozeßordnung aufgetretene Frage der Anwendbarkeit des § 568 Satz 1 ZPO auf erstinstanzliche
Entscheidungen des Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen ist nicht
nur in der prozeßrechtlichen Literatur, sondern insbesondere in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (gegen eine Behandlung des Vorsitzenden
einer Kammer für Handelssachen als Einzelrichter i.S. des § 568 Satz 1 ZPO:
OLG Karlsruhe, NJW 2002, 1962; OLG Frankfurt [5. Zivilsenat], OLGReport
2002, 250 ff.; OLG Zweibrücken NJW 2002, 2722; OLG Celle, Beschl. v.
25. September 2002 - 11 W 45/02, veröffentl. in juris; OLG Schleswig, OLGReport 2003, 192 [6. Zivilsenat] sowie 278 [16. Zivilsenat]; Hartmann in Baumbach/Lauterbach,
ZPO
61. Aufl.
§ 349
Rdn. 1;
Albers
in
Baumbach/
Lauterbach aaO, § 568 Rdn. 2; Zimmermann, ZPO 6. Aufl. § 349 Rdn. 9 u.
§ 568 Rdn. 1; Zöller-Gummer, ZPO 24. Aufl. § 568 Rdn. 3 - unter Aufgabe der
in der Vorauflage vertretenen gegenteiligen Auffassung; dafür: OLG Köln,
OLGReport 2002, 344; OLG Dresden, OLGReport 2003, 452; OLG Frankfurt
[13. Zivilsenat], OLGReport 2003, 342; Thomas/Putzo-Reichold, ZPO 25. Aufl.
§ 568 Rdn. 2; Greger, NJW 2002, 3049, 3053; Fölsch, MDR 2003, 308 ff.;
-6-
Feskorn, NJW 2003, 856 f.). Danach hat die Sache nicht nur Grundsatzbedeutung im engeren Sinne des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, sondern bedarf im Sinne
der Nr. 2 dieser Vorschrift im Hinblick auf die bestehenden Divergenzen in der
Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Rechtsbeschwerdegericht. Diese seine eigene Entscheidungszuständigkeit - und damit
die Bestimmung des gesetzlichen Richters - betreffende Grundsatzfrage konnte
der Einzelrichter allerdings hier nicht auf dem im Gesetz vorgesehenen Wege
der gebotenen höchstrichterlichen Klärung zuführen. Hätte er nämlich gemäß
§ 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO das Verfahren "wegen Grundsätzlichkeit" dem Senatskollegium zur Entscheidung übertragen, so wäre dieses - kraft der bindenden,
aufdrängenden Zuständigkeitsverschiebung - zur Entscheidung in der Sache
selbst zuständig geworden. Der Kollegialspruchkörper hätte dann die Rechtsbeschwerde wegen Grundsätzlichkeit nicht mehr zulassen dürfen, weil er durch
die Übertragung gesetzlicher Richter (geworden) und damit zugleich die Relevanz der - den Anlaß für die Übertragung des Verfahrens darstellenden Grundsatzfrage für die konkrete Entscheidung in der Sache selbst entfallen wäre (zum Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit im jeweils anhängigen
Rechtsstreit für die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung: st. Rspr., vgl.
BGH, Beschl. v. 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, WM 2002, 2344, 2347 - z. Veröffentl. in BGHZ 152, 182 bestimmt; BGH, Beschl. v. 7. Januar 2003
- X ZR 82/02, WM 2003, 402, 403 - z. Veröffentl. in BGHZ 153, 254 bestimmt).
Eine derartige - vom Reformgesetzgeber offenbar nicht bedachte - Situation
entspricht ersichtlich nicht dem u.a. mit der Neuregelung des § 568 Satz 2 Nr. 2
ZPO verfolgten Ziel, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auch im Bereich von Nebenentscheidungen einer - erforderlichen - Klärung durch den
Bundesgerichtshof zugänglich zu machen (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 58, 59,
69). In einer derartigen Sondersituation erweist sich die Entscheidung des Ein-
-7-
zelrichters, entsprechend dem Ziel des Reformgesetzgebers die Klärung der
Grundsatzfrage durch den Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht
- unter Übergehung der an sich gesetzlich vorgeschriebenen Übertragung auf
den Senat gemäß § 568 Satz 2 ZPO - durch eine eigene Zulassungsentscheidung herbeizuführen, nicht objektiv als offensichtlich unhaltbar und außerhalb
der Gesetzlichkeit liegend.
b) Die angefochtene Entscheidung unterliegt jedoch deshalb der Aufhebung (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 1 ZPO), weil - wie die Beklagte zu Recht rügt über die Beschwerden gegen den Kostenbeschluß des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen das Beschwerdegericht nicht in der gemäß § 122 GVG
vorgeschriebenen Besetzung als Senatskollegium, sondern durch eines seiner
Mitglieder als Einzelrichter entschieden hat.
aa) Nach § 568 Satz 1 ZPO entscheidet das Beschwerdegericht nur
dann durch einen Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Hier hat indessen
in erster Instanz über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des Landgerichts (§ 349 Abs. 2 Nr. 6
ZPO) entschieden. Dieser ist nach der eindeutigen gesetzlichen Terminologie
des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozeßordnung aufgrund seiner
erstinstanzlichen Entscheidungstätigkeit kein "Einzelrichter". Die Verfahrensgesetze bezeichnen den entscheidungsbefugten Vorsitzenden der Kammer für
Handelssachen - anders als den Einzelrichter der Zivilkammer beim Landgericht (§§ 348, 348 a ZPO) und den als "Einzelrichter" entscheidenden Richter
beim Amtsgericht (§ 22 Abs. 4 GVG) - ausdrücklich nicht als "Einzelrichter",
sondern in seiner Funktion als Vorsitzenden (§ 105 Abs. 1 GVG, § 349 ZPO).
Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen verkörpert bei seiner
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Alleinentscheidung "als Vorsitzender" die Kammer als Prozeßgericht, "an deren
Stelle" er entscheidet (§ 349 Abs. 2, 3 ZPO); die die "Einzelrichter"-Befugnisse
des Richters der "normalen" Zivilkammer regelnden §§ 348, 348 a ZPO sind in
§ 349 Abs. 4 ZPO ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt worden. Im Hinblick
auf Rechtsmittel differenziert die Generalnorm des § 350 ZPO ebenfalls terminologisch strikt zwischen dem Einzelrichter (als Mitglied einer Zivilkammer) und
dem Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen, indem sie für die Anfechtung ausdrücklich von den Entscheidungen "des Einzelrichters (§§ 348, 348 a
ZPO)" und denen "des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen (§ 349
ZPO)" spricht. Soweit der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (ausnahmsweise) "echter" Einzelrichter sein soll, bezeichnet ihn das Gesetz auch
explizit so: Eine solche besondere Bestimmung des Vorsitzenden der Kammer
für Handelssachen als Einzelrichter findet sich ausschließlich im Rahmen der
Zuständigkeit als Berufungsgericht (§ 526 Abs. 4, 527 Abs. 1 Satz 2 ZPO), nicht
jedoch in der - im vorliegenden Fall einschlägigen - Zuständigkeitsnorm des
§ 568 ZPO für das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf seine erstinstanzliche
Entscheidung.
Demgegenüber läßt sich nicht etwa eine generelle Einstufung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen als Einzelrichter daraus ableiten, daß
der vierte Titel des ersten Abschnitts des zweiten Buches der ZPO, in dem sich
die ihn betreffende Regelung des § 349 ZPO befindet, mit "Verfahren vor dem
Einzelrichter“ überschrieben ist. Diese Überschrift stellt insofern lediglich ein
historisches Relikt dar, als der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen vor
Einführung des alleinentscheidenden Einzelrichters durch die sog. Einzelrichternovelle von 1974 ebenso (nur) vorbereitender Einzelrichter sein konnte wie
ein Mitglied einer Zivilkammer und in diesem Zusammenhang auch als Einzelrichter bezeichnet wurde (vgl. § 350 Abs. 2 ZPO in der vor 1975 geltenden Fas-
-9-
sung). Mit Einführung des alleinentscheidenden Einzelrichters bei den Zivilkammern wurde - unter Beibehaltung der lediglich vorbereitenden Alleinhandlungsbefugnisse des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen - die bis
heute gültige terminologische Unterscheidung in das Gesetz eingeführt, um
Verwechslungen zu vermeiden und der unterschiedlichen Funktion Rechnung
zu tragen (BT-Drucks. 7/2729, S. 83 sowie BT-Drucks. 7/2769, S. 13), ohne
gleichzeitig die Titelüberschrift zu ändern.
bb) Da die Verfahrensgesetze - nach dem klaren Willen des Gesetzgebers der Einzelrichternovelle 1974 - ausdrücklich zwischen dem Einzelrichter
und dem Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen unterscheiden, lassen
der eindeutige Wortlaut und -sinn des Begriffs "Einzelrichter" es nicht zu, den
Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen - etwa im Wege teleologischer
oder erweiternder Auslegung - als den in § 568 Satz 1 ZPO genannten (erstinstanzlichen) Einzelrichter anzusehen (insoweit zutreffend auch Fölsch aaO,
S. 310).
cc) Auch eine analoge Anwendung des § 568 Satz 1 ZPO kommt nicht in
Betracht. Der Senat vermag angesichts der aufgezeigten terminologischen Eindeutigkeit bereits eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht festzustellen; insbesondere ist ein Wille des Gesetzgebers, den Vorsitzenden der
Kammer für Handelssachen als Einzelrichter i.S. des § 568 Satz 1 ZPO zu behandeln, dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aus der Gesetzesbegründung
(BT-Drucks. 14/4722, S. 110 f.) geht im Gegenteil hervor, daß von der Neuregelung - neben Rechtspflegerentscheidungen - nur "amtsgerichtliche oder vom
Einzelrichter am Landgericht erlassene Entscheidungen" erfaßt werden sollen
und dementsprechend dort auch allein unter den Begriff der "Einzelrichterentscheidungen" subsumiert werden; daß etwa den Entwurfsverfassern - und dar-
- 10 -
auf aufbauend dem Gesetzgeber - die Tatsache unbekannt gewesen oder von
ihnen übersehen worden wäre, daß für den potentiellen Regelungsbereich der
neuen Vorschrift auch vom Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen in
seiner Funktion als ein alleiniger Entscheidungsträger getroffene Entscheidungen in Betracht gekommen wären, ist nicht ersichtlich. Dagegen spricht vielmehr, daß in der vergleichbaren, für das Berufungsverfahren geltenden Neuregelung der §§ 526 f. ZPO der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ausdrücklich als "Einzelrichter", jedoch begrenzt auf seine Entscheidungszuständigkeit als Berufungsrichter (vgl. §§ 526 Abs. 4, 527 Abs. 1 Satz 2 ZPO), bezeichnet wird, während eine terminologische Differenzierung in bezug auf die
angefochtene (erstinstanzliche) Entscheidung eines Einzelrichters (§ 526 Abs. 1
Nr. 1 ZPO) nicht erfolgt ist. Angesichts dessen läßt sich ein Analogieschluß
nicht damit rechtfertigen, daß eine Ausdehnung des § 568 Satz 1 ZPO auf Entscheidungen des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen möglicherweise
in das Generalkonzept des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Beschleunigung des Zivilprozesses passen würde. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, daß im Verhältnis zur generellen Regelung des § 122 GVG über die Entscheidungszuständigkeit des Kollegiums des Senats des Oberlandesgerichts
die Bestimmung des § 568 ZPO über die originäre Einzelrichterzuständigkeit
jedenfalls rechtstechnisch als Ausnahmevorschrift - mag sie auch tatsächlich
wegen der umgekehrten Situation in der ersten Instanz die Mehrzahl der
Rechtsmittelfälle erfassen - anzusehen und deshalb eng auszulegen ist. Einer
Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift über ihren klaren Wortlaut
hinaus steht aber vor allem die verfassungsmäßige Forderung entgegen, den
gesetzlichen Richter im voraus möglichst eindeutig zu bestimmen, Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG; für Zweckmäßigkeitserwägungen - insbesondere rechtspolitischer Natur - ist im Rahmen einer streng am Wortlaut des Gesetzes orientierten Anwendung einer Bestimmung über den gesetzlichen Richter - wie vorlie-
- 11 -
gend - kein Raum (vgl. z.B. BVerfGE 30, 149, 155; 30, 165, 168 - jew. zu § 23
Abs. 2 StPO; vgl. auch BGH, Urt. v. 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW
1981, 1273 f. - zu § 41 Nr. 6 ZPO).
3. Da das Beschwerdegericht demnach zu Unrecht durch den Einzelrichter gemäß § 568 Satz 1 ZPO anstelle des nach § 122 Abs. 1 GVG zur Entscheidung berufenen Kollegiums des Senats entschieden hat, war es nicht vorschriftsmäßig besetzt, §§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 1 ZPO (vgl. zum umgekehrten
Fall: BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003 - VIII ZB 56/02, MDR 2003, 645, 646;
vgl. auch Sen.Urt. v. 19. Oktober 1992 - II ZR 171/91, NJW 1993, 600 f. - zu
§ 524 Abs. 1 a.F. ZPO). Angesichts dieses absoluten Rechtsbeschwerdegrundes ist es unerheblich, ob sich der angefochtene Beschluß aus anderen Gründen in der Sache als richtig darstellen würde (vgl. § 577 Abs. 3 ZPO); denn
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unabhängig davon ist gemäß § 577 Abs. 4 ZPO der verfahrensfehlerhaft ergangene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das
zuständige
Senatskollegium
zurückzuverweisen
(vgl.
BGH,
Beschl.
v.
11. Februar 2003 aaO, m.w.N.).
Goette
Kurzwelly
Münke
Kraemer
Gehrlein